EGV-SZ 1994

[Entscheide Nr. 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66] 

 

B. REGIERUNGSRAT

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Verwaltungsverfahren

– Das schwyzerische Verwaltungsverfahrensrecht kennt kein beschleunigtes Verfahren (Erw. 2).
– Ein Beschwerdeführer nimmt in aller Regel dann sein Prozessrecht nicht rechtsmissbräuchlich wahr, wenn eine Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen ist (Erw. 4).

Aus den Erwägungen:

2. Die Beschwerdegegnerin 2 beantragt, die Beschwerdesache sei im «beschleunigten Verfahren» zu behandeln und verweist dabei auf Art. 4 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Diese besondere Verfahrensart kennt die Verordnung über die Verwaltungsrechtspflege vom 6. Juni 1974 (VRP, nGS II-225) nicht (im Gegensatz zu § 188 der Zivilprozessordnung vom 25. Oktober 1974 [ZPO, nGS II-211]). Gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK muss das Verfahren innert angemessener Frist bzw. gemäss Art. 4 BV in einer jegliche Rechtsverzögerung ausschliessenden Weise abgewickelt werden (Mark E. Villiger, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention [EMRK], Zürich 1993, S. 264ff.). Diese Anforderungen an die Durchführung des Verfahrens sind vorliegend erfüllt, so dass darauf nicht weiter einzugehen ist.

4. a) Vor Erlass eines Entscheides prüft die Behörde von Amtes wegen, ob die Voraussetzungen für einen Sachentscheid erfüllt sind. Sie prüft u.a. die Beschwerdebefugnis (§ 27 Abs. 1 lit. d VRP). Ist eine Sachentscheidsvoraussetzung nicht gegeben, trifft die Behörde einen Nichteintretensentscheid (§ 27 Abs. 2 VRP). Die Beschwerdegegnerin 2 wirft dem Beschwerdeführer rechtsmissbräuchliches Verhalten vor. Seine Beschwerdeführung beruhe auf sachfremden Motiven, weil er damit in erster Linie den Erwerb der (Rest-)Liegenschaft Kat.-Nr. 767 mit dem darauf stehenden alten Wohnhaus durchsetzen wolle. Da ihm deswegen das schützenswerte Interesse und damit die Beschwerdebefugnis abzusprechen sei (§ 37 lit. a VRP), könne auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.

b) Offensichtlicher Rechtsmissbrauch findet weder im Privatrecht, noch im öffentlichen Recht, noch im Prozessrecht Rechtsschutz (VGE 517/94 vom 10. Juni 1994 mit Hinweis auf BGE 111 Ia 150). Das Rechtsmissbrauchsverbot ist Teil des Grundsatzes von Treu und Glauben. Rechtsmissbrauch liegt insbesondere dann vor, wenn ein Rechtsinstitut zweckwidrig zur Verwirklichung von Interessen verwendet wird, die dieses gar nicht schützen will (Häfelin/Müller, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 2. Auflage, Zürich 1993, Rz. 597f.). Dies wirft die Beschwerdegegnerin 2 dem Beschwerdeführer vor, weil dieser die Einsprache- bzw. Beschwerdemöglichkeit missbrauche, um ein Handänderungsgeschäft zu erzwingen und seine eigene Nachbarliegenschaft zu arrondieren. Es gehe ihm gar nicht um die Beeinträchtigung seines Grundeigentums durch das geplante Bauvorhaben. Der Beschwerdeführer bestreitet dies.

c) Der Beschwerdeführer hatte mit Schreiben vom 6. Februar 1991 der Beschwerdegegnerin 2 gegenüber die Erklärung abgegeben, gegen ein künftiges Bauvorhaben auf den heutigen Baugrundstücken keine Einsprache zu erheben, «solange die gesetzlichen und baureglementarischen Bestimmungen eingehalten werden». Der Beschwerdeführer setzt sich mit der Beschreitung des Rechtsweges nicht in Widerspruch zu jenem Versprechen, denn seiner Ansicht nach ist die damals ausbedungene Voraussetzung für sein Stillhalten, nämlich die Rechtskonformität des Bauvorhabens, gerade nicht erfüllt (im Gegensatz zu dem von der Beschwerdegegnerin 2 angeführten Fall in EGV-SZ 1983, S. 135f.). Dass der Beschwerdeführer sich trotz jener Abmachung berechtigt fühlen durfte, gegen das Vorhaben der Beschwerdegegnerin 2 vorzugehen, ergibt sich schon allein aus der Tatsache, dass der gesetzliche Gebäudeabstand massiv unterschritten wird. Mit einem Baudispens musste er im damaligen Zeitpunkt nicht zum vornherein rechnen.

d) Dem Beschwerdeführer ist das massgebliche Rechtsschutzinteresse gemäss § 37 lit. a VRP als unmittelbarer Nachbar einer nutzbaren Liegenschaft ohne weiteres zuzusprechen. Als solcher ist er grundsätzlich daran interessiert, dass auf dem Nachbargrundstück rechtskonform gebaut wird, und zwar unabhängig davon, wie stark er durch das Bauvorhaben direkt betroffen wird. Ob seine Einwände in bezug auf die befürchtete Benutzung von Abstellmöglichkeiten auf seinem Grundstück durch Bankkunden und den Entzug von Licht, Sonne und freie Sicht durch das Bauvorhaben stichhaltig sind, ist eine Frage des materiellen Rechts und im Zusammenhang mit der Eintretensfrage irrelevant (EGV-SZ 1987, Nr. 3 mit Hinweisen). Da seine Vorbringen zudem nicht als aussichtslos bezeichnet werden können, kann ihm kein rechtsmissbräuchliches Verhalten unterstellt werden, auch wenn ihm im Hinblick auf seine Kaufabsichten die Möglichkeit von prozessualen Schritten nicht unwillkommen gewesen sein mögen. Das Bundesgericht hat es nicht als sittenwidrig und damit rechtsmissbräuchlich bezeichnet (Art. 20 Abs. 1 OR, Art. 2 ZGB), wenn ein berechtigter Baueinsprecher mit nicht aussichtslosen Prozesschancen sich den Verzicht auf seine Opposition finanziell abgelten lässt (BGE 115 II 232). Dies ist um so weniger dann der Fall, wenn sich mit dem Einsprecher zu diesem Zweck ein Geschäft abwickeln lässt, für das jener bereit ist, eine angemessene Gegenleistung zu erbringen. Dies trifft vorliegend zu. Der Beschwerdeführer wollte die Nachbarliegenschaft zu einem reellen Preis erwerben.

(RRB Nr. 1703 vom 13. September 1994).

 

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Verwaltungsverfahren

– Verwaltungsbehördliche und verwaltungsgerichtliche Rechtsmittelentscheide unterliegen grundsätzlich einem Wiedererwägungsverbot, sobald sie rechtskräftig sind (Erw. 1).
– Ein Beschwerdeentscheid des Regierungsrates betreffend die Stundung von Abgaben wird mit der Zustellung rechtskräftig; eine spätere Wiedererwägung ist nicht mehr zulässig (Erw. 2).
– Auf den Beschwerdeentscheid kann nur zurückgekommen werden, wenn Revisionsgründe vorliegen (Erw. 3).

Aus den Erwägungen:

1. Verfügungen können auf Gesuch einer Partei oder von Amtes wegen von der erlassenden Behörde oder der Aufsichtsbehörde ausserhalb eines Revisionsverfahrens abgeändert oder aufgehoben werden, wenn sich die Verhältnisse geändert haben oder erhebliche öffentliche Interessen es erfordern und dabei der Grundsatz von Treu und Glauben nicht verletzt wird (§ 34 Abs. 1 Verordnung über die Verwaltungsrechtspflege vom 6. Juni 1974, VRP, nGS II-225). Die Behörde ist nicht verpflichtet, auf das Wiedererwägungsgesuch einzutreten (§ 34 Abs. 2 VRP).

Lehre und Rechtsprechung nehmen an, dass verwaltungsbehördliche und verwaltungsgerichtliche Rechtsmittelentscheide einem Wiedererwägungsverbot unterliegen und unwiderruflich sind (vgl. Ursina Beerli-Bonorand, Die ausserordentlichen Rechtsmittel in der Verwaltungsrechtspflege des Bundes und der Kantone, Diss. Zürich 1985, S. 56 und 171 mit Hinweisen auf die entsprechende Literatur). Unwiderruflichkeit tritt aber erst ein, wenn der Entscheid formell rechtskräftig geworden ist. Ist ein Beschwerdeentscheid angefochten worden und somit noch nicht rechtskräftig, kann die Behörde ihren angefochtenen Beschluss in Wiedererwägung ziehen und abändern. Schliesslich gilt es darauf hinzuweisen, dass die Verordnung über die Verwaltungsrechtspflege aufgrund des Wortlautes von § 28 lit. c von der Widerrufbarkeit auch von Entscheiden ausgeht (vgl. RRB Nr. 1149 vom 30. Juni 1992).

2. Beim Regierungsratsbeschluss, welcher dem Wiedererwägungsgesuch zugrunde liegt, handelt es sich um einen formell rechtskräftigen Entscheid, da dagegen kein ordentliches Rechtsmittel erhoben werden konnte, bzw. der Regierungsrat als letzte Instanz über die Sache (Steuerstundung) entschied (vgl. Häfelin/Müller, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 2.A. Zürich 1993, N 803; § 54 lit. d VRP). Die formelle Rechtskraft trat mit der Zustellung des Entscheides an die Gesuchstellerin ein. Demzufolge ist von einem rechtskräftigen Entscheid des Regierungsrates auszugehen, welcher unwiderruflich geworden ist. Auf das Wiedererwägungsgesuch vom 6. Mai 1994 kann somit nicht eingetreten werden. Es bestünde alsdann auch keine Veranlassung, den regierungsrätlichen Entscheid in Wiedererwägung zu ziehen, da die Voraussetzungen von § 34 Abs. 1 VRP offensichtlich nicht erfüllt sind.

3. Auch als Revisionsbegehren kann die Eingabe der Gesuchstellerin nicht entgegengenommen werden. Revisionsgründe im Sinne von § 61 VRP werden nämlich weder geltend gemacht noch sind solche ersichtlich. Die Gesuchstellerin bringt im wesentlichen die gleichen Gründe bzw. das gleiche Monatsbudget vor, wie sie dies bereits anlässlich des Beschwerdeverfahrens tat. Von einer Beibringung neuer erheblicher Tatsachen oder Beweismittel, die früher trotz zumutbarer Sorgfalt nicht beigebracht werden konnten, kann nicht die Rede sein. Sodann kann nicht gesagt werden, der regierungsrätliche Entscheid sei mit wesentlichen formellen Mängeln behaftet bzw. materiell unrichtig.

(RRB Nr. 976 vom 31. Mai 1994).

 

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Zivilrecht

– Für die Anordnung von Kindesschutzmassnahmen sind die Gerichte und Verwaltungsbehörden des Staates zuständig, in welchem der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Erw. 2).
– Wird ein Kind entführt, so hat es in der Regel seinen gewöhnlichen Aufenthalt weiterhin am bisherigen Aufenthaltsort (Erw. 3).
– Die Bestellung eines Vertretungsbeistandes ist angezeigt, wenn gegen den Inhaber der elterlichen Gewalt wegen Kindsentführung strafrechtlich ermittelt wird (Erw. 6).
– Was kann die zuständige Vormundschaftsbehörde unternehmen, wenn ein Kind in Widerspruch zu einer Kindesschutzmassnahme ins Ausland verbracht wird? (Erw. 7).

Aus dem Sachverhalt:

Die Mutter von Z., welchletztere als türkische Staatsangehörige 1987 in der Schweiz zur Welt kam, wurde 1991 wegen Geisteskrankheit entmündigt. In der Folge entzog die Vormundschaftsbehörde der St. Galler Gemeinde A. den Eltern die elterliche Obhut. Im darauffolgenden Jahr wurde die Ehe geschieden. Kurz danach übernahm die Vormundschaftsbehörde der Schwyzer Gemeinde B. die Kindesschutzmassnahmen zur Weiterführung. Nachdem der Vater von Z. diese im September 1993 in die Türkei zu seinen Eltern gebracht hatte, erstattete der Amtsvormund der Gemeinde B. Strafanzeige wegen Entziehung und Vorenthaltung eines Minderjährigen und Entführung von Z. Ende 1993 bestätigte die Vormundschaftsbehörde B. die Kindesschutzmassnahmen. Gleichzeitig wurde für Z. ein Prozessbeistand in die Strafuntersuchung gegen ihren Vater bestellt. Der Beschluss wurde beim Regierungsrat mit Beschwerde angefochten. Der Regierungsrat wies die Beschwerde ab, soweit er darauf eintrat.

Aus den Erwägungen:

2. Das Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht vom 18. Dezember 1987 (IPRG, SR 291) regelt im internationalen Verhältnis die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte oder Behörden und das anzuwendende Recht (Art. 1 Abs. 1 lit. a und b IPRG). Völkerrechtliche Verträge bleiben dabei vorbehalten (Art. 1 Abs. 2 IPRG). Mit Hinblick auf die Wirkungen des Kindesverhältnisses enthalten die Art. 79 bis 84 IPRG genauere Vorschriften, wobei die Bestimmung über den Schutz Minderjähriger (Art. 85 IPRG) sowohl hinsichtlich der Zuständigkeit (Art. 79 Abs. 2 IPRG) als auch hinsichtlich des anwendbaren Rechts (Art. 82 Abs. 2 IPRG) vorbehalten bleibt.

a) Nach Art. 85 Abs. 1 IPRG gilt für den Schutz von Minderjährigen in bezug auf die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte oder Behörden, das anwendbare Recht und die Anerkennung ausländischer Entscheidungen oder Massnahmen des Haager Übereinkommens vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (Minderjährigenschutz-Übereinkommen, MSA, SR 0.211.231.01). Diesem Abkommen sind sowohl die Türkei als auch die Schweiz beigetreten, und dieses ist zwischen den beiden Staaten am 12. April 1986 in Kraft getreten (vgl. Kurt Siehr, IPRG-Kommentar, N 5 zu Art. 85 IPRG; Fussnoten 2 und 3, S. 8 des in der Systematischen Sammlung des Bundesrechtes abgedruckten Übereinkommens).

b) Die Gerichte und Verwaltungsbehörden des Staates, in dem ein Minderjähriger seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sind, unter Vorbehalt der Bestimmungen der Artikel 3, 4 und 5 Abs. 3 zuständig, Massnahmen zum Schutze der Person oder des Vermögens des Minderjährigen zu treffen (Art. 1 MSA). Die Bestellung eines Prozessbeistandes gemäss Art. 392 ZGB zählt ebenso zu den in Art. 1 MSA erwähnten Schutzmassnahmen wie die Ernennung eines Erziehungsbeistandes gemäss Art. 308 ZGB oder die Aufhebung der elterlichen Obhut und die Fremdplazierung eines Kindes bei einer Pflegefamilie nach Massgabe von Art. 310 ZGB (Siehr, a.a.O., N 13 zu Art. 85 IPRG).

c) Gemäss Art. 1 MSA sind die Gerichte und Verwaltungsbehörden des Staates, in dem der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, zur Anordnung von Schutzmassnahmen zuständig. Die örtliche Zuständigkeit der Vorinstanz zur Bestellung eines Prozessbeistandes hängt somit davon ab, ob Z. im Zeitpunkt der Fällung des angefochtenen Beschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz gehabt hat. Die örtliche Zuständigkeit der Vorinstanz kann nur dann verneint werden, wenn es eben an diesem gewöhnlichen Aufenthalt von Z. in der Schweiz gefehlt haben sollte.

d) In bezug auf die Ernennung eines Erziehungsbeistandes, die Entziehung der elterlichen Obhut und die Fremdplazierung war die Zuständigkeit der schweizerischen Behörden unbestritten gegeben, da sich Z. damals noch in der Schweiz aufhielt. Da die zuständigen Behörden die in ihrem innerstaatlichen Recht vorgesehenen Massnahmen treffen (Art. 2 Abs. 1 MSA), sind die von den Schweizer Behörden damals angeordneten Kindesschutzmassnahmen rechtskräftig und verbindlich. Überdies gilt es zu berücksichtigen, dass bei Verlegung des gewöhnlichen Aufenthaltes eines Minderjährigen aus einem Vertragsstaat in einen anderen die von den Behörden des Staates des früheren gewöhnlichen Aufenthaltes getroffenen Massnahmen so lange in Kraft bleiben, bis die Behörden des neuen gewöhnlichen Aufenthaltes sie aufheben oder ersetzen (Art. 5 Abs. 1 MSA). Auf die Möglichkeiten der Durchsetzung dieser Kindesschutzmassnahmen wird weiter unten noch näher eingegangen.

3. a) Das Bundesgericht hat in zwei Fällen festgestellt, dass die Voraussetzung des gewöhnlichen Aufenthaltes in der Schweiz nicht leichthin anzunehmen sei und zwar um so weniger, wenn ein widerrechtliches Vorenthalten eines Kindes nach Art. 3 Abs. 1 lit. a des Haager Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (Entführungsübereinkommen, das für die Schweiz am 1. Januar 1984 in Kraft getreten ist; SR 0.211.230.02) vorliegt, das als eine Form von Kindesentführung betrachtet wird (BGE 117 II 337; 109 II 381). Diese beiden Entscheide bezogen sich auf Fälle, in denen sich das Kind ohne Zustimmung des im Ausland wohnhaften Inhabers der elterlichen Gewalt beim anderen Elternteil in der Schweiz aufhielt.

Dieselbe Zurückhaltung bei der Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen des gewöhnlichen Aufenthaltes in der Türkei erfüllt sind, muss auch auf den vorliegenden Fall Anwendung finden. Da das Kind von der Schweiz in die Türkei verbracht worden ist, liegt eine Entführung im Sinne des genannten Haager Entführungsübereinkommens vor. Das Verbringen oder Zurückbehalten eines Kindes gilt nämlich dann als widerrechtlich, wenn dadurch das Sorgerecht verletzt wird, das u.a. einer Behörde oder sonstigen Stelle allein oder gemeinsam nach dem Recht des Staates zusteht, in dem das Kind unmittelbar vor dem Verbringen oder Zurückbehalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Art. 3 Abs. 1 lit. a des Entführungsübereinkommens). Das Sorgerecht im Sinne dieses Übereinkommens umfasst die Sorge für die Person des Kindes und insbesondere das Recht, den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen (Art. 5 lit. a des Entführungsübereinkommens). Eben gerade dieses Recht, den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen, war dem Beschwerdeführer durch die rechtskräftige Aufhebung der elterlichen Obhut und die Fremdplazierung entzogen und der Vormundschaftsbehörde übertragen worden. Mithin ist der Entführungstatbestand dieses Übereinkommens erfüllt. [Diese Definition ist nicht identisch mit dem in Art. 183 StGB umschriebenen strafrechtlichen Tatbestand der Entführung.] Auch wenn die Türkei dem Entführungsübereinkommen nicht beigetreten ist, muss dieses bei der Beurteilung der Frage nach dem gewöhnlichen Aufenthalt beigezogen werden. Liegt ein Fall von Kindesentführung gemäss der in diesem Übereinkommen enthaltenen Definition vor, so ist nur mit Zurückhaltung von einem gewöhnlichen Aufenthalt im Land des Verbringens oder Zurückbehaltens auszugehen.

b) Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes wird im Minderjährigenschutz-Übereinkommen selber nicht näher definiert. Für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltes kommt es auf den tatsächlichen Lebensmittelpunkt der eigenen Lebensführung an. Über die Qualität des Lebensmittelpunktes entscheiden verschiedene Faktoren der sozialen Eingliederung des Kindes in seine Umgebung (z.B. Kindergarten, Schule, Jugendverbände, Kirche, Eltern und Verwandte). Der gewöhnliche Aufenthalt wird nicht von einem Elternteil rechtlich abgeleitet. Ebenso kommt es in der Regel nicht allein auf die Dauer des Aufenthaltes an. Ein Kind erwirbt mit einem normalen Umzug sofort einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt am neuen Aufenthaltsort, wobei dieser Grundsatz nicht gilt, wenn das Kind an den neuen Aufenthaltsort entführt worden ist. Bei Entführung ins Ausland behält das Kind zunächst noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (Siehr, a.a.O., N 15 und N 27 zu Art. 85 IPRG).

c) Im vorliegenden Fall hat sich Z. seit der Geburt mehrheitlich in der Schweiz aufgehalten. Sie wurde am 26. September 1993 von ihrem Vater vom Pflegeplatz weggenommen und vermutlich gegen ihren Willen in die Türkei zu den Eltern des Beschwerdeführers verbracht. Sie befand sich zum Zeitpunkt der Fällung des angefochtenen Beschlusses also seit höchstens 3 Monaten in der Türkei. Diese Zeitdauer erweist sich als zu gering, um den gewöhnlichen Aufenthalt des Mädchens bei den Grosseltern in der Türkei begründen zu können (vgl. BGE 117 II 338, wo eine Zeitdauer von dreieinhalb Monaten ebenfalls als zu kurz angesehen wurde). Zwar kann ein gewöhnlicher Aufenthalt auch begründet werden, wenn ein Entführungsfall gemäss dem Entführungsübereinkommen vorliegt. Indes muss darauf hingewiesen werden, dass beim widerrechtlichen Vorenthalten eines Kindes gegenüber dem Inhaber der elterlichen Gewalt oder einer Behörde, der das Sorgerecht zusteht, die Voraussetzung des gewöhnlichen Aufenthaltes nicht leichthin als gegeben zu betrachten ist. Mit der unberechtigten Entfernung des Kindes von seinem bisherigen Aufenthaltsort wird sein Lebensmittelpunkt schon deshalb nicht ohne weiteres an den neuen Aufenthaltsort verlegt, weil der Inhaber der elterlichen Gewalt oder die Behörde die Möglichkeit haben, sich gegen die Vorenthaltung des Kindes zur Wehr zu setzen (BGE 117 II 338).

d) Im vorliegenden Fall ist deshalb davon auszugehen, dass Z. ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Fällung der angefochtenen Verfügung nach wie vor in der Schweiz hatte. Dies ist um so mehr anzunehmen, als auch der Vater als Inhaber der elterlichen Gewalt seinen Wohnsitz in der Schweiz hat. Deshalb hat die Vorinstanz zu Recht ihre Zuständigkeit bejaht, weshalb die Beschwerde in diesem Punkt unbegründet ist.

4. Die Zuständigkeit der Schweizer Behörden ist noch aus anderen Gründen als gegeben zu betrachten.

a) Von den Bestimmungen des Minderjährigenschutz-Übereinkommens darf in den Vertragsstaaten nur dann abgewichen werden, wenn ihre Anwendung mit der öffentlichen Ordnung offensichtlich unvereinbar ist (Art. 16 MSA).

Es würde nun offensichtlich gegen die öffentliche Ordnung verstossen, wenn der gewöhnliche Aufenthalt an jenem Ort angenommen würde, wohin das Kind gegen seinen Willen und entgegen rechtskräftiger und verbindlicher Kindesschutzmassnahmen (Aufhebung der elterlichen Obhut, Fremdplazierung) verbracht worden ist. Dies gilt um so mehr, wenn der Inhaber der elterlichen Gewalt nicht am selben Ort wie das Kind wohnt, sondern seinen Wohnsitz nach wie vor in der Schweiz hat. In einer solchen Situation muss angenommen werden, dass das Vorgehen des Inhabers der elterlichen Gewalt einzig und allein darauf abzielt, das Kind dem Einfluss der Schweizer Behörden zu entziehen und die angeordneten Kindesschutzmassnahmen zu unterlaufen. Unter dem Aspekt des ordre public würde sich im Hinblick auf die Zuständigkeit zur Bestellung eines Prozessbeistandes eine Abweichung von den Vorschriften des MSA aufdrängen, wenn gestützt auf Art. 1 MSA angenommen werden müsste, der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes liege in der Türkei.

b) Die Art. 8 und 9 MSA sehen bei Gefährdung der Person oder des Vermögens des Minderjährigen oder in dringenden Fällen die Zuständigkeit für Schutzmassnahmen die Behörden jenes Vertragsstaates vor, in dem der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 8 MSA) bzw. in dessen Gebiet sich der Minderjährige oder ihm gehörendes Vermögen befindet (Art. 9 MSA). Diese Bestimmungen kommen aber vorliegend nicht zur Anwendung, da die Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Weder bedarf das Vermögen von Z. des Schutzes noch befindet sie sich in der Schweiz. Indes bezeichnet Art. 85 Abs. 3 IPRG die schweizerischen Gerichte und Behörden als zuständig, wenn es für den Schutz einer Person oder deren Vermögen unerlässlich ist. Nach dem Wortlaut von Art. 85 Abs. 3 IPRG ist es dabei nicht erforderlich, dass sich die zu schützende Person in der Schweiz befindet. Diese Bestimmung geht der allgemeinen Notzuständigkeit von Art. 3 IPRG vor (Siehr, a.a.O., N 76 zu Art. 85 IPRG). Wie nachstehend noch ausgeführt wird, war die Bestellung eines Prozessbeistandes für Z. für die Wahrung ihrer Rechte erforderlich. Demzufolge wäre eine Zuständigkeit der Vorinstanz auch gestützt auf Art. 85 Abs. 3 IPRG zu bejahen.

6. Die nach Art. 1 MSA zuständige Behörde trifft die in ihrem innerstaatlichen Recht vorgesehenen Massnahmen (Art. 2 MSA).

Nach Art. 392 Ziff. 2 ZGB (vgl. auch Art. 306 Abs. 2 ZGB) ernennt die Vormundschaftsbehörde einen Beistand, wenn der gesetzliche Vertreter einer unmündigen Person in einer Angelegenheit Interessen hat, die denen des Vertretenen widersprechen. Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Verbeiständung nach Ziff. 2 schon durch die blosse Möglichkeit der Gefährdung der Interessen des Vertretenen geboten; die theoretische, abstrakte Gefährdung genügt (vgl. Schyder/Murer, Berner Kommentar, N 84 zu Art. 392; BGE 118 II 104).

Da der Beschwerdeführer seine Tochter in die Türkei verbracht hat, ermitteln die Strafuntersuchungsbehörden des Kantons Schwyz gegen diesen in einem Strafverfahren betreffend Freiheitsberaubung und Entführung. Es liegt nun auf der Hand, dass sich die Interessen des Beschwerdeführers als potentieller Täter und die Interessen der unter seiner elterlichen Gewalt stehenden Tochter als potentielles Opfer widersprechen. Je nach Ausgang des Strafverfahrens wird der Beistand dann weitere, im Interesse des Kindes liegende Schritte zu unternehmen haben. Ohne einen Beistand würde das Kind auch das Ergebnis des Strafverfahrens wohl nie zur Kenntnis erhalten. Die Bestellung eines Prozessbeistandes erweist sich als gerechtfertigt. Indes ist die Vorinstanz darauf hinzuweisen, dass dieser die Interessen des Kindes (und nicht diejenigen der Vorinstanz) zu wahren hat. Die Beschwerde ist somit auch in diesem Punkt unbegründet.

7. a) Wird ein Kind in Widerspruch zu einer durch die zuständige Behörde angeordneten Kindesschutzmassnahme ins Ausland verbracht oder dort zurückgehalten, so hat die zuständige Behörde verschiedene Reaktionsmöglichkeiten. Sie muss prüfen, ob eine Rückführung des Kindes gestützt auf das Europäische Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgerechts vom 20. Mai 1980 (SR 0.211.230.01) oder gestützt auf das bereits erwähnte Haager Entführungsübereinkommen möglich ist. [Für diesen Fall ist von Bedeutung, dass die Türkei diesen beiden Übereinkommen nicht beigetreten ist und diese folglich keine Anwendung finden.]

Das Minderjährigenschutz-Übereinkommen regelt das Problem der Kindesentführung nicht eigens. Art. 5 MSA sieht bloss vor, dass bei einer Kindesentführung von einem Vertragsstaat in einen anderen die behördlichen Massnahmen desjenigen Staates, in dem der Entführte gewöhnlich lebte, so lange in Kraft bleiben, als sie nicht durch die Behörden am neuen Aufenthaltsort aufgehoben oder ersetzt werden. Die Massnahmen, welche die nach den vorstehenden Bestimmungen dieses Übereinkommens zuständigen Behörden getroffen haben, werden in allen Vertragsstaaten anerkannt. Erfordern diese Massnahmen jedoch Vollstreckungshandlungen in einem anderen Staate als im Staat, in dem sie getroffen worden sind, so bestimmen sich ihre Anerkennung und Vollstreckung entweder nach dem innerstaatlichen Recht des Staates, in dem die Vollstreckung beantragt wird oder nach internationalen Übereinkünften (Art. 7 MSA). Dadurch ist zwar die Anerkennung von Entscheidungen durch das Minderjährigenschutz-Übereinkommen gesichert, aber die Vollstreckung unterliegt dem internen Recht jedes Vertragsstaates (Schnyder/Murer, a.a.O., N 40 und 42 zum systematischen Teil IPR). Die Anerkennung nach Art. 7 Satz 1 MSA hindert freilich nicht, dass eine Schutzmassnahme wegen veränderter Umstände abgeändert und dabei vorher wie nachher die internationale Rechtshilfe ausländischer Behörden durch Meinungsaustausch und Information in Anspruch genommen wird (Siehr, a.a.O., N 33 zu Art. 85 IPRG).

b) Im Hinblick auf das in der Beschwerde gestellte Gesuch um Aufhebung der bestehenden Kindesschutzmassnahmen wird die Vorinstanz ihre Zuständigkeit prüfen und einen Sachentscheid fällen müssen. Dabei stellt sich die Frage, ob die Vorinstanz gemäss Art. 1 MSA für die Aufhebung des Obhutsentzuges und der Fremdplazierung örtlich überhaupt noch zuständig ist. Dem Beschwerdeführer bleibt es unbenommen, bei den türkischen Behörden die Aufhebung der erwähnten Kindesschutzmassnahmen zu beantragen (Art. 4 evtl. Art. 5 MSA). Letztgenannte Behörden sind indes verpflichtet, die Vorinstanz vorher darüber zu informieren (Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 2, Art. 10 MSA). Wird nach wie vor eine Zuständigkeit der Schweizer Behörden angenommen, so ist zudem die sachliche Zuständigkeit zu prüfen (Art. 315 und 315a ZGB), nachdem die von der Vormundschaftsbehörde A. angeordneten Massnahmen im Scheidungsurteil des Bezirksgerichtes A. übernommen und bestätigt worden sind. Die Vorinstanz wird auf Art. 11 MSA hingewiesen, wonach die Behörden des Staates, dem der Minderjährige angehört, über die getroffenen Massnahmen zu informieren sind.

(RRB Nr. 396 vom 10. März 1994).

 

47

Schulrecht

– Erfüllt ein Kind die Promotionsvoraussetzungen für eine höhere Klasse, so kann eine Repetition nur mit Zustimmung der Eltern angeordnet werden. Verhältnis des schulischen Bildungsauftrages zu den elterlichen Erziehungsaufgaben.

Aus den Erwägungen:

2. a) Die Promotionsregelung für den vorliegenden Fall ergibt sich aus § 8 und § 9 Abs. 1, 3 und 4 (und § 14) der Weisungen über Schülerbeurteilung, Promotion und Übertritte an der Volksschule vom 3. Februar 1988 (nGS VI-660). Danach verfügt der Schulrat im Rahmen der Steignorm auf Antrag des Lehrers die Promotion bzw. Nichtpromotion der Schüler. Die Steignorm in der Primarschule ist die Note 3,5. Wer im Schlusszeugnis diese Steignorm nicht erreicht, steigt nicht in die nächsthöhere Klasse. Vorbehalten bleiben die Ausnahmeregelungen in § 8 Abs. 2 und § 12 der Weisungen. Schliesslich kann auf begründetes Gesuch der Eltern hin auch die freiwillige Repetition einer Klasse bewilligt werden.

b) Massgebendes Kriterium für die Promotion ist somit in erster Linie die Steignorm. Wer eine Note von 3,5 erreicht, steigt grundsätzlich in die nächsthöhere Klasse auf. Wer diese Leistung nicht erbringt, muss repetieren, es sei denn, besondere Gründe würden eine Beförderung trotzdem rechtfertigen, wobei zusätzliche Kriterien wie die Gesamtbeurteilung des Schülers, das Lehrerurteil, die Elternmeinung, die schulischen und ausserschulischen Förderungsmöglichkeiten mitzuberücksichtigen sind (§ 9 Abs. 4 in Verbindung mit § 8 Abs. 2 der Weisungen; in diesem Beschwerdeverfahren nicht von Interesse sind die in § 12 der Weisungen geregelten Sonderfälle, die ein bedingtes Aufsteigen gestatten).

Es fragt sich, ob die §§ 8f. der Weisungen auch den hier vorliegenden Fall regeln, wonach ein Schüler trotz Erreichen der Steignorm nicht in die nächsthöhere Klasse aufsteigen soll. Aufgrund des Wortlautes scheint dies fraglich zu sein, so dass nur eine freiwillige Repetition auf begründetes Gesuch der Eltern hin in Frage käme (§ 14 der Weisungen; s. auch nachstehend lit. c/aa). Nachdem diese jedoch vorliegend ihr ursprüngliches Einverständnis widerrufen haben, was sie mit dieser Verwaltungsbeschwerde unmissverständlich zum Ausdruck bringen, könnte M. nur noch zwangsweise zum nochmaligen Besuch der zweiten Primarschulklasse angehalten werden. Ob dies aufgrund von § 8 Abs. 2 der Weisungen überhaupt möglich ist, erscheint wie erwähnt zweifelhaft, muss hier jedoch nicht abschliessend beurteilt werden. Denn wie im folgenden zu zeigen sein wird, wären die Voraussetzungen für eine Nichtpromotion nicht erfüllt.

c) aa) Wie bereits erwähnt, erfüllt M. mit 3,7 die Steignorm (3,5). Der Erziehungsrat geht davon aus, dass in der Primarschule auch ein ungenügender Notendurchschnitt für das schulische Fortkommen nicht unbedingt ein Hindernis sein muss. Es dürfte deshalb in der Praxis ein seltener Fall sein, dass ein Kind mit einer ausreichenden Note ohne Einwilligung der Eltern nicht in die nächsthöhere Klasse aufsteigen kann, zumal sogar die Rückversetzung während des Schuljahres primär das Einverständnis der Eltern voraussetzt, und für den Fall ihres Widerstandes ein schulpsychologisches Gutachten vorgesehen ist (§ 11 Abs. 2 der Weisungen).

bb) Für den Entscheid, ob ein Kind trotz Erreichen der Steignorm eine Klasse zu wiederholen hat, ist deshalb der Meinung der Eltern entscheidendes Gewicht beizumessen. Dies ergibt sich auch aus § 14 der Weisungen, wonach die Eltern um ein freiwilliges Repetieren nachsuchen können. Zu beachten ist schliesslich, dass in erster Linie die Eltern zur Fürsorge und Erziehung der Kinder berufen sind, wobei sie vom Gemeinwesen in bezug auf die Elementarausbildung gestützt auf den verfassungsmässigen Bildungsauftrag nach Art. 27 Abs. 2 BV in diesem Bereich entlastet werden. Trotzdem liegt die Verantwortung für die allgemeine (und berufliche Ausbildung) nicht ausschliesslich in den Händen des Staates. Nach Art. 302 Abs. 2 ZGB haben die Eltern dem Kind eine angemessene, seinen Fähigkeiten und Neigungen soweit möglich entsprechende, allgemeine und berufliche Ausbildung zu verschaffen. Zu diesem Zwecke sollen sie in geeigneter Weise u.a. mit der Schule zusammenarbeiten (Art. 302 Abs. 3 ZGB). Von dieser partnerschaftlichen Zusammenarbeit geht auch die Schulgesetzgebung aus (vgl. den Zweckartikel § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Volksschulen vom 25. Januar 1973 [VSV; nGS VI-615], wonach die Volksschulen in Zusammenarbeit mit den Eltern und den Kirchen die Erziehung und Bildung der Jugend erstreben; § 36 VSV). Dennoch haben die Eltern insofern den Vorrang, als ihre Pflicht die ganze Erziehung erfasst, auch wenn sie die Ausbildung nicht selbst wahrnehmen müssen (Plotke, Schweizerisches Schulrecht, 1979, S. 25ff. und S. 328).

Wo deshalb ein Kind die Voraussetzungen für eine schulische Beförderung erfüllt, nach dem Urteil des Lehrers jedoch im eigenen Interesse das Schuljahr nochmals wiederholen sollte, muss den Eltern, die als Inhaber der elterlichen Gewalt für das Kind entscheiden, ein gewichtiges Wort zugestanden werden. Sie haben demzufolge auch die Verantwortung für diesen Entscheid und dessen Folgen für das Kind zu tragen. Ein Entscheid gegen die Eltern drängt sich hingegen dort auf, wo den Eltern offensichtlich nicht die Interessen des Kindes im Vordergrund stehen, oder wo eindeutig gegen dessen Interessen entschieden wird.

cc) Eine solche Annahme drängt sich im vorliegenden Fall nicht auf. Trotz ungenügender Schulleistungen erfüllt M. die Steignorm. Auch wenn möglicherweise die Wiederholung der zweiten Klasse für die Schülerin vorteilhaft wäre, weil damit mögliche Frustrationen, die bei weiteren schulischen Misserfolgen und einer allfälligen Rückversetzung während des Schuljahres (§ 11 Abs. 1 der Weisungen) zu befürchten sind, vermieden werden könnten, ist nicht zum vornherein anzunehmen, dass sie in der dritten Primarklasse scheitern muss. Auch wenn M. nach der Einschätzung des Lehrers über keine schulischen Reserven verfügt, ist dies kein ausreichender Grund für eine zwangsweise verordnete Repetition, auch wenn sie für die Schülerin vermutlich eine echte Chance wäre; denn der Erziehungsrat hätte sonst die Hürde höher setzen müssen (s. vorstehend lit. aa). Im weitern attestiert ihr auch der Klassenlehrer in verschiedenen Unterrichtsfächern gegen Ende des Schuljahres gewisse Fortschritte. Die Leistungen von M. haben sich somit gegen das Schuljahresende verbessert und nicht etwa verschlechtert, was ebenfalls eher für ein Reüssieren in der oberen Klasse spricht.

dd) Schliesslich sind auch die Voraussetzungen für ein vertrauensvolles Zusammenarbeiten zwischen Schule und Eltern offenbar nicht mehr gegeben. Die Eltern von M. sind überzeugt, dass ihr Kind bei einer andern Lehrkraft Fortschritte machen würde, wie die drei Wochen Unterricht bei einer Aushilfelehrerin gezeigt hätten. Mit dem Abschieben der Unzulänglichkeiten ihrer Tochter auf den Klassenlehrer macht es sich der Beschwerdeführer wohl zu einfach. Immerhin geht das Kind nun während zweier Jahren bei jenem zur Schule. Auf sein Fachurteil ist schon deshalb weit mehr Verlass, als auf die Einschätzung der Aushilfelehrerin, die lediglich während dreier Wochen unterrichtete. Auch der Schulinspektor hat, wie die Vorinstanz ausführt, die Empfehlung des Klassenlehrers, die zweite Primarschulklasse zu wiederholen, unterstützt.

Wie der Klassenlehrer in seiner Stellungnahme allerdings selbst ausführt, sei das Vertrauensverhältnis zwischen den Eltern und ihm «arg strapaziert», er werde deshalb eine andere Lösung, falls sich eine solche als geschickter erweise, auf jeden Fall akzeptieren.

Unter diesen Umständen scheint eine erspriessliche Zusammenarbeit zwischen dem Klassenlehrer und den Eltern von M., die im Interesse des Kindes notwendig ist, nicht mehr möglich. Jeder weitere Misserfolg ihres Kindes würde dem Lehrer angelastet. Die Beeinflussung des Kindes durch seine Eltern könnte für das Kind den Unterrichtsbesuch unerträglich machen und schlussendlich den eigentlichen Zweck der Repetition gefährden, was sich sowohl für die Schülerin wie auch für den Klassenlehrer negativ auswirken würde. Auch deshalb liegt im vorliegenden Fall die Beförderung der Schülerin zumindest vorläufig ebenfalls im Interesse ihrer selbst. Da die Bereitschaft zur Zusammenarbeit bei den Eltern fehlt, haben sie auch die Verantwortung für ein allfälliges Scheitern zu tragen.

Selbstverständlich bedeutet dies nicht, dass Eltern nun einfach mit entsprechender Kritik an der Lehrperson ihre eigenen Ziele und Vorstellungen über die Art und Weise der Elementarausbildung sollen durchsetzen können. Grundsätzlich obliegt diese Aufgabe dem Gemeinwesen. Nur dort, wo der Meinung der Eltern, wie dies vorliegend der Fall ist, ein grosses Gewicht zukommt, muss einer solchen Kritik im Interesse des Kindes und allenfalls auch der Lehrperson Rechnung getragen werden.

3. Aus all diesen Gründen ist M. in Gutheissung der Beschwerde die Promotion in die dritte Primarschulklasse zu gestatten.

(RRB Nr. 1462 vom 9. August 1994).

 

48

Schulrecht

– Ergebnisse einer Berufsabschlussprüfung werden vom Regierungsrat im Beschwerdeverfahren nur zurückhaltend überprüft (Erw. 2c).
– Gute schulische Leistungen vermögen nicht zwingend ungenügende Prüfungsleistungen auszugleichen (Erw. 3).
– Wer in Kenntnis einer bestehenden gesundheitlichen Störung eine Prüfung in Angriff nimmt oder fortsetzt und damit bewusst einen Misserfolg in Kauf nimmt, kann sich bei negativem Ausgang der Prüfung nicht mehr auf eine beeinträchtigte Leistungsfähigkeit berufen (Erw. 4).
– Behördliche Zusicherungen können nur dann verbindlich sein, wenn sie von der zuständigen Instanz ausgehen (Erw. 5).

Aus den Erwägungen:

1. a) Der Beschwerdeführer 1 hat die Lehrabschlussprüfung mit der Gesamtnote 4,4 abgeschlossen. Da er jedoch im doppelt zählenden Prüfungsfach «Praktische Arbeiten» mit 3,8 eine ungenügende Note aufweist, hat er die Prüfung nicht bestanden. Denn gemäss Art. 14 Abs. 3 des Reglementes über die Ausbildung und Lehrabschlussprüfung der Sanitärzeichner vom 26. September 1985 (nachstehend Reglement) dürfen weder die Fachnoten «Praktische Arbeiten» und «Berufskenntnisse» noch die Gesamtnote den Wert 4,0 unterschreiten. Die Beschwerdeführer verlangen auf dem Beschwerdeweg, dass die Prüfungsarbeit im Fach «Praktische Arbeiten» neu beurteilt werde und die Fachnote auf mindestens 4,0 anzuheben sei.

b) Gegen die Verfügung der Vorinstanz ist das Rechtsmittel der Verwaltungsbeschwerde an den Regierungsrat zulässig (vgl. § 54 der Verordnung über die Berufsbildung und Berufsberatung vom 19. Mai 1983 [VBB; nGS VI-680] und Art. 17 des Reglementes). Das Verfahren richtet sich dabei nach den §§ 35 bis 43 und insbesondere §§ 44 bis 49 der Verordnung über die Verwaltungsrechtspflege vom 6. Juni 1974 (VRP, nGS II-225).

c) Grundsätzlich steht dem Regierungsrat bei der Beurteilung von Verwaltungsbeschwerden eine umfassende Prüfungsbefugnis zu (§ 46 VRP). Bei Beschwerden gegen Prüfungs- und Promotionsentscheide auferlegt er sich aufgrund der besonderen Natur des Beurteilungsgegenstandes jedoch eine gewisse Zurückhaltung. Die Begründung liegt vorab darin, dass schulische Leistungen nicht ohne weiteres einer nachträglichen Bewertung unterzogen werden können. Die zur Beurteilung führende Situation ist unwiederbringlich. Ferner liegt die Beurteilung von Schulleistungen sowie der Entwicklungsaussichten von Schülern in der Verantwortung der Schulorgane. Ihr Entscheid ist ein auf besonderer Sachkenntnis beruhendes pädagogisches Werturteil, das einer Kontrolle durch eine Beschwerdeinstanz nur beschränkt zugänglich ist. Der Regierungsrat schreitet demnach nur ein, wenn entweder Verfahrensfehler vorliegen, die auf den Entscheid sich effektiv auswirken, oder wenn offensichtlich falsche Bewertungen vorgenommen worden sind, oder sich die verfügende Behörde von Erwägungen leiten liess, die keine oder keine massgebliche Rolle spielen dürfen (EGV-SZ 1987, Nr. 41, E. 4 mit Hinweisen; EGV-SZ 1981, Nr. 38; RRB Nr. 1661 vom 13. September 1994, E. 3a).

2. a) Der Beschwerdeführer 1 musste gemäss Art. 11 Abs. 2 des Reglementes im Prüfungsfach «Praktische Arbeiten» die sanitären Anlagen eines einfachen Bauobjektes (hier: zweigeschossiges Einfamilienhaus mit Gasheizung und direkt beheiztem Warmwasserspeicher, Sauna mit Dusche, Bad, Dusche, Küche mit Gasrechaud, Fäkalpumpenanlage für Apparate im EG) aufgrund eines Plansatzes im Massstab 1:50 mit Ausführungsplänen und technischen Erläuterungen projektieren (technische Disposition des Projektes [Pos. 1], Grössenbestimmung/Zeichnerische Ausführung des Projektes [Pos. 2]) sowie den Materialauszug, den Aussparungsplan und die Fabrikationszeichnung mit Stückliste erstellen [Pos. 3]. Die erwähnten drei Positionen wurden gemäss Art. 12f. des Reglementes bewertet und zwar beim Beschwerdeführer 1 mit den Noten 4,0, 4,0 und 3,5, was die Fachnote 3,8 ergab.

Die Beschwerdeführer beanstanden die Teilnote 2,0 für das Abwasserkonzept der Pos. 1 als unangemessen tief. Im weitern werde die Teilnote 3,0 für die zeichnerische Ausführung (Pos. 2) der Leistung des Prüflings nicht gerecht.

b) Wie bereits erwähnt, schreitet der Regierungsrat nur ein, wenn die Bewertung der Prüfungsaufgaben offensichtlich falsch ist, oder wenn sich die Prüfungsexperten von sachfremden Kriterien leiten liessen. Diese Beschränkung der Kognition drängt sich auch hier auf. Einmal fehlt dem Regierungsrat im Sanitärbereich das notwendige Fachwissen, um die Benotung einer Lehrabschlussprüfung einer befriedigenden Nachprüfung unterziehen zu können. Im weitern verfügt er auch nicht über die notwendigen Quervergleiche mit den Leistungen der andern Prüfungsabsolventen.

c) Zumindest bei einer solch eingeschränkten Überprüfungsbefugnis lässt sich die Benotung der vorerwähnten praktischen Prüfungsarbeiten nicht beanstanden. Die von den Experten dargestellten Mängel sind sehr zahlreich. Sie bezeichnen das Abwasserkonzept als sehr schwach und die zeichnerische Ausführung als unbefriedigend. Im einzelnen bringen sie folgende Beanstandungen an:

Abwasserkonzept

– Die Grundleitungen sind nicht, wie im Aufgabenbeschrieb verlangt, in einem separaten Plan eingezeichnet

– Sauna mit Bodenablauf

– Grundleitungsentlüftung fehlt

– Koten bei den Grundleitungen fehlen

– Grundleitungsanschluss extern wurde auf den Schlammsammler anstatt auf den Kontrollschacht angeschlossen

– Gebäudeaustritt nicht ausführbar

– Pumpendruckleitung nicht über die geforderte Höhe geführt

– Gesamte Ablaufleitungen für das Obergeschoss unbrauchbar, teilweise in Aussenwand geführt (Verstärkung der Aussenwand gefordert).

Zeichnerische Ausführung

Raumeinteilung:

– Apparateordnung unbrauchbar

– Distanz WC zu Wand = 20 cm

– Pissoir im geschlossenen Raum

– Raumtrennung für WC und Pissoir in dieser Art nicht ausführbar

Abwasser:

– Pissoiranschluss so nicht ausführbar

– Abstand der eingebauten Abzweige im Fallstrang zu klein

Wasser:

– Vorgeschriebene Gruppenabstellventile fehlen

– Schlechte, aufwendige Leitungsführung.

d) Diese festgestellten Mängel werden von den Beschwerdeführern nicht bestritten. Es ist auch für den Laien ersichtlich, dass die beanstandete Benotung dieser Prüfungsleistungen nicht offensichtlich falsch ist. Der Beschwerdeführer 1 hat grundlegende Fehler gemacht.

Die Beschwerdeführer machen geltend, dass anstelle der für die Planung von Haustechnikinstallationen notwendigen, klärenden Gespräche mit Architekt und Bauherr für eine Lehrabschlussprüfung klare Vorgaben im Aufgabenbeschrieb gegeben werden müssten, die vorliegend gefehlt hätten. Sofern der Aufgabenbeschrieb nicht klar war, hätte der Prüfungskandidat einerseits im Anlagebeschrieb auf zusätzlich noch abzuklärende Punkte hinweisen und anderseits sich aber für eine gangbare Lösung entscheiden müssen. Denn von einem Lehrling nach dem vierten Lehrjahr wird erwartet, dass er ein Projekt in allen Phasen selbständig bearbeiten und beim Planen und Berechnen die erlernten Kenntnisse zweckmässig anwenden kann (Art. 5 Abs. 2 «Viertes Lehrjahr» des Reglementes). Hiezu gehört auch, dass er von sich aus Varianten vorschlägt und Lösungen anbietet.

Wenn die Beschwerdeführer weiter die Ansicht vertreten, über die Apparateordnung könne man in guten Treuen geteilter Meinung sein, so mag dies bis zu einem gewissen Grad richtig sein. Vorliegend wird jedoch die Lösung des Beschwerdeführers 1 mit Grund als unbrauchbar taxiert. Soweit kann das Ermessen des Planers aber nicht gehen.

e) Zusammenfassend ergibt sich, dass die Aufgabenlösung im Prüfungsfach «Praktische Arbeiten» nicht offensichtlich falsch benotet worden ist. Im weitern ist auch nicht ersichtlich und wird von den Beschwerdeführern auch nicht geltend gemacht, dass sich die Prüfungsexperten bei der Bewertung der Leistungen des Beschwerdeführers 1 von sachfremden Kriterien leiten liessen. Schliesslich ist den Experten auch zuzustimmen, wenn sie ausführen, dass sie aus Gründen der Rechtsgleichheit die Prüfungsnote des Beschwerdeführers 1 nicht korrigieren konnten. Sie verfügen über die notwendigen Quervergleiche zu den übrigen Prüfungsarbeiten. Es ist mit dem Rechtsgleichheitsgrundsatz nicht zu vereinbaren, einem einzelnen Prüfling eine bevorzugte Behandlung zukommen zu lassen. Dies hätte zwangsläufig Benachteilungen anderer Schüler zur Folge.

3.) Die Beschwerdeführer weisen im weitern auf die ausgezeichneten Berufsschulzeugnisse des Beschwerdeführers 1 hin, der zudem lehrbegleitend die Berufsmittelschule absolviert habe, in der Zwischenzeit nach bestandener Aufnahmeprüfung das Technikum besuche und sogar im Rahmen eines Lehrlingswettbewerbs zusammen mit drei andern Lehrlingen einen Preis gewonnen habe (Werbekonzept für die Anwerbung von Lehrlingen). Das Nichtbestehen der Lehrabschlussprüfung sei schon deshalb völlig unerklärlich. Sinngemäss ergibt sich aus ihren Ausführungen, dass nicht aufgrund von Leistungen, die an einem ganz bestimmten, ungünstigen Tag erbracht werden müssten, die Weichen für die berufliche Laufbahn gestellt werden könnten.

Abgesehen davon, dass Letzteres nicht richtig ist, weil der Beschwerdeführer 1 die Prüfung ja in einem Jahr wiederholen kann, ist auch zu berücksichtigen, dass es für ihn und seine berufliche Laufbahn und seine Weiterbildung von Vorteil sein kann, wenn er und sein Lehrmeister in einem zusätzlichen Jahr eine vor allem praxisbezogene Ausbildung betreiben. Auf diese Weise können die Defizite, die der Beschwerdeführer 1 in der Umsetzung seiner guten theoretischen Kenntnisse in die Praxis offensichtlich aufweist, noch aufgeholt werden.

Schliesslich richtet sich die diesbezügliche Kritik der Beschwerdeführer an die Adresse des Gesetzgebers. Das massgebliche Reglement bestimmt, dass das Fähigkeitszeugnis lediglich aufgrund einer bestandenen Lehrabschlussprüfung, ohne Einbezug von Noten der Berufsschule, ausgehändigt wird (Art. 14). Zwar ist dies nicht zwingend. Art. 39 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Berufsbildung vom 19. April 1978 (BBG, SR 412.10) sieht u.a. vor, dass das Prüfungsreglement auch den Einbezug von Noten der Berufsschule regeln kann. Im weitern bestimmt gemäss Art. 32 Abs. 4 der Verordnung über die Berufsbildung vom 7. November 1979 (BBV, SR 412.101) das Prüfungsreglement, ob und in welchem Umfang Schulnoten bei der Prüfung berücksichtigt werden, und unter welchen Bedingungen die Prüfung als bestanden gilt. Für die Bewertung der Lehrabschlussprüfung wie auch die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde ist jedoch das geltende Reglement massgebend, wonach die Schulnoten für das Bestehen der Prüfung keine Rolle spielen. An dieses Reglement ist der Regierungsrat und waren die Prüfungsexperten gebunden. Die guten schulischen Leistungen des Beschwerdeführers 1 konnten deshalb von den Prüfungsexperten nicht in die Bewertung miteinbezogen werden. Auf die Kritik der Beschwerdeführer an dieser Regelung ist in diesem Beschwerdeverfahren nicht weiter einzugehen.

4.) Die Beschwerdeführer führen zusätzlich die ungünstige Situation, in der sich der Beschwerdeführer 1 im Zeitpunkt der Abschlussprüfung befunden habe, ins Feld. Kurz vorher sei er in einen Motorradunfall verwickelt gewesen und habe sich das Schlüsselbein gebrochen. Er habe zudem über längere Zeit schmerzstillende Medikamente einnehmen müssen, unter deren Einfluss er damals gestanden habe. Sinngemäss wird geltend gemacht, der Beschwerdeführer l sei aufgrund dieser Umstände so beeinträchtigt gewesen, dass er an der Abschlussprüfung seine normale Leistung nicht habe erbringen können. Diesen Umstand habe er verschwiegen, weil ein späterer Prüfungstermin seine Zulassung zum Technikum hätte gefährden können.

Damit hat der Beschwerdeführer 1 in Kenntnis allfälliger gesundheitlich bedingter Störungen an der Prüfung trotzdem teilgenommen. Er kann sich deshalb im nachhinein nicht mehr darauf berufen, sondern muss das Prüfungsergebnis akzeptieren. Denn es ist aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit nicht hinnehmbar, dass es ein Kandidat mit der Prüfung einfach einmal versucht, in der Erwartung, dass bei einem Misserfolg das Ergebnis nicht gewertet werde. In konstanter Rechtsprechung nehmen denn auch der Bundesrat sowie der Schweizerische Schulrat in ihrer Beschwerdepraxis an, dass das Risiko eines Misserfolges bewusst in Kauf nimmt, wer in Kenntnis einer bestehenden gesundheitlichen Störung eine Prüfung dennoch in Angriff nimmt oder fortsetzt (EGV-SZ 1987, Nr. 40 mit Hinweisen; RRB Nr. 1748 vom 22. Oktober 1991, E. 2). Auch wenn sich der Beschwerdeführer 1 dieser Konsequenzen nicht bewusst war, kann aufgrund seines damaligen gesundheitlichen Zustandes auf die beanstandete Benotung nicht zurückgekommen werden.

Selbst wenn damals die Leistungsfähigkeit tatsächlich reduziert gewesen wäre, lässt sich jedenfalls nicht sagen, wie sich dies notenmässig ausgewirkt hat. Schon deshalb kann eine bessere Bewertung der Prüfungsleistungen nicht in Frage kommen. Vielmehr käme höchstens die Annullierung und Wiederholung der Prüfung in Betracht. Darauf ist jedoch neben den bereits erwähnten Gründen auch deshalb zu verzichten, weil nicht feststeht, dass der Beschwerdeführer 1 im damaligen Zeitpunkt seine Möglichkeiten nicht ausschöpfen konnte. Der behandelnde Arzt spricht lediglich von der Möglichkeit einer negativen Beeinflussung des Prüfungsergebnisses durch die mit dem Schlüsselbeinbruch verbundenen Umstände (Arztzeugnis vom 14. September 1994). Eine generelle, schwerwiegende Beeinträchtigung ist nicht anzunehmen, hat der Beschwerdeführer 1 doch auch gute Leistungen erbracht (so im Fachrechnen die Note 5).

5.) Die Behauptung der Beschwerdeführerin 2, der Chefexperte habe die Aufrundung der Prüfungsnote 3,8 auf 4,0 telefonisch zugesichert, stellt jener in Abrede. Er habe lediglich eine Neubeurteilung der Prüfung in Aussicht gestellt. Eine solche sei auch erfolgt mit dem Ergebnis, dass alle drei Experten die Leistung im Fach «Praktische Arbeiten» nach wie vor als ungenügend taxierten, insbesondere auch unter dem Aspekt der Gleichbehandlung der übrigen Prüfungskandidaten.

Selbst wenn eine behördliche Zusicherung vorliegen würde, wovon jedoch nicht ausgegangen werden kann, würde diese aufgrund des Vertrauensgrundsatzes keine abweichende Behandlung des Beschwerdeführers 1 in dem Sinne rechtfertigen, als ihm das Bestehen der Abschlussprüfung zugestanden werden könnte. Insbesondere war der Chefexperte allein gar nicht zuständig, eine Notenkorrektur zuzusichern bzw. vorzunehmen (Art. 9 des Reglementes), was der Beschwerdeführerin 2 als Lehrbetrieb auch bekannt sein musste (EGV-SZ 1991, Nr. 47, S. 182).

(RRB Nr. 1863 vom 10. Oktober 1994).

 

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Sozialhilfe

– Bedeutung der Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für öffentliche Fürsorge für die Bemessung der Sozialhilfe (Erw. 3).
– Es ist den Gemeinden untersagt, die Ansätze der SKöF-Richtlinien generell zu kürzen oder zu erhöhen (Erw. 4).
– Die Fürsorgebehörde kann nur in bestimmten Belangen von den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für öffentliche Fürsorge im Einzelfall abweichen (Erw. 5).
– Aufsichtsrechtliche Aufhebung eines Beschlusses einer kommunalen Fürsorgebehörde, die generell die Ansätze der SKöF-Richtlinien gekürzt hat (Erw. 6).
– Jedermann ist gehalten, seinen Lebensunterhalt grundsätzlich durch eigene Arbeit zu bestreiten. Unterlässt es jemand, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen, so ist die Fürsorgebehörde berechtigt, von einem möglichen Einkommen auszugehen und den Unterstützungsbeitrag zu reduzieren (Erw. 8).

Aus den Erwägungen:

2. Mit Beschluss vom 21. Oktober 1993 hat die Fürsorgebehörde der Gemeinde X. die Ansätze in den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für öffentliche Fürsorge (SKöF) generell gekürzt und diese ermessensweise den nach ihrer Auffassung abweichenden örtlichen Verhältnissen in der Gemeinde X. angepasst. Dabei wurden die Positionen 2.2 (Unterhaltsbeträge nach Haushaltgrösse) um 10 bis 15%, 2.4 (frei verfügbarer Betrag) um 30 bis 50% sowie 3.5 (Kleider, Wäsche, Schuhe) um 30 bis 37,5% generell gekürzt.

In Anwendung dieses Grundsatzentscheides hat die Vorinstanz im angefochtenen Beschluss gegenüber den Beschwerdeführern folgende Kürzungen der in den SKöF-Richtlinien enthaltenen Ansätze vorgenommen:
Pos. 2.2: von Fr. 1750.– auf Fr. 1500.–,
Pos. 2.4: von Fr.  300.– auf Fr.  200.–,
Pos. 3.5: von Fr.  200.– auf Fr.  100.–.

Umstritten ist, ob die Vorinstanz einerseits zur Vornahme dieser generellen bzw. andererseits zu den einzelfallweisen Kürzungen berechtigt war. In erster Linie stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob die SKöF-Richtlinien für die rechtsanwendende Behörde verbindlich sind oder ob dieser ein Ermessensspielraum zusteht, der ihr in Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse ein Abweichen von den SKöF-Richtlinien ermöglicht.

3. a) Das Recht auf Existenzminimum wird in der schweizerischen Lehre heute als Grundrecht erkannt. Soweit kantonale Fürsorgeleistungen existenzsichernden Charakter haben, besteht auf ihre Ausrichtung ein subjektiver Rechtsanspruch direkt von Verfassungs wegen (Zbl 1994, S. 309 mit Hinweisen). Nach der für den Kanton Schwyz geltenden Sozialhilfegesetzgebung hat Anspruch auf wirtschaftliche Hilfe, wer für seinen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen mit gleichem Wohnsitz nicht hinreichend oder rechtzeitig aus eigenen Mitteln aufkommen kann (§ 15 ShG).

Unbestritten ist, dass die Beschwerdeführer Anspruch auf wirtschaftliche Hilfe haben. Indes gehen die Meinungen in bezug auf das Ausmass auseinander.

b) Die wirtschaftliche Hilfe erstreckt sich auf die Gewährung des notwendigen Lebensunterhaltes im Sinne eines sozialen Existenzminimums. Zu den persönlichen Bedürfnissen gehören in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt (§ 16 Abs. 1 ShG). Demzufolge hat der Bedürftige aufgrund der Sozialhilfegesetzgebung des Kantons Schwyz nicht bloss Anrecht auf die Gewährung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums, sondern grundsätzlich einen Anspruch auf ein soziales Existenzminimum. Die wirtschaftliche Hilfe wird in der Regel in Bargeld gewährt (§ 17 Abs. 1 ShG).

c) Art und Mass der wirtschaftlichen Hilfe richten sich nach den Vorschriften des Sozialhilfegesetzes und der Sozialhilfeverordnung vom 30. Oktober 1984 (ShV, nGS III-385) sowie den örtlichen Verhältnissen des Unterstützungswohnsitzes, wobei die zuständige Fürsorgebehörde nach pflichtgemässem Ermessen entscheidet (§ 5 Abs. 1 ShV). Ganz generell muss sich die wirtschaftliche Hilfe nach den Besonderheiten und Bedürfnissen des Einzelfalles richten (§ 4 Abs. 1 ShG; Individualisierungsgrundsatz). Für die Bemessung der wirtschaftlichen Hilfe haben die Richtsätze der SKöF wegleitenden Charakter (§ 5 Abs. 2 ShV).

d) Die SKöF hat 1992 revidierte Richtlinien herausgegeben. In den darin formulierten Grundsätzen (Kapitel 1 der Richtlinien) ist festgehalten, dass diese Richtlinien Empfehlungen zuhanden der Sozialhilfeorgane darstellen und zu einer Vereinheitlichung der Sozialhilfepraxis in der Schweiz beitragen sollen. Ziel der Sozialhilfe sei es, den Betroffenen zu wirtschaftlicher und persönlicher Selbständigkeit zu verhelfen. Die Hilfe solle nicht nur das Überleben der Bedürftigen sichern, sondern ihre Teilnahme am Arbeits- und Sozialleben, ihr Selbstbewusstsein und ihre Eigenverantwortung fördern. Sie sei deshalb nicht in schematischer Weise nach einem festen Tarif zu bemessen, sondern den individuellen und örtlichen Verhältnissen anzupassen (Ziffer 1.3 der Richtlinien). Dies erfordere Unterstützungsleistungen, die in Art und Mass der individuellen Lebenssituation und den spezifischen Problemen der Hilfesuchenden Rechnung tragen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass auch gemäss SKöF die Richtlinien der jeweils individuellen Situation entsprechend anzuwenden sind. Sie betrachtet diese deshalb als Empfehlungen, weil durch angepasste Abweichungen in Einzelsituationen geeignete Lösungen ermöglicht werden sollen. Diese Sichtweise entspricht auch dem Individualisierungsgrundsatz von § 4 Abs. 1 ShG. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass das fürsorgerechtliche Existenzminimum nicht nach den betreibungsrechtlichen Kriterien festgelegt wird. Die Sozialhilfegesetzgebung des Kantons Schwyz sowie die SKöF-Richtlinien wollen ein soziales Existenzminimum sicherstellen (EGV-SZ 1988, S. 115 mit Hinweisen; Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsentscheide des Kantons Obwalden, VVGE 1991/1992, S. 95; Pascal Coullery, Das Recht auf Sozialhilfe, Diss. Bern 1993, S. 125). Mit dem in § 5 Abs. 2 ShV enthaltenen Hinweis auf die SKöF-Richtlinien hat der Gesetzgeber das von ihm selber vorgegebene soziale Existenzminimum (§ 16 Abs. 1 ShG) konkretisiert.

4. a) Die Gemeinden sorgen dafür, dass Hilfesuchenden die nötige und fachgerechte Hilfe zuteil wird. Die Sozialhilfe der Gemeinden umfasst insbesondere die Vermittlung wirtschaftlicher Hilfe (§ 11 Abs. 1 und Abs. 2 lit. d ShG), wobei diese Aufgabe der Fürsorgebehörde obliegt (§ 8 lit. c ShG). Auch wenn die Gewährung der wirtschaftlichen Hilfe in die Zuständigkeit der Gemeinden fällt, werden die Voraussetzungen, die Art und das Ausmass der wirtschaftlichen Hilfe durch das kantonale Recht umschrieben (§§ 4, 15–17 ShG und § 5 ShV).

b) Für die Bemessung der wirtschaftlichen Hilfe sind gemäss § 5 Abs. 2 ShV die SKöF-Richtsätze wegleitend. Der Regierungsrat wendet diese Richtsätze bei der Beurteilung von Beschwerden über die Bemessung der wirtschaftlichen Hilfe konsequent an (Ady Inglin, Einführung in das schwyzerische Sozialhilferecht: Ein Querschnitt durch Gesetz und Verordnung, in EGV-SZ 1988, S. 172). Was als notwendiger Lebensbedarf bzw. als soziales Existenzminimum gilt, bestimmt sich demzufolge nach dem kantonalen Recht und den SKöF-Richtlinien. Soweit dadurch das in § 16 Abs. 1 ShG geforderte soziale Existenzminimum näher umschrieben wird, sind diese Richtlinien für die rechtsanwendende Behörde massgebend. Im Bereich der existenzsichernden Leistungen haben die in den SKöF-Richtlinien enthaltenen Richtsätze den Charakter von Mindestansätzen, die nicht unterschritten werden dürfen (Felix Wolffers, Grundriss des Sozialhilferechts, Bern 1993, S. 140). Der in § 5 Abs. 1 ShV der Fürsorgebehörde eingeräumte Ermessensspielraum besteht insoweit, als im Rahmen der kantonalrechtlichen Rahmenbedingungen die örtlichen Verhältnisse des Unterstützungswohnsitzes zu berücksichtigen sind.

c) Es ist deshalb einer Fürsorgebehörde untersagt, die Ansätze der SKöF-Richtlinien unter Berufung auf § 5 Abs. 1 ShV generell zu kürzen oder zu erhöhen. Die kantonale Sozialhilfegesetzgebung räumt der kommunalen Fürsorgebehörde keine Kompetenz ein, die Anwendbarkeit der SKöF-Richtlinien generell zu verändern. Eine derartige Kompetenz kommt lediglich dem kantonalen Gesetzgeber zu. Würde es jeder Fürsorgebehörde freistehen, diese Richtsätze nach eigenem Gutdünken abzuändern, so würden die SKöF-Richtlinien den ihnen vom Gesetzgeber beigemessenen wegleitenden Charakter verlieren und § 5 Abs. 2 ShV würde auf diesem Weg abgeändert. Dadurch würde eine einigermassen einheitliche Sozialhilfepraxis im Kanton Schwyz verunmöglicht, wenn jede Gemeinde unterschiedliche Ansätze anwenden würde. Die Überprüfung der Fürsorgepraxis der Gemeinden in einem Rechtsmittelverfahren würde überdies praktisch verunmöglicht. Eine generelle Kürzung oder Erhöhung der SKöF-Richtsätze würde auch dem Individualisierungsgrundsatz widersprechen (§ 4 Abs. 1 ShG).

5. Es stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Fürsorgebehörde berechtigt ist, die in den SKöF-Richtlinien vorgegebenen Richtsätze im Einzelfall zu reduzieren.

a) Die Fürsorgebehörde hat nur dann einen Ermessensspielraum im Sinne von § 5 Abs. 1 ShV, wenn ihr durch die Sozialhilfegesetzgebung ein solcher eingeräumt wird und diese auf die örtlichen Verhältnisse des Unterstützungswohnsitzes sowie die persönlichen Verhältnisse des Hilfebedürftigen verweist. Da sowohl die kantonale Sozialhilfegesetzgebung als auch die SKöF-Richtlinien von einem Anspruch auf ein soziales Existenzminimum ausgehen, ist der den Behörden eingeräumte Ermessensspielraum bei der Bemessung der wirtschaftlichen Hilfe gering. Ein Ermessensspielraum kommt den Behörden nur insoweit zu, als im Rahmen der SKöF-Richtlinien die örtlichen und persönlichen Verhältnisse zu würdigen sind. Ein Abweichen von den SKöF-Richtlinien nach unten (d.h. Kürzungen der darin enthaltenen Ansätze) ist nur dann möglich, wenn dadurch das durch die Sozialhilfegesetzgebung garantierte soziale Existenzminimum (§ 16 Abs. 1 ShG) nicht unterschritten wird. Zu beachten ist, dass es sich bei den in den SKöF-Richtlinien enthaltenen Richtsätzen in bezug auf die existenzsichernden Leistungen um Mindestansätze handelt, die nicht unterschritten werden dürfen (vgl. E. 4b).

b) Zu den existenzsichernden Leistungen sind auf jeden Fall jene für Nahrung, Kleidung und Obdach zu zählen (Wolffers, a.a.O., S. 85). Demzufolge sind die in den SKöF-Richtlinien enthaltenen Ansätze für den Unterhaltsbetrag nach Haushaltgrösse (Ziffern 2.1 und 2.2) sowie für Kleider, Wäsche und Schuhe (Ziffer 3.5) zu den existenzsichernden Leistungen zu zählen. Ein Unterschreiten der für diese Positionen in den SKöF-Richtlinien enthaltenen Mindestansätze würde demzufolge den Anspruch auf ein soziales Existenzminimum verletzen. Insoweit steht der Fürsorgebehörde kein Ermessensspielraum zu.

Der frei verfügbare Betrag ist eine Pauschale zur Befriedigung individueller Bedürfnisse von Erwachsenen und Jugendlichen. Damit werden Kosten für Vergnügungen, Teilnahme an kulturellen und geselligen Anlässen usw. abgedeckt (Ziffer 2.3 SKöF-Richtlinien). Diesbezüglich ist der frei verfügbare Betrag für das soziale Existenzminimum charakteristisch, da das soziale Existenzminimum auch die Teilnahme an den zivilisatorischen, sozialen und kulturellen Errungenschaften ermöglichen will (Coullery, a.a.O., S. 58f.). Im Hinblick auf das in § 16 Abs. 1 ShG vorgesehene soziale Existenzminimum (Beziehungen zur Umwelt) zählt somit der frei verfügbare Betrag ebenfalls zu den Leistungen, bei denen der kommunalen Fürsorgebehörde kein Ermessensspielraum zusteht.

c) Die SKöF-Richtlinien enthalten unterschiedlich normierte Positionen. Für gewisse Positionen ist von den effektiven Kosten auszugehen (z.B. Mietkosten, Pos. 3.1). Bei anderen Positionen wird von einem festen Pauschalbetrag ausgegangen (Unterhaltsbetrag nach Haushaltgrösse, Pos. 2.2; frei verfügbarer Betrag, Pos. 2.4). Der Bedarf für Kleider, Wäsche und Schuhe (Pos. 3.5) hingegen ist in den SKöF-Richtlinien betragsmässig mit einer Bandbreite versehen. Soweit die in den SKöF-Richtlinien enthaltenen Ansätze eine gewisse Bandbreite vorsehen und das soziale Existenzminimum nicht unterschritten wird, steht der Fürsorgebehörde ein Ermessensspielraum zu. Einen solchen Ermessensspielraum hat die Behörde auch hinsichtlich der Positionen des übrigen normierten Bedarfs (Ziffer 3 SKöF-Richtlinien), bei denen von den effektiven Kosten auszugehen ist. Bei diesen Positionen kann auf den Einzelfall individuell eingegangen werden und es können die bestehenden regionalen Unterschiede berücksichtigt werden (ZBl 1994, S. 310). Bei den betragsmässig festgelegten Positionen (mit oder ohne Bandbreite) spielen derartige regionale Unterschiede keine oder nur eine absolut untergeordnete Rolle. Die SKöF-Richtlinien basieren denn auch nicht auf einem Warenkorb, sondern auf einer Mischrechnung aus Lohnstatistiken, Haushaltrechnungen des BIGA, Teilindizes des Landesindexes der Konsumentenpreise, Angaben von Budgetberatungsstellen und Erfahrungen der Sozialhilfepraxis (Wolffers, a.a.O., S. 137).

Mit dem Entscheid, die SKöF-Richtlinien bei der Bemessung der wirtschaftlichen Hilfe als wegleitenden Massstab anzuerkennen, hat der Gesetzgeber gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, dass die darin enthaltenen Richtsätze für den Kanton Schwyz zutreffen und keine Gründe vorliegen, die für ein Abweichen von diesen Richtlinien sprechen würden.

6. Die Vorinstanz stellt sich auf den Standpunkt, dass ihr im Bereich des Sozialhilferechts, insbesondere bei der Bemessung der wirtschaftlichen Hilfe und der Anwendung der SKöF-Richtlinien ein erheblicher Ermessensspielraum zukomme und sie in diesem Bereich autonom sei.

a) Eine Gemeinde ist in einem Sachbereich autonom, wenn das kantonale Recht dafür keine abschliessende Ordnung trifft, sondern diesen ganz oder teilweise der Gemeinde zur Regelung überlässt und ihr dabei eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit einräumt. Der geschützte Autonomiebereich kann sich auf die Befugnis zum Erlass oder Vollzug eigener kommunaler Vorschriften beziehen oder einen entsprechenden Spielraum bei der Anwendung des kantonalen oder eidgenössischen Rechts betreffen. Der Schutz der Gemeindeautonomie setzt eine solche nicht in einem ganzen Aufgabengebiet, sondern lediglich im streitigen Bereich voraus (BGE 119 Ia 294f. E. 4b; 118 Ia 219 E. 3a, 453 E. 3b). Inhalt und Umfang der Gemeindeautonomie im Kanton Schwyz ergeben sich weitgehend aus dem Gesetzesrecht (August Mächler, Die Autonomie der Gemeinden und Bezirke im Kanton Schwyz, ZBl 91/1990, S. 412).

b) Die Gemeinden haben im Bereich der Sozialhilfe keine Kompetenz zum Erlass eigener kommunaler Vorschriften (vgl. E. 4c). Ein Autonomiebereich kann ihnen folglich höchstens im Rahmen der Anwendung des kantonalen Sozialhilferechts zustehen. Die Voraussetzungen sowie die Art und das Ausmass der Sozialhilfe werden grundsätzlich durch das kantonale Recht umschrieben (E. 3). Es handelt sich bei den in den §§ 15 und 16 ShG bzw. § 5 ShV erwähnten unbestimmten Rechtsbegriffen um solche des kantonalen Rechts. Bei deren Auslegung steht der Gemeinde kein unüberprüfbarer Beurteilungsspielraum und demzufolge auch keine Autonomie zu. Lediglich bei unbestimmten Gesetzesbegriffen des kommunalen Rechts kann sie in gewissen Fällen einen autonomen Beurteilungsspielraum beanspruchen (Imboden/Rhinow/Krähenmann, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Basel 1990, S. 210). In bezug auf die Auslegung der unbestimmten Gesetzesbegriffe des Sozialhilferechts kommt den Gemeinden deshalb grundsätzlich kein Ermessensspielraum und somit auch kein geschützter Autonomiebereich zu (ZBl 1994, S. 311).

Die Gemeindebehörden haben aber auch keine Freiheit, bei der Beurteilung des Einzelfalles von den in den SKöF-Richtlinien enthaltenen, zahlenmässig fixierten Pauschalbeträgen abzuweichen oder die Bandbreiten der übrigen Pauschalabgeltungen abweichend zu normieren. Lediglich im Rahmen der mit Bandbreiten ausgestatteten Pauschalbeiträge haben sie einen gewissen Ermessensspielraum (E. 5c; ZBl 1994, S. 310f.).

c) Der Regierungsrat ist Aufsichtsbehörde über die Gemeinden (§ 88 Abs. 1 GOG). Der Regierungsrat sieht sich indes nur dann zu einem aufsichtsrechtlichen Einschreiten veranlasst, wenn klares Recht, wesentliche Verfahrensvorschriften oder öffentliche Interessen offensichtlich missachtet worden sind (EGV-SZ 1990, S. 179). Die generelle Kürzung der in den SKöF-Richtlinien enthaltenen Ansätze für die Sozialhilfe steht, wie oben schon dargelegt wurde, in eindeutigem Widerspruch zum Grundsatz der Individualisierung der Sozialhilfe sowie der Garantie eines sozialen Existenzminimums. Zudem sind die Gemeindebehörden nicht befugt, eigene Ausführungsbestimmungen zum Sozialhilferecht zu erlassen oder bestehende kantonalrechtliche Bestimmungen abzuändern. Deshalb ist der Beschluss der Fürsorgebehörde X., der zwar nicht direkt angefochten ist, aber dem angefochtenen Beschluss zugrunde liegt, aufsichtsrechtlich aufzuheben. Die Gemeindeautonomie wird dadurch nicht verletzt. Im übrigen sind die vorgenommenen generellen Kürzungen auch sachlich nicht gerechtfertigt, wie nachstehend noch näher ausgeführt wird.

7. a) Da der Fürsorgebehörde lediglich bei den in den SKöF-Richtlinien mit einer Bandbreite ausgestatteten Pauschalbeträgen (sowie dem übrigen normierten Bedarf) ein gewisser Ermessensspielraum zusteht, ist die von der Vorinstanz im angefochtenen Beschluss vorgenommene Berechnung des Unterstützungsbetrages wie folgt zu korrigieren:

aa) Eine Reduktion des Unterhaltsbetrages nach Haushaltgrösse (Pos. 2.2) ist nicht statthaft, da es sich um einen betraglich fixierten Pauschalbetrag handelt. Bei einem 5-Personen-Haushalt ist von einem Unterhaltsbetrag von Fr. 1750.– auszugehen. Die von der Vorinstanz vorgenommene Reduktion von Fr. 250.– ist hinzuzurechnen.

bb) Ebenso darf die Vorinstanz den frei verfügbaren Betrag (Pos. 2.4) nicht reduzieren. Für eine Person ab dem 17. Lebensjahr ist ein Betrag von Fr. 150.– ausgewiesen, was im vorliegenden Fall bei zwei erwachsenen Personen einen Betrag von Fr. 300.– ergibt. Die Differenz von Fr. 100.– zu dem von der Vorinstanz ermittelten Betrag ist den Beschwerdeführern zuzusprechen.

cc) Für Kleider, Wäsche und Schuhe (Pos. 3.5) sind gemäss den SKöF-Richtlinien für eine Person ab dem 17. Lebensjahr zwischen Fr. 80.– und Fr. 100.– aufzuwenden. Selbst wenn die Behörde dabei den ihr zustehenden Ermessensspielraum vollumfänglich ausschöpft, würde dies für zwei erwachsene Personen einen Minimalbetrag von Fr. 160.– ergeben. Die Differenz zu dem von der Vorinstanz ermittelten Betrag beläuft sich in diesem Punkt auf Fr. 60.–.

dd) Der von der Vorinstanz ermittelte Unterstützungsbetrag von Fr. 3876.40 ist somit wie folgt zu ergänzen:
Zugesprochener Gesamtbetrag:Fr. 3 876.40
Differenz Unterhaltsbetrag:Fr. 250.—
Differenz frei verfügbarer Betrag:Fr. 100.—
Differenz Kleider, Wäsche, Schuhe:Fr. 60.—
Total Fr. 4 286.40

b) Die Fürsorgebehörde X. begründet die vorgenommenen pauschalen Kürzungen damit, dass die Ansätze in den SKöF-Richtlinien aufgrund der in der Gemeinde X. massgebenden örtlichen Verhältnisse zu hoch seien. Nach ihren eigenen Erhebungen gebe es in der Gemeinde X. Familien, die mit einem geringeren Einkommen auskommen müssten. Sie verkennt dabei, dass für die Bemessung der Sozialhilfe nicht allein die Einkommensseite zu berücksichtigen ist, sondern ebenso die fixen Kosten (wie z.B. Miete) miteinbezogen werden müssen. Aus den eingereichten Akten ist nicht ersichtlich, mit welchen Mietzinskosten die von der Vorinstanz erwähnte «Modellfamilie» rechnen muss. Überhaupt erscheint fraglich, ob die Vorinstanz für die «Modellfamilie» sämtliche für die Gewährung von Sozialhilfe erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen geprüft hat. Insoweit kann die Vorinstanz aus den in der Vernehmlassung vorgetragenen Argumenten nichts zu ihren Gunsten herleiten. Überdies handelt es sich bei der Gemeinde X. nicht um eine Randregion, in der die Lebenshaltungskosten generell wesentlich tiefer wären als anderswo in der Schweiz (vgl. E. 5c).

8. Soweit die Vorinstanz geltend macht, dass die Beschwerdeführer durch zu hohe Fürsorgebeiträge davon abgehalten würden, sich nach einer Arbeit umzusehen, ist auf § 15 ShG und § 6 ShV zu verweisen. Demzufolge gehören die Erwerbseinkünfte zu den eigenen Mitteln, die gemäss dem Grundsatz der Subsidiarität der Sozialhilfe (§ 2 ShG) zuerst in Anspruch zu nehmen sind. Es muss somit verlangt werden, dass der Lebensunterhalt durch eigene Arbeit bestritten wird, wo Möglichkeiten in persönlicher und arbeitsmarktlicher Hinsicht bestehen. Wer somit bewusst deshalb nicht arbeitet, weil die öffentliche Fürsorge sowieso einspringt, nützt diese staatliche Einrichtung aus, ja missbraucht sie (EGV-SZ 1988, S. 119).

Die Beschwerdeführer sind somit verpflichtet, für die Bestreitung ihres Lebensunterhaltes eine Arbeit zu suchen. Unterlassen sie es, eine ihnen zumutbare Arbeit anzunehmen, so ist die Vorinstanz berechtigt, von einem möglichen Einkommen auszugehen und den Unterstützungsbeitrag zu reduzieren (EGV-SZ 1988, S. 120). In diesem Sinne darf die Vorinstanz von den Beschwerdeführern durchaus verlangen, dass sie den Nachweis für ihre Arbeitsbemühungen erbringen (vgl. dazu ausführlich RRBNr. 1364 vom 17. August 1993). Sozialhilfe erschöpft sich nicht in der Ausrichtung von Unterstützungsbeiträgen, sondern umfasst auch die persönliche Betreuung der Sozialhilfebezüger. In diesem Zusammenhang darf und muss die Fürsorgebehörde von den Unterstützungsbedürftigen eigene Leistungen verlangen, damit deren Fürsorgeabhängigkeit beseitigt werden kann. Durch die Anleitung zur Selbsthilfe bzw. Selbständigkeit der Sozialhilfebezüger kann das Risiko erneuter Fürsorgeabhängigkeit und somit auch das Risiko neuerlicher Kosten verringert werden.

(RRB Nr. 2035 vom 14. November 1994).

 

50

Sozialhilfe

– Das Selbstverschulden an der eigenen Arbeitslosigkeit ist objektiv zu gewichten und bei der Bemessung der möglichen Einkünfte in Rechnung zu stellen (Erw. 1).
– Erhält jemand die ihm zustehenden Sozialversicherungsleistungen nicht oder nicht rechtzeitig oder steht nicht fest, dass er seinen Lebensunterhalt selbst verdienen kann, so hat die Fürsorgebehörde die erforderliche Sozialhilfe rechtzeitig zu gewähren, um eine Notlage abzuwenden (Erw. 2/3).
– Die Gewährung wirtschaftlicher Hilfe kann davon abhängig gemacht werden, dass erhebliche Ansprüche gegenüber Dritten an die Fürsorgebehörde abgetreten werden (Erw. 4).
– Ein Ausländer, der der öffentlichen Sozialhilfe fortgesetzt und in erheblichem Masse und insbesondere selbstverschuldet zur Last fällt, kann aus der Schweiz ausgewiesen werden (Erw. 5).

Aus den Erwägungen:

1. a) Sozialhilfe wird in besonderen Lebenslagen gewährt. Sie umfasst insbesondere wirtschaftliche und persönliche Hilfe (§ 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Sozialhilfe vom 18. Mai 1983, ShG, nGS III-384). Sozialhilfe ist rechtzeitig zu gewähren. Sie soll eine drohende Notlage abwenden und Rückfälle vermeiden helfen (§ 3 Abs. 1 ShG).

b) Wer für seinen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen mit gleichem Wohnsitz nicht hinreichend oder rechtzeitig aus eigenen Mitteln aufkommen kann, hat Anspruch auf wirtschaftliche Hilfe (§ 15 ShG). Diese Hilfe erstreckt sich auf die Gewährung des notwendigen Lebensunterhaltes im Sinne eines sozialen Existenzminimums (§ 16 Abs. 1 ShG). Art und Mass der wirtschaftlichen Hilfe richten sich nach den Vorschriften des Gesetzes und der Verordnung (Vollziehungsverordnung zum Gesetz über die Sozialhilfe vom 30. Oktober 1984, Sozialhilfeverordnung, ShV, nGS III-385) sowie den örtlichen Verhältnissen des Unterstützungswohnsitzes, wobei die zuständige Fürsorgebehörde nach pflichtgemässem Ermessen entscheiden muss (§ 5 ShV). Für die Bemessung der Hilfe haben die Richtsätze der Schweizerischen Konferenz für öffentliche Fürsorge (SKöF-Richtlinien) wegleitenden Charakter (§ 5 Abs. 2 ShV).

c) Bevor öffentliche Sozialhilfe in Anspruch genommen werden kann, müssen die privaten Hilfsmöglichkeiten ausgeschöpft werden (§ 2 ShG, Grundsatz der Subsidiarität). In bezug auf die wirtschaftliche Hilfe heisst dies, dass der Lebensunterhalt zuerst mit eigenen Mitteln bestritten werden muss. Hiezu gehören insbesondere alle Einkünfte, das Vermögen, Versicherungsleistungen, Sonderhilfe aufgrund besonderer Erlasse, familienrechtliche Unterhalts- und Unterstützungsansprüche sowie Zuwendungen von privater Seite (§ 6 ShV).

d) Ein Hilfsbedürftiger hat primär seine Einkommensmöglichkeiten auszuschöpfen, bevor er die öffentliche Sozialhilfe in Anspruch nehmen kann. Grundsätzlich muss deshalb verlangt werden, dass der Lebensunterhalt durch eigene Arbeit bestritten wird, wo Möglichkeiten in persönlicher und arbeitsmarktlicher Hinsicht bestehen. Wer bewusst deshalb nicht arbeitet, weil die öffentliche Fürsorge sowieso einspringt, nützt diese staatliche Einrichtung aus. Ein solcher Gesuchsteller ist anders zu behandeln als derjenige, welcher Eigeninitiative gezeigt hat, aber aus arbeitsmarktlichen Gründen und/oder wegen persönlichen, familiären oder psychischen Problemen zeitweise oder auf Dauer nicht imstande ist, einer Arbeit nachzugehen oder eine Arbeit zufriedenstellend auszuführen. Das Selbstverschulden an der eigenen Arbeitslosigkeit ist somit objektiv zu gewichten und bei der Bemessung der möglichen Einkünfte in Rechnung zu stellen (EGV-SZ 1988, Nr. 44, S. 119f.).

2. Umstritten ist, ob der Beschwerdeführer in der Lage ist, für seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln aufzukommen oder nicht. Zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer Anspruch auf Versicherungsleistungen hat und ob er in der Lage ist, zu arbeiten und somit ein Einkommen zu erzielen. Im Zentrum steht die Frage nach der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers.

a) Die Vorinstanz ist der Auffassung, dass der Beschwerdeführer zu mindestens 50% arbeitsfähig sei. Deshalb sei er auch in der Lage, einer Arbeit nachzugehen und ein Einkommen zu erzielen. Er könne für die Kosten seines Lebensunterhaltes (zumindest teilweise) selber aufkommen. Darum wurde das Gesuch des Beschwerdeführers um wirtschaftliche Hilfe abgelehnt.

Der Beschwerdeführer behauptet einerseits, er habe seinerzeit keine körperlich leichte Tätigkeit finden können, die seiner damaligen Arbeitsfähigkeit entsprochen hätte. Andererseits sei er heute zu 100% arbeitsunfähig. Somit sei er nicht in der Lage, einer Arbeit nachzugehen und ein Erwerbseinkommen zu erzielen. Zudem werde ihm die Ausrichtung einer IV-Rente verweigert. Er könne die Mittel für seinen Lebensunterhalt nicht selber aufbringen.

b) Die umstrittene Frage der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ist aber auch insoweit von Bedeutung, als davon die Ausrichtung von Versicherungsleistungen (IV-Rente bzw. weitere Arbeitslosengelder) abhängt. Sowohl die Ausgleichskasse Schwyz als auch die Arbeitslosenkasse der Gemeinde X. mussten die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers prüfen. Auffällig ist indes, dass diese beiden Amtsstellen diese Frage aufgrund der ihnen zur Verfügung stehenden medizinischen Unterlagen völlig unterschiedlich beurteilt haben.

aa) Die Arbeitslosenkasse stützt sich auf das Arztzeugnis von Dr. med. M. vom 23. Dezember 1993. Darin wird attestiert, dass der Beschwerdeführer seit dem 18. November 1993 zu 100% arbeitsunfähig sei. Da der Beschwerdeführer demzufolge nicht mehr vermittlungsfähig ist, entfällt diese Voraussetzung für die Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung (Art. 8 Abs. 1 lit. f des Bundesgesetzes über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung vom 25. Juni 1982; Arbeitslosenversicherungsgesetz, AVIG, SR 837.0). Die Arbeitslosenkasse hat deshalb die Arbeitslosenunterstützung ab dem 17. Dezember 1993 eingestellt.

bb) Die Ausgleichskasse der Gemeinde X. ist gemäss Verfügung vom 19. Juni 1992 aufgrund ihrer medizinischen Unterlagen der Auffassung, dass der Beschwerdeführer für körperlich leichte Tätigkeiten zu mindestens 80% arbeitsfähig sei. Im Beschluss vom 9. März 1994 geht die Ausgleichskasse davon aus, dass sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers seither nicht verändert habe.

cc) Somit steht fest, dass die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers entweder durch die Arbeitslosenkasse oder die Ausgleichskasse falsch beurteilt wird. Welche der beiden Auffassungen zutrifft, kann nicht abschliessend beurteilt werden. Aufgrund dieser unterschiedlichen Beurteilung bezieht der Beschwerdeführer auch keine Versicherungsleistungen im Sinne von § 6 ShV. Indes ist davon auszugehen, dass er unter Beachtung der übrigen Voraussetzungen entweder Anspruch auf eine IV-Rente oder aber Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung hat.

c) Die Fürsorgebehörde hat in bezug auf die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers keine eigenen Abklärungen getroffen, sondern die von der Ausgleichskasse vorgenommene Beurteilung übernommen. Demzufolge hat sie die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers bejaht und ist davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer in der Lage ist, die Mittel für seinen Lebensunterhalt selber zu verdienen. Indes hat dieser beim Verwaltungsgericht die Überprüfung der von der Ausgleichskasse vertretenen Auffassung verlangt. Bis zum Entscheid des Verwaltungsgerichtes steht noch nicht fest, ob der Beschwerdeführer tatsächlich arbeitsfähig ist. Zum heutigen Zeitpunkt lässt sich diese Frage nicht schlüssig beantworten, zumal ein Arztzeugnis vorliegt, das dem Beschwerdeführer eine vollständige Arbeitsunfähigkeit attestiert.

3. Erhält der Beschwerdeführer die ihm zustehenden Versicherungsleistungen nicht oder nicht rechtzeitig oder steht nicht fest, dass er seinen Lebensunterhalt selber verdienen kann, so hat die Fürsorgebehörde die erforderliche Sozialhilfe rechtzeitig zu gewähren, um eine Notlage abzuwenden (§ 2 Abs. 1 und § 15 ShG). Die Beschwerde ist somit gutzuheissen und die Sache zur Berechnung des Ausmasses der wirtschaftlichen Hilfe an die Fürsorgebehörde Z. zurückzuweisen. Aufgrund der vorhandenen Angaben ist es dem Regierungsrat nicht möglich, im vorliegenden Verfahren eine abschliessende Beurteilung vorzunehmen. Funktionell ist die Fürsorgebehörde Z. für den erstinstanzlichen Entscheid über das Ausmass der wirtschaftlichen Hilfe zuständig. Zudem ist diese Behörde der Sache näher und mit den Verhältnissen besser vertraut. Die Vorinstanz hat dem Beschwerdeführer wirtschaftliche Hilfe nach Massgabe von § 16 ShG und § 5 ShV zu gewähren, bis feststeht, ob dieser arbeitsfähig ist oder nicht. Dannzumal entscheidet sich auch, ob er Anspruch auf eine IV-Rente bzw. weitere Arbeitslosenunterstützung hat. Insoweit kommt der wirtschaftlichen Hilfe die Funktion eines Vorschusses auf die noch ausstehenden Versicherungsleistungen zu.

4. Die Gewährung wirtschaftlicher Hilfe kann davon abhängig gemacht werden, dass erhebliche Ansprüche gegenüber Dritten an die Fürsorgebehörde abgetreten werden (§ 8 ShV).

Stellt sich heraus, dass der Beschwerdeführer während der Zeit des Bezugs wirtschaftlicher Hilfe Anspruch auf eine IV-Rente bzw. auf Arbeitslosenentschädigung gehabt hätte, so kann die Fürsorgebehörde vom Beschwerdeführer die Abtretung dieser Ansprüche verlangen.

5. Steht nach Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens fest, dass der Beschwerdeführer zumindest teilweise arbeitsfähig ist, so ist dieser verpflichtet, sich im Rahmen seiner Arbeitsfähigkeit nach einer geeigneten Erwerbstätigkeit umzusehen. Findet er keine Arbeit und sind die Möglichkeiten der Arbeitslosenunterstützung ausgeschöpft, so müsste die Fürsorgebehörde Z. erneut wirtschaftliche Hilfe leisten. Der Beschwerdeführer wird aber mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass er aus der Schweiz ausgewiesen werden kann, wenn er der öffentlichen Wohltätigkeit fortgesetzt und in erheblichem Masse zur Last fällt (Art. 10 Abs. 1 lit. d des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 26. März 1931, ANAG, SR 142.20; BGE 119 Ib 1ff.).

(RRB Nr. 1015 vom 7. Juni 1994).

 

51

Sozialhilfe

– Die Fürsorgebehörde am zivilrechtlichen Wohnsitz eines Kindes ist verpflichtet, eine Gesuchstellerin bei den Inkassoversuchen in geeigneter Weise und unentgeltlich zu unterstützen (Erw. 1).
– Ein Anspruch auf Bevorschussung von Unterhaltsbeiträgen besteht grundsätzlich nur, wenn der zu Unterhaltsbeiträgen verpflichtete Elternteil seiner Unterhaltspflicht trotz angemessener Inkassoversuche nicht nachkommt (Erw. 2a/b).
– Die Bevorschussung von Unterhaltsbeiträgen stellt keine wirtschaftliche Hilfe im Sinne der Sozialhilfegesetzgebung dar (Erw. 2c).

Aus den Erwägungen:

1. a) Art. 290 ZGB verpflichtet die Kantone, eine unentgeltliche Inkassohilfe zur Vollstreckung des Unterhaltsanspruches für minderjährige Kinder einzuführen. Ausserdem empfiehlt der Bund den Kantonen in Art. 293 Abs. 2 ZGB die Einführung der Bevorschussung dieser Unterhaltsbeiträge. Der Kanton Schwyz hat beide Institute im Gesetz über Inkassohilfe und Bevorschussung von Unterhaltsbeiträgen für Kinder vom 24. April 1985 (IhG, nGS III-387) geregelt. Das Gesetz bezeichnet die Fürsorgebehörde am zivilrechtlichen Wohnsitz des Kindes als die für die Inkassohilfe zuständige Behörde (§ 1 Abs. 1 IhG). Ein Anspruch auf Bevorschussung besteht gemäss § 2 IhG grundsätzlich nur, wenn der zu Unterhaltsbeiträgen verpflichtete Elternteil seiner Unterhaltspflicht, trotz angemessener Inkassoversuche, nicht nachkommt (EGV-SZ 1989 Nr. 38, BGE 109 Ia 72ff.).

b) Aus dem angefochtenen Beschluss ergibt sich, dass die Fürsorgebehörde die Beschwerdeführerin vorerst auf den Betreibungsweg verwiesen hat. Diese Auffassung wird auch im Schreiben der Fürsorgepräsidentin vom 9. Dezember 1994 vertreten, wobei fälschlicherweise nur ein Teil der Erwägungen von RRB Nr. 2121 vom 22. November 1994 zitiert wird. Der Regierungsrat hat in seinen Erwägungen ausdrücklich ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin zwar im Sinne des Subsidiaritätsprinzips für die Vornahme der entsprechenden Inkassoversuche besorgt sein müsse, wobei ihr aber die Vorinstanz behilflich zu sein habe. Aus der bundes- und kantonalrechtlichen Regelung ergibt sich eindeutig, dass die Fürsorgebehörde eine Gesuchstellerin nicht einfach auf den Betreibungsweg verweisen kann, sondern ihr bei den Inkassoversuchen in geeigneter Weise und unentgeltlich zu helfen hat.

Soweit die Beschwerdeführerin demnach die Gewährung unentgeltlicher Inkassohilfe beantragt, ist ihre Beschwerde gutzuheissen und der angefochtene Beschluss in diesem Punkt aufzuheben.

2. a) Die Beschwerdeführerin beantragt weiter, die Fürsorgebehörde habe ihr Gesuch um Alimentenbevorschussung gutzuheissen. Gemäss § 2 IhG hat das unmündige Kind Anspruch auf Vorschuss, wenn der zu Unterhaltsbeiträgen verpflichtete Elternteil seiner Unterhaltspflicht, trotz angemessener Inkassoversuche, nicht rechtzeitig nachkommt. Angemessene Inkassoversuche sind insbesondere die schriftliche Zahlungsaufforderung an den Schuldner, die Anhebung der Betreibung und schliesslich die Inanspruchnahme der gesetzlichen Inkassohilfe (Protokoll der Kantonsratskommission zur Vorberatung des Gesetzes über die Inkassohilfe und Bevorschussung von Unterhaltsbeiträgen für Kinder vom 27. Februar 1985, S. 19). Da sich in vielen Fällen der Alimentengläubiger nicht direkt mit dem Schuldner auseinandersetzen will (Aversionen), wird oft die Inkassostelle um die entsprechenden Bemühungen ersucht. Die angemessenen Inkassoversuche können also sowohl durch den Alimentengläubiger oder seinen gesetzlichen Vertreter selber als auch durch die Inkassostelle vorgenommen werden (RRB Nr. 1035 vom 30. Juni 1981, S. 8).

b) Da weder die Beschwerdeführerin geltend macht, dass sie eigene, angemessene Inkassoversuche unternommen hat, noch sich aus den Ausführungen der Präsidentin der Vorinstanz ergibt, dass bisher von der Sozialhilfestelle der Gemeinde X. entsprechende Bemühungen unternommen wurden, ist die Voraussetzung gemäss § 2 IhG nicht nachgewiesen. Das Gesuch um Alimentenbevorschussung wurde deshalb von der Vorinstanz, wenn auch sehr spät – erst drei Monate nach Gesuchseinreichung – im damaligen Zeitpunkt zu Recht abgewiesen. In diesem Punkte ist die Beschwerde deshalb abzuweisen.

c) Weil der angefochtene Beschluss hinsichtlich der unentgeltlichen Inkassohilfe aufzuheben ist, wird die Vorinstanz – nach angemessenen Inkassoversuchen – über die Gewährung der Bevorschussung neu zu entscheiden haben. Gleichzeitig wird die Vorinstanz gemäss RRB Nr. 2121 vom 22. November 1994 auch über das Gesuch um wirtschaftliche Hilfe zu befinden haben. Im übrigen wird darauf hingewiesen, dass die Bevorschussung keine wirtschaftliche Hilfe im Sinne der Sozialhilfegesetzgebung ist (§ 3 Abs. 2 IhG).

(RRB Nr. 2318 vom 20. Dezember 1994).

 

52

Planungs- und Baurecht

– Besteht ein Bedürfnis für zusätzliche Infrastrukturanlagen für die gemeindeeigene Badeanstalt, so kann dies eine Umzonung in die Zone für öffentliche Bauten rechtfertigen (Erw. 5).

Aus den Erwägungen:

5. a) Der nordöstliche Teil der im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden Parzelle KTN 794 befindet sich gemäss geltendem Zonenplan in der Landhauszone WL. Die Vorinstanz beabsichtigt, rund die Hälfte dieser zirka 9000 m2 grossen Fläche in die Zone für öffentliche Bauten und Anlagen OeZ umzuzonen. Mit der geplanten Umzonung sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Erweiterung bzw. für eine Flächenumlagerung des nördlich angrenzenden Strandbades in räumlicher und nutzungsmässiger Hinsicht (Erstellung zusätzlicher und neuer Anlagen) geschaffen werden. Der Beschwerdeführer stellt sich nun auf den Standpunkt, dass im Gebiet S. keine veränderten Verhältnisse auszumachen seien, so dass sich die vorgesehene Zonenplananpassung mit dem Bundesrecht nicht vereinbaren lasse. Das Strandbad verfüge über eine hinreichende Fläche, selbst unter Berücksichtigung eines allfälligen Erweiterungsbedarfs. Zudem sei nicht erstellt, dass die beabsichtigte Umzonung einem eigentlichen und genügend konkretisierten Bedürfnis entspreche, weshalb von der vorgesehenen Planungsmassnahme abzusehen sei. Statt dessen sei diese Fläche der Landwirtschaftszone zuzuweisen, zumal dies der heutigen sowie auch der weiterhin beabsichtigten Nutzung entspreche.

b) Nach Art. 21 Abs. 2 RPG sind Nutzungspläne anzupassen, wenn sich die Verhältnisse erheblich geändert haben. Die Verhältnisse haben sich dabei «erheblich geändert», wenn sie das Gemeinwesen nach allgemeiner Erfahrung zu anderem Verhalten veranlasst hätten, wären sie zur Zeit der Nutzungsplanung Wirklichkeit gewesen. Planung und Wirklichkeit müssen im Laufe ihrer Entwicklung zur Übereinstimmung gebracht werden können. Aber nicht jede erhebliche Änderung der Verhältnisse zieht eine Planänderung nach sich. Jeder Anpassung muss – wie den Eingriffen in das Eigentum überhaupt – eine Interessenabwägung vorausgehen. Bei der Interessenabwägung kommt den Planungsgrundsätzen des Raumplanungsgesetzes sowie des kantonalen Rechts eine zentrale Bedeutung zu (RRB Nr. 1591 vom 30. August 1991; EGV-SZ 1985 Nr. 8; BGE 109 Ia 113ff.).

c) Die Vorinstanz ging in bezug auf die umstrittene Umzonung insofern von veränderten Verhältnissen aus, als aufgrund des in den letzten Jahren ausgewiesenen Bevölkerungszuwachses sowie der voraussichtlichen Zuwachsprognose ein Bedürfnis bzw. ein öffentliches Interesse an einer Erweiterung des Strandbades bestehe und zwar sowohl flächenmässig als auch infrastrukturell, was nutzungsplanerisch sicherzustellen sei. Diese Auffassung ist nicht zu beanstanden. Dabei besteht für den Regierungsrat keine Veranlassung, den von der Vorinstanz ausgewiesenen Bedarf an zusätzlichen Infrastrukturanlagen (Aussenbecken, Planschbecken, Spielanlagen etc.) sowie auch den Platzbedarf für längerfristig abzudeckende Bedürfnisse (zusätzliche Umkleidekabinen, Kinderspielplatz, Hallenbad etc.) in Frage zu stellen und den hiefür zusätzlich erforderlichen Flächenbedarf als übersetzt zu bezeichnen. Jedenfalls sind für den Regierungsrat keine Anhaltspunkte ersichtlich, inwiefern die Vorinstanz das ihr zustehende Planungsermessen – auch bei voller Überprüfung – unsachlich oder unzweckmässig ausgeübt haben sollte. Indem die Vorinstanz die fragliche Fläche der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen OeZ zuwies, hat sie eine vertretbare planerische Lösung getroffen und dadurch die nutzungsplanerischen Voraussetzungen für eine zeitgemässe Bade- und Erholungsanlage geschaffen, was im öffentlichen Interesse liegt. Dagegen vermögen jedenfalls die privaten Interessen des Beschwerdeführers nicht aufzukommen. Vorab ist zu berücksichtigen, dass die umstrittene Fläche weiterhin in einer Bauzone bleibt. Zudem kann der Beschwerdeführer die umzuzonende Fläche nach wie vor landwirtschaftlich nutzen. Schliesslich erhält der Beschwerdeführer, sobald die umstrittene Fläche von der öffentlichen Hand beansprucht wird, eine volle Entschädigung.

d) An diesem Ergebnis vermag auch der vom Beschwerdeführer erhobene Einwand, wonach die beabsichtigte Umzonung keinem eigentlichen und genügend konkretisierten Bedürfnis entspreche, so dass die umstrittene Planungsmassnahme gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung unzulässig sei, nichts zu ändern. Wie das Bundesgericht in BGE 114 Ia 335ff. ausführt, ist das öffentliche Interesse an der Landsicherung selbst dann nicht auszuschliessen, wenn ein öffentliches Werk, für welches die Zone für öffentliche Bauten und Anlagen festgesetzt wird, erst nach Jahren realisiert werden sollte. Es entspreche vielmehr der Aufgabe der Raumplanung, auf weite Sicht (gemäss BGE 88 II 295f. sogar unter Berücksichtigung des voraussichtlichen Bevölkerungswachstums der nächsten 30 Jahre) die zweckmässige Nutzung des Bodens festzulegen, um zu einer den Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechenden Gestaltung der Siedlungen zu gelangen (Art. 1 und 3 RPG). Voraussetzung zur Festsetzung einer Zone für öffentliche Bauten und Anlagen sei jedoch, dass das geltend gemachte zukünftige Bedürfnis genügend konkretisiert sei. Das Bedürfnis sei vom Gemeinwesen so genau wie möglich anzugeben, und die Errichtung der öffentlichen Bauten bzw. Anlagen müsse mit einiger Sicherheit zu erwarten sein (BGE 114 Ia 335ff.). Wie bereits erwähnt, besteht für den Regierungsrat keine Veranlassung, den von der Vorinstanz ausgewiesenen Bedarf an zusätzlichen Infrastrukturanlagen (Aussenbecken, Planschbecken, Spielanlagen etc.) sowie auch den Platzbedarf für längerfristig abzudeckende Bedürfnisse (zusätzliche Umkleidekabinen, Kinderspielplatz, Hallenbad etc.) in Frage zu stellen und den hiefür zusätzlich erforderlichen Flächenbedarf als übersetzt zu bezeichnen. Zudem bestehen keine Anhaltspunkte, dass die geplante Umzonung ein Vorwand dafür wäre, dass sich das Gemeinwesen die fragliche Landfläche sichern wollte, um über eine möglichst grosse Handlungsfreiheit für die raumplanerische Gestaltung des Gemeindegebietes zu verfügen. Somit ist das öffentliche Interesse an der Landsicherung für eine erweiterte Bade- und Erholungsanstalt zu bejahen.

(RRB Nr. 2310 vom 20. Dezember 1994).

 

53

Planungs- und Baurecht

– Gegenstand des Auflage- und Einspracheverfahrens bei einer generellen Überprüfung der Ortsplanung sind auch Grundstücke, für die der Gemeinderat keine Veränderungen vorschlägt.

Aus den Erwägungen:

1. Ist die Vorinstanz auf die Einsprache nicht eingetreten, so prüft der Regierungsrat als Rechtsmittelinstanz grundsätzlich nur, ob das Nichteintreten zu Recht erfolgt ist. Wurde zu Unrecht auf die Einsprache nicht eingetreten, so hebt der Regierungsrat den angefochtenen Entscheid auf und weist die Sache zur materiellen Beurteilung an die Vorinstanz zurück.

a) Nach § 25 Abs. 3 des Planungs- und Baugesetzes vom 14. Mai 1987 (PBG, nGS IV-493) kann jedermann während der Auflagefrist beim Gemeinderat gegen den Entwurf von Zonen- und Erschliessungsplänen Einsprache erheben. Die Vorinstanz bringt nun vor, dass hinsichtlich des Grundstückes KTN 15 der Beschwerdeführerin im Entwurf gar keine Änderung vorgesehen war. Bereits im rechtsgültigen Zonenplan vom 19. Dezember 1977 lag das Grundstück in der Wohn- und Gewerbezone WG3. Diese Zonenzuweisung wurde im Entwurf beibehalten.

b) Mit öffentlicher Bekanntmachung vom 28. September 1993 im Amtsblatt Nr. 39 (ABl 1993, S. 1247) leitete der Bezirksrat Gersau das öffentliche Auflageverfahren ein. Gemäss Publikationstext wurden neben verschiedenen Teilzonenplänen, Ergänzungen und Anpassungen des Baureglements auch die Änderungen im Zonenplan Dorf-Forst aufgelegt. Der Zonenplan Dorf-Forst war mit einem roten Stempelaufdruck «Auflageexemplar» versehen. In diesem Plan waren je mit einer Ordnungsnummer versehen nur die Änderungen gegenüber dem bisherigen rechtskräftigen Zonenplan enthalten. Daneben konnte im Auflagelokal aber auch der Plan Nr. 1431-4 eingesehen werden, der das ganze eingezonte Gebiet Dorf-Forst umfasste. Darin enthalten waren neben den vorgesehenen Änderungen auch die unveränderten Zonenzuweisungen aus dem rechtskräftigen Zonenplan 1977. Dieser Plan war mit dem blauen Stempelaufdruck «zur Orientierung» versehen. Gemäss den von der Vorinstanz nachgereichten Unterlagen wurde strikt in Pläne unterschieden, die Auflagecharakter hatten und in solche, die nur zu Orientierungszwecken gleichzeitig öffentlich eingesehen werden konnten.

c) Die Vorinstanz stellt sich nun auf den Standpunkt, dass Gegenstand der öffentlichen Planauflage und damit Gegenstand des Einspracheverfahrens nur die Änderungen im Auflageexemplar waren. Jener Grundeigentümer, dessen Grundstück keine Zonenänderung erfahren hatte, sei von keiner Änderung betroffen worden und habe deshalb nicht Einsprache erheben können. Eine Anpassungspflicht bestehe nur soweit, als der Zonenplan bzw. die konkrete Zuweisung übergeordnetem Recht widerspreche, andernfalls habe das Gebot der Rechtssicherheit und der Schutz des Vertrauens in die Beständigkeit des Plans Vorrang.

d) Dieses letztere Argument ist nicht stichhaltig, weil der Grundeigentümer selbst ja eine Zonenänderung erreichen will und sich gar nicht auf die Rechtssicherheit und -beständigkeit des geltenden Plans beruft. Einen anfechtbaren Entscheid über eine Zonenplanänderung kann er aber nur im Rahmen eines öffentlichen Auflageverfahrens verlangen, da ausserhalb eines öffentlichen Auflageverfahrens nach geltender Praxis grundsätzlich keine Pflicht besteht, auf Einzonungs- oder Änderungsgesuche einzutreten. Der Regierungsrat tritt auf entsprechende Beschwerden nach bisheriger, konstanter Praxis ebenfalls nicht ein (EGV-SZ 1988 Nr. 48). Da ein Grundeigentümer ausserhalb eines öffentlichen Auflageverfahrens keinen Anspruch auf Beurteilung seines Gesuchs hat, muss er – auch wenn die Zonenzuweisung seines Grundstücks gleich bleiben soll – sein Begehren zumindest im Rahmen einer nächsten öffentlichen Auflage stellen können. Wäre dies nicht der Fall, so könnte er sich wohl auf Rechtsverweigerung berufen.

Ein Eintreten auf die Einsprache war um so mehr gerechtfertigt, weil der geltende Zonenplan noch aus dem Jahre 1977 stammt, also aus einer Zeit noch vor dem Inkrafttreten des eidgenössischen Raumplanungsgesetzes. Zwar sieht das Bundesrecht keine zeitliche Frist für eine Überprüfung vor. Hingegen schreibt Art. 15 Abs. 2 PBG eine verbindliche Überprüfung der Zonenpläne nach 15 Jahren vor (vgl. dazu Manuel Bianchi, La revision du plan d’affectation communal, Lausanne 1990, S. 137). Auch wenn die blosse Überprüfung eines Zonenplans noch nicht zwingend eine Anpassung beinhaltet, muss jedoch ein Grundeigentümer in einem rechtlich verbindlichen Verfahren einen Entscheid über die zonenrechtliche Behandlung seines Grundstückes verlangen können, wenn der bestehende Plan älter als 15 Jahre ist. Da es sich bei der Revision 92 zudem um eine Gesamtrevision handelt, was sich aus den umfangreichen Akten einerseits, aber auch aus den Anpassungen an übergeordnetes Recht anderseits ergibt, musste die Beschwerdeführerin ebenfalls Einsprache erheben können, auch wenn von Seiten der planenden Behörde für ihr Grundstück keine Änderung vorgesehen war.

Offen gelassen werden kann hier die Frage, ob ein Gesuchsteller ausserhalb eines öffentlichen Auflageverfahrens generell keinen Behandlungsanspruch hat. Ebenso nicht zu beurteilen ist die allgemeine Problematik, ob auf weitere Gesuche eingetreten werden muss, wenn die konkrete Auflage speziell hinsichtlich einer einzelnen Um- oder Einzonung vorgenommen wird.

Die Vorinstanz kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Grundeigentümer im Mitwirkungsverfahren nach Art. 4 RPG Gelegenheit gehabt hätte, sein Anliegen vorzubringen. Dabei übersieht die Vorinstanz, dass diesem Vorverfahren im Gegensatz zum Auflage- und Einspracheverfahren keine rechtliche Wirkung zukommt (EGV-SZ 1988 Nr. 48).

e) Des weitern verhält sich die Vorinstanz selbst widersprüchlich, ist sie doch zumindest in zwei anderen Fällen auf Einsprachen eingetreten. Dabei hatten einerseits Grundeigentümer, deren Grundstücke nach bisherigem Zonenplan und im Zonenplanentwurf im übrigen Gemeindegebiet lagen – also wo wie bei der Beschwerdeführerin keine Änderung der Zonenzuweisung vorgesehen war –, eine Einzonung verlangt. Anderseits hatte ein anderer Grundeigentümer die Aufzonung seines Grundstückes, das gemäss Auflageplan unverändert in der Wohnzone W3 belassen werden sollte, verlangt. Auf diese Einsprachen ist die Vorinstanz ohne weiteres eingetreten und hat sie gutgeheissen. Wenn auf Einsprachen mit Einzonungsanträgen eingetreten wurde, so ist nicht einzusehen, wieso auf den Aufzonungsantrag der Beschwerdeführerin nicht eingetreten werden sollte. Aus Gründen der Rechtsgleichheit hätte vielmehr auch die Einsprache der Beschwerdeführerin materiell behandelt werden müssen.

Ein weiteres Indiz, dass die Vorinstanz auf die Einsprache hätte eintreten müssen, ergibt sich aus der unterschiedlichen Formulierung des Publikationstextes im Amtsblatt für die erste und zweite Auflage. Während bei der zweiten öffentlichen Auflage ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass nur gegen die Änderungen Einsprache erhoben werden kann, ist diese Einschränkung im Publikationstext der ersten öffentlichen Auflage nicht enthalten. Zusammen mit der Tatsache, dass alle Pläne gleichzeitig öffentlich eingesehen werden konnten, durfte ein Eigentümer im ersten Auflageverfahren davon ausgehen, dass er gegen alle Planentwürfe Einsprache erheben konnte.

f) Zusammenfassend ist demnach die Vorinstanz zu Unrecht nicht auf die Einsprache eingetreten. Grundsätzlich müsste deshalb der angefochtene Nichteintretensentscheid aufgehoben und die Sache zur materiellen Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen werden. Angesichts der nachfolgenden besonderen Umstände kann darauf verzichtet werden.

Die Vorinstanz hat zum Begehren der Beschwerdeführerin sowohl im Einspracheentscheid als auch in der Beschwerdevernehmlassung und am Augenschein materiell bereits Stellung genommen. Bei einer Rückweisung an die Vorinstanz würde diese wohl die Einsprache in dem Sinne entscheiden, wie sie sich bisher in den verschiedenen Stellungnahmen geäussert hat. Ebenso würde die Beschwerdeführerin den neuen Entscheid wiederum anfechten. Eine Rückweisung mit erneuter Beschwerdeeinreichung wäre deshalb ein Verfahrensleerlauf. Da dem Regierungsrat im Beschwerdeverfahren betreffend Ortsplanungen zudem vollumfängliche Kognition zukommt (Art. 33 Abs. 3 lit. b RPG), ist eine umfassende Überprüfung auch durch den Regierungsrat als Rechtsmittelinstanz gewährleistet. Eine Rückweisung an die Vorinstanz würde zu einer weiteren Verzögerung der Ortsplanungsrevision führen, was zu vermeiden ist, nachdem die Anpassung aus Bundesrecht schon bis Ende 1987 hätte erfolgen sollen (Art. 35 RPG). Es ist deshalb ausnahmsweise auf eine Rückweisung an die Vorinstanz zu verzichten und das Einsprache- bzw. Beschwerdebegehren der Beschwerdeführerin materiell zu behandeln.

(RRB Nr. 1231 vom 5. Juli 1994).

Anmerkung: In einem neuen Entscheid hat sich das Bundesgericht – allerdings aus prozessualer Sicht – mit der Frage einer Überprüfung und Anpassung von Nutzungsplänen befasst. Danach verleiht das Bundesrecht einem Grundeigentümer unter gewissen Bedingungen einen Rechtsanspruch auf Überprüfung und Anpassung planerischer Massnahmen, die seine Liegenschaft betreffen. Das Bundesgericht geht dabei von der Vermutung aus, dass ein sich in Kraft befindlicher Nutzungsplan den gesetzlichen Erfordernissen entspricht (BGE 120 Ia 227, M. c. Commune de Pully).

 

54

Planungs- und Baurecht

– Rechtliche Tragweite eines kommunalen Verkehrsrichtplanes (Erw. 7a–d).
– Die Ersatzvornahme durch das Gemeinwesen ist nur im Hinblick auf die Feinerschliessung zulässig (Erw. 7e–f).
– Instrumentarien für die Groberschliessungsplanung (Erw. 8).

Aus den Erwägungen:

7. a) Mit Beschluss Nr. 515 vom 17. Mai 1990 hat der Bezirksrat Einsiedeln einen Verkehrsrichtplan erlassen, den der Regierungsrat des Kantons Schwyz am 10. September 1991 (RRB Nr. 1543) genehmigt hat. Die im Verkehrsrichtplan enthaltene Fortsetzung der Grossmorgenstrasse führt von der bestehenden Grossmorgenstrasse in einer leichten Rechts-/Linkskurve auf die Höhe zur Neuburg und schliesst dort an die Neuburgstrasse an. Im Verkehrsrichtplan ist diese Verbindung als Erschliessungsstrasse gekennzeichnet und der Kategorie der nutzungsorientierten Strassen zugeordnet. [Im Gegensatz dazu sind die Haupt- und Sammelstrassen zu den verkehrsorientierten Strassen zu zählen.]

b) Der Verkehrsrichtplan des Bezirkes Einsiedeln ist ein kommunaler Richtplan im Sinne von § 13 PBG bzw. Art. 5 Abs. 2 und Art. 7ff. BauR. Als solcher ist er wie der kantonale Richtplan für die Vorinstanz verbindlich (§ 3 Abs. 2 PBG; Art. 9 Abs. 1 BauR). Diese Behördenverbindlichkeit, die mit der Genehmigung durch den Regierungsrat eintritt (§ 13 Abs. 2 i.V.m. § 28 Abs. 2 PBG), bedeutet, dass der Bezirksrat an den von ihm selbst erlassenen und vom Regierungsrat genehmigten Richtplan gebunden ist. Er hat dessen Aussagen und Vorgaben beim Erlass von eigentümerverbindlichen Plänen (Zonenplan, Gestaltungsplan, Erschliessungsplan) und Verfügungen (z.B. Baubewilligungen) zu berücksichtigen (RRB Nr. 417 vom 4. März 1992, E. 3a; VGE 591/92 vom 26. August 1992, E. 3a).

c) Dem von einer Anordnung im Richtplan (virtuell) tangierten Grundeigentümer steht wegen der blossen Behördenverbindlichkeit des Richtplanes grundsätzlich kein Rechtsmittel gegen den Richtplan zu. Wenn es aber um die Umsetzung von Richtplaninhalten geht, nimmt der Eingriff in die Rechtsstellung des tangierten Grundeigentümers konkret Gestalt an, weshalb dem Betroffenen in diesem Stadium die Rechtsschutzmöglichkeit (welche eine akzessorische Überprüfung des Richtplanes miteinschliesst) nicht verweigert werden darf (VGE 591/92 vom 26. August 1992, E. 3b mit Hinweisen).

Bei der vorfrageweisen Überprüfung eines kommunalen Richtplanes legt sich der Regierungsrat jedoch Zurückhaltung auf, da die Zuständigkeit für den Erlass dieses Koordinationsinstrumentes beim Bezirksrat liegt, und sich bei der Verkehrsführung häufig Ermessensfragen stellen, und die Würdigung örtlicher Verhältnisse gefragt ist, die der Vorinstanz besser vertraut sind (Art. 2 Abs. 3 RPG; § 15 Abs. 3 PBG). Im erwähnten RRB Nr. 417 vom 4. März 1992 hat der Regierungsrat festgestellt, dass die im Verkehrsrichtplan hinsichtlich der Verlängerung der Grossmorgenstrasse zur Neuburgstrasse getroffene Anordnung im Rahmen der vorfrageweisen Überprüfung nicht zu beanstanden ist (E. 4). Unter diesen Aspekten besteht keine Veranlassung, dass der Regierungsrat aufsichtsrechtlich den Verkehrsrichtplan des Bezirkes Einsiedeln abändert.

d) Indes ist der Bezirksrat Einsiedeln an die im Verkehrsrichtplan enthaltenen Vorgaben gebunden. Das umstrittene Strassenstück ist im Verkehrsrichtplan als Erschliessungsstrasse eingezeichnet. Der Natur des Verkehrsrichtplanes entsprechend werden darin nur solche Strassen aufgeführt, denen zumindest Groberschliessungscharakter zukommt. Im Verkehrsrichtplan sind denn auch nicht sämtliche Quartierstrassen aufgeführt, sondern nur jene Strassen, die grössere Baugebiete erschliessen. Dies spricht dafür, dass die im Verkehrsrichtplan enthaltenen Erschliessungsstrassen der Groberschliessung dienen. Die genauere Betrachtung des Strassennetzes in diesem Bereich des Dorfes Einsiedeln führt zu demselben Ergebnis. Die beiden Stichstrassen, welche die Parzellen des Quartiers Feilenstaub erschliessen, sind nach der oben erwähnten Umschreibung (§ 37 Abs. 5 PBG; § 2 Abs. 1 der Grundeigentümerbeitragsverordnung) zu den Feinerschliessungsstrassen zu zählen. Die Neuburgstrasse und deren Verlängerung zur Spitalstrasse (via Grossmorgen) sammeln hingegen den Verkehr der Feinerschliessungsstrassen, so insbesondere den Verkehr der Feinerschliessungsstrassen aus dem Quartier Feilenstaub und führen diesen dem übergeordneten Strassennetz, d.h. der Spitalstrasse, zu. Die Spitalstrasse ist gemäss Verkehrsrichtplan Einsiedeln eindeutig eine Sammelstrasse, also eine verkehrsorientierte Strasse. Gemäss § 2 Abs. 2 lit. a der Grundeigentümerbeitragsverordnung handelt es sich somit bei der Verbindungsstrasse zwischen Spitalstrasse und dem Quartier Feilenstaub (Grossmorgenstrasse) um eine Groberschliessungsstrasse. Sie verbindet die Feinerschliessungsstrassen (Stichstrassen Feilenstaub) mit der Basiserschliessung (Spitalstrasse und Zürichstrasse). Für eine Einstufung als Groberschliessungsstrasse spricht auch, dass durch das Verbindungsstück ein grösseres Baugebiet erschlossen werden soll. So werden dadurch insbesondere die Parzellen der Beschwerdegegner sowie die Parzelle von X. erschlossen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass durch die Verlängerung der Grossmorgenstrasse auch eine strassenmässige Erschliessung der in der W3 eingezonten Parzellenteile von KTN 747 ermöglicht wird. Abgesehen davon wäre für den Fall einer späteren Einzonung der heutigen Reservezonen (KTN 747: Reservezone für öffentliche Bauten und Anlagen; Liegenschaft des Beschwerdeführers III: Reservezone W3) die erforderliche Groberschliessung bereits sichergestellt. Indes bleibt festzuhalten, dass auch dann von einer Groberschliessungsfunktion auszugehen ist, wenn die heutigen Reservegebiete ausser acht gelassen werden.

e) Die Vorinstanz hat unter Berücksichtigung all dieser Umstände erkannt, dass es sich beim umstrittenen Strassenstück um eine Groberschliessungsanlage handelt. Weshalb im nun angefochtenen Beschluss eine derartige Kehrtwendung erfolgt ist, und es sich dabei nun plötzlich um eine Feinerschliessungsstrasse handeln soll, kann nicht nachvollzogen werden. Insbesondere das Argument, dass eine Feinerschliessungsstrasse schneller realisierbar sei, muss angesichts der aktuellen Beschwerdeverfahren bezweifelt werden. Auf jeden Fall genügt diese vermutete Vereinfachung und Abkürzung der Verfahrenswege nicht, um den Sachverhalt dem gewünschten Ergebnis entsprechend anzupassen.

f) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es sich beim geplanten Verbindungsstück zwischen Spital- und Neuburgstrasse um eine Groberschliessungsstrasse handelt. Folgerichtig kann das Instrument der Ersatzvornahme gemäss § 42f. PBG in diesem Fall nicht zur Anwendung kommen, da dieses grundsätzlich nur für Feinerschliessungsanlagen vorgesehen ist. Demzufolge sind sämtliche Beschwerden gutzuheissen und der angefochtene Beschluss der Vorinstanz ist aufzuheben.

Ist die Ersatzvornahme mangels Qualifikation als Feinerschliessungsanlage gar nicht möglich, so kann offen gelassen werden, ob die in § 42 Abs. 2 und 3 PBG umschriebenen Voraussetzungen für die Ersatzvornahme überhaupt gegeben sind. Dies erscheint indes zweifelhaft.

8. Nachstehend soll aufgezeigt werden, welchen Weg die Vorinstanz für die Erstellung einer Groberschliessungsstrasse einzuschlagen hat.

a) Die Gemeinden sind für die Groberschliessung verantwortlich (vgl. auch Art. 19 Abs. 2 RPG). Sie bezeichnen die Anlagen der Groberschliessung in den Erschliessungsplänen (§ 38 Abs. 1 PBG). Die Gemeinde führt die Groberschliessung in Zusammenarbeit mit andern Erschliessungsträgern nach Ausbauprogramm und baulicher Entwicklung durch. Bauwillige Grundeigentümer können mit der Gemeinde die vorzeitige Erschliessung vereinbaren. Die Erstellung der Erschliessungsanlagen erfolgt diesfalls durch die Gemeinde oder unter ihrer Aufsicht (§ 39 PBG). Bei der vorzeitigen Erstellung von Verkehrsanlagen haben die bauwilligen Grundeigentümer die auf sie entfallenden Beiträge zu entrichten und die restlichen Kosten vorzuschiessen (§ 47 Abs. 1 PBG).

b) Die Gemeinden sind verpflichtet, Zonenpläne und Erschliessungspläne samt den zugehörigen Vorschriften zu erlassen. In begründeten Fällen kann der Regierungsrat Gemeinden von der Pflicht, einen Erschliessungsplan zu erlassen, ganz oder teilweise befreien (§ 15 Abs. 1 und 4 PBG). Der Erschliessungsplan legt die Groberschliessung der Bauzonen fest und gibt Aufschluss über die Etappen und die Reihenfolge der Groberschliessung (§ 23 Abs. 1 PBG). In bezug auf Erschliessungsstrassen legt die Gemeinde ihren Kostenanteil entweder im Erschliessungsplan fest oder bestimmt in einem Reglement, wie sich ihr Kostenanteil bemisst (§ 44 Abs. 2 PBG). Der Erschliessungsplan wird im gleichen Verfahren wie der Zonenplan erlassen und bedarf zu seiner Verbindlichkeit ebenfalls der Genehmigung des Regierungsrates (§§ 25–29 PBG). Weder aus dem Bundesrecht noch aus dem kantonalen Recht ergibt sich eine Verpflichtung der Gemeinden, Zonen- und Erschliessungspläne gleichzeitig zu erlassen (EGV-SZ 1991 Nr. 50).

c) Zwischen Nutzungsplanung und Erschliessungsplanung besteht zweifellos ein sehr enger Zusammenhang. Eine Einzonung erweist sich nur dann als sinnvoll, wenn das Gemeinwesen auch seiner Groberschliessungspflicht nachkommt. Dafür ist aber der Erlass eines Erschliessungsplanes unumgänglich. Unter diesem Gesichtspunkt bestehen denn auch in den Bezirken und Gemeinden erhebliche Defizite. Wohl werden die Nutzungspläne den gesetzlichen Anforderungen entsprechend überprüft und angepasst. Indes wird es dann meist damit sein Bewenden haben und die Ausarbeitung des ebenfalls vorgeschriebenen Erschliessungsplanes wird «vergessen».

d) Der Bezirk Einsiedeln hat einen revidierten Zonenplan, indes noch keinen rechtsgültigen Erschliessungsplan. Müsste zugewartet werden bis ein rechtskräftiger Erschliessungsplan vorliegt, so würde dies für zahlreiche, rechtskräftig eingezonte Baugebiete eine faktische Bausperre bedeuten. Dies aber würde Sinn und Zweck von Bauzonen, die in teils langwierigen Zonenplanrevisionsverfahren zustande gekommen sind, in Frage stellen. In Berücksichtigung dieser Probleme hat das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz entschieden, dass ein kombiniertes Vorgehen nach der Verordnung über den Bau und Unterhalt der Strassen vom 2. April 1964 (StrV, nGS IV-410) einerseits und Planungs- und Baugesetz bzw. Grundeigentümerbeitragsverordnung anderseits einstweilen als zulässig zu erachten ist. Die Gemeinden seien jedoch verpflichtet, die Erschliessungsplanung mit der gebührenden Zielstrebigkeit weiterzuführen und abzuschliessen (VGE 667/92 vom 24. März 1993, E. 5a). Somit besteht die Möglichkeit, eine Groberschliessungsstrasse als kommunale Nebenstrasse (§ 9 StrV) in dem in der Strassenbauverordnung vorgesehenen Verfahren (§§ 26–28 StrV) zu planen und zu erstellen. Dieses Vorgehen weist zudem den Vorteil auf, dass für den Bau der Strasse keine Ausnahmebewilligung gemäss Art. 24 RPG erforderlich ist. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist die im Detailprojekt enthaltene Baubewilligung gemäss §§ 16ff. StrV Bestandteil eines Nutzungsplanes im Sinne von Art. 14ff. RPG (nicht publizierte Erwägung 1b von BGE 118 Ib 76ff., mit Hinweis auf BGE 117 Ib 38 E. 2). Ist ein entsprechendes Strassenprojekt auf diesem Weg oder in einem (Teil-)Erschliessungsplan bewilligt, so können die bauwilligen Grundeigentümer mit dem Bezirksrat die vorzeitige Erschliessung vereinbaren (§ 39 Abs. 2, § 47 PBG).

(RRB Nr. 1525 vom 17. August 1994).

 

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Planungs- und Baurecht

– Es ist nicht zulässig, die für die Waldfeststellung beim Erlass und bei der Revision von Nutzungsplänen anfallenden Kosten den Grundeigentümern vollumfänglich zu überwälzen (Erw. 5).

Aus den Erwägungen:

5. b) Nach Art. 10 Abs. 2 des Bundesgesetzes über den Wald vom 4. Oktober 1991 (Waldgesetz, WaG, SR 921.0; AS 1992 III 2521) ist beim Erlass und bei der Revision von Nutzungsplänen eine Waldfeststellung in jenem Bereich anzuordnen, wo Bauzonen an den Wald grenzen oder in Zukunft grenzen sollen. Solche Waldfeststellungen werden auf Ersuchen der mit der Ortsplanung betrauten Gemeinden/Bezirke vom kantonalen Oberforstamt durchgeführt und sind grundsätzlich gebührenpflichtig. Eine Gebühr ist gemäss Lehre das Entgelt für eine bestimmte, vom Pflichtigen veranlasste Amtshandlung oder für die Benutzung einer öffentlichen Einrichtung. Sie soll die Kosten, welche dem Gemeinwesen durch die Amtshandlung oder Benutzung der Einrichtung entstanden sind, decken (Häfelin/Müller, a.a.O., N 2042). Nach § 72 Abs. 1 VRP und § 5 Abs. 1 der Gebührenordnung für die Verwaltung und die Rechtspflege im Kanton Schwyz vom 20. Januar 1975 (nGS I-130) trägt die Gebühr, wer die öffentliche Sache oder Anstalt beansprucht oder eine Amtshandlung veranlasst hat.

c) Im konkreten Fall werden die Waldfeststellungen klarerweise durch die Vorinstanz, im Zusammenhang mit der laufenden Ortsplanungsrevision, angeordnet bzw. in die Wege geleitet. Nach § 72 Abs. 1 VRP und § 5 Abs. 1 der zitierten Gebührenordnung ist deshalb für die durchzuführenden Waldfeststellungen grundsätzlich die Vorinstanz gebührenpflichtig, da sie die entsprechenden Amtshandlungen veranlasst hat. Das Feststellungsinteresse der Vorinstanz ist in einer sauberen Abgrenzung zwischen Bauzonen und Wald zu sehen. Es darf kein Waldgebiet einer Bauzone zugewiesen werden. Im Baugebiet wird alsdann gemäss Art. 13 WaG der bisher gültige, dynamische Waldbegriff durchbrochen, d.h. dass ausserhalb der festgelegten Waldgrenzen kein neuer Wald mehr einwachsen kann. Nach dem Gesagten verstösst es somit gegen klares Recht, die Gebühren für die vorzunehmenden Waldfeststellungsverfahren vollumfänglich den jeweiligen Grundeigentümern zu überbinden. Inwiefern die Vorinstanz dies aus § 5 Gebührenordnung ableitet (angefochtene Beschlüsse, S. 5 bzw. 6), ist nicht nachvollziehbar.

Dass es nicht angeht, die im Rahmen der Ortsplanungsrevision entstehenden Waldfeststellungskosten vollumfänglich den Grundeigentümern zu überbinden, wird durch entsprechende Tendenzen anderer Kantone untermauert. Einer Vernehmlassung des kantonalen Oberforstamtes vom 2. Februar 1994 im Zusammenhang mit einem anderen Verfahren ist zu entnehmen, dass gemäss Rückfrage bei verschiedenen anderen Kantonen die vollumfängliche Kostenübernahme durch die Gemeinde bzw. ein Kostenteiler zwischen Gemeinde und Grundeigentümer am häufigsten vorkomme. Im Informationsblatt 4/93 der Raumplanungsgruppe Nordostschweiz wird sodann festgehalten, es herrsche die Tendenz vor, dass die Kosten für umfassende Waldfeststellungen von den Gemeinden und die Kosten für einzelne Waldfeststellungen von den interessierten Grundeigentümern zu tragen sind.

d) Es ist zwar nicht zu verkennen, dass durch die Waldfeststellungen auch die entsprechenden Grundeigentümer, insbesondere bezüglich Rechtssicherheit, profitieren. Auf die Frage, ob deswegen ein Teil der Waldfeststellungskosten von der Gemeinde auf die Grundeigentümer abgewälzt werden kann, ist an dieser Stelle jedoch nicht weiter einzugehen. Fest steht auf jeden Fall, dass die umstrittenen Kosten nicht vollumfänglich den Grundeigentümern überbunden werden dürfen, wie dies die Vorinstanz in den beiden angefochtenen Beschlüssen beabsichtigt. Die Vorinstanz wird selber zu entscheiden haben, ob sie die anfallenden Kosten voll oder zumindest teilweise (wohl mindestens zu 50%) übernehmen wird.

(RRB Nr. 760 vom 3. Mai 1994).

 

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Planungs- und Baurecht

– Eine Verwaltungsbehörde kann eine Rechtsfrage aus dem Erkenntnisbereich einer andern Behörde vorfrageweise lediglich prüfen, wenn sich die Frage eindeutig beantworten lässt (Erw. 2e).
– Erschliessungshilfe kann nur für eine bestehende private Erschliessungsanlage gewährt werden (Erw. 2f).
– Die Erteilung einer Baubewilligung unter einer Bedingung kommt nur in Betracht, wenn der Bauherr die Erfüllung der Bedingung selbst herbeiführen kann (Erw. 2h).

Aus den Erwägungen:

2. e) Für die unbestrittenermassen notwendige Entwässerung der geplanten Strassenanlage muss der X.-weg (Kat.-Nr. 1834) mit einer Meteorwasserleitung durchquert werden, damit sie an eine angeblich bestehende Meteorwasserleitung, die in der Wegparzelle Kat.-Nr. 1220 verlegt ist und in den Zürichsee mündet, angeschlossen werden kann. Die Beschwerdeführerin II macht nun geltend, diese Entwässerung könne gar nicht realisiert werden, da kein Durchleitungsrecht bestehe. Der Einzelrichter hat diesen Standpunkt geschützt und der Bauherrschaft deshalb die Erstellung der Meteorwasserleitung auf dem Grundstück Kat.-Nr. 1834 X.-weg) untersagt (Urteil vom 14. September 1991 Ziff. 1 [ER 47-8/91], das beim Kantonsgericht Schwyz angefochten ist). Diese privatrechtliche Frage ist somit noch ungeklärt. Sie kann von den Baubehörden auch nicht vorfrageweise entschieden werden, denn die gebotene Zurückhaltung, die den Verwaltungsbehörden bei der Beantwortung von Rechtsfragen aus dem Erkenntnisbereich einer andern Behörde obliegt, könnte nur dann aufgegeben werden, wenn sich die Frage der Durchleitungsberechtigung eindeutig beantworten liesse (ZBl 1981, S. 463ff.; RRB Nr. 1068 vom 12. Juni 1990, S. 9f.). Da dies vorliegend jedoch nicht der Fall ist, kann die Baubewilligung für den geplanten Strassenausbau grundsätzlich nur unter dem Vorbehalt des Durchleitungsrechtes oder einer andern Entwässerungslösung erteilt werden (s. nachstehend lit. g).

f) Eine öffentlich-rechtliche Möglichkeit, der Bauherrschaft dieses Durchleitungsrecht zu verschaffen, besteht vorliegend nicht. Obwohl die Beschwerdegegner II/2–3 vom Gemeinderat Erschliessungshilfe im Sinne von § 41 PBG beanspruchen, kann eine solche nur für bestehende private Erschliessungsanlagen gewährt werden (vgl. hiezu auch das Protokoll der kantonsrätlichen Kommission zur Vorberatung des Bau- und Planungsgesetzes vom 14. Juni 1984, S. 14, wo KR Werner Inderbitzin klargestellt hat, dass die Erschliessungshilfe nur zur Anwendung komme, wenn Erschliessungsanlagen bereits bestehen würden). Eine Abwasserleitung in der X.-weg-Parzelle Kat.-Nr. 1834 müsste jedoch erst noch verlegt werden.

Ob die Voraussetzungen der Ersatzvornahme nach § 42 PBG erfüllt sind, kann offenbleiben. Nachdem der Gemeinderat den Weg nach § 41 PBG eingeschlagen hatte, der sich nun zwar im nachhinein mangels bestehender Erschliessungsanlage als verfehlt herausstellt, durfte er das Gesuch der H. vom 14. März 1991 um Erschliessungshilfe für das ganze Baugebiet X. im damaligen Zeitpunkt auch abweisen. Da es sich beim X.-weg jedoch um eine Feinerschliessungsanlage handelt, bleibt es dem Gemeinderat unbenommen, das von der Beschwerdeführerin II gestellte Gesuch um Erschliessungshilfe (nach §§ 42f. PBG) für das gesamte Baugebiet X. wieder aufzunehmen und die Erschliessung voranzutreiben, nachdem sich eine gemeinsame Lösung nicht realisieren liess.

Schliesslich könnte der Gemeinderat nach § 42 Abs. 3 PBG die Ersatzvornahme von sich aus durchführen, wenn ein dringender Bedarf an baureifem Land besteht. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, müsste ebenfalls vom Gemeinderat erstinstanzlich entschieden werden.

g) Was neben einer nach wie vor wünschenswerten einvernehmlichen Lösung bleibt, ist die Möglichkeit des Notdurchleitungsrechts gemäss Art. 691 ZGB (vgl. hiezu auch Art. 7 i.V. mit Art. 1 lit. c des Kanalisationsreglementes der Gemeinde Q.), das jedoch auf dem zivilprozessualen Weg durchgesetzt werden müsste. Schliesslich kann die Bauherrschaft auch eine neue Entwässerungsvariante vorschlagen, wie sie der Gemeinderat in der erteilten Baubewilligung verlangt.

h) Es fragt sich, ob die Baubewilligung trotz fehlender rechtlicher Sicherstellung der Entwässerung mit entsprechenden Nebenbestimmungen erteilt werden kann, oder ob sie zu verweigern ist. Auf der einen Seite verlangt der Grundsatz der Gesetzmässigkeit die Verweigerung der Baubewilligung für ein nicht mängelfreies Bauvorhaben. Auf der andern Seite können Mängel so unbedeutend sein, dass die Ablehnung eines Baugesuchs gegen den Verhältnismässigkeitsgrundsatz verstossen würde. Aus diesem Grund können Baubewilligungen unter Umständen mit Nebenbestimmungen, d.h. zusätzlichen Anordnungen, versehen werden. Solche Mängel müssen hingegen geringfügig und behebbar sein (Christian Mäder, Das Baubewilligungsverfahren, ZH-Diss. 1991, Rz 442ff., 458ff.). In Frage käme vorliegend die Erteilung der Baubewilligung unter der suspensiven Bedingung, dass von dieser erst Gebrauch gemacht werden darf, wenn die geplante Entwässerung rechtlich sichergestellt ist oder eine entsprechende, andere Lösung vorgelegt wird. Da die Bauherrschaft jedoch beide Hindernisse in rechtlicher Hinsicht nicht aus eigener Kraft beseitigen kann, und die Durchsetzung des Rechts (für eine Durchleitung) und damit die Heilung des Mangels in zeitlicher Hinsicht die Gültigkeitsdauer der Baubewilligung übersteigen dürfte (Mäder, a.a.O., Rz 461 und 463), sind die Voraussetzungen für eine Bewilligungserteilung unter Vorbehalt nicht erfüllt.

(RRB Nr. 1967 vom 2. November 1994).

 

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Planungs- und Baurecht

– Gartenhalle als Nebenbaute (Erw. 4).

Aus den Erwägungen:

4. a) Die Gartenhalle weist einen betonierten Boden von rund 28 m2 (4,40 m x 6,40 m) Fläche auf, ist auf drei Seiten mit festen Betonwänden (massive Bauweise ohne Isolation) umschlossen und verfügt über ein Giebeldach (Sparrenlage, Tonziegel). Aus dem Dach ragt ein Cheminéekamin aus Kupfer. In der südöstlichen Wand befindet sich ein Fenster mit zwei Flügeln. Die Südseite der Baute ist offen. Im Innern wird der Raum nach oben durch sichtbare Balken und Holztäfer abgeschlossen. Vorgesehen ist auch ein Stromanschluss. Auf der Westseite gibt es zudem einen gedeckten Durchgang zum Wohnhaus.

b) Zu prüfen ist, ob es sich hier um eine sog. Nebenbaute handelt, was in bezug auf die einzuhaltenden Abstände und die zulässige Ausnützung von Bedeutung ist. Gemäss § 61 Abs. 1 PBG und Art. 36 Abs. 1 BauR sind Nebenbauten eingeschossige, unbewohnte Bauten wie Garagen, Kleinbauten usw., die nicht mehr als 3,50 m Gebäudehöhe, 4,50 m Firsthöhe und 60 m2 Grundfläche aufweisen dürfen. Beim Begriff der Nebenbaute handelt es sich teilweise um einen unbestimmten Rechtsbegriff des kantonalen Rechts, dessen Inhaltsbestimmung eine Rechtsfrage ist, wobei zu beachten ist, dass der Inhalt vom Gesetzgeber bereits insoweit vorgegeben wurde, als § 61 Abs. 1 PBG die Kriterien einstöckig, unbewohnt, höchstens 3,50 m Bau- und 4,50 m Firsthöhe und 60 m2 Grundfläche erwähnt. Indessen sind auch diese im Gesetz enthaltenen Kriterien teilweise interpretationsbedürftig, insbesondere die Frage der Bewohnbarkeit, um die es vorliegend in erster Linie geht (EGV-SZ 1990 Nr. 17, S. 49, 1983 Nr. 47).

c) Die Gartenhalle des Beschwerdegegners 2 erfüllt das Erfordernis der Eingeschossigkeit sowie die erwähnten Grundmasse unbestrittenermassen. Fraglich ist deren Bewohnbarkeit. Die Vorinstanz hat dieses Kriterium verneint, weil die Baute nicht dem dauernden Aufenthalt von Menschen diene. Wie der Beschwerdegegner 2 ausführt, wird die Südseite lediglich mit einer Schutzvorrichtung gegen Wind und Wetter versehen (z.B. mit einer Faltwand, jedoch ohne Isolierglas). Diese Seite soll jedoch primär offen bleiben. Im Innern würden ein Cheminée eingerichtet sowie Tisch und Stühle aufgestellt. Den Strom benötige man für das Licht und den Grillmotor. Eine Heizung sei nicht vorgesehen.

Der Beschwerdegegner 2 ist bei diesen Aussagen und Zusicherungen zu behaften. Es wird Aufgabe der örtlichen Baukontrolle sein, dies zu überprüfen. Für das vorliegende Verfahren ist massgebend, ob die geplante Ausgestaltung und Nutzung der Gartenhalle, wie sie der Bauherr umschrieben hat, das gesetzliche Kriterium «unbewohnt» erfüllt, so dass sie zu Recht unter den Begriff der Nebenbaute subsumiert werden kann.

d) Nebenbauten sind abstandsprivilegiert, d.h. sie haben einen Mindestgrenzabstand von 2,50 m (gegenüber dem sonst üblichen Abstand von 3 m) einzuhalten und dürfen sogar mit dem schriftlichen Einverständnis des Nachbarn an die Grenze gestellt werden (§§ 60 Abs. 1, 61 Abs. 1 und 3 PBG). Ihre Begriffsbestimmung ist deshalb in erster Linie aus Sinn und Zweck der Abstandsvorschriften abzuleiten, die die mannigfachen Einwirkungen von Bauten auf die Nachbargrundstücke auf ein Minimum beschränken wollen. Daraus ergibt sich, dass Nebenbauten funktionell und umfangmässig dem Hauptgebäude gegenüber untergeordnet sein müssen, um dem Abstandsprivileg und damit Sinn und Zweck der Abstandsvorschriften gerecht zu werden. Ihnen darf somit keine Haupt-, sondern lediglich eine Neben- oder Hilfsfunktion zukommen (EGV-SZ 1983 Nr. 47, S. 149f. mit Hinweisen).

Da eine Gartenhalle in erster Linie den Aufenthalt von Personen ermöglichen will, dient sie grundsätzlich Wohnzwecken im weitesten Sinne. Damit sie trotzdem noch als «unbewohnt» im Sinne des Gesetzes gelten kann, dürfen deshalb die durch das Wohnen entstehenden Auswirkungen auf Dritte nur bescheidene Ausmasse annehmen. Dem ist baurechtlich in dem Sinne beizukommen, dass das Bauvorhaben umfang- und nutzungsmässig beschränkt wird. In bezug auf die Wohnnutzung bedeutet dies, dass eine Nebenbaute objektiv nur während einer beschränkten Dauer, d.h. periodisch oder saisonbedingt, von Menschen als Aufenthaltsstätte in Anspruch genommen werden kann. Nur so lässt es sich rechtfertigen, dass eine dem Verweilen von Personen dienende Baute nicht gleich zu behandeln ist wie eine eigentliche Wohnbaute (AGVE 1971, S. 212).

Dies ist vorliegend der Fall, wenn die Gartenhalle des Beschwerdegegners 2 so ausgebaut und benutzt wird, wie dieser es, insbesondere anlässlich des Augenscheins, dargestellt hat. Bei diesen Absichtserklärungen ist er zu behaften. Es darf dem Bauherr nicht, wie dies die Beschwerdeführerin tut, zum vornherein unterstellt werden, er werde sich baurechtswidrig verhalten, obwohl sein bisheriges Verhalten (Bauen ohne Bewilligung, eigenmächtiges Abweichen von der Baubewilligung) nicht gerade vertrauenserweckend ist.

So muss die offene südliche Längsseite der Gartenhalle grundsätzlich auch offenbleiben. Zusätzlich zulässig wäre hier lediglich die Montage eines Wetterschutzes (gegen Sonne, Regen, Wind), wie z.B. eines Storens (keinesfalls hingegen eine Fensterwand mit Isolierglas). Dem Beschwerdegegner 2 ist zu empfehlen, die Baubehörden vorgängig zu kontaktieren, sobald er sich für eine Variante entschieden hat. Das Cheminée darf primär nur Grill- und nicht Heizzwecken dienen (kein Warmluft-Cheminée). Die Gartenhalle darf auch sonst nicht beheizt werden. Nicht zu beanstanden ist das Vorhandensein einer Stromquelle, sofern diese bestimmungsgemäss (z.B. für die Beleuchtung) genutzt wird. Auch wenn vorliegend der bauliche Standard für eine Gartenhalle eher luxuriös anmutet, kann ihre Nutzung als gedeckter Sitzplatz im Rahmen der Begriffsumschreibung als Nebenbaute noch toleriert werden. Voraussetzung ist jedoch, dass kein umschlossener Raum entsteht, der ein dauerhaftes Verweilen von Personen erlaubt. Es ist Aufgabe der örtlichen Baubehörden, allenfalls dafür zu sorgen, dass die Zweckbestimmung der Baute sich bleibend mit dem Charakter einer Nebenbaute verträgt.

e) Nachdem vom nachbarlichen Eigentümer die Einwilligung, bis 1 m an die gemeinsame Grenze zu bauen, vorliegt, und gegenüber dem Strassengrundstück Kat.-Nr. 3269 ein Abstand von 3 m eingehalten wird, werden mit der geplanten Gartenhalle keine Abstandsvorschriften verletzt.

(RRB Nr. 450 vom 22. März 1994).

 

58

Planungs- und Baurecht

– Die Erteilung einer Ausnahmebewilligung setzt besondere Verhältnisse voraus. Solche liegen namentlich nicht vor, wenn eine nach Massgabe des Zonenplanes höchstzulässige Nutzung sonst nicht realisiert werden kann und auch bei Einhaltung der baugesetzlichen und baureglementarischen Vorschriften eine aus architektonischer und wirtschaftlicher Sicht vernünftige Überbauung ohne weiteres möglich ist.

Aus den Erwägungen:

5. a) Der Gemeinderat X. hat gemäss § 73 des Planungs- und Baugesetzes vom 14. Mai 1987 (PBG, nGS IV-493) folgende Ausnahmebewilligungen erteilt:

– Unterschreiten des Gebäudeabstandes gegenüber dem Wohnhaus Assek. Nr. 996 auf dem Baugrundstück Kat.-Nr. 767 um 3,56 m (Gebäudeabstand 7,65 m, vorhanden 4,09 m);

– Unterschreiten des Grenzabstandes gegenüber der Parkstrasse um 1,50 m (Grenzabstand 3,64 m, vorhanden 2,14 m);

– Unterschreiten des Strassenabstandes gegenüber der Parkstrasse gemäss Art. 20 Abs. 1 des Baureglementes X. (BauR) von 4 m um 1,86 m (vorhanden 2,14 m).

Im übrigen sind die Abstände eingehalten. Für den Gebäudeabstand, der um 18 cm unterschritten ist, gilt § 63 Abs. 4 PBG. Der Beschwerdeführer beanstandet denn auch lediglich den Baudispens für den nicht eingehaltenen Gebäudeabstand gegenüber dem bestehenden alten Wohnhaus auf dem Grundstück Kat.-Nr. 767. Ob der Gemeinderat diese Ausnahmebewilligung zu Recht erteilt hat, ist im folgenden zu beurteilen.

b) Nach § 73 Abs. 1 PBG kann die Bewilligungsbehörde für Bauten und Anlagen innerhalb der Bauzonen Ausnahmen von den in diesem Gesetz oder in den Bauvorschriften der Gemeinden festgelegten Bestimmungen bewilligen, wenn und soweit besondere Verhältnisse es rechtfertigen, insbesondere wenn

a) sonst eine unzumutbare Härte einträte,

b) dank der Abweichung wegen der örtlichen Gegebenheiten eine bessere Lösung erzielt werden kann,

c) Art, Zweckbestimmung oder Dauer des Gebäudes eine Abweichung nahelegen oder

d) dadurch ein Objekt des Natur- und Heimatschutzes besser geschützt werden kann.

Eine Ausnahmebewilligung muss zudem mit den öffentlichen Interessen vereinbar sein und darf keine wesentlichen Interessen von Nachbarn verletzen (§ 73 Abs. 2 PBG).

Das Institut der Ausnahmebewilligung verlangt eine besondere Situation, die im Einzelfall ein Abweichen von der Norm rechtfertigt, weil die strikte Handhabung des Gesetzes bzw. Anwendung einer Bauvorschrift bei einem bestimmten Baugrundstück und einem konkreten Bauvorhaben zu einer harten und unbilligen Lösung führen würde und sich deshalb eine abweichende Lösung mit dem Gesetzeszweck vereinbaren lässt oder sogar besser erscheint. Kommt hingegen ein Ausnahmegrund in einer Vielzahl von Fällen vor, so darf nicht generell mit der Erteilung von Ausnahmebewilligungen die anzuwendende Norm quasi ausser Kraft gesetzt werden. Dies ist Aufgabe des Gesetzgebers, dessen vermeintliche oder tatsächliche Fehlleistungen nicht auf dem Ausnahmeweg korrigiert werden dürfen (EGV-SZ 1993, S. 173f. mit Hinweisen; EGV-SZ 1990, S. 57; EGV-SZ 1981, S. 100 mit Hinweisen; Erich Zimmerlin, Baugesetz des Kantons Aargau, Kommentar, 2. Auflage, Aarau 1985, S. 387ff.).

Ob die besonderen Verhältnisse erfüllt sind, welche eine Ausnahmebewilligung rechtfertigen, gilt dabei als Rechtsfrage. Erst wenn diese Frage bejaht werden kann bzw. die Voraussetzungen für einen Dispens gegeben sind, stellt sich die zweite Frage, durch welche Abweichungen von der gesetzlichen Regelung der Ausnahmesituation Rechnung zu tragen ist. Dies ist dann Ermessensfrage (EGV-SZ 1993, S. 174 mit Hinweisen; EGV-SZ 1990, S. 57; Zimmerlin, a.a.O., S. 390). Rein wirtschaftliche Überlegungen vermögen indessen eine Ausnahmebewilligung nicht zu begründen. Sie ist auch nicht dazu da, dem Bauherrn eine Ideallösung zu verschaffen und maximales Ausnützungsstreben zu unterstützen (EGV-SZ 1990, S. 58 mit Hinweisen; EGV-SZ 1981, S. 101 mit Hinweisen).

c) Nach Ansicht der Vorinstanz und der Beschwerdegegnerin 2 sind vorliegend aufgrund der Grundstückverhältnisse und ortsplanerischer Überlegungen besondere Verhältnisse zu bejahen, weil sich bei Einhaltung der Abstandsvorschriften keine vernünftige, zonenkonforme Überbauung realisieren lasse.

aa) Der Gemeinderat begründet die Ausnahmesituation vorab mit dem Missverhältnis der bei Einhaltung des Gebäudeabstandes möglichen Gebäudelänge von lediglich ca. 10 m zur in der Wohnzone W4 zulässigen Gebäudelänge von 40 m (recte 50 m, vgl. Art. 30 BauR). Somit könne eine «ortsübliche und W4-gerechte» Baute gar nicht erstellt werden.

Abgesehen davon, dass dieses Missverhältnis beim geplanten Bauvorhaben, das mit dem unterschrittenen Gebäudeabstand eine Länge von 13,80 m aufweist, nicht wesentlich vermindert würde, ist zu beachten, dass es sich bei den Zonenvorschriften um Maximalvorschriften handelt. Ein weniger intensiver Gebrauch eines Grundstücks ist erlaubt, jedenfalls so lange, als eine solche Mindernutzung nicht mit dem Zonenzweck unvereinbare Nebenwirkungen erzeugt (Haller/Karlen, Raumplanungs- und Baurecht, 2. Auflage, Zürich 1992, Rz 231). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Ein Blick auf den Zonenplan X. zeigt, dass in der Zone W4 die Anzahl Bauten, die die maximale Gebäudelänge ausschöpfen bzw. aufgrund der noch bestehenden Überbauungsmöglichkeiten beanspruchen werden, sehr gering ist bzw. sein wird. Wenn der Gemeinderat in diesem Sinne eine «ortsübliche» Überbauung fördern möchte, müsste er in zahlreichen Fällen in der Wohnzone W4 ebenfalls von den Abstandsvorschriften dispensieren. Dies hätte zur Folge, dass das Baureglement diesbezüglich praktisch ausser Kraft gesetzt würde, was unzulässig ist. Offensichtlich wollte der Gesetzgeber in der Wohnzone W4 im Grundsatz auch gar keine Lockerung, andernfalls hätte er die grosszügigere Abstandsregelung der Kernzone (Art. 28 BauR: geschlossene Bauweise zulässig; Art. 30: kein Mehrlängenzuschlag; Art. 32 Abs. 5: Reduzierung des Grenzabstandes bei Nebenfassaden) auf die Wohnzone W4 ausgedehnt.

Die Zonenvorschriften selbst können somit vorliegend keine Ausnahmesituation begründen. Dass auf dem Baugrundstück die zulässige Gebäudelänge nicht ausgeschöpft werden kann, trifft auf eine Vielzahl von gleichgelagerten Fällen ebenfalls zu, so dass von einer einzelfallgerechten Dispensierung vom gesetzlichen Gebäudeabstand nicht gesprochen werden kann.

bb) Ausserordentliche Verhältnisse können, wie Vorinstanz und Beschwerdegegnerin 2 zu Recht geltend machen, in Form, Lage oder Topographie eines Baugrundstückes begründet sein, wenn bei Einhaltung der Bauvorschriften das Grundstück nicht mehr oder nicht mehr sinnvoll überbaut werden kann (Zimmerlin, a.a.O., S. 390; EGV-SZ 1993, S. 174).

Das Baugrundstück Kat.-Nr. 766 weist eine Breite von 14,90 bis 16,60m und eine Länge von 30 m auf. Die Grundfläche beträgt 469 m2. Bei Einhaltung des gesetzlichen Gebäudeabstandes von 7,65 m gegenüber dem bestehenden Wohnhaus auf Kat.-Nr. 767 kann noch (bei gleichbleibender Bauhöhe) eine 10,20 m breite Baute erstellt werden (wobei der fehlende Grenzabstand nach § 62 PBG vom Nachbargrundstück Kat.-Nr. 767, das ja ebenfalls im Eigentum der Beschwerdegegnerin 2 steht, dienstbarkeitlich übernommen werden kann). In nördlicher Richtung erfährt das Gebäude keine Einschränkung, ja bei entsprechender Planung könnte es auf diese Seite sogar noch erweitert werden, zumal die notwendigen Abstellplätze wohl auch auf dem Grundstück Kat.-Nr. 767 realisiert werden könnten. Da das Gebäude zudem auf seiner Südseite nicht zurückversetzt werden müsste (s. nachstehend lit. d), lässt sich auf dem Baugrundstück Kat.-Nr. 766 eine durchaus sinnvolle Überbauung verwirklichen, auch wenn diese nicht den Idealvorstellungen der Beschwerdegegnerin 2 entspricht. Für eine Ideallösung bietet jedoch das Institut der Ausnahmebewilligung keine Handhabe.

cc) Die Art des Bauwerkes, die Architektur oder Zweckbestimmung des Baus können ebenfalls einen Dispens nahelegen (Zimmerlin, a.a.O., S. 390).

Die auf dem Grundstück Kat.-Nr. 766 zur Verfügung stehende Bruttogeschossfläche von rund 352 m2 (469 m2 x 0.75) erlaubt es der Beschwerdegegnerin 2 ohne weiteres, eine Bankfiliale zu realisieren. Für diesen Zweck werden im geplanten Bauvorhaben 183,6 m2 konsumiert. Als Wohnfläche verbleiben somit immer noch 168,4 m2. Gegenüber dem geplanten Gebäude würde die nutzbare Fläche zwar um 92,2 m2 geringer ausfallen. Von einer ausserordentlichen Härte kann aber deshalb nicht gesprochen werden, zumal diese Ausnützung ja nicht verloren, sondern teilweise aus privatrechtlichen Gründen (das bestehende alte Haus auf dem Nachbargrundstück ist anscheinend zugunsten älterer Bewohner noch mit einem lebenslänglichen Wohnrecht belastet) zurzeit nicht realisierbar ist. Auf der einen Seite kann die Beschwerdegegnerin 2 einen Teil dieses Nutzungsmankos sofort im nördlichen Teil des Grundstückes Kat.-Nr. 766 kompensieren, auf der andern Seite kann sie in einem späteren Zeitpunkt ihr Bankgebäude auf das Grundstück Kat.-Nr. 767 erweitern, wenn das Wohnhaus einmal abgebrochen werden kann, was denn auch längerfristig die Absicht der Beschwerdegegnerin 2 ist.

Unzutreffend ist die Behauptung der Beschwerdegegnerin 2, für ein bescheidenes Bankgebäude sei eine minimale Grundfläche von 190 m2 erforderlich. Schalterhalle, Besprechungszimmer und Büros müssen keineswegs auf ein und derselben Ebene liegen (vgl. z.B. auf dem Platz Schwyz die Bankfilialen der SKA und des SBV). Die geplante Bruttogeschossfläche für den Bankbetrieb (183,6 m2) lässt sich ohne weiteres zweckmässig auf zwei Stockwerken unterbringen.

dd) Die Beschwerdegegnerin 2 führt im weitern die zentrale Dorflage der Baugrundstücke an, wo die wohnhygienisch motivierten Abstandsvorschriften weniger bedeutsam seien als in einem reinen Wohngebiet.

Diese Argumentation steht im Widerspruch zum Zonenplan X. Die Baugrundstücke befinden sich gerade nicht in der Kernzone, sondern grenzen lediglich an diese an. Sie liegen in der reinen Wohnzone W4, wo ruhige und gesunde Wohnverhältnisse gewährleistet sein müssen (Art. 32 Abs. 1 BauR). Sollten die Abstandsvorschriften hier weniger streng beachtet werden müssen, hätte der Gesetzgeber die Kernzone mit der gelockerten Abstandsregelung entlang der Y.-Strasse weitergezogen. Falls es sich hier um eine Fehleinzonung handeln sollte, was jedoch bezweifelt werden muss, müsste der Gesetzgeber selbst sie korrigieren. Hinzu kommt, dass der Zonenplan (Stand 5. Januar 1993) sehr neu ist. Es geht deshalb nicht an, die Nutzungsplanung auf dem Ausnahmeweg aufzuweichen.

ee) Die Beschwerdegegnerin 2 führt alsdann die Eigentumsverhältnisse als Ausnahmegrund an, indem von einer Gebäudeabstandsvorschrift eher dispensiert werden könne, wenn eine bestehende Baute und das geplante Bauvorhaben dem gleichen Eigentümer gehören würden.

Der Hinweis der Beschwerdegegnerin 2 auf den Entscheid des Verwaltungsgerichtes vom 26. März 1992 (VGE 669/91, S. 8f.) geht fehl. Es ging dort um die geschlossene bzw. teilweise geschlossene Bauweise in der Kernzone, wo diese gemäss Art. 28 BauR gestattet ist, was für die im vorliegenden Verfahren massgebliche Wohnzone W4 nicht zutrifft. Hier gilt § 63 Abs. 1 PBG, allenfalls in Verbindung mit § 62 PBG, und für den Fall, dass die Beschwerdegegnerin 2 die beiden Baugrundstücke zu einem vereinigen würde, § 63 Abs. 3 PBG, wonach der Abstand zwischen zwei Gebäuden auf dem gleichen Grundstück gemessen wird, wie wenn eine Grenze dazwischen läge. Von einer Einzelfallsituation kann deshalb auch in dieser Hinsicht nicht gesprochen werden.

ff) Als weiterer Ausnahmegrund wird von der Beschwerdegegnerin 2 das Gebot der haushälterischen Nutzung des Bodens (Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Raumplanung [RPG, SR 700]) geltend gemacht. Da jedoch zwischen der möglichen und zulässigen Ausnützung kein krasses Missverhältnis besteht (s. vorstehend lit. cc; vgl. auch VGE 589/86 vom 18. Dezember 1986, E. 4c), sind auch in dieser Hinsicht besondere Verhältnisse zu verneinen.

Inwiefern schliesslich die Bedürfnisse der Bevölkerung und der Wirtschaft vorliegend eine Ausnahmesituation zu begründen vermögen, ist nicht ersichtlich und wird von der Beschwerdegegnerin 2 auch nicht näher ausgeführt. Jedenfalls steht die Normalbauordnung der Realisierung eines Bankgebäudes nicht entgegen.

Wenn die Beschwerdegegnerin 2 auch noch das öffentliche Interesse an der Erhaltung preisgünstigen Wohnraums als Ausnahmegrund anführt, indem das bestehende alte Wohnhaus auf dem Grundstück Kat.-Nr. 767 erhalten werden soll, so steht diesem Interesse auch die Verwirklichung eines Bauvorhabens ohne Ausnahmebewilligung nicht entgegen. Das Argument hat aber auch deshalb wenig Gewicht, weil die Beschwerdegegnerin 2 selbst ja die Absicht hat, das Haus längerfristig abzubrechen.

gg) Zusammenfassend ergibt sich, dass für die Unterschreitung des Gebäudeabstandes gegenüber dem Wohnhaus auf Kat.-Nr. 767 kein Ausnahmegrund vorliegt, der einen Baudispens rechtfertigt, was zur Folge hat, dass die Beschwerde in diesem Punkt gutzuheissen ist. Dahingestellt bleiben kann demnach, ob die erteilte Ausnahmebewilligung mit den öffentlichen und privaten Interessen von Nachbarn vereinbar ist (§ 73 Abs. 2 PBG).

(RRB Nr. 1703 vom 13. September 1994).

 

59

Planungs- und Baurecht

– Anwendbares Recht in einem nachträglichen Baubewilligungsverfahren (Erw. 1, 2).
– Inhalt der verfassungsrechtlich, staatsvertraglich und bundesgesetzlich verbürgten Informationsfreiheit (Erw. 3).
– Weder die Informationsfreiheit noch das Bundesgesetz über Radio und Fernsehen schliessen es aus, dass das Anbringen von Aussen- und Parabolantennen der Bewilligungspflicht unterstellt wird (Erw. 4).
– Art. 53 BG über Radio und Fernsehen lässt ein Antennenverbot nur zu, wenn dies für den Schutz bedeutender Orts- und Landschaftsbilder, von geschichtlichen Stätten oder von Natur- und Kunstdenkmälern notwendig ist. Generelle Antennenverbote für grössere Gebiete oder gar das ganze Territorium einer Gemeinde erweisen sich als nicht mehr statthaft (Erw. 6).

Aus den Erwägungen:

1. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, die Vorschrift im Baureglement der Gemeinde Vorderthal über Aussen- und Parabolantennen verstosse gegen Bundesrecht. Der Regierungsrat hat das geltende Baureglement der Gemeinde Vorderthal vom 26. Februar 1993 mit RRB Nr. 902 vom 25. Mai 1993 genehmigt (ABl 1993, S. 701). Dies schliesst allerdings nicht aus, dass er im Anwendungsfall einzelne Baureglementsbestimmungen erneut auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüft. Im Genehmigungsverfahren werden nämlich Mängel kommunaler Bauvorschrift nicht geheilt (RRB Nr. 665 vom 28. April 1987, EGV-SZ 1987 Nr. 29).

2. Der Gemeinderat Vorderthal stützt seine Verfügung auf Art. 23 des Baureglementes vom 26. Februar 1993 (BauR), das frühestens mit dessen Genehmigung durch den Regierungsrat am 25. Mai 1993 verbindlich werden (§ 28 Abs. 1 Planungs- und Baugesetz vom 14. Mai 1987, nGS IV-493/PBG) und damit in Kraft treten konnte. Da der Beschwerdeführer offensichtlich die umstrittene Parabolantenne bereits vor diesem Zeitpunkt montiert hatte, stellt sich zunächst die Frage, ob überhaupt das neue Baureglement bereits Anwendung finden konnte.

a) Nach Art. 88 Abs. 2 BauR sind alle im Zeitpunkt des Inkrafttretens hängigen Baugesuche nach den Vorschriften des neuen Reglementes zu beurteilen. Diese Übergangsbestimmung bezieht sich nach deren Wortlaut auf den Fall, in welchem – wie dies auch vorgeschrieben ist – ein Baugesuch vor der Erstellung einer Baute oder Anlage eingereicht wird. Für die Fälle dagegen, bei welchen ein bereits errichtetes Bauvorhaben nachträglich zu beurteilen ist, lässt sich übergangsrechtlich aus der Bestimmung nichts entnehmen.

b) Für die nachträgliche Beurteilung bereits erstellter Bauten ist von dem aus Art. 4 Abs. 1 BV hergeleiteten Rückwirkungsverbot auszugehen. Danach darf neues Recht nicht auf Vorgänge angewendet werden, die sich unter früherem Recht ereigneten und auch unter diesem abgeschlossen wurden. Daraus hat die Rechtsprechung den Grundsatz hergeleitet, dass bei der Beurteilung von nachträglichen Baugesuchen auf das Recht zur Zeit des Baus und nicht auf dasjenige zur Zeit des Entscheides abzustellen ist, ausser wenn das neuere das mildere Recht ist (Imboden/Rhinow/Krähenmann, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Nr. 16/B/III/c; BGE 104 Ib 304; VGE 505/88 vom 20. September 1988; EGV-SZ 1988 Nr. 5 mit weiteren Hinweisen).

c) Anwendbar sind demnach zunächst die Vorschriften des früheren Baureglementes. Ob diese allerdings gegenüber dem neuen Recht tatsächlich weniger einschneidend sind, lässt sich nicht so leicht feststellen. Ein Vergleich fällt insbesondere deshalb schwer, weil seit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) vom 21. Juni 1991 (SR 784.40) der Spielraum für einschränkende kantonale Vorschriften für Aussenantennen beträchtlich eingeschränkt worden ist. Die Frage, auf welche Rechtslage abzustellen ist, kann letztlich offen bleiben, weil die Beschwerde nach altem und nach neuem Recht gutzuheissen ist.

3. a) Die Informationsfreiheit wird durch das ungeschriebene Grundrecht der Meinungsäusserungsfreiheit mitgarantiert. Verbürgt wird die Freiheit, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu informieren. Gewährleistet wird das Recht, alle in den Äther ausgestrahlten und für die Öffentlichkeit bestimmten Nachrichten und Programme zu empfangen und dafür die notwendigen Einrichtungen zu betreiben (ZBl 1985, S. 74). Namentlich die Rechtsprechung zu Art. 10 EMRK, der ebenfalls ein Individualrecht auf Meinungsäusserung und Information einräumt, unterstreicht, dass sich diese Freiheit nicht allein auf den Informationsinhalt, sondern ebenso auf die Übertragungs- und Empfangsmittel bezieht. Der Empfang von Radio- und Fernsehprogrammen mittels Aussen- und Parabolantennen fällt unzweifelhaft darunter (Entscheid des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 22. Mai 1990 in Sachen Autronik AG c. Schweiz, VPB 54/1990 Nr. 58).

b) Das Bundesgesetz über Radio und Fernsehen (RTVG) vom 21. Juni 1991 (SR 784.40) erklärt ausgehend von den erwähnten individualrechtlichen Garantien die Empfangsfreiheiten in Art. 52 zur zentralen Richtschnur für die Anwendung des Gesetzes (s. Botschaft zu einem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen vom 28. September 1987, BBl 1987 III 689ff., 747). Nach Art. 53 RTVG, der unter dem Randtitel Kantonale Antennenverbote steht, können die Kantone in bestimmten Gebieten das Errichten von Aussenantennen verbieten, wenn (a.) dies für den Schutz bedeutender Orts- und Landschaftsbilder, von geschichtlichen Stätten oder von Natur- und Kunstdenkmälern notwendig ist, und (b.) der Empfang von Programmen, wie er mit durchschnittlichem Antennenaufwand möglich wäre, unter zumutbaren Bedingungen gewährleistet bleibt. Eine Aussenantenne, mit der weitere Programme empfangen werden können, muss ausnahmsweise bewilligt werden, wenn das Interesse am Empfang der Programme das Interesse am Orts- und Landschaftsschutz überwiegt (Abs. 2).

4. Zu Recht zieht der Beschwerdeführer die Zulässigkeit der Bewilligungspflicht für Aussen- und Parabolantennen nicht grundsätzlich in Frage. In einem die Rechtmässigkeit eines Bewilligungserfordernisses betreffenden Beschwerdeentscheid vom 27. Oktober 1993 (VGE 637/92) ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Pflicht, für Bauten und Anlagen eine Bewilligung einzuholen, sich aus Art. 22 Abs. 1 RPG ergebe (EGV-SZ 1992, Nr. 9). Die meisten Kantone zählten Aussen- und Parabolantennen zu den bewilligungspflichtigen Anlagen. Art. 53 RTVG würde sodann kantonale Antennenverbote regeln. Der Vorschrift, nach der unter bestimmten konkreten Voraussetzungen Antennenverbote zugelassen würden, sei es inhärent, dass die Kantone das Errichten von Aussenantennen als bewilligungspflichtig erklären dürften. In Abs. 2 von Art. 53 RTVG werde sodann auch ausdrücklich bestimmt, dass eine Aussenantenne, mit der weitere Programme empfangen werden könnten, ausnahmsweise bewilligt werden müsse, wenn das Interesse am Empfang der Programme das Interesse am Orts- und Landschaftsschutz überwiege. Die Bewilligungspflicht lasse sich schliesslich hinreichend mit den öffentlichen Interessen des Natur- und Heimatschutzes rechtfertigen.

Sowohl das alte (Art. 2 sowie Art. 36 Abs. 1) wie auch das neue Baureglement (Art. 72 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23) enthalten eine hinreichende Grundlage für die Bewilligungspflicht von Aussenantennen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Art. 23 BauR zu wesentlichen, allerdings andere Aspekte betreffenden Teilen bundesrechtswidrig ist. Bei einem auf den bundesrechtskonformen Inhalt reduzierten Normgehalt bleibt die Bewilligungspflicht erhalten (ebenso das Bundesgericht im noch unveröffentlichten Urteil 1A. 16/1P. 66/1993 vom 4. Februar 1994).

5. Nach Art. 10 Abs. 1 aBauR darf je Haus in der Regel auf dem Dach nur eine Aussenantenne angebracht werden. Das Anbringen einer Aussenantenne war somit während der Geltung des früheren Baureglementes und damit zur Zeit der Erstellung der umstrittenen Parabolantenne grundsätzlich gestattet. Vorbehalten war allerdings auch unter dem alten Recht das Einordnungsgebot bzw. der Schutz der Orts- und Landschaftsbilder (Art. 9aBauR). Es ist nun nicht ersichtlich, dass das Ferienhaus des Beschwerdeführers in einer den besonderen Schutz verdienenden Umgebung liegt (siehe Richtplangeschäft Nr. 3.2 bzw. Grundlagenkarte Natur- und Landschaftsschutz, woraus insbesondere ersichtlich ist, dass sich die Überbauung Y. ausserhalb des Streu- und Hofsiedlungsgebietes befindet). Hinsichtlich der Einordnung ist die Parabolantenne auch nicht zu beanstanden. Sie ist geschickt unter dem Dachvorsprung angebracht und farblich gut auf die Fassade abgestimmt. Wie die eingereichten Akten belegen, wird das Erscheinungsbild des Hauses durch die Parabolantenne nicht beeinträchtigt. Auf jeden Fall wirkt sie selbst für einen sensibilisierten Betrachter weit weniger störend als etwa die Plastikverschalung auf der Terrasse oder die nicht verputzte Mauer der Garage.

6. a) Die Verfügung der Vorinstanz lässt sich auch unter dem neuen Baureglement nicht aufrechterhalten. Art. 23 BauR geht insofern über Art. 53 RTVG und auch Art. 10 aBauR hinaus, als Aussen- und Parabolantennen ohne weiteres verboten werden können, wenn durch andere technische Einrichtungen eine gleichwertige Empfangsmöglichkeit gewährleistet oder ein Anschluss an eine Gemeinschaftsanlage zumutbar ist. Demgegenüber lässt Art. 53 RTVG ein Antennenverbot nur zu, wenn dies für den Schutz bedeutender Orts- und Landschaftsbilder, von geschichtlichen Stätten oder von Natur- und Kunstdenkmälern notwendig ist. Generelle Antennenverbote für grössere Gebiete oder gar das ganze Territorium einer Gemeinde erweisen sich demnach als nicht mehr statthaft (s. Botschaft zu einem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen vom 28. September 1987, BBl 1987 III 689ff., 747).

b) Der Gemeinderat Vorderthal vermag nun nicht darzutun, inwiefern für das Gebiet Y. aus Gründen des Orts- oder Landschaftsschutzes ein besonderer Schutz erforderlich ist. Dem Haus des Beschwerdeführers kommt zudem keine besondere baugeschichtliche Bedeutung zu, noch erweist es sich aus architektonischer Sicht als speziell wertvoll oder interessant. Welche konkreten Interessen der Gemeinderat mit seiner Verfügung schützen wollte, ist – wie bereits festgestellt – nicht ersichtlich.

c) Grossflächige Antennenverbote, die damit begründet werden, dass generell Aussenantennen das Erscheinungsbild beeinträchtigen würden, halten vor Bundesrecht nicht länger stand. Ebensowenig dürfen Aussenantennen zur Sicherstellung einer ausreichenden Anschlussdichte erlassen werden (Botschaft zu einem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen vom 28. September 1987, BBl 1987 III, 689ff., 747). Unerwünschten präjudiziellen Auswirkungen, wie sie der Gemeinderat Vorderthal offenbar befürchtet, ist durch eine Umschreibung der Gebiete und Objekte mit einem Antennenverbot zu begegnen. Sodann ist zu beachten, dass Art. 53 RTVG es nicht ausschliesst, dass ein Bauherr in bezug auf Aussenantennen zu einer gestalterisch befriedigenden Lösung angehalten wird.

(RRB Nr. 718 vom 26. April 1994).

 

60

Planungs- und Baurecht

– Leitsätze zu Beschwerdeentscheiden des Regierungsrates und des Bundesgerichtes, in welchen Ausnahmebewilligungen nach Art. 24 des Bundesgesetzes über die Raumplanung (RPG) für Bauvorhaben im Kanton Schwyz beurteilt worden sind: Begriff des weitgehend überbauten Gebietes (Ziff. 2), teilweise Änderung (Ziff. 3), Standortgebundenheit (Ziff. 5), Wiederaufbau (Ziff. 4), Zweckänderung (Ziff. 1).

1. Entgegen dem Wortlaut von § 74 Abs. 3 lit. c PBG ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes für Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen nur eine teilweise Zweckänderung zulässig. Zweckänderungen sind bei äusserlich unveränderter Gestalt des Bauwerks teilweise, soweit die Wesensgleichheit einer Baute gewahrt wird und keine wesentlichen neuen Auswirkungen auf die Nutzungsordnung, Erschliessung und Umwelt geschaffen werden bzw. keine wesentlichen neuen Nutzungsmöglichkeiten eröffnet werden, zulässig. Das heisst: das Bauwerk, für welches die Zweckänderung verlangt wird, muss mindestens zum Teil für einen Zweck geschaffen worden sein, der dem angestrebten Zustand in seinen Auswirkungen nahesteht. Nicht mehr von einer teilweisen Zweckänderung gesprochen werden kann, wenn eine landwirtschaftlich genutzte Einstellhalle in eine Gewerbebaute umgewandelt werden soll, in welcher Autos, Motorradteile und dergleichen lackiert und gespritzt werden (RRB Nr. 2311 vom 20. Dezember 1994).

2. Der Begriff des weitgehend überbauten Gebietes ist eng zu verstehen. Er umfasst im wesentlichen nur den geschlossenen Siedlungsbereich und eigentliche Baulücken. Im weiteren muss ein Gebiet, um als vorläufige Bauzone im Sinne von Art. 36 Abs. 3 RPG gelten zu können, im wesentlichen erschlossen sein und nicht bloss vor der Erschliessung stehen. Nur Grundstücke innerhalb des erschlossenen Siedlungsgebietes können daher Berücksichtigung finden. Ausserhalb dieses Gebietes liegende Grundstücke gehören nicht zur vorläufigen Bauzone. Ein Ferienhausgebiet mit insgesamt zwanzig Häusern weist zwar einen gewissen Siedlungszusammenhang auf. Bestehen aber keine Anschlussmöglichkeiten für die Energiezufuhr und die Abwasserentsorgung, kann nicht von einer vorläufigen Bauzone gesprochen werden (RRB Nr. 719 vom 26. April 1994).

3. Art. 24 Abs. 2 RPG erlaubt die Erneuerung, teilweise Änderung oder den Wiederaufbau. Diese drei baulichen Massnahmen sind auf Substanzerhaltung ausgerichtet und setzen voraus, dass ein bestimmter Baukörper an einem bestimmten Standort stehen bleibt oder wieder aufgebaut wird, und dass seine Identität grundsätzlich gewahrt wird. Eine teilweise Änderung kann dabei auch in einer geringfügigen Vergrösserung der Baute bestehen, sofern die Wesensgleichheit gewahrt wird und dadurch keine wesentlichen neuen Auswirkungen auf die Nutzungsordnung, Erschliessung und Umgebung geschaffen werden. Die Erweiterung ist geringfügig, wenn sie gemessen an der bestehenden Baute von untergeordneter Bedeutung ist. Ein Gartenschwimmbad dient offensichtlich nicht der Substanzerhaltung des Wohnhauses, von dem es 20 Meter entfernt erstellt worden ist. Es bildet mit diesem keineswegs eine Einheit, ist davon vielmehr deutlich getrennt und steht baulich in keinem Zusammenhang zu ihm. Es handelt sich um eine eigenständige Anlage, nicht um eine Erweiterung oder Änderung des Wohnhauses (BGE vom 28. März 1995 i.S. Sch. c. RR SZ u.a.).

4. Art. 24 Abs. 2 RPG kommt nur bezüglich solcher Altbauten zur Anwendung, deren Lebensdauer noch nicht abgelaufen ist. Zerfallene, unbrauchbare und abbruchreife Bauwerke geniessen den mit dieser Bestimmung bezweckten Schutz des Besitzstandes nicht, der sich auf die Erhaltung von Investitionen bezieht und naturgemäss nicht zum Zuge kommt, wenn die Lebensdauer einer Baute oder Anlage abgelaufen ist. Letzteres trifft nach der übereinstimmenden Lehre und Rechtsprechung dann zu, wenn der Wert der baulichen Investitionen durch periodischen Unterhalt und zeitgemässe Erneuerung nicht mehr aufrecht erhalten wird und das Bauwerk deshalb seine technische Abbruchreife erreicht hat. Ein Wohnhaus, das baufällig und seit 1976 unbewohnt ist und bei dem schon lange Zeit zuvor die erforderlichen Unterhaltsmassnahmen unterblieben, darf nicht aufgrund von Art. 24 Abs. 2 RPG wieder aufgebaut werden (BGE vom 24. Januar 1994 i.S. BA für Raumplanung c. RR SZ u.a.).

5. Es entspricht nicht dem Sinn der Vorschriften über die Trennung von Baugebiet und Nichtbaugebiet (Art. 15 und 16 RPG), Landwirten zu verbieten, einzelne Tiere zu Hobbyzwecken auf dem Hof zu halten. Entsprechend ist einem Landwirt die Errichtung des für die Unterbringung seines Trainpferdes erforderlichen Stallraumes als standortgebunden im Sinne von Art. 24 Abs. 1 RPG zu bewilligen (BGE vom 28. März 1994 i.S. Sch. c. RR SZ u.a.).

 

61

Strassen- und Verkehrsrecht

– Unbeschränkte und zeitlich beschränkte Fahrverbote und funktionelle Verkehrsanordnungen als lokale Verkehrsbeschränkungen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 und 4 SVG (Erw. 4).
– Funktionelle Verkehrsbeschränkungen müssen auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage beruhen, müssen aufgrund eines ausgewiesenen öffentlichen Interesses erlassen werden und sich als verhältnismässig erweisen (Erw. 5).

Aus den Erwägungen:

4. a) Gemäss Art. 3 Abs. 2 des Bundesgesetzes über den Strassenverkehr vom 19. Dezember 1958 (SVG; SR 741.01) sind die Kantone befugt, lokale Verkehrsanordnungen (nach Abs. 3 und 4) zu treffen. Diese Befugnis können die Kantone weiter delegieren, wovon der Kanton Schwyz Gebrauch gemacht hat (§ 50 in Verbindung mit §§ 12ff. der Verordnung über den Bau und Unterhalt der Strassen vom 2. April 1964 [StrV; nGS IV-410]; § 21 Regierungsratsbeschluss über den Vollzug der Strassengesetzgebung vom 26. Mai 1965 [RRB zur StrV; nGS IV-411]). Das Strassenverkehrsgesetz unterscheidet zwei Arten von lokalen Verkehrsbeschränkungen, einerseits gemäss Art. 3 Abs. 3 die unbeschränkten und zeitlich beschränkten Fahrverbote und anderseits nach Abs. 4 dieser Bestimmung die sogenannten funktionellen Verkehrsanordnungen. Bei den hier zur Diskussion stehenden Verkehrsbeschränkungen handelt es sich um Beschränkungen im Sinne von Art. 3 Abs. 4 SVG; betroffen sind sämtliche motorisierten Fahrzeuge (RRB Nr. 1521 vom 17. August 1994 mit weiteren Hinweisen).

b) Funktionelle Verkehrsbeschränkungen sind an folgende Voraussetzungen gebunden: In materieller Hinsicht muss eine solche Anordnung auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. In formeller Hinsicht wird ein geordnetes Verfahren verlangt. Massnahmen sind von der zuständigen Behörde anzuordnen, und der Bürger muss überdies die Möglichkeit haben, beim Erlass von Anordnungen, die ihn in seinen Rechten treffen, mitzuwirken und sich gegen Verletzung von Verfassung und Gesetz mit Rechtsmitteln zur Wehr zu setzen (EGV-SZ 1989 Nr. 48 Erwägung 3 mit Hinweisen).

5. a) Funktionelle Verkehrsbeschränkungen können erlassen werden, soweit der Schutz der Personen oder gleichermassen Betroffener vor Lärm und Luftverschmutzung, die Sicherheit, die Erleichterung oder die Regelung des Verkehrs, der Schutz der Strasse oder andere in den örtlichen Verhältnissen liegende Gründe dies erfordern. Aus solchen Gründen können insbesondere in Wohnquartieren der Verkehr beschränkt und das Parkieren besonders geregelt werden (Art. 3 Abs. 4 Sätze 1 und 2 SVG). Dabei ist die Massnahme zu wählen, die den Zweck mit den geringsten Einschränkungen erreicht (Art. 107 Abs. 5 Signalisationsverordnung vom 5. September 1979, SSV, SR 741.21). Die von den Vorinstanzen angeordneten und genehmigten Verkehrsbeschränkungen lassen sich zweifelsohne auf Art. 3 Abs. 4 SVG stützen (vgl. ausführlich RRB Nr. 1062 vom 16. Juni 1992, EGV-SZ 1992 Nr. 54). Eine genügende gesetzliche Grundlage ist gegeben. Ob die in dieser gesetzlichen Grundlage umschriebenen materiellen Voraussetzungen gegeben sind, wird nachfolgend zu prüfen sein.

b) Die umstrittenen Verkehrsbeschränkungen bilden einen Teil des bezirksrätlichen Gesamtverkehrskonzeptes (Bezirksratsbeschluss Nr. 512 vom 2. Mai 1991). Dieses verfolgt im wesentlichen die nachfolgenden Ziele:
« – Gewährleistung der Mobilität der Bevölkerung als Teilaspekt der all gemeinen Lebensqualität;
– Gewährleistung der tätigkeitsspezifischen Zirkulationsbedürfnisse der Detaillisten, des Gewerbes einschliesslich Gastgewerbe und der Industrie;
– Gewährleistung der Sicherheit der schwächeren Verkehrsteilnehmer, insbesondere Gehbehinderte, Senioren sowie Schulwegsicherung;
– Schutz des gewachsenen Ortsbildes vor den Auswirkungen allenfalls notwendig werdender Verkehrsinfrastrukturbauten;
– Förderung der Wohnlichkeit durch Verminderung der Verkehrsmengen und damit der Lärm- und Luftbelastungen;
– Aufwertung der Wohn- und Begegnungsfunktion im Dorfkern im Sinne eines flächendeckenden, zusammenhängenden und damit benutzerfreundlichen Fussgängernetzes;
– Förderung des motorlosen Zweiradverkehrs;
– Überprüfen des öffentlichen Verkehrsangebotes, gegebenenfalls unter Einbezug eines Ortsbusses;
– Gewährleistung eines optimalen Parkraumangebotes (optimal: mög lichst wenig negative Einflüsse für Einwohner, möglichst genügende Anzahl Parkplätze in akzeptabler Distanz zu Wohnungen und Geschäften, Verminderung des Parksuchverkehrs).»

Im Rahmen der Detailbearbeitung des Gesamtverkehrskonzeptes wurde auch ein Parkierungskonzept für Einsiedeln erarbeitet. Bereits in seinem Verkehrsleitbild von 1987 (BRB Nr. 906 vom 25. September 1987) ging der Bezirksrat von der nachfolgenden Struktur aus:
« – Übergeordnete Erschliessung über die beiden Hauptverkehrsstrassen (Zürichstrasse sowie Umfahrungsstrasse), kombiniert mit grösseren Parkierungsanlagen an den Schnittstellen zum Dorfkern (Bahnhof bzw. Kloster).
– Bereitstellung von weiteren Parkierungsgelegenheiten im Dorfkern nur soweit es die dringendsten Bedürfnisse für die gedeihliche Weiterentwicklung erfordern (Wohnen, Anlieferung und in beschränktem Ausmass der Allgemeinheit zugängliche Kurzparkierungsgelegenheiten).»

Gestützt auf diese Grundvorstellungen erliess der Bezirksrat die angefochtenen Verkehrsbeschränkungen, die einerseits das Parkieren gegen Gebühr und anderseits auf drei Strassenabschnitten die Einbahnregelung einführen. Beschränkungen des ruhenden Verkehrs und Massnahmen zur Verbesserung der allgemeinen Verkehrssituation sowie der Umwelt und Lebensbedingungen schlechthin liegen heute im öffentlichen Interesse (Roger M. Meier, Verkehrsberuhigungsmassnahmen nach dem Recht des Bundes und des Kantons Zürich, Zürich 1989, S. 197ff.). Die Beschwerdeführer bestreiten denn auch das öffentliche Interesse an einer geordneten Parkierung im Dorfzentrum von Einsiedeln nicht. Das öffentliche Interesse an den verfügten Verkehrsbeschränkungen ist deshalb zu bejahen.

c) Im weitern wird verlangt, dass Verkehrseinschränkungen auch verhältnismässig sein müssen. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit erheischt, dass Einschränkungen nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um den Zweck zu erfüllen, dem sie dienen. Verkehrseinschränkungen müssen also das richtige Mittel zur Verwirklichung des im öffentlichen Interesse liegenden Zieles sein und es erlauben, dieses unter möglichster Schonung der Freiheit des einzelnen zu erreichen. Das gesteckte Ziel muss zudem in einem vernünftigen Verhältnis zu den eingesetzten Mitteln, den zu seiner Erlangung notwendigen Freiheitsbeschränkungen stehen. Die Lehre spricht in diesem Zusammenhang von der Geeignetheit, Notwendigkeit und Verhältnismässigkeit von Verwaltungsmassnahmen (vgl. Jörg Paul Müller, Kommentar BV, Einleitung zu den Grundrechten, Rz 146).

d) Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit beanstanden die Beschwerdeführer, die alle als Eigentümer oder Pächter im Dorf Einsiedeln ein Gastgewerbe betreiben, dass mit der angeordneten Gebührenpflicht für ihre (Service-)Angestellten keine Dauerparkplätze mehr zur Verfügung stehen bzw. keine Abstellplätze in vernünftiger Distanz dauernd benützt werden können. Damit wird sinngemäss gerügt, dass die angeordnete Verkehrsbeschränkung insbesondere in persönlicher und zeitlicher Hinsicht unverhältnismässig sei.

aa) Vorerst ist festzuhalten, dass Privatpersonen in erster Linie auf ihren eigenen Grundstücken Gelegenheiten schaffen müssen, private Motorfahrzeuge über längere Zeit abstellen zu können. Dazu besteht die im kantonalen Planungs- und Baugesetz sowie in den kommunalen Baureglementen verankerte Parkplatzerstellungspflicht (vgl. § 58 PBG).

bb) In zeitlicher und räumlicher Hinsicht erweist sich die angefochtene Verkehrsbeschränkung sodann als verhältnismässig. Die Gebührenpflicht besteht nur tagsüber von 8.00 Uhr bis 19.00 Uhr. Nachts können Privatautos auf öffentlichem Grund nach wie vor gratis parkiert werden. (Service-)Angestellte und Aushilfen mit Abenddienst können ab 19.00 Uhr gratis parkieren. Sofern der Arbeitseinsatz früher beginnt, ist das Bezahlen einer Parkgebühr für ein bis zwei Stunden Parkdauer nicht unverhältnismässig, zumal nachher das Privatfahrzeug während mehreren Stunden gratis abgestellt werden kann.

cc) In ständiger Rechtsprechung hat sodann das Bundesgericht für die Einführung gebührenpflichtiger Parkplätze verlangt, dass in angemessenem Abstand genügend Parkplätze vorhanden sein müssen, auf denen Fahrzeuge unentgeltlich abgestellt werden können (BGE 112 Ia 42ff. mit weiteren Hinweisen). Bereits in diesem Entscheid (1986) hat das Bundesgericht jedoch die Frage aufgeworfen, ob die erwähnte Praxis nicht in dem Sinne weiter zu entwickeln sei, dass die Erhebung von Parkgebühren auch zulässig sei unabhängig davon, ob in angemessenem Abstand von den gebührenpflichtigen Parkplätzen gebührenfreie Abstellflächen anzutreffen seien. Die Frage müsste heute angesichts der Verkehrsentwicklung wohl bejaht werden.

Nachdem auf dem Friedhofparkplatz («Kühlmattli») jedoch gebührenfreie Parkplätze vorhanden sind und diese in angemessener Distanz zum Dorf liegen, ist die vom Bundesgericht bisher verlangte Voraussetzung auf jeden Fall erfüllt.

dd) Als Hauptargument gegen die vorgesehenen Verkehrseinschränkungen bringen die Beschwerdeführer I vor, dass ihren Angestellten keine Dauerparkplätze mehr zur Verfügung stünden. Dazu ist nochmals festzuhalten, dass keine Verpflichtung der öffentlichen Hand besteht, der Allgemeinheit oder Einzelnen auf öffentlichem Grund Dauerparkplätze gratis zur Verfügung zu stellen. Zudem stehen auf dem Friedhofparkplatz Dauerparkplätze in angemessener Distanz zur Benützung offen. Das Argument, dass dieser Parkplatz in der Nacht aus Sicherheitsgründen nicht akzeptabel sei, entfällt, da die Gebührenpflicht auf den übrigen Parkplätzen nur bis 19.00 Uhr dauert. Kommt hinzu, dass im Reglement für das Benützen von bewirtschafteten, öffentlichen Parkplätzen im Bezirk Einsiedeln vom 19. Mai 1994 vorgesehen ist, dass Angestellten von Geschäftsbetrieben Parkkarten abgegeben werden können, die zum Dauerparkieren auf den Parkplätzen Adlermatte und Adler berechtigen (Art. 6.3.3). Damit wurde der Forderung der Beschwerdeführer entgegengekommen, dass die Parkkartengebühren wie die Stundenansätze für gebührenpflichtige Parkplätze verbindlich festgelegt werden. Die angefochtenen Verkehrsbeschränkungen erweisen sich demnach auch in persönlicher Hinsicht als verhältnismässig, besteht doch für verschiedene Berechtigte die Möglichkeit, eine Parkkarte für das Dauerparkieren zu erwerben.

(RRB Nr. 2164 vom 29. November 1994).

 

62

Arbeitsvergebung

– Eine Klausel in den Ausschreibungsunterlagen, wonach der Bewerber mit der Unterschrift des Devis auf die Erhebung einer Beschwerde gegen den Vergebungsbeschluss verzichtet, ist unzulässig (Erw. 1).

Aus den Ewägungen:

1. Im Ausschreibungsformular Nr. 2940 für die Bauingenieurarbeiten wurde auf S. 7 (Information zum Bauvorhaben) festgehalten, dass der Entscheid des Bezirksrates definitiv sei und es keine Beschwerdemöglichkeit gebe. Mit der Eingabe der Bewerbungsunterlagen anerkenne der Bewerber diese Regelung.

Die Verordnung über die Vergebung von Arbeiten und Lieferungen vom 6. Februar 1976 (Submissionsverordnung, SubmV, nGS IV-494) sieht in § 22 zwingend vor, dass gegen Arbeitsvergebungen von Gemeinden und anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften Beschwerde beim Regierungsrat erhoben werden kann. Es stellt sich deshalb die Frage, ob diese gesetzlich vorgesehene Beschwerdemöglichkeit im Ausschreibungsformular zum voraus wegbedungen werden konnte und deshalb auf die Beschwerde gar nicht einzutreten ist. Dies ist zu verneinen.

Die in der Submissionsverordnung gesetzlich vorgesehene Verwaltungsbeschwerde kann nicht über die Offertbedingungen zum vornherein wegbedungen werden. Ein Rechtsmittelverzicht ist jedenfalls dann unwirksam, wenn er erklärt wurde, bevor dem Verzichtenden der Inhalt der zu treffenden Verfügung genau bekannt ist (Attilio R. Gadola, Das verwaltungsinterne Beschwerdeverfahren, Diss. Zürich 1991, S. 483f. mit weiteren Hinweisen). Die ins Offertformular aufgenommene Ausschlussklausel ist deshalb unbeachtlich – Vorinstanz und Gegenpartei haben sich denn auch nicht darauf berufen – und auf die Beschwerde ist grundsätzlich einzutreten.

(RRB Nr. 1805 vom 27. September 1994).

 

63

Arbeitsvergebung

– Kriterien für die Ermittlung des günstigsten Angebotes (Erw. 2).
– Bei der Vergebung einer Arbeit verfügt die zuständige Behörde über ein erhebliches Ermessen; sie hat indessen ihren Entscheid sachlich zu begründen (Erw. 4).

Aus den Erwägungen:

2. Die Vergebung einer Arbeit erfolgt an denjenigen Bewerber, der das günstigste Angebot eingereicht hat. Als günstigstes Angebot gilt dasjenige, das unter Berücksichtigung insbesondere der fachgerechten und rechtzeitigen Ausführung der Arbeit oder Lieferung den tiefsten Preis aufweist. Das niedrigste Angebot ist somit nicht immer das günstigste (§ 16 Abs. 1 SubmV).

a) § 16 Abs. 1 SubmV untersagt es damit, dass die vergebende Behörde Aufträge ohne nähere Prüfung einfach dem billigsten Bewerber erteilt. Vielmehr ergibt sich aus der Begriffsumschreibung in § 16 Abs. 1 SubmV, dass das günstigste Angebot aufgrund aller für die Beurteilung der Preiswürdigkeit massgebenden wirtschaftlichen und technischen Umstände zu ermitteln ist. Neben dem Preis, der fachgerechten und rechtzeitigen Ausführung sind Faktoren wie Garantieleistungen, Lieferungsbedingungen, Unterhalts- und Reparaturanfälligkeit, Unterhalts- und Reparaturdienst, technische und qualitative Unterschiede, Produkte mit positiver Langzeiterfahrung bzw. neue Produkte ohne oder mit zeitlich geringem Bewährungsausweis, unterschiedliche Leistungsfähigkeit und Betriebssicherheit, Kreditwürdigkeit usw. zu berücksichtigen (VGE 540/86 vom 23. Juni 1986, EGV-SZ 1986 Nr. 13 mit weiteren Hinweisen; RRB Nr. 2141 vom 23. Dezember 1991).

b) Das Angebot des Beschwerdeführers ist um Fr. 336.25 oder 0,5% tiefer als jenes der Beschwerdegegnerin 2. Die Vorinstanz geht ausdrücklich davon aus, dass beide am Beschwerdeverfahren beteiligten Unternehmen zur fachgerechten und rechtzeitigen Ausführung der Arbeiten in der Lage seien. Die Beschwerdegegnerin 2 stellt die Fähigkeit des Beschwerdeführers, die Gegenstand des Verfahrens bildenden Elektroarbeiten zu besorgen, nicht grundsätzlich in Frage. Sie hält allerdings dafür, dass für die Beurteilung ihres Angebotes neben dem offerierten Preis noch dem Umstande Rechnung zu tragen sei, dass sie wegen ihrer grösseren personellen Mittel einen besseren Unterhalt und Service bieten könne. Ausserdem seien ihre Mitarbeiter wegen des Auftrages für die Starkstromanlagen, an dem sie als Konsortialpartnerin beteiligt sei, mit der Baustelle vertraut und auch regelmässig dort präsent. Damit biete sie Gewähr dafür, dass die Arbeiten speditiv erledigt werden könnten. Die erforderliche Koordination mit der Bauleitung und der Bauherrschaft lasse sich so einfach und ohne Verzögerungen bewerkstelligen.

c) Die von der Beschwerdegegnerin 2 angeführten Aspekte sind durchaus geeignet, den Wert der von ihr angebotenen Leistung zu beeinflussen. Nicht einfach beantworten lässt sich jedoch, wie stark solche Vorteile zu gewichten sind. Der Bezirksrat X. selbst, der das Angebot in erster Linie zu prüfen und zu beurteilen hat, misst den von der Beschwerdegegnerin 2 geltend gemachten Faktoren weder in der angefochtenen Verfügung noch in der Vernehmlassung ein besonderes Gewicht bei. Auch die Beschwerdegegnerin 2 geht – wie aus der Vernehmlassung geschlossen werden kann – davon aus, dass auch unter Berücksichtigung ihres besseren Unterhaltsdienstes und gewisser Vorteile bei der Auftragserfüllung immer noch ein annähernd gleich günstiges Angebot vorliege. In der Tat kann hinsichtlich des Wertes der angebotenen Leistungen zur Hauptsache vom effektiv offerierten Preis ausgegangen werden. Zu beachten ist nämlich, dass die Bewerber nicht auch die Unterhalts- und Reparaturarbeiten zu offerieren hatten. Sodann setzt die zu vergebende Arbeit nicht besondere Spezialkenntnisse voraus, womit die Gefahr einer Abhängigkeit mit ungewissen Folgekosten im Reparatur- und Unterhaltsdienst kaum besteht. Dem Umstand sodann, dass der Beschwerdeführer nicht gleichsam einen institutionalisierten Pikettdienst bieten kann, darf im vorliegenden Zusammenhang auch weniger Bedeutung beigemessen werden als etwa bei Arbeiten für eine Produktionsanlage. Mit der gesonderten Ausschreibung der verschiedenen Elektroarbeiten nahm es der Bezirksrat X. sodann in Kauf, dass die Aufträge auf verschiedene Anbieter aufgeteilt werden. Es würde Treu und Glauben widersprechen, wenn die Wettbewerbsteilnehmer, die nicht bereits eine Arbeit zugeschlagen erhalten haben, zum vornherein mit erheblichen Wettbewerbsnachteilen offerieren müssten.

d) Zusammenfassend kann demnach festgestellt werden, dass zwei annähernd gleich günstige Angebote zu beurteilen sind.

3. Bei annähernd gleich günstigen Angeboten hat die Vergebungsbehörde gemäss § 16 Abs. 2 SubmV eine Reihe sekundärer Vergebungskriterien zu berücksichtigen.

(…)

d) Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer für sich aus dem Kriterium der Abwechslung unter den Bewerbern gegenüber der Beschwerdegegnerin 2 einen Vorteil ableiten kann. Die übrigen sekundären Kriterien geben weder für die eine noch die andere Seite ein Übergewicht.

4. Nach der Rechtsprechung des Regierungsrates hat die Vergebungsbehörde die einzelnen Kriterien zu gewichten und alsdann den Zuschlag zu erteilen. Dieser Gestaltungsspielraum ergibt sich zunächst daraus, dass bereits bei der Ermittlung des günstigsten respektive des annähernd gleich günstigen Angebotes, also der Handhabung unbestimmter Rechtsbegriffe, eine Rechtsfolge nicht rechtsatzmässig präzise festgelegt wird. Ferner können einzelne der sekundären Kriterien mehr oder weniger vollständig erfüllt werden. Ein Vergebungsbeschluss ist demnach lediglich aufzuheben, wenn er sich auf keine sachliche Begründung stützt, sich als willkürlich erweist oder einen Verstoss gegen Treu und Glauben beinhaltet (Rhinow/Krähenmann, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Nr. 67/B/II/a).

Im vorliegenden Fall kann davon ausgegangen werden, dass die beiden Angebote im wesentlichen gleich günstig sind. Rein rechnerisch ergeben sich geringfügige Vorteile für den Beschwerdeführer. Zu Unrecht hatte die Vorinstanz dem Gesichtspunkt der Abwechslung unter den Bewerbern keine besondere Beachtung geschenkt; statt dessen hat sie in unhaltbarer Weise das Kriterium der Beschäftigung einheimischer Arbeitskräfte als entscheidend angesehen. Damit hat sie das ihr zustehende Ermessen missbraucht (ZBl 1985, S. 222f.), womit die Beschwerde gutzuheissen ist. Der Beschluss des Bezirksrates X. wird entsprechend aufgehoben und die Sache zur erneuten Vergebung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

(RRB Nr. 254 vom 16. Februar 1994).

 

64

Arbeitsvergebung

– Abgrenzung zwischen einem allgemeinen und einem beschränkten Wettbewerb. Welche Wettbewerbsform ist zu wählen, wenn Planungsarbeiten und Sachlieferungen zu offerieren sind (Erw. 2)?
– Auch bei einem beschränkten Wettbewerb gelten grundsätzlich die Wettbewerbsvorschriften der Submissionsverordnung (Erw. 3).
– Problematik der Verbindung von Planungs- und Arbeits- bzw. Lieferungsvergebung (Erw. 5).

Aus den Erwägungen:

2. Die Beschwerdeführerin beanstandet das vorinstanzliche Verfahren insofern, als die Arbeiten nicht öffentlich ausgeschrieben worden waren. Damit rügt sie sinngemäss die Durchführung eines beschränkten Wettbewerbs durch die Bezirksbehörden. Nach § 3 Abs. 1 SubmV ist ein auf einzelne Bewerber beschränkter Wettbewerb zulässig, wenn die zu vergebende Leistung besondere künstlerische, technische oder wissenschaftliche Eignung oder besondere Erfahrungen voraussetzt. Diese Vergebungsart soll es dem Gemeinwesen ermöglichen, dort vom allgemeinen Wettbewerb abzuweichen, wo es um höchstens beschränkt vertretbare Leistungen geht. Es handelt sich dabei in der Regel auch um Arbeiten und Leistungen, für welche die Angebote nicht ohne weiteres vergleichbar sind. In der Praxis kommt der beschränkte Wettbewerb vor allem dort vor, wo planerische Arbeiten (z.B. Architektur- und Ingenieurarbeiten) zu vergeben sind. Dies kann bei der Einrichtung von Schulräumen vorkommen, indem von den eingeladenen Unternehmen nebst der Lieferung bestimmter Einrichtungsgegenstände gleichzeitig verlangt wird, die Einrichtung im Detail zu projektieren. Dies war bei der Beschwerdeführerin der Fall. Sie wurde, wie der Bezirksrat vernehmlassend ausführt, beauftragt, ein Devis auszuarbeiten und gleichzeitig die verschiedenen Positionen zu offerieren. Mit der Ausarbeitung des Leistungsverzeichnisses waren planerische Arbeiten verbunden, indem sich die Beschwerdeführerin überlegen musste, welcher Raum mit welchen Gegenständen ausgerüstet werden musste. Die beiden übrigen Mitbewerber hingegen mussten lediglich noch anhand des von der Beschwerdeführerin ausgearbeiteten Leistungsverzeichnisses die Einrichtungsgegenstände offerieren. Der eigentliche Wettbewerb beschränkte sich somit auf ganz bestimmte Waren und Leistungen. Zu diesem Zwecke hätte jedoch ein allgemeiner Wettbewerb durchgeführt und die Arbeiten ausgeschrieben werden müssen (§§ 2 und 5 SubmV). Denn es waren keine besonderen Leistungen und Erfahrungen im Sinne von § 3 Abs. 1 SubmV mehr gefragt, nachdem das Devis der Beschwerdeführerin für die Offerten der beiden andern Anbieter ebenfalls massgebend war.

3. Aber auch die Durchführung des beschränkten Wettbewerbs lief vorliegend nicht korrekt ab, wie der Bezirksrat in seiner Vernehmlassung selbst offen zugibt.

a) Die Einladung an die Mitbewerber hätte im wesentlichen dieselben Angaben gemäss § 5 Abs. 2 SubmV enthalten müssen wie die Ausschreibung, insbesondere Ort und Frist für die Eingabe der Angebote, Ort und Zeit der Öffnung der Angebote, Hinweis auf die Anwendbarkeit der Submissionsverordnung.

Währenddem die Beschwerdeführerin ihr Devis samt Kostenvoranschlag Ende Januar 1994 eingereicht hatte, wurden die beiden andern Unternehmungen erst nachträglich eingeladen, aufgrund des Leistungsverzeichnisses der Beschwerdeführerin ebenfalls Angebote zu machen. Der Hinweis auf die Anwendung der Submissionsverordnung unterblieb.

b) Eine Offertöffnung fand ebenfalls nicht statt. Die preislichen Vorstellungen der Beschwerdeführerin waren zudem bekannt, bevor die Mitbewerber ihr Angebot unterbreiten konnten (möglicherweise war ihr hohes Preisangebot sogar der Grund, weitere Offerten einzuholen). Angebote dürfen jedoch bis zur Offertöffnung nicht geöffnet werden (§ 12 SubmV). Sie müssen deshalb auch verschlossen eingereicht werden (§ 8 Abs. 1 SubmV).

c) Die mangelhafte Durchführung des Wettbewerbs hatte auch zur Folge, dass bei den eingereichten Angeboten teilweise die Wettbewerbsbedingungen, wie sie die Submissionsverordnung vorschreibt (z.B. dass gemäss § 7 Abs. 2 SubmV das Leistungsverzeichnis nicht abgeändert werden darf), nicht eingehalten wurden.

4. Das Verfahren wurde unbestrittenermassen unkorrekt abgewickelt. Da aufgrund der aufgezeigten Mängel, insbesondere wegen der Kenntnis der preislichen Vorgaben der Beschwerdeführerin, nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich daraus Wettbewerbsverfälschungen ergeben haben, kommt der Regierungsrat nicht umhin, die Beschwerde gutzuheissen. Die Vorinstanz hat mit dem vorgegebenen Leistungsverzeichnis der Beschwerdeführerin einen allgemeinen Wettbewerb nach den Vorschriften der Submissionsverordnung durchzuführen.

(…)

5. Hingegen ist für die neue Arbeitsvergebung auf die Problematik hinzuweisen, die sich aus der Verquickung der beiden Phasen von Planung und der eigentlichen Arbeits- bzw. Lieferungsvergebung ergeben kann. Wer plant, hat in der Regel für die Offertstellung einen Wissensvorsprung, der den Planer und gleichzeitigen Anbieter bei der Kalkulation der Preise bevorteilen kann. Für die Lösung dieses Dilemmas bieten sich zwei Wege an. Entweder werden die beiden Vorgänge klar getrennt und ein an der Planung beteiligtes Unternehmen beschränkt seine Mitwirkung auf diese Phase und wird entsprechend dafür entschädigt. Denkbar ist aber auch, dass eine Gesamtofferte eingeholt wird, in welcher sowohl die Planung und die Ausführung mitenthalten sind. Dieses Vorgehen sollte indessen die Ausnahme bilden, da § 5 Abs. 2 SubmV grundsätzlich von einer Aufteilung der Arbeiten und Lieferungen nach den verschiedenen Berufsarten und Arbeitsgattungen ausgeht (RRB Nr. 455 vom 12. März 1991 E. 5).

Im vorliegenden Fall muss sich deshalb der Bezirksrat Y. überlegen, ob die Beschwerdeführerin überhaupt zum neu durchzuführenden Wettbewerb zuzulassen ist, da sie mit der Planung bzw. der Ausarbeitung des Leistungsverzeichnisses beauftragt worden war. Allerdings müsste dann mit ihr über die Ausrichtung einer allfälligen Entschädigung für die bereits geleistete Arbeit in der Planungsphase verhandelt werden.

(RRB Nr. 978 vom 31. Mai 1994).

 

65

Arbeitsvergebung

– Die Eignung eines Bewerbers kann auch im Rahmen eines beschränkten Wettbewerbes noch überprüft werden (Erw. 4c).

Aus den Erwägungen:

4. c) (…)

aa) Die Arbeitsvergebung für die äusseren Malerarbeiten wurde gemäss der Vorinstanz als beschränkter Wettbewerb im Sinne von § 3 Abs. 2, insbesondere aber § 3 Abs. 1 SubmV durchgeführt. Danach ist ein auf einzelne Bewerber beschränkter Wettbewerb oder die direkte Vergebung zulässig, wenn die zu vergebende Leistung besondere künstlerische, technische oder wissenschaftliche Eignung oder besondere Erfahrungen voraussetzt. Auf den ersten Blick mutet es eigenartig an, einen beschränkten Wettbewerb durchzuführen und nachher einen Mitofferenten gerade deshalb nicht zu berücksichtigen, weil er die besondere künstlerische oder technische Eignung nicht aufweise. Der Regierungsrat hat indes bereits früher entschieden, dass die fachliche Eignung der Bewerber auch bei einem beschränkten Wettbewerb noch überprüft werden darf (§§ 16 Abs. 1 und 18 SubmV). Wohl werde die Behörde in der Regel einen Branchenangehörigen, dem sie die fachlichen Qualitäten für die Ausführung der Arbeiten nicht zubillige, gar nicht erst zur Offertstellung einladen. Zu einer eingehenden Prüfung der fachlichen Eignung bestehe jedoch bei der Einladung zur Offertstellung noch kein Anlass, so dass der Schluss, die Behörde anerkenne mit der Einladung zu einem beschränkten Wettbewerb die Eignung der Eingeladenen, sachlich verfehlt wäre (RRB Nr. 1797 vom 23. Oktober 1984 = EGV-SZ 1984 Nr. 50).

bb) Beim vorliegenden, beschränkten Wettbewerb wurden neben zwei regionalen Fachfirmen die ortsansässigen Malerfirmen mit der Auflage eingeladen, ihre technische und künstlerische Eignung anhand von Referenzen aufzuzeigen. Diese Bedingung war einerseits unter der Rubrik «Spezielles» (S. 5 des Devis) und anderseits bei der Position 1.1 «Mineralfarbanstriche auf Fassade» enthalten. Die Beschwerdeführer wurden also unter der Bedingung zum Wettbewerb eingeladen, dass sie mittels Referenzen für die Arbeiten an dem unter Denkmalschutz stehenden Objekt ihre besondere künstlerische und technische Eignung nachweisen mussten.

cc) Ob eine Unternehmung für die Ausführung einer Arbeit über die besondere künstlerische, technische oder wissenschaftliche Eignung oder besondere Erfahrungen verfügt, ist anhand objektiver Kriterien zu prüfen, und es können Referenzen eingeholt werden. Ob dann aufgrund der objektiven, abklärbaren Kriterien die erforderliche Sachkenntnis und Erfahrung zu bejahen ist, um ohne besonderes Risiko eine Vergebung verantworten zu können, ist eine Wertungsfrage. Die Begriffe «besondere künstlerische, technische oder wissenschaftliche Eignung» und «besondere Erfahrung» im Sinne von § 3 Abs. 1 SubmV sowie «fachgerechte und rechtzeitige Ausführung» im Sinne von § 16 Abs. 1 SubmV sind unbestimmte Gesetzesbegriffe, die je nach den Anforderungen, welche der Auftrag in persönlicher, technischer, kapazitätsmässiger Hinsicht usw. stellt, einen verschiedenen Inhalt aufweisen (RRB Nr. 1832 vom 3. November 1993 unter Hinweis auf EGV-SZ 1985 Nr. 16).

Daraus ergibt sich, dass der Vorinstanz ein doppelter Beurteilungsspielraum zukommt. Einmal bei der Auslegung der Begriffe «besondere künstlerische und technische Eignung» bzw. «fachgerechte Ausführung» und ein zweites Mal bei der Beurteilung, ob und in welchem Ausmass ein konkreter Auftrag besonders qualifizierte Voraussetzungen an einen Bewerber stellt. Bei der Überprüfung unbestimmter Gesetzesbegriffe und bei einem auf technischem Fachwissen basierenden Werturteil auferlegt sich der Regierungsrat eine gewisse Zurückhaltung. Er hat insbesondere nicht sein eigenes Werturteil an die Stelle jenes der Vorinstanz zu setzen.

(RRB Nr. 1064 vom 14. Juni 1994).

 

66

Ausländerrecht

– Die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit in der Schweiz ist einem Ausländer ohne Niederlassungsbewilligung nicht generell untersagt; sie ist aber bewilligungspflichtig (Erw. 2).
– Grundsätze der Ermessensausübung bei der Erteilung von fremdenpolizeilichen Bewilligungen (Erw. 3).
– Haben mehrere Amtsstellen den gleichen Sachverhalt zu beurteilen, so haben sie ihre Tätigkeit zu koordinieren (Erw. 4).

Aus den Erwägungen:

2. a) Der Beschwerdeführer ist im Besitz einer Jahresaufenthaltsbewilligung. Da er keine Niederlassungsbewilligung hat, untersteht er den fremdenpolizeilichen Beschränkungen. Er muss sowohl für die Aufnahme einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit als auch für den Stellen-, Berufs- oder Kantonswechsel von der Fremdenpolizei eine Bewilligung einholen (Art. 3 Abs. 6 ANAV; Art. 6 Abs. 1, Art. 29 Abs. 1, Art. 42 und 43 BVO). Insoweit ist die Aussage des KIGA zu relativieren, dass dem Ausländer ohne Niederlassungsbewilligung eine selbständige Erwerbstätigkeit grundsätzlich nicht erlaubt sei. Der nicht niedergelassene Ausländer hat, von staatsvertraglichen Sonderregelungen abgesehen, keinen Rechtsanspruch auf eine fremdenpolizeiliche Bewilligung bzw. auf Anwesenheit in der Schweiz. Ohne die entsprechende Bewilligung ist dem Ausländer demzufolge auch eine unselbständige Erwerbstätigkeit nicht erlaubt. Unter den Begriff der Erwerbstätigkeit fällt nach dem klaren Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 BVO auch eine selbständige Tätigkeit. Eine solche ist dem Ausländer folglich nicht generell untersagt, sondern von einer Bewilligung abhängig.

b) Nachstehend ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer Bewilligung zur selbständigen Erwerbstätigkeit erfüllt sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit nur mit Zurückhaltung, d.h. nach dem Wortlaut von Art. 42 Abs. 1 lit. c BVO nur ausnahmsweise, zu bewilligen ist.

Das KIGA als kantonale Arbeitsmarktbehörde muss entscheiden, ob die Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage es gestattet, dass der Ausländer eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt (Art. 42 Abs. 1 lit. c BVO). Entgegen dem Wortlaut von Art. 42 Abs. 1 BVO sind die Voraussetzungen der Art. 7–11 BVO für die Beurteilung des Gesuchs um Erlaubnis zu einer selbständigen Erwerbstätigkeit nicht weiter von Bedeutung. Diese Gesetzesbestimmungen sind für die Beurteilung eines Gesuches zur selbständigen Erwerbstätigkeit nicht anwendbar. Sie beziehen sich ausschliesslich auf solche Verhältnisse, in denen der Ausländer in einem Anstellungsverhältnis zum Arbeitgeber steht.

3. a) Massgebend für den Entscheid über eine Bewilligung zu einer selbständigen Erwerbstätigkeit ist in erster Linie die Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage. Bei deren Beurteilung steht der entscheidenden Arbeitsmarktbehörde ein weiter Ermessensspielraum offen. Dies ergibt sich aus Art. 4 ANAG, wonach die Behörde im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland nach freiem Ermessen über die Bewilligung von Aufenthalt und Niederlassung entscheidet. Da die Arbeitsmarktbehörde einen Vorentscheid zu fällen hat, an den die Fremdenpolizeibehörde gebunden ist, steht in solchen Fällen dieser Ermessensspielraum bei der Beurteilung der Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage in erster Linie der kantonalen Arbeitsmarktbehörde zu.

b) Das Ermessen der entscheidenden Behörde ist insoweit eingeschränkt, als die Verwaltung die grundsätzlichen Wertentscheidungen der Verfassung berücksichtigen muss. Insbesondere die Grundrechte geben für die Gesetzesauslegung wie für Wertungsfragen Entscheidungshilfen. Das Willkürverbot bindet die Verwaltung und engt ihre Entscheidungsfreiheit ein. Das Ausländerrecht muss nach dem verfassungsmässigen Auftrag stets im Dienste der Überfremdungsabwehr, in demographischer, wirtschaftlicher und geistiger Hinsicht, stehen (Toni Pfanner, Die Jahresaufenthaltsbewilligung des erwerbstätigen Ausländers, Diss. St. Gallen 1985, S. 94).

Bei der Ermessenshandhabung ist von den drei Hauptfunktionen des Ausländerrechts auszugehen. Es sind dies die Entfernung und Fernhaltung unerwünschter Ausländer, die Überfremdungsabwehr und die Regulierung des Arbeitsmarktes. Ausdrücklich verpflichten Art. 16 Abs. 1 ANAG und Art. 8 Abs. 1 ANAV die Bewilligungsbehörden, bei ihren Entscheidungen die geistigen und wirtschaftlichen Interessen, den Grad der Überfremdung des Landes sowie die Situation des Arbeitsmarktes zu berücksichtigen. Die öffentlichen Interessen, die laut Art. 16 ANAG beim Bewilligungsentscheid berücksichtigt werden müssen, sind weit auszulegen. Das Ermessen der Behörde bei der Bewilligungserteilung kann grundsätzlich nicht durch Vorkehrungen wie Heirat, Grundstückerwerb, Wohnungsmiete, Abschluss eines Arbeitsvertrages, Geschäftsgründung oder -beteiligung beeinträchtigt werden (Art. 8 Abs. 2 ANAV; Peter Kottusch, Das Ermessen der kantonalen Fremdenpolizei und seine Schranken, in ZBl 91/1990, S. 168f.). Insoweit trifft es zu, dass der vom Beschwerdeführer getätigte Grundstückkauf sowie die vorgenommenen Investitionen im Hinblick auf die Eröffnung eines eigenen Geschäfts auf die Frage der Bewilligungserteilung keinen Einfluss haben. Offensichtlich ist jedoch, dass diese beiden Verfahren hätten koordiniert werden müssen. Auf das gegenseitige Verhältnis dieser beiden Bewilligungen in verfahrensrechtlicher Hinsicht wird weiter hinten noch näher eingegangen.

c) Das KIGA hat das Gesuch des Beschwerdeführers lediglich unter dem Aspekt der Regulierung des Arbeitsmarktes geprüft und beurteilt, ob die Bewilligung für eine selbständige Erwerbstätigkeit aufgrund der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftslage erteilt werden könne. Pauschal hat das KIGA dabei festgestellt, dass keine volkswirtschaftlichen oder öffentlichen Interessen an der Erteilung einer Bewilligung zur selbständigen Erwerbstätigkeit bestehen und aus Präjudizgründen eine solche Bewilligung abgelehnt werden müsse.

Andererseits bewilligte das Volkswirtschaftsdepartement des Kantons Schwyz, dem das KIGA unterstellt ist, dem Beschwerdeführer den Erwerb der Betriebsstätte in X. Bei der Erteilung dieser Bewilligung lagen demzufolge offensichtlich keine Verweigerungsgründe vor.

aa) Art. 7 BVO, der die vorrangige Behandlung der inländischen Arbeitnehmer vorschreibt, kommt in diesem Fall nicht zur Anwendung. Da der Beschwerdeführer eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnehmen will, kann er einheimische Arbeitnehmer nicht direkt konkurrenzieren. Ein solches direktes Konkurrenzverhältnis bestand früher, als der Beschwerdeführer ebenfalls in einem Anstellungsverhältnis stand. Nicht ersichtlich ist, dass durch die Eröffnung des eigenen Geschäftslokals nachteilige Auswirkungen auf einheimische Arbeitnehmer zu erwarten wären. Das KIGA legt denn auch nicht näher dar, inwieweit die Bewilligung einer selbständigen Erwerbstätigkeit negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in der Schweiz haben würde. Nur aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer beabsichtigt, ein neues Geschäft zu eröffnen, das die bisher bestehenden einheimischen Betriebe möglicherweise konkurrenzieren könnte, darf nicht hergeleitet werden, dass die selbständige Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers negative Auswirkungen auf die Arbeitsmarktlage in der Schweiz haben könnte.

bb) Es erscheint fraglich, ob die Wirtschaftslage gegen eine Bewilligung der selbständigen Erwerbstätigkeit spricht. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er in seinem Geschäftslokal Spezialitäten aus dem Balkan anzubieten gedenke. Ein solches Angebot gebe es in der Region nicht, weshalb er auch nicht in einem Konkurrenzverhältnis zu anderen, bestehenden Metzgereien stehe. Auch wenn die vom Beschwerdeführer geplante selbständige Erwerbstätigkeit volkswirtschaftlich nur von geringer Bedeutung ist, so ist doch anzunehmen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Angebot ein Marktsegment abdeckt, das einem Bedürfnis entspricht. In der Region leben zahlreiche Personen, die aus dem Balkan stammen (Auskunft des Gemeinderates X. an die FREPO vom 2. März 1994).

Der Gemeinderat X. verneint einen Versorgungsnotstand und zieht überdies die Erfolgsaussichten der geplanten selbständigen Erwerbstätigkeit in Zweifel. Dazu ist festzuhalten, dass es nicht Aufgabe der Behörden sein kann, Bewilligungen für die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit von den wirtschaftlichen Erfolgsaussichten abhängig zu machen. Dieses sachfremde Kriterium kann im Zeitpunkt des Bewilligungsentscheides überhaupt nicht beurteilt werden, sondern beruht lediglich auf Mutmassungen. Ob dem Unterfangen des Beschwerdeführers Erfolg beschieden ist, muss das freie Spiel der Marktkräfte zeigen. Der freie Wettbewerb muss zeigen, ob ein Bedürfnis nach den vom Beschwerdeführer angebotenen Spezialitäten besteht. Insbesondere haben die Behörden keine Möglichkeit, in diesem Sinne lenkend einzugreifen, wenn ein Schweizer oder ein niedergelassener Ausländer eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnehmen will. In solchen Fällen kann überhaupt nicht geprüft werden, ob ein Bedürfnis besteht, und ob die Erfolgsaussichten für den Betrieb gut sind oder nicht. Eine Bedürfnisklausel besteht auf diesem Gebiet nicht. Ebenso kann dem Beschwerdeführer die Bewilligung zur selbständigen Erwerbstätigkeit nicht allein mit der Begründung verweigert werden, dass aus Präjudizgründen die Schranken der zulässigen selbständigen Erwerbstätigkeit von Ausländern eng zu fassen seien.

d) Die Vorinstanzen haben ausser acht gelassen, dass für die Bewilligung einer selbständigen Erwerbstätigkeit auch und vor allem die persönlichen Voraussetzungen des Gesuchstellers zu beurteilen sind. Entscheidend ist, ob der Gesuchsteller grundsätzlich die beruflichen Fähigkeiten mit sich bringt, die für die Ausübung der selbständigen Erwerbstätigkeit erforderlich sind. Eine selbständige Erwerbstätigkeit setzt voraus, dass der Gesuchsteller über die entsprechende Ausbildung oder Berufserfahrung verfügt. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann im vorliegenden Fall nicht abschliessend beurteilt werden. Der Beschwerdeführer hat zwar seit seiner Einreise in die Schweiz Ende 1988 bei diversen Firmen gearbeitet. Indes geht aus den eingereichten Unterlagen nicht hervor, ob der Beschwerdeführer über die erforderlichen beruflichen Fähigkeiten für den selbständigen Betrieb einer Metzgerei verfügt. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass die für die Herstellung und den Handel mit Lebensmitteln massgebenden gesundheitspolizeilichen Vorschriften eingehalten werden müssen.

Ebenso haben die Vorinstanzen nicht mitberücksichtigt, dass sich der Beschwerdeführer schon seit mehr als fünf Jahren in der Schweiz aufhält und bisher zu keinen Klagen Anlass gegeben hat. Er zählt somit nicht zu den unerwünschten Ausländern, die zu entfernen oder fernzuhalten wären. Überdies ist die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers bei der Beurteilung seines Gesuches entsprechend mitzuberücksichtigen. Der Ausländer, der bereits längere Zeit in der Schweiz lebt, erfährt eine schrittweise Verbesserung seines Anwesenheitsrechts und erlangt mit der Zeit eine rechtsanspruchsähnliche Stellung. Dem Aufenthalter ist um so eher der Wechsel von der unselbständigen in die selbständige Erwerbstätigkeit zu gestatten, je näher er sich der Entlassung aus der eidgenössischen Kontrolle befindet (Pfanner, a.a.O., S. 145, 158 und 182). Die Verweigerung der Bewilligung zur selbständigen Erwerbstätigkeit lässt sich hier auch nicht mit dem Argument der Überfremdungsabwehr begründen. Ob der Beschwerdeführer nun eine selbständige oder eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausübt, ändert nichts an seiner Anwesenheit in der Schweiz.

In diesem Sinne steht einer selbständigen Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers grundsätzlich nichts entgegen, sofern er die erforderlichen fachlichen Qualifikationen nachzuweisen vermag und die spezifischen gesundheitspolizeilichen Vorschriften erfüllt.

e) In BGE 116 Ia 237ff. hat das Bundesgericht den Schutzbereich der Handels- und Gewerbefreiheit im Lichte der Verfassung konkretisiert. Es stellte dabei auf Art. 69ter BV ab, wonach die Gesetzgebung über Ein- und Ausreise, Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer dem Bund zusteht. Das Bundesgericht kam zum Schluss, diese Verfassungsbestimmung lasse mit ihrer demographischen und arbeitsmarktpolitischen Zielsetzung für einen grundrechtlichen Schutz privatwirtschaftlicher Erwerbstätigkeit bei Anwendung des Fremdenpolizeirechts keinen Raum. Es bestehe anderseits aber kein verfassungsrechtlicher Grund, dem Ausländer, der über eine Niederlassungsbewilligung verfügt und deshalb hinsichtlich seiner Erwerbstätigkeit keiner fremdenpolizeilichen Schranke unterliegt, die Berufung auf die Handels- und Gewerbefreiheit zu verweigern (BGE 119 Ia 38).

Auch wenn sich der Jahresaufenthalter grundsätzlich nicht auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen kann, so hat die zuständige Behörde den ihr zustehenden Ermessensspielraum bei der Beurteilung eines Gesuches zur selbständigen Erwerbstätigkeit pflichtgemäss auszuüben. In diesem Fall haben sich die Vorinstanzen von sachfremden Argumenten leiten lassen. Die Beschwerde ist demzufolge gutzuheissen und die Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Sofern der Beschwerdeführer die für den selbständigen Betrieb einer Metzgerei erforderlichen fachlichen und gesundheitspolizeilichen Voraussetzungen erfüllt, ist ihm die erforderliche arbeitsmarktliche bzw. fremdenpolizeiliche Bewilligung zu erteilen.

4. a) Berührt ein Geschäft mehrere Departemente, haben die Beteiligten von sich aus für die gegenseitige Information und die Koordination zu sorgen (§ 27 Abs. 1 der Verordnung über die Organisation des Regierungsrates und der kantonalen Verwaltung vom 27. November 1986, nGS I-44). Diese für die Departemente geltende Koordinationspflicht muss ebenfalls und noch vermehrt für die verschiedenen Ämter innerhalb desselben Departementes gelten.

Das Volkswirtschaftsdepartement hat die Bewilligung für den Grundstückerwerb erteilt. Nach dessen Auffassung lagen keine Gründe vor, die gegen die Bewilligung zum Erwerb des Geschäftslokals gesprochen haben. Dabei hat es aber übersehen, dass es für die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit des Ausländers einer weiteren Bewilligung durch die Fremdenpolizei bedarf, welche wiederum eine Stellungnahme des ebenfalls dem Volkswirtschaftsdepartement angehörenden KIGA voraussetzt. Das KIGA seinerseits war der Ansicht, dass dem Beschwerdeführer die selbständige Erwerbstätigkeit grundsätzlich nicht bewilligt werden könne. Aus dem Blickwinkel des Beschwerdeführers haben somit zwei Ämter desselben Departementes denselben Sachverhalt unterschiedlich beurteilt. Der Eindruck widersprüchlichen Verhaltens des Staates ist in Zukunft durch ein koordiniertes Vorgehen der verschiedenen Amtsstellen zu vermeiden.

(RRB Nr. 1418 vom 3. August 1994).

Anmerkung: Der wiedergegebene Entscheid aus dem Ausländerrecht zeigt, dass das Problem der Koordination verschiedener Bewilligungsverfahren nicht allein bei der Bewilligung raumrelevanter Vorgänge unter verschiedenen umweltschutz-, raumplanungs- und baurechtlichen materiellen Vorschriften besteht. Dass Fragen der Abstimmung mehrerer Entscheidungsverfahren in der gleichen Sache mannigfache Abstimmungs- und Koordinationsbedürfnisse hervorrufen, mit denen sich Lehre und Praxis bereits seit langem befassen (z.B. Verhältnis von Vorfrage- und Hauptfrageentscheid; parallele verwaltungsrechtliche Verfahren; Verhältnis von Sach- und Vollstreckungsverfügung; Tatbestandswirkung einer Verfügung usw.), lässt sich sodann der Basler Habilitationsschrift von Regula Kägi-Diener, Entscheidfindung in komplexen Verwaltungsverhältnissen, Basel/Frankfurt a. M. 1994, entnehmen.