EGV-SZ 2000

[Entscheide Nr. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29]

 

A. GERICHTSPRAXIS

I. Verwaltungsgericht

1

Verfahren

 § 94 GO: Die Weihnachts- und Ostergerichtsferien gelten auch für Gestaltungsplanerlassverfahren.

Aus den Erwägungen:

1. a) Nach § 94 Abs. 1 lit. c der kantonalen Gerichtsordnung (GO, SRSZ 231.110) stehen gesetzliche und richterlich bestimmte Fristen vom 18. Dezember bis und mit dem 7. Januar still. Dieser Fristenstillstand im Zusammenhang mit Weihnachten und dem Jahreswechsel gilt nach § 94 Abs. 2 GO ausdrücklich auch für das Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsverfahren. Abweichend davon wird in § 94 Abs. 3 GO normiert:

«Vorbehalten bleiben Verhandlungen in dringenden Fällen und vorsorgliche Massnahmen, das summarische Verfahren, das Einsprache- und Rechtsmittelverfahren in Bausachen, das Submissionsverfahren, das Strafverfahren sowie Verhandlungen und Fristansetzungen im Einvernehmen mit den Parteien.»
(Kursivdruck nicht im Original)

b) Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens bildet einzig die Frage, ob für eine Einsprache gegen den Erlass eines (geänderten) Gestaltungsplanes die Weihnachtsgerichtsferien anwendbar sind oder nicht. Nach Auffassung des Beschwerdegegners und der Vorinstanz II kommt der Fristenstillstand nach § 94 Abs. 1 lit. c GO zur Anwendung, derweil die Beschwerdeführerinnen sowie die Vorinstanz I sinngemäss argumentieren, dass das Gestaltungsplanerlassverfahren unter «das Einsprache- und Rechtsmittelverfahren in Bausachen» im Sinne von § 94 Abs. 3 GO falle, weshalb keine Weihnachtsgerichtsferien anwendbar seien. Unbestritten ist, dass dann, wenn die Weihnachtsgerichtsferien tatsächlich anwendbar sind, die am Montag, 1. Februar 1999, bei der Poststelle (...) aufgegebene Einsprache rechtzeitig eingereicht wurde (...).

2. a) Im angefochtenen RRB wird zutreffend darauf hingewiesen, dass sich das Verwaltungsgericht mit der Frage, welche öffentlichrechtlichen Verfahren von den Gerichtsferien ausgenommen sind, bereits einmal im Entscheid VGE 544+545/91 vom 11. September 1991 zu befassen hatte, und zwar damals im Zusammenhang mit § 94 Abs. 2 GO in der Fassung vom 1. Dezember 1988, wonach «das Baueinspracheverfahren» von den Gerichtsferien ausgenommen war. In diesen Ausführungen des Verwaltungsgerichts, welche im angefochtenen RRB (S. 3f.) korrekt wiedergegeben wurden, verwendete das Gericht die Begriffe «Baueinsprache- und Baubeschwerdeverfahren» einerseits und «Einsprache- und Rechtsmittelverfahren in Bausachen» anderseits unmissverständlich als synonyme Begriffspaare, was im angefochtenen RRB zu Recht erkannt wurde.

Richtig ist an sich auch die Bemerkung in der Beschwerdeschrift (S. 4), dass sich das Verwaltungsgericht im genannten Präjudiz zu Gestaltungsplänen nicht geäussert hat (da dies damals nicht zum Beschwerdegegenstand gehörte). Allerdings bedeutet dies nicht, dass aus den damaligen Ausführungen für den vorliegenden Fall nichts abgeleitet werden könnte. Vielmehr ist der Argumentation des Regierungsrates beizupflichten, wonach aus der synonymen Verwendung der erwähnten Begriffspaare die Schlussfolgerung zu ziehen ist, dass mit «Einsprache- und Rechtsmittelverfahren in Bausachen» grundsätzlich keine Planungsverfahren, sondern nur Baueinsprache- und Baubeschwerdeverfahren erfasst werden.

b) Für dieses Ergebnis, wonach unter «Einsprache- und Rechtsmittelverfahren in Bausachen» keine Planungsverfahren (auch nicht der Erlass von Gestaltungsplänen) fallen, sprechen zudem insbesondere folgende Gründe.

aa) Der Gesetzgeber wählte für die Regelung der Gerichtsferien im Bereich des Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsverfahrens die Methode der Generalklausel mit gewissen Ausnahmen, die ausdrücklich aufgezählt werden. Diese Konzeption ergibt ein eindeutiges Ergebnis in dem Sinne, dass alles, was vom Gesetzgeber bei den Ausnahmen nicht ausdrücklich aufgelistet wurde, unter die Grundregel (Generalklausel) fällt (vgl. dazu Merkli/Aeschlimann/Herzog, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege im Kanton Bern, S. 19, Rz. 55 im Zusammenhang mit der Abgrenzung von Zuständigkeiten; vgl. auch BGE 122 III 181 betreffend ein Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Schwyz im Zusammenhang mit der Ausscheidung der Vermögenswerte beim Nachlassvertrag mit teilweiser Vermögensabtretung, wonach «die Methode der Generalklausel mit Ausnahmen» eine genaue Ausscheidung gewährleistet; vgl. ferner auch Höhn, Praktische Methodik der Gesetzesauslegung, S. 24, Rz. 34).

Als Generalklausel normierte der Gesetzgeber, dass im Bereich des Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsverfahrens grundsätzlich die Weihnachts- und Ostergerichtsferien, nicht aber die Sommergerichtsferien zur Anwendung kommen (vgl. § 94 Abs. 1 und 2 GO). Diese Grundregel findet in den in § 94 Abs. 3 GO ausdrücklich aufgezählten Fällen keine Anwendung, so u.a. beim «Einsprache- und Rechtsmittelverfahren in Bausachen».

bb) Was zu den Bausachen gehört, wird in der erwähnten Bestimmung nicht näher erläutert. Hingegen unterscheidet der Gesetzgeber im kantonalen Planungs- und Baugesetz (PBG, SRSZ 400.100) bereits im Titel ausdrücklich zwischen Planungs- und Bausachen. Dieses Gesetz ist in verschiedene Abschnitte gegliedert, als zweiter Abschnitt folgt die «Raumplanung», als vierter «Kantonale Bauvorschriften» sowie als fünfter das «Baubewilligungsverfahren». Der Gestaltungsplan sowie der Erlass des Gestaltungsplanes wird vom Gesetzgeber im zweiten Abschnitt («Raumplanung») in den §§ 24 und 30 PBG geregelt. Daraus leitete sowohl der Beschwerdegegner als auch der Regierungsrat im angefochtenen Beschluss (S. 4) zu Recht ab, dass nach der systematischen Einordnung dieser Bestimmungen der Gestaltungsplan dem Raumplanungsrecht zuzuordnen und von der konkreten Bewilligung einer Bausache (Baubewilligung) zu unterscheiden ist.

cc) Richtig ist auch die in den Vernehmlassungen vom 21. August 2000 und 18. September 2000 enthaltene Argumentation, dass der Gestaltungsplan keine Bausache darstellt. Beim Gestaltungsplan nach schwyzerischem Recht, welcher den Charakter eines Sondernutzungsplanes aufweist, handelt es sich um ein flexibles Planungsinstrument zur Verwirklichung massgeschneiderter Lösungen (vgl. dazu die zutreffenden Ausführungen von Mark Gisler, Ausgewählte Fragen zum Gestaltungsplan im Kanton Schwyz, publ. in ZBl 8/2000, S. 393ff.). Auch wenn ein Gestaltungsplan vorliegt, welcher gegebenenfalls sehr detaillierte Gestaltungsvorgaben bzw. Sonderbauvorschriften enthalten kann, bestehen für den Gesuchsteller (und inskünftigen Bauherrn) immer noch diverse Möglichkeiten/Varianten bei der Realisierung des geplanten Bauvorhabens, z.B. kann der Bauherr auf gewisse ursprüngliche Vorhaben teilweise verzichten oder eine andere Aufteilung im Innern des geplanten Gebäudes wählen usw. Von entscheidender Bedeutung ist indessen, dass der Gesuchsteller, nachdem der Gestaltungsplan erlassen worden ist, noch nicht mit der Erstellung einer bestimmten Bausache beginnen kann, sondern zunächst noch die Baubewilligung für das konkrete Bauvorhaben einzuholen hat. Mit anderen Worten wird nach der Terminologie des Gesetzgebers die im Rahmen des Gestaltungsplanes beurteilte Planungssache erst im Rahmen des (durch das Baugesuch des Bauherrn ausgelösten) Baubewilligungsverfahrens zur Bausache. Diesbezüglich ist der Argumentation des Beschwerdegegners beizupflichten, wonach sinngemäss der in § 94 Abs. 3 GO verwendete Begriff der Bausache nicht als Oberbegriff für den Gegenstand des Gestaltungsplanes einerseits und das konkrete Bauvorhaben (des Baubewilligungsverfahrens) anderseits dienen kann.

dd) Schliesslich ist den Ausführungen der Beschwerdeführerinnen entgegenzuhalten,
          dass die ursprünglichen Absichten des Gesetzgebers dahin gingen, die Oster- und Weihnachtsgerichtsferien – ausgenommen im Baueinsprache- und Baubeschwerdeverfahren – auf das Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsverfahren auszudehnen (vgl. VGE 544+545/91 vom 11. Sept. 1991, Prot. S. 841),
          dass indessen diese Absicht des Gesetzgebers in der Formulierung von § 94 Abs. 2 GO in der Fassung vom 1. Dezember 1988 unvollständig zum Ausdruck kam (vgl. zit. Prot. S. 841),
          was dann zur Folge hatte, dass der Gesetzgeber die am 14. Dezember 1995 vorgenommene Revision von § 94 GO (welche zur heute vorliegenden Formulierung von § 94 Abs. 3 GO führte) wie folgt begründete:
«(...) In § 94 Abs. 2 GO wird nur das Baueinspracheverfahren erwähnt, derweil die gesetzgeberische Absicht, nämlich die Vermeidung von übermässigen Verfahrensverzögerungen in Bausachen, grundsätzlich eine umfassendere Formulierung erfordert hätte. Dem ist im Rahmen der vorliegenden Revision der Rechtspflegeerlasse Rechnung zu tragen. Es ist kaum verständlich, einerseits das Baueinspracheverfahren von den Gerichtsferien auszuklammern, und andererseits für das anschliessende Rechtsmittelverfahren vor zweiter und dritter Instanz in der gleichen Bausache die Gerichtsferien wieder zuzulassen. (...)
(vgl. Bf-act. 3 = Bericht und Vorlage an den Kantonsrat, S. 17, Kursivdruck nicht im Original)

Aus diesen Ausführungen in der Vorlage an den Kantonsrat ergibt sich eindeutig, dass bei der im Jahre 1995 vorgenommenen Revision von § 94 GO im Zusammenhang mit «Einsprache- und Rechtsmittelverfahren in Bausachen» nur das Baueinspracheverfahren und die daran anschliessenden Rechtsmittelverfahren vor zweiter und dritter Instanz gemeint waren. Falls der Gesetzgeber damals beabsichtigt hätte, die Abweichung von der dargelegten Generalklausel auch auf das Gestaltungsplanerlassverfahren auszudehnen (was aus den vorliegenden Unterlagen nicht zu entnehmen ist), hätte er dies bei der Regelung von § 94 Abs. 3 ausdrücklich im dort aufgeführten Ausnahmenkatalog festhalten müssen. Da der Gesetzgeber dies unterlassen hat, gilt im Einklang mit der Vorinstanz II und dem Beschwerdegegner, dass für eine Einsprache gegen den Erlass eines Gestaltungsplanes sowohl die Weihnachts- wie auch die Ostergerichtsferien zur Anwendung kommen.

c) An diesem Ergebnis vermögen die weiteren Ausführungen der Beschwerdeführerin grundsätzlich nichts zu ändern. Unbehelflich ist namentlich auch der Einwand (...), bis anhin seien Gestaltungspläne als Bausachen betrachtet worden, welche ohne Gerichtsferien aufgelegt worden seien. Denn der Umstand, wonach eine Gesetzesbestimmung bis anhin allenfalls falsch ausgelegt worden ist, vermag den Richter, welcher diese Frage erstmals zu prüfen hat, nicht zu binden. (...).

(VGE 1036/00 vom 27. September 2000).

 

2

Verfahren

 Zustellung einer Verfügung direkt an die Partei anstatt an den vertraglichen Vertreter stellt eine mangelhafte Eröffnung dar (Erw. 1a).
 Auch eine mangelhaft eröffnete Verfügung kann in Rechtskraft erwachsen. Es ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalles zu prüfen, ob die betroffene Partei durch den Eröffnungsmangel tatsächlich irregeführt und dadurch benachteiligt wurde (Erw. 1a und b).
 Mit der nochmaligen Zustellung der Verfügung an den Rechtsvertreter beginnt die Beschwerdefrist nicht nochmals zu laufen (Erw. 1c).

Aus den Erwägungen:

1. a) (...). Liegt ein Vertretungsverhältnis vor, haben die Verwaltungsträger gemäss Art. 11 Abs. 3 VwVG ausschliesslich mit dem Vertreter zu verkehren. Dieser Artikel ist zwar nicht direkt auf das kantonale Verfahren anwendbar, gilt jedoch als allgemeiner Grundsatz im Sozialversicherungsrecht des Bundes (ZAK 1988, S. 400). Die Zustellung einer beschwerdefähigen Verfügung an die Partei persönlich statt an ihren Vertreter bedeutet damit eine mangelhafte Eröffnung, aus der einer Partei kein Nachteil erwachsen darf (ZAK 1974, S. 367). Durch eine persönliche Zustellung erwächst den Betroffenen etwa dann ein Nachteil, wenn die Zustellung während ihrer Abwesenheit erfolgte oder sie wegen eines Fehlers einer in ihrem Geschäft oder Haushalt mit der Entgegennahme betrauten Person von der Zustellung keine Kenntnis erhielten (ASA 59, S. 420).

Das bedeutet aber nicht, dass die Eröffnung an den Adressaten persönlich statt an dessen vertraglichen Vertreter ungültig wäre oder nicht rechtskräftig werden kann, solange sie nicht dem Rechtsvertreter zugestellt worden ist (BVR 1990, S. 363 m.H.; ASA 67, S. 395). Aus dem Grundsatz, dass den Parteien aus mangelhafter Eröffnung keine Nachteile erwachsen dürfen, folgt vielmehr, dass dem beabsichtigten Rechtsschutz schon dann Genüge getan wird, wenn eine objektiv mangelhafte Eröffnung trotz ihres Mangels ihren Zweck erreicht. Das bedeutet nichts anderes, als dass nach den konkreten Umständen des Einzelfalles zu prüfen ist, ob die betroffene Partei durch den gerügten Eröffnungsmangel tatsächlich irregeführt und dadurch benachteiligt worden ist. Richtschnur für die Beurteilung dieser Frage ist der auch in diesem prozessualen Bereich geltende Grundsatz von Treu und Glauben, an welchem die Berufung auf Formmängel in jedem Fall ihre Grenze findet (BGE 98 V 278f.). So lässt sich mit den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit nicht vereinbaren, dass ein Verwaltungsakt wegen mangelhafter Rechtsmittelbelehrung jederzeit an den Richter weitergezogen werden kann; vielmehr muss ein solcher Verwaltungsakt innerhalb einer vernünftigen Frist in Frage gestellt werden (BGE 110 V 150, 106 V 97 Erw. 2a, 104 V 166 Erw. 3; Kieser, Das Verwaltungsverfahren in der Sozialversicherung, Rz. 330). Dem Betroffenen ist es zumutbar, nach Kenntnisnahme der Verfügung sich innert Frist über die Ergreifung eines Rechtsmittels zu entschliessen. Nach Kenntnisnahme einer Verfügung darf der Betroffene auch dann, wenn er davon ausgeht, sein Vertreter kenne die Verfügung, die Beschwerdefrist nicht tatenlos verstreichen lassen. Spätestens gegen Ablauf der Einsprachefrist muss sich der Adressat, wenn er bis dahin von seinem Vertreter nichts gehört hat, vergewissern, dass diesem die Notwendigkeit der Beschwerdeerhebung nicht entgangen ist (vgl. BGE 102 Ib 94; StE 1998, B 93.6 Nr. 17; StE 2000, B 93.6 Nr. 19; BVR 1990, S. 363).

b) Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer die nach Treu und Glauben zumutbaren Schritte nicht unternommen bzw. die nötige Sorgfalt nicht walten lassen. Die Verfügung war allein an den Beschwerdeführer adressiert und enthielt keinen Vermerk, dass sie auch dem Rechtsanwalt zugestellt würde. Im Verteiler wurden alle Personen bzw. Institutionen erwähnt, an welche die Verfügung zugestellt wurde. Bei genügender Sorgfalt hätte sich der Beschwerdeführer daher bei seinem Rechtsanwalt versichern müssen, ob diesem auch eine Verfügung eröffnet wurde. Auch wenn vom Beschwerdeführer nicht verlangt werden kann, dass er sich bereits unmittelbar nach Erhalt der Verfügung bei seinem Rechtsvertreter über das weitere Verfahren erkundigt, so ist von ihm zu erwarten, dass er – sofern er selbst überhaupt daran dachte, gegen die Verfügung Beschwerde zu erheben – zumindest kurz vor Ablauf der Beschwerdefrist mit dem Rechtsanwalt Rücksprache genommen hätte, wenn bis zu diesem Zeitpunkt vom Rechtsanwalt keine Reaktion erfolgte. Die fehlende Reaktion des Rechtsanwaltes hätte dem Beschwerdeführer auffallen müssen, und dies hätte ihn veranlassen müssen, seinerseits beim Rechtsanwalt nachzufragen (vgl. BVR 1990, S. 363).

Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers hat erst am 9. September 1999 bei der Vorinstanz geltend gemacht, dass ihm die Verfügung vom 1. Juli 1999 nicht eröffnet worden sei. Es ist damit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer erst zu diesem Zeitpunkt mit seinem Rechtsvertreter in Kontakt getreten ist, um mit ihm über die Verfügung vom 1. Juli 1999 zu sprechen. Dadurch, dass der Beschwerdeführer mehr als einen Monat über den Ablauf der Beschwerdefrist hinaus zuwartete, um mit seinem Rechtsvertreter über die erhaltene Verfügung zu sprechen, hat er es unterlassen, die ihm nach den gesamten Umständen zumutbaren Schritte rechtzeitig zu unternehmen. Bei dieser Sachlage ist es nicht gerechtfertigt, dem Beschwerdeführer aus dem Formfehler der Vorinstanz Vorteile zu gewähren. Die vorliegend fehlerhafte Zustellung direkt an den Beschwerdeführer hinderte ihn allenfalls daran, während den 30 Tagen seit Erlass der Verfügung etwas zu unternehmen, weil ihm in diesem Zeitraum die Untätigkeit des Rechtsvertreters nicht zwingend auffallen musste; spätestens mit Ablauf der ordentlichen dreissigtägigen Beschwerdefrist am 4. August 1999 fiel jedoch der Hinderungsgrund weg, und der Beschwerdeführer hätte auf die Untätigkeit seines Rechtsvertreters reagieren müssen (sofern er zu diesem Zeitpunkt überhaupt Beschwerde erheben wollte). Die dreissigtägige Beschwerdefrist begann somit spätestens von diesem Zeitpunkt an effektiv zu laufen und war daher am 3. Oktober 1999 längstens abgelaufen.

c) Auf Anfrage des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers vom 9. September 1999 hin hat die Vorinstanz die Verfügung am 13. September 1999 auch dem Rechtsvertreter zugestellt. Es stellt sich damit die Frage, ob mit der Zustellung der Verfügung an den Rechtsvertreter die Beschwerdefrist nochmals zu laufen begann.

Die gesetzlichen Rechtsmittelfristen sind Verwirkungsfristen. Mit Ablauf der gesetzlichen Beschwerdefrist geht das Beschwerderecht unter. Verwirkungsfristen können grundsätzlich weder gehemmt oder unterbrochen noch erstreckt werden (Ausnahme für das kant. Verfahrensrecht, vgl. § 121 Abs. 2 GO: Erstreckung einer gesetzlichen Frist, wenn eine Partei oder ihr Vertreter im Laufe der Frist stirbt oder handlungsunfähig wird; vgl. im Weiteren Gadola, Verjährung und Verwirkung im öffentlichen Recht, AJP 1995, S. 56; Kölz/Bosshart/Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, § 12 Rz. 5, § 22 Rz. 4; Merkli/Aeschlimann/Herzog, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege im Kanton Bern, Art. 43 Rz. 1). Mit Ablauf der Rechtsmittelfrist vermag damit auch eine zweite Zustellung die Rechtsmittelfrist nicht erstrecken bzw. neu laufen zu lassen (vgl. Merkli/Aeschlimann/Herzog, a.a.O., Art. 44 Rz. 7), ausser die zweite Zustellung erfolgte wegen Vorliegens eines Fristwiederherstellungsgrundes, was vorliegend gerade nicht der Fall ist, denn der Beschwerdeführer hätte bei genügender Sorgfalt bereits vor der Zustellung der Verfügung an den Rechtsanwalt auf die Verfügung reagieren können (vgl. Erw. 1b). Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung vermag eine zweite Zustellung zudem dann eine neue Rechtsmittelfrist auszulösen, wenn eine Behörde noch vor Ablauf der Frist die zweite Zustellung vorgenommen hat; die Rechtsmittelfrist läuft in diesem Fall ab dem Zeitpunkt der Inempfangnahme der zweiten Sendung, falls der spätere Versand eine vorbehaltlose Rechtsmittelbelehrung enthält (BGE 115 Ia 19f.). Sofern jedoch die Frist, die bereits im Rahmen der ersten Zustellung zu laufen begann, im Zeitpunkt der zweiten Zustellung längst beendet war, vermag gemäss der Rechtsprechung der Vertrauensschutz nicht einzugreifen, und die Frist beginnt nicht nochmals zu laufen. Denn eine nachträglich falsche behördliche Auskunft bzw. Zusicherung ist nie geeignet, eine bereits abgelaufene Frist wieder aufleben zu lassen (StE 1992, B 93.6 Nr. 11).

(VGE 410/00 vom 19. April 2000; durch das Eidg. Versicherungsgericht bestätigt mit Urteil C 168/00 vom 13. Februar 2001).

 

3

Verfahren

 Per Telefax übermittelte Rechtsschrift erfüllt wegen fehlender eigenhändiger Unterschrift die Anforderungen von § 38 Abs. 2 VRP nicht (Erw. 1).
 § 39 VRP; Nachfristansetzung zur Verbesserung der mangelhaften Eingabe (Erw. 2).

Aus den Erwägungen:

1. Eine Beschwerdeeingabe muss gemäss § 38 Abs. 2 VRP unter anderem die Unterschrift der Partei oder ihres Vertreters enthalten. Die Unterschrift ist Gültigkeitsvoraussetzung. Sie muss eigenhändig angebracht werden, nicht z.B. mit der Schreibmaschine. Aus Gründen der Sicherheit verlangt die Rechtsprechung, dass eine Beschwerdeschrift mit der Originalunterschrift ihres Verfassers zu versehen ist; die Rechtsschrift, welche nur eine Fotokopie der Unterschrift enthält, ist nicht gültig, weil sonst dem Missbrauch mittels Fotomontage Tür und Tor geöffnet wären (BGE 112 Ia 173). Das Telefax (sog. Fernkopieren) stellt eine Sonderform der Übermittlung eines Schriftstückes dar, indem es mittels Telefonleitung vom Absender zum Empfänger geleitet und bei diesem wieder sichtbar gemacht wird. Das Ergebnis ist das Gleiche, wie wenn eine gewöhnliche Fotokopie auf normalem postalischem Weg transportiert wird; entscheidend ist, dass der Empfänger auch beim Einsatz des Telefax nach Abschluss des Übermittlungsvorganges über eine Kopie eines Schriftstückes, versehen mit einer kopierten Unterschrift, und eben über kein Original verfügt. Die Missbrauchsgefahr besteht beim Telefax in gleicher Weise wie bei der Fotokopie, weshalb die Rechtsprechung erkannt hat, eine per Telefax übermittelte Rechtsschrift vermöge mangels eigenhändiger Unterschrift den gesetzlichen Anforderungen nicht zu genügen (BGE 121 II 254 = Pr. 1996, S. 503ff., 1992, Nr. 26, S. 89; Kölz/Bosshart/Röhl, Kommentar zum VRG-Zürich, N 10 zu § 11 und Merkli/Aeschlimann/Herzog, Kommentar zum bernischen VRPG, N 8 zu Art. 42).

2. Als Zwischenergebnis steht somit fest, dass die Telefax-Eingabe vom 25. September 2000 den Anforderungen an die eigenhändige Unterschrift gemäss § 38 Abs. 2 VRP nicht genügt. Was die Konsequenzen einer hinsichtlich Unterschrift ungenügenden Beschwerdeeingabe anbetrifft, werden in Rechtsprechung und Lehre zwei voneinander abweichende Auffassungen vertreten:

a) Nach der Auffassung des Bundesgerichts, die von den Kommentatoren Kölz/Bosshart/Röhl, a.a.O., N 10 zu § 11 übernommen wird, hat die Behörde bei einer Telefaxeingabe, ohne in überspitzten Formalismus zu verfallen, keine Nachfrist zur Verbesserung des Mangels anzusetzen. Begründet wird dies mit dem Hinweis, eine Nachfristansetzung hätte letztlich eine ungerechtfertigte Fristerstreckung zu Gunsten des Säumigen zur Folge (BGE 121 II 252ff., auch Pr. 1996, S. 503ff.).

b) Demgegenüber verwerfen Merkli/Aeschlimann/Herzog (a.a.O., N 8 zu Art. 42 und N 17 zu Art. 32 Abs. 2 VRPG) diese Praxis als zu hart und halten fest, dass dann, wenn die Unterschrift nicht innert Frist geleistet werde, die Eingabe als mangelhaft zu gelten habe und die Behörde eine kurze Nachfrist zur Verbesserung anzusetzen habe (gleiche Meinung M. Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungspflege, Rz. 8 zu § 40).

c) Für das Schwyzer Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsverfahren drängt es sich auf, bei einer Telefaxrechtsmitteleingabe, welche nicht innert Frist durch eine inhaltsgleiche postalische Beschwerdeeingabe mit handschriftlicher Unterschrift ergänzt wird, eine kurze Nachfrist zur Behebung des Mangels anzusetzen, wobei diese Nachfristansetzung mit der Säumnisandrohung zu versehen ist, wonach auf das Rechtsmittel nicht eingetreten werde, wenn die Einreichung des Rechtsmittels mit handschriftlicher Originalunterschrift nicht innert der gesetzten Frist erfolgt. Dieses Vorgehen drängt sich einerseits aufgrund der gesetzlichen Vorgaben gemäss § 39 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 38 Abs. 2 VRP auf. Nach dieser gesetzlichen Konzeption ist beispielsweise auch dann eine Nachfrist anzusetzen, wenn (versehentlich) eine Beschwerde ohne Unterschrift oder nur mit Maschinenschrift des Namens eingereicht wird, was immer wieder vorkommt. Es liesse sich aber sachlich nicht begründen, denjenigen, der eine Telefaxeingabe mit kopierter Unterschrift einreicht, schlechter zu stellen, als denjenigen, der eine Rechtsmitteleingabe ohne Unterschrift einreicht. Im Übrigen erscheint die vom Bundesgericht befürchtete Missbrauchsgefahr bzw. die Gefahr einer ungerechtfertigten Fristerstreckung als gering; denn der ins Gewicht fallende Aufwand bei der Einreichung einer Rechtsmitteleingabe (Antragstellung, Begründung, Beweismittelbeschaffung und Beweismittelangabe) ist auch bei einer mit Telefax übermittelten Beschwerde geleistet. Ob dann keine Nachfrist anzusetzen und auf das Rechtsmittel nicht einzutreten ist, wenn eine rechtskundige bzw. eine gewerbsmässig vertretene Partei bewusst keine Rechtsmitteleingabe mit handschriftlicher Unterschrift innert der ordentlichen Rechtsmittelfrist einreicht, um beispielsweise das Verfahren zu verzögern, kann offen bleiben, da dieser Fall vorliegend nicht gegeben ist.

(VGE 912/00 vom 24. Oktober 2000).

 

4

Verfahren

 § 39 VRP; keine Nachfristansetzung zur Verbesserung wegen ungenügender Begründung, wenn der Beschwerdeführer bewusst eine ungenügend begründete Beschwerde eingereicht hat; das gilt auch, wenn der Beschwerdeführer ein Laie ist, der jedoch die formellen Anforderungen an eine Beschwerde kannte.

Aus den Erwägungen:

2. b) Nachdem der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift an den Regierungsrat der Begründungspflicht offenkundig nicht nachgekommen ist, stellt sich die Frage, ob ihm gemäss § 39 Abs. 1 VRP hätte Frist angesetzt werden müssen zur Verbesserung oder Ergänzung.

Gemäss ständiger Praxis des Verwaltungsgerichts würde es dem Sinn und Zweck von § 39 VRP widersprechen, auch demjenigen Beschwerdeführer eine Nachfrist zur Verbesserung anzusetzen, der einen entsprechenden Mangel zum Vornherein erkannt hat und diesen sogar erwähnt. Dies wäre eine missbräuchliche Verlängerung der nicht erstreckbaren gesetzlichen Rechtsmittelfristen (VGE 552/96 v. 23.5.1996, Prot. 670; VGE 110/94 v. 23.11.1994, Prot. 1526; VGE 670/93 v. 12.11.1993, Prot. 1356f.; EGV 1989, Nr. 7). Die Bestimmung von § 39 Abs. 1 VRP soll vor allem rechtsunkundige und prozessual unbeholfene Beschwerdeführer vor den Folgen einer mangelhaften Prozessführung bewahren (vgl. Kölz/Bosshart/Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2.A., § 23 Rz. 27 m.H.). In den zitierten Fällen war denn jeweils auch die Einreichung einer mangelhaften Eingabe durch einen Anwalt oder Treuhänder zu beurteilen. Vorliegend geht es demgegenüber um die Einreichung einer mangelhaften Eingabe durch einen Laien. Die Vorinstanz hält diesbezüglich fest, dass der Beschwerdeführer bereits früher als Partei in anderen Verfahren beteiligt war, weshalb ihm der Ablauf eines Beschwerdeverfahrens bekannt war. Zudem sei er bereits in einem früheren Verfahren vom Verwaltungsgericht darauf hingewiesen worden, welchen Anforderungen eine Beschwerde zu genügen habe.

Der Beschwerdeführer war als einer von mehreren Beschwerdeführern im Verfahren 806/97, 807/97 (VGE v. 17.1.1997, Prot. 75) involviert. Soweit ersichtlich entsprach die Rechtsmitteleingabe des Beschwerdeführers in jenem Verfahren den Anforderungen von § 38 VRP. Im Verfahren 636/93 (VGE v. 29.9.1993), auf welches die Vorinstanz in der Vernehmlassung verweist, hat der Beschwerdeführer vor Verwaltungsgericht eine Beschwerde ohne Antrag und hinreichende Begründung eingereicht. Dem Beschwerdeführer wurde unter ausdrücklichem Hinweis auf diese Mängel Nachfrist zur Verbesserung angesetzt, der Beschwerdeführer nahm jedoch die erforderlichen Verbesserungen innert Frist nicht vor und er leistete auch den Kostenvorschuss nicht, weshalb auf die Beschwerde nicht eingetreten wurde. Dem Beschwerdeführer war damit aus dem Verfahren 636/93 bekannt, welchen formellen Anforderungen eine Beschwerde zu genügen hat und dass die Beschwerde einen Antrag und deren Begründung enthalten muss, ansonsten darauf nicht eingetreten wird. Bei dieser Sachlage kann der Beschwerdeführer in Bezug auf das Erfordernis der Beschwerdebegründung nicht als rechtsunkundig qualifiziert werden, zumal in der Rechtsmittelbelehrung des Gemeinderatsbeschlusses klar auf die Begründungspflicht hingewiesen wird. Dem Beschwerdeführer war denn auch offenkundig bewusst, dass seine Beschwerdeschrift in Bezug auf die Begründung ungenügend war, ansonsten hätte er keine Nachfrist zur Einreichung einer Beschwerdebegründung beantragt. Daraus ist zu schliessen, dass der Beschwerdeführer bewusst eine mangelhafte Beschwerdeschrift einreichte, um sich so eine Verlängerung der grundsätzlich nicht erstreckbaren Beschwerdefrist einzuhandeln. Dieses Vorgehen kommt einer Umgehung der für alle Rechtsuchenden gleichermassen gültigen, unerstreckbaren Beschwerdefrist gleich, weshalb es von der Vorinstanz zu Recht als rechtsmissbräuchlich bezeichnet wurde (VGE 110/94 v. 23.11.1994, Prot. 1528f.). Im Übrigen kann es auch nicht angehen, durch den Beizug eines Rechtsanwaltes erst nach Fristablauf die gesetzliche Beschwerdefrist zu erstrecken. Die Beschwerdefrist ist nicht schon bereits dadurch eingehalten, als dass innert der Rechtsmittelfrist ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und unentgeltliche Rechtsverbeiständung eingereicht wird. Genauso wenig ist es gerechtfertigt, auf ein solches Gesuch hin die Frist zur Beschwerdebegründung zu erstrecken, wenn die Beschwerdebegründung bewusst weggelassen wurde.

(VGE 1052/99 v. 16. März 2000).

  

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Verfahren

 – § 37 VRP; Beschwerdebefugnis: Gemeinde, welche für jugendliche Opfer einer Straftat fürsorgepflichtig ist, kann gegen den an die Opfer gerichteten Opferhilfeentscheid kein Rechtsmittel erheben.

Aus den Erwägungen:

1. c) aa) Gemäss § 37 lit. a VRP sind zur Einreichung eines Rechtsmittels die Parteien und beiladungsberechtigten Dritten des vorinstanzlichen Verfahrens, die an der Aufhebung oder Änderung einer Verfügung oder eines Entscheides ein eigenes, unmittelbares und schützenswertes Interesse dartun, befugt. Zudem sind gemäss § 37 lit. b VRP Behörden und andere Organisationen zur Einreichung eines Rechtsmittels befugt, wenn sie dazu durch einen Rechtssatz ermächtigt sind (Behördenbeschwerde).

Vorliegend ist unbestritten, dass weder das Opferhilfe- noch das Sozialhilferecht eine Beschwerdelegitimation der Fürsorgebehörde in Fällen der Opferhilfe vorsehen. Es stellt sich damit die Frage, ob die Gemeinde bzw. deren Fürsorgebehörde, welche zum vorinstanzlichen Verfahren beigeladen wurde, ein eigenes, unmittelbares und schützenswertes Interesse an der Änderung des vorinstanzlichen Entscheides hat.

Die Beschwerdelegitimation nach § 37 lit. a VRP ist gleich wie die analoge Bestimmung von Art. 103 lit. a OG herkömmlicherweise hauptsächlich auf Private zugeschnitten. Nach der Praxis des Bundesgerichts ist jedoch auch ein Gemeinwesen nach Art. 103 lit. a OG zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert, soweit es gleich oder ähnlich wie ein Privater betroffen ist (BGE 124 II 417; 123 II 374 m.H.). Das gilt insbesondere dann, wenn es als materieller Verfügungsadressat in seinen vermögensrechtlichen Interessen betroffen ist (BGE 122 II 33 E. 1b, S. 36; 118 Ib 614 E. 1b, S. 616). Zur Legitimation genügt es nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung aber nicht, dass ein Gemeinwesen durch den angefochtenen Entscheid zu einer spezifisch hoheitlichen Tätigkeit verpflichtet wird, die für es finanzielle Folgen hat; so hat das Bundesgericht einem Kanton die Legitimation abgesprochen zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen ein Urteil eines kantonalen Gerichts, welches ihn zu einer Zahlung aufgrund des Opferhilfegesetzes verpflichtete (BGE 123 II 425 E. 4; 124 II 417). Das geltend gemachte finanzielle Interesse muss konkreter Natur sein und direkt aus dem angefochtenen Akt folgen. In diesem Sinne muss der Satz verstanden werden, dass allgemeine – irgendwie geartete – finanzielle Interessen nicht genügen (Kölz/Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2.A., Rz. 567 m.H.).

bb) Vorliegend verhält es sich so, dass die Gemeinde nicht durch den angefochtenen Beschluss zu finanziellen Leistungen in Bezug auf die Pflege und den Unterhalt der Opfer verpflichtet wird. Die Leistungspflicht der Gemeinde ergibt sich auch nicht aus dem OHG, sondern aus dem Sozialhilfegesetz. Der angefochtene Beschluss hat lediglich eine indirekte Wirkung auf die finanziellen Interessen der Gemeinde, als dass durch die Kosten der Opferhilfe die Sozialhilfeleistungen der Gemeinde reduziert werden können. Als nicht anspruchsberechtigtes Opfer ist die Gemeinde durch den Beschluss jedoch nicht unmittelbar betroffen. Sie ist auch nicht «materieller Verfügungsadressat» im Sinne der obzitierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Materielle Adressaten sind diejenigen, deren Rechte und Pflichten in der Verfügung geregelt werden (Kölz/Bosshart/Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2.A., § 21 Rz. 31); in der angefochtenen Verfügung werden einzig und allein die Rechte und Ansprüche der Opfer geregelt; dass die Gemeinde allenfalls Vorleistungen erbracht hat und dadurch (aber immer via Anspruchsberechtigung der Opfer) diese Vorleistungen von der Opferhilfe zurückerhält ist dabei ohne Belang. Ebenfalls ohne Belang für die Parteistellung ist der Umstand, dass der angefochtene Regierungsratsbeschluss auch der Fürsorgebehörde zugestellt wurde.

Die Stellung der Gemeinde im vorliegenden Verfahren ist zu vergleichen mit der Stellung einer fürsorgeleistenden Gemeinde im Sozialversicherungsprozess, wo es darum geht, ob ein Fürsorgebezüger Anspruch auf Versicherungsleistungen hat (und dadurch die Gemeinde von der Fürsorgeleistungspflicht entlastet wird). Diesbezüglich hat das Eidg. Versicherungsgericht in einer arbeitslosenrechtlichen Streitsache, wo es um die Vermittlungsfähigkeit eines Fürsorgebezügers ging, entschieden, dass die Legitimation der Gemeinde bzw. der kommunalen Fürsorgebehörde nicht gegeben sei. Auch wenn die Gemeinde Fürsorgeleistungen an den Versicherten erbringe, habe sie kein genügendes, schutzwürdiges, direktes und konkretes Interesse an der Aufhebung des Entscheides der Arbeitslosenversicherung: Die Gemeinde selber habe keinen eigenen Anspruch auf die streitigen Arbeitslosenversicherungsleistungen (Entscheid zitiert in BGE 123 V 116).

Auch wenn vorliegend nicht zu verkennen ist, dass der Gemeinde durch die Fremdplatzierung der Opfer enorme Kosten erwachsen, ist der obzitierten Rechtsprechung des EVG im vorliegenden Fall zu folgen und ein Berührtsein in den eigenen schutzwürdigen Interessen ist zu verneinen. Wie bereits erwähnt, ergibt sich die finanzielle Verpflichtung der Gemeinde nicht aus dem angefochtenen Beschluss, sondern aus dem Sozialhilferecht. Die sich aus dem Sozialhilferecht ergebende Unterhaltspflicht der Gemeinde ist nicht Gegenstand des angefochtenen Beschlusses, und diese Pflicht ist im Übrigen unabhängig von einer allfälligen Opferstellung des Unterhaltsberechtigten/Sozialhilfeempfängers. Die Opferstellung eines Sozialhilfeempfängers und allfällige Leistungen der Opferhilfe können zwar Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen der Gemeinde (Fürsorgebehörde) und dem Sozialhilfeempfänger haben, dieses Verhältnis ist jedoch nicht Gegenstand des Opferhilfeverfahrens und des angefochtenen Beschlusses.

cc) Die Legitimation der Gemeinde kann vorliegend auch nicht durch ein Betroffensein in ihrem hoheitlichen bzw. autonomen Bereich begründet werden. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist ein Gemeinwesen auch als Nichtadressat zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert, wenn es in seinen hoheitlichen Befugnissen berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheides hat (vgl. BGE 124 II 418 m.H., 119 Ib 391). Den Gemeinden kommt im Bereich der Opferhilfe keine hoheitliche Befugnis zu. Die Opferhilfe ist Sache des Kantons. Der angefochtene Entscheid, der lediglich die Opferhilfe an die sechs Kinder regelt, greift diesbezüglich nicht in hoheitliche Befugnisse der Gemeinde ein. Auch wenn man davon ausgeht, dass die angefochtene Verfügung das Gemeinwesen insofern betrifft, als dass es für die Fürsorge der minderjährigen Opfer zuständig ist, ist es durch den Entscheid nicht in seinem Autonomiebereich betroffen. Für die Fürsorge für Kinder und Jugendliche ist die Gemeinde vom kantonalen Recht her zuständig, und es verbleibt ihr in Bezug auf diese Pflicht kein autonomer Handlungsraum (vgl. §§ 11 und 16 ShG), der durch den angefochtenen Entscheid eingeschränkt würde.

(...)

d) Die Gefahr, dass Fürsorgebezüger sich zu wenig um Ansprüche gegenüber Dritten bemühen, ist nicht von der Hand zu weisen. In der Verordnung zum Sozialhilfegesetz ist deshalb in § 8 vorgesehen (ShV, SRSZ 380.111), dass sich die Gemeinde Ansprüche gegenüber Dritten von den Fürsorgebezügern abtreten lässt. Damit wird jedoch – falls in casu überhaupt eine solche Abtretung vorgenommen wurde – keine Beschwerdebefugnis für das Opferhilfeverfahren begründet. Auch tritt damit kein Parteiwechsel ein.

Eine wichtige Interventionsmöglichkeit besteht für die Gemeinde darin, dass sie im Einverständnis mit dem Fürsorgebezüger diesen vertritt oder für ihn eine professionelle Vertretung besorgt und finanziert. An einem allfälligen Prozesserfolg kann sie dann aufgrund des Abtretungsanspruches partizipieren. Von dieser Möglichkeit wurde vorliegend jedoch kein Gebrauch gemacht.

(VGE 1006/00 vom 24. August 2000; der Entscheid wurde vom Bundesgericht mit Urteil 1A. 256/2000 vom 27. Februar 2001 bestätigt).

 

6

Verfahren

 Beschwerdebefugnis; Submission: Paritätische Berufskommission ist nicht beschwerdebefugt.

Aus den Erwägungen:

1. Vor Erlass einer Verfügung oder eines Entscheides prüft die Behörde von Amtes wegen, ob die Voraussetzungen für eine Sachverfügung oder einen Sachentscheid erfüllt sind. Sie prüft u.a. die Zuständigkeit und die Rechtsmittelbefugnis (§ 27 VRP, SRSZ 234.110).

2. Verfügungen, die der Regierungsrat oder die mit einem Leistungsauftrag nach der Verordnung über die wirkungsorientierte Verwaltung (WOV; SRSZ 143.112) ausgestatteten und vom Regierungsrat ermächtigten Verwaltungsstellen treffen, können durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Verwaltungsgericht angefochten werden (§ 22 Abs. 3 SubmV i.F.v. 17.3.1999, SRSZ 430.110). Die Abteilung Strassenwesen des kantonalen Tiefbauamtes hat die Arbeitsvergabe als ermächtigte Verwaltungsstelle vorgenommen (RRB 443/2000 v. 28.3.2000, S. 2), sodass die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts als Beschwerdeinstanz gegeben ist.

3. a) Zur Einreichung eines Rechtsmittels sind befugt: a) Parteien und beiladungsberechtigte Dritte des vorinstanzlichen Verfahrens, die an der Aufhebung oder Änderung einer Verfügung oder eines Entscheides ein eigenes, unmittelbares und schützenswertes Interesse dartun, und b) Behörden und andere Organisationen, wenn sie dazu durch einen Rechtssatz ermächtigt sind (§ 37 VRP, SRSZ 234.110).

b) Die Beschwerdeführerin sieht ihre Rechtsmittelbefugnis in der ihr gemäss Landesmantelvertrag für das Bauhauptgewerbe zugewiesenen Kontrollfunktion bezüglich Einhaltung des Gesamtarbeitsvertrages begründet. Sie weist darauf hin, dass ein als juristische Person konstituierter Verband die Interessen einer Mehrheit oder einer Grosszahl seiner Mitglieder vertreten könne, soweit deren Wahrung zu den statutarischen Aufgaben gehöre. Die Paritätische Berufskommission des Kantons Schwyz sei eine als Verein konstituierte regionale Aufsichtsbehörde, welche die Durchführung des Landesmantelvertrages (LMV) im Baugewerbe überwache. Ihr Auftrag sei die Durchsetzung der arbeitsvertraglichen Bestimmungen des LMV im Auftrage der LMV-Vertragsparteien.

Zu erwähnen ist, dass die sogenannte «egoistische» Verbandsbeschwerde neben den bereits erwähnten Kriterien (Wahrung der statutarischen Aufgabe; Interessenwahrung einer Mehrheit oder zumindest einer grossen Anzahl von Mitgliedern) voraussetzt, dass die betroffenen Mitglieder selbst zur Beschwerde legitimiert sind (VGE 870/99 v. 23.12.1999, Erw. 1d, Prot. S. 1421f.).

c) Angebote sind nicht zu berücksichtigen, wenn sie die gesetzlichen oder gesamtarbeitsvertraglichen Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzes nicht erfüllen (§ 18 SubmV). Nichtmitberücksichtigte Mitbewerber können u.a. mit der Rüge, gesamtarbeitsvertragliche Bestimmungen würden nicht erfüllt, eine Arbeitsvergabe anfechten. Gemäss konstanter Rechtsprechung ist im Submissionsverfahren die Beschwerdebefugnis aber nur zu bejahen, wenn und soweit bei Beschwerdegutheissung die Stellung der Beschwerdeführer unmittelbar beeinflusst wird (EGV-SZ 1996, S. 9). Daraus ergibt sich zunächst, dass die Zahl der beschwerdebefugten Mitkonkurrenten nicht zwingend mit der Zahl der Offertsteller identisch sein muss, sie wird unter Umständen erheblich tiefer liegen. Unbesehen davon wird zudem in den allermeisten Fällen (wenn nicht sogar in allen Fällen) weder eine Mehrheit noch eine grosse Anzahl der Mitglieder der Paritätischen Berufskommission (...) in einer konkreten Submissionssache zur Beschwerde befugt sein, zumal die unmittelbare Mitgliedschaft auf Seiten der Arbeitgeber nur der Sektion Schwyz des Schweizerischen Baumeisterverbandes (50 Mitglieder bzw. Adressen) und dem Baumeisterverband Etzel und Linth (43 Mitglieder bzw. Adressen) zukommt (Art. 3 der Statuten). Zieht man die Doppelmitgliedschaften sowie die Zweigniederlassungen ab, so haben die beiden Arbeitgebermitgliederverbände insgesamt mehr als 70 Mitglieder.

d) Im vorliegenden Fall haben 10 Firmen offeriert, wovon sieben einem oder beiden Arbeitgebermitgliederverbänden angehören. Die Voraussetzung für eine «egoistische» Verbandsbeschwerde ist somit offensichtlich nicht gegeben (vgl. auch BVR 2000, S. 117). Dies trifft erst recht zu, wenn man berücksichtigt, dass die zweitrangierte Offertstellerin um 7.36% höher als die Beschwerdegegnerin offerierte, gefolgt von drei weiteren Mitkonkurrentinnen mit einer um 14.11% bis 14.68% höheren Offertsumme. Vorausgesetzt, dass die zweitrangierte Firma zu Recht im Wettbewerb verblieb, könnte wohl nur sie bei einer Beschwerdegutheissung ihre Stellung unmittelbar beeinflussen (d.h. den Zuschlag erhalten), da die ihr nachfolgenden Mitkonkurrentinnen im Verhältnis zu ihrem Offertpreis kein annähernd gleich günstiges Angebot eingereicht haben (Toleranzwert 4%; vgl. auch EGV-SZ 1998, S. 54f.), und sich in den Akten auch keine Hinweise finden, dass die fraglichen Offerten qualitativ nicht gleichwertig wären (vgl. hiezu EGV-SZ 1998, S. 54). Die Beschwerdebefugnis ist deshalb zu verneinen.

e) Zu Unrecht behauptet die Beschwerdeführerin im Übrigen, sie sei durch einen Rechtssatz zur Beschwerdeführung ermächtigt (ideelle Verbandsbeschwerde). Ein solcher Rechtssatz findet sich weder im kantonalen Recht (inkl. Konkordatsrecht; betr. Verhältnis kant. SubmV/IVöB, siehe EGV-SZ 1999, Nr. 17 Erw. 5g = Zwischenbescheid 1004/1005/99 v. 23.4.1999), noch im Bundesrecht. Für die kantonale Submissionsverordnung gilt hinsichtlich der Rechtsmittelbefugnis uneingeschränkt die kantonale Verwaltungsrechtspflegeverordnung (VRP). Dass keine Rechtssatzermächtigung vorliegt, ergibt sich indirekt zudem aus § 20 SubmV, wonach «sämtlichen Bewerbern» der Vergabebeschluss zu eröffnen ist, mithin also nicht zusätzlich irgendwelchen Nichtbewerbern. Schliesslich stellt der Landesmantelvertrag für das Bauhauptgewerbe keinen Rechtssatz im Sinne von § 37 VRP dar (BVR 2000, 117). Abgesehen davon wäre in Art. 76 LMV auch keine lex specialis für ein ideelles Beschwerderecht für das kantonale Submissionsverfahren zu erblicken. Gleiches gilt für den Zweckartikel der Beschwerdeführerin, welcher u.a. die «Beratung und Durchführung von Massnahmen im Zusammenhang mit dem Submissionswesen, die im gemeinsamen Interesse der Vertragspartner stehen und der Schaffung von günstigen Rahmenbedingungen für einen fairen Wettbewerb dienen» vorsieht.

f) Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass die Beschwerdeführerin nicht Offertstellerin ist und mithin ein schutzwürdiges Anfechtungsinteresse unter diesem Aspekt zum Vornherein ausser Betracht fällt.

g) Ob allenfalls aufsichtsrechtlich einzuschreiten wäre, ist Sache des Regierungsrates, welcher im Rahmen des Nichteintretensentscheides von der vorliegenden Angelegenheit bereits Kenntnis genommen hat.

(VGE 1016/00 vom 26. Mai 2000).

 

7

Verfahren

 Schadenersatzklage gegen Schwyzer Kantonalbank: Nichteintreten mangels Zuständigkeit.

Aus den Erwägungen:

2. Gemäss § 67 Abs. 1 Bst. c VRP beurteilt das Verwaltungsgericht als einzige Instanz Streitigkeiten über öffentlichrechtliche Entschädigungsansprüche gegenüber Gemeinwesen, andern Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, sofern eine Entschädigungspflicht durch Rechtssatz vorgeschrieben ist. Bei der Schwyzer Kantonalbank handelt es sich gemäss § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Schwyzer Kantonalbank (SKBG, SRSZ 321.100) um eine selbständige Anstalt des kantonalen öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit und somit um eine juristische Person des öffentlichen Rechts im Sinne von Art. 52 Abs. 2 ZGB, welche selber Trägerin von Rechten und Pflichten ist. Bei der in § 5 SKBG enthaltenen Staatsgarantie handelt es sich lediglich um eine subsidiäre Staatshaftung.

Dem Gesetz über die Haftung des Gemeinwesens und die Verantwortlichkeit seiner Funktionäre (Staatshaftungsgesetz, StHG, SRSZ 140.100) sind Kanton, Bezirke, Gemeinden und andere juristische Personen des kantonalen öffentlichen Rechts, sodann als Funktionäre die Behördenmitglieder, Beamten, aber auch Angestellte in einem zivilrechtlichen Verhältnis zum Gemeinwesen und mit öffentlichen Aufgaben betraute Privatpersonen unterstellt (vgl. § 1 StHG). Gemäss § 3 StHG haftet das Gemeinwesen für den Schaden, den ein Funktionär in Ausübung hoheitlicher Verrichtungen einem Dritten widerrechtlich zufügt. Ein direkter Anspruch des Geschädigten gegenüber dem Funktionär ist jedoch gemäss § 6 StHG ausgeschlossen. Es handelt sich demnach um eine primäre und ausschliessliche Kausalhaftung des Staates (vgl. Gross, Schweizerisches Staatshaftungsrecht, Bern 1995; VGE 1011/98 vom 30. November 1998, Erw. 2c, Prot. S. 1274 und VGE 713/94 vom 22. Dezember 1995, Erw. 3c, Prot. S. 1538f.).

3. Im kantonalen Gesetz über die Schwyzer Kantonalbank wird die Frage der Haftung in § 14 SKBG geregelt. Nach § 14 Abs. 1 SKBG richtet sich die zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Bank nach Art. 55 Abs. 2 ZGB und nach dem Obligationenrecht. Dies beruht darauf, dass vor allem dort, wo eine öffentlichrechtliche Anstalt ähnliche Leistungen wie private Unternehmungen erbringt, das Benützungsverhältnis privatrechtlich geregelt ist (vgl. Häfelin/ Müller, Grundriss des allgemeinen Verwaltungsrechts, Zürich 1998, S. 275, Rz. 1057f.). Die von der Schwyzer Kantonalbank angebotenen Dienstleistungen entsprechen ohne jeden Zweifel denjenigen einer beliebigen privaten Bank.

Gemäss § 14 Abs. 2 SKBG haften die Mitglieder des Bankrates der Bank und der Kanton für den Schaden, den sie durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten verursachen. Ansprüche aus dieser Haftung werden vom Kantonsrat nach Massgabe der §§ 13 bis 15 des Staatshaftungsgesetzes (StHG) geltend gemacht. Solche Ansprüche fallen im konkreten Fall ausser Betracht, da die vom Kläger geltend gemachte Sorgfaltspflichtverletzung nicht durch ein Mitglied des Bankrates verursacht worden ist.

Schliesslich gilt nach § 14 Abs. 3 SKBG für die Haftung des Personals gegenüber der Bank und dem Kanton Art. 321e des Obligationenrechts.

4. Im konkreten Fall basieren die vom Kläger vorgebrachten Ansprüche sinngemäss auf der am ... vorgenommenen Überweisung von Fr. ... vom Konto des Verstorbenen bzw. der Erbengemeinschaft auf das betreffende Konto der Mutter des Klägers. Dabei handelt es sich klarerweise um eine nach dem Privatrecht zu beurteilende Beziehung zwischen den Beteiligten. Wie die Beklagte in ihrer Klageantwort (S. 2) zutreffend darlegt, ist in diesem Zusammenhang kein öffentlichrechtlicher Entschädigungsanspruch gegenüber der Beklagten ersichtlich. Die erwähnte Geldüberweisung erfolgte nicht in Ausübung einer hoheitlichen Verrichtung (im Sinne von § 3 StHG). Eine hoheitliche (und damit amtliche) Verrichtung wird grundsätzlich dann angenommen, wenn das Gemeinwesen, allenfalls auch in Konkurrenz mit Privaten, wesensmässig öffentliche Aufgaben erfüllt und das Rechtsverhältnis zum Privaten ganz oder teilweise öffentlichrechtlich eingebunden und durchnormiert ist (vgl. Gross, a.a.O., S. 104f. mit Hinweisen). Der Kläger übersieht, dass die betreffende Geldüberweisung keine hoheitliche Verrichtung darstellt, sondern privatrechtlichen bzw. gewerblichen Charakter aufweist.

Ob allenfalls ein zivilrechtlicher Forderungsanspruch bestünde, kann nicht in diesem Verfahren geprüft werden, sondern wäre gegebenenfalls auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen (vgl. § 2 der kantonalen Vollzugsverordnung zum OR, SRSZ 217.110).

Zusammenfassend ist auf die vorliegende Klage mangels Zuständigkeit nicht einzutreten.

(VGE 801/00 vom 14. April 2000).

  

8

Verfahren

 Nichteintreten auf Stimmrechtsbeschwerde gegen Erschliessungsplan, da zunächst Einsprache- und Beschwerdeverfahren nach den §§ 25 ff. PBG durchzuführen sind.

Aus den Erwägungen:

2. Anfechtungsobjekt der beiden Beschwerden ist der Erschliessungsplan des Bezirkes (...). Als Rechtsmittel gegen den Erschliessungsplan fallen einerseits die Einsprache gegen den Planerlass bzw. anschliessend an den Einspracheentscheid die Beschwerde gegen den Planerlass (vgl. hiezu die Ausführungen in Erwägung 3a), anderseits die Stimmrechtsbeschwerde (vgl. hiezu Erwägung 3c) in Betracht. Die Beschwerdeführer kündigen an, dass sie gegen den Erschliessungsplan auch beim Bezirksrat (...) Einsprache gemäss § 25ff. des Planungs- und Baugesetzes (PBG, nGS 493) erheben werden. Sie stellen den Verfahrensantrag, die Stimmrechtsbeschwerde sei bis zum Vorliegen des Einspracheentscheides des Bezirksrates zu sistieren und es sei ihnen Gelegenheit zu geben, ihre Beschwerde noch einlässlich zu begründen.

Die Verfahrensleitung ist Sache des Gerichtspräsidenten bzw. des instruierenden Einzelrichters. Dem Sistierungsbegehren ist nicht stattzugeben. Dies einmal deshalb, weil für eine rasche Erledigung der hängigen Geschäfte zu sorgen ist (§ 77 Abs. 2 Gerichtsordnung, SRSZ 231.110, in Verbindung mit § 4 Abs. 2 der Verordnung über die Verwaltungsrechtspflege, VRP), weshalb in der Anordnung von Verfahrenssistierungen Zurückhaltung zu üben ist. Gegen eine Sistierung spricht auch, dass mit einer Sistierung bis zur Einsprachebehandlung durch den Bezirksrat unter Umständen nichts gewonnen wäre, sofern diese Erschliessungsplanungseinsprachen auf dem Beschwerdeweg weitergezogen würden. Somit ist bereits jetzt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine sehr lange Verfahrensdauer abzusehen, sofern dem Sistierungsantrag stattgegeben würde. Im Weiteren geht es bei der Frage des Verhältnisses zwischen der Erschliessungsplanungseinsprache und der Stimmrechtsbeschwerde bzw. bei der Frage, wann frühestens eine Stimmrechtsbeschwerde zulässig ist, um eine interessante ungeklärte Rechtsfrage, welche unter Umständen auf lange Zeit offen bleiben müsste, wenn dem Sistierungsantrag stattgegeben würde. Letztlich ist auch noch zu beachten, dass sich der Bezirksrat in der Vernehmlassung gegen die Verfahrenssistierung ausspricht.

3. a) Der Gemeinderat (bzw. im Falle des Eingemeindebezirkes ... der Bezirksrat) informiert die Öffentlichkeit über die Zielsetzungen seiner Planungen und nimmt dazu Einwendungen und Vorschläge entgegen. Nach Prüfung dieser Eingaben arbeitet er den Entwurf für Zonen- und Erschliessungspläne sowie für die zugehörigen Vorschriften aus und unterbreitet sie dem zuständigen Departement (§ 25 Abs. 1 Planungs- und Baugesetz, PBG, SRSZ 400.100). Hernach wird der Entwurf unter Bekanntgabe im Amtsblatt und in den örtlichen Publikationsorganen während 30 Tagen öffentlich aufgelegt (§ 25 Abs. 2 PBG). Jedermann kann während der Auflagefrist beim Gemeinderat gegen den Entwurf schriftlich Einsprache erheben (Populareinsprache, § 25 Abs. 3 Satz 1 PBG).

Der Gemeinderat entscheidet über die Einsprachen. Gegen einen Einspracheentscheid können gemäss § 26 Abs. 2 PBG Personen, die durch diesen berührt sind und an seiner Aufhebung oder Änderung ein schutzwürdiges Interesse haben sowie die in § 11 Abs. 4 PBG erwähnten Organisationen Beschwerde gemäss der Verordnung über die Verwaltungsrechtspflege (VRP) beim Regierungsrat und gegen dessen Entscheid beim Verwaltungsgericht führen.

Nach der rechtskräftigen Erledigung der Einsprachen legt der Gemeinderat den Entwurf der Gemeindeversammlung zur Beschlussfassung vor. Er kann jene Gebiete, die nach Abschluss des Einspracheverfahrens unbestritten geblieben sind, der Gemeindeversammlung vorzeitig zur Beschlussfassung vorlegen, sofern dies planerisch sinnvoll ist (§ 27 Abs. 1 PBG). An der Gemeindeversammlung sind Abänderungsanträge zu Zonen- und Erschliessungsplänen sowie den zugehörigen Vorschriften unzulässig (§ 27 Abs. 2 PBG).

Gegen Beschlüsse der Gemeindeversammlung kann innert zehn Tagen seit dem Versammlungs- oder Abstimmungstag Beschwerde beim Verwaltungsgericht wegen Verletzung des Stimmrechts oder wegen Unregelmässigkeiten bei der Vorbereitung oder Durchführung der Abstimmung erhoben werden (§ 27 Abs. 3 PBG).

b) Der Erschliessungsplan legt die Groberschliessung der Bauzonen gesamthaft oder für Teile davon fest. Er bezeichnet dafür die Etappen, das Ausbauprogramm und die Kosten für die einzelnen Etappen (§ 23 Abs. 1 PBG). Nach Bedarf enthält er unter anderem die Linienführung von Groberschliessungsstrassen (§ 23 Abs. 2 Bst. b PBG). Sollen gleichzeitig mit der Genehmigung des Erschliessungsplanes die Ausgaben einzelner Etappen als bewilligt gelten, so sind diese Etappen zu bezeichnen und die dafür notwendigen Ausgaben anzugeben (§ 23 Abs. 2 PBG). Die Gemeinden sind für die Groberschliessung der Bauzonen verantwortlich. Sie bezeichnen die Anlagen der Groberschliessung in den Erschliessungsplänen (§ 38 Abs. 1 PBG). Die Groberschliessungsstrassen werden finanziert einerseits durch Beiträge von Grundeigentümern, denen durch die Erstellung oder den Ausbau ein wirtschaftlicher Sondervorteil erwächst sowie anderseits durch die Gemeinde, wobei sich die Gemeinde in dem Mass an den Kosten beteiligt, als die Anlagen dem Gemeingebrauch dienen. Der Kostenanteil der Gemeinde bemisst sich nach der Bedeutung der Verkehrsanlage für die Allgemeinheit und beträgt mindestens 10 Prozent, höchstens jedoch 70 Prozent der Kosten. Der Kostenanteil der Gemeinde wird entweder im Erschliessungsplan festgelegt, oder es wird in einem Reglement bestimmt, wie sich der Kostenanteil der Gemeinde bemisst (vgl. § 44 PBG in Verbindung mit § 4 Abs. 2 der Verordnung über Grundeigentümerbeiträge an Verkehrsanlagen, SRSZ 400.220). Gemäss den Übergangsbestimmungen zur PBG-Änderung vom 8. Mai 1996 hatten die Gemeinden den Entwurf eines Erschliessungsplanes innert drei Jahren seit Inkrafttreten der Änderung vom 8. Mai 1996 (Inkraftsetzung erfolgte auf den 1. Januar 1997) öffentlich aufzulegen. Mithin hatte die öffentliche Auflage bis spätestens Ende 1999 zu erfolgen. Die vorliegende Auflage erfolgte somit mit leichtem Verzug.

c) Gemäss § 53a des Gesetzes über Wahlen und Abstimmungen (WAG, SRSZ 120.100) kann, wer ein schützenswertes Interesse nachweist, beim Verwaltungsgericht anfechten:
  a) Verletzungen des Stimmrechtes durch Organe der Bezirke, Gemeinden und Zweckverbände,
  b) Unregelmässigkeiten bei der Vorbereitung oder Durchführung von Volkswahlen in den Bezirken und Gemeinden und von Sachabstimmungen des Volkes.

Die Beschwerdefrist beträgt zehn Tage. Sie wird eröffnet mit der Zustellung der Verfügung, wenn eine solche Anfechtungsgegenstand ist, sonst mit der Entdeckung des Beschwerdegrundes, spätestens aber mit dem Versammlungs-, Wahl- oder Abstimmungstag.

4. In der Beschwerdebegründung wird ausgeführt, die aufgelegte Erschliessungsplanung sehe unter anderem vor, dass die (...)strasse zu einer Durchgangsstrasse werden solle. Damit handle es sich bei dieser Strasse nicht mehr um eine Groberschliessungsstrasse, sondern um eine Basiserschliessung, deren Kosten vollumfänglich von der öffentlichen Hand zu tragen seien, worüber separat abgestimmt und vom Stimmbürger ein entsprechender Baukredit gesprochen werden müsse. In Anbetracht der Bedeutung und der Kosten dieser Strasse, die nicht den Anstössern überbunden werden dürften, könne darüber nicht mehr via Erschliessungsplan entschieden werden. Mit der Verbindung und Vermischung Basiserschliessung/Groberschliessung verstosse die aufgelegte Erschliessungsplanung gegen den Grundsatz der Einheit der Materie.

5. Vorab ist vorliegend zu prüfen, ob die Rüge, die als Durchgangsstrasse geplante (...)strasse sei nicht eine Groberschliessungsanlage, sondern gehöre dem übergeordneten Strassennetz an, im gegenwärtigen Zeitpunkt als Stimmrechtsbeschwerde beim Verwaltungsgericht anhängig gemacht werden kann. Zu klären ist dabei:
  a) einerseits das Verhältnis zwischen der Erschliessungsplaneinsprache bzw. -beschwerde (vgl. E. 3a vorstehend) und der Stimmrechtsbeschwerde;
  b) anderseits der Begriff der Vorbereitungshandlung zu einer Sachabstimmung.

5.1 Die Stimmrechtsbeschwerde ans Verwaltungsgericht ist ein Rechtsmittel, welches generell zur Verfügung steht im Zusammenhang mit allen Wahlen und Sachabstimmungen in den Bezirken und Gemeinden. Bei den meisten Geschäften, über welche die Gemeindeversammlung abzustimmen hat (Erlass von Rechtssätzen, Wahlgeschäfte, Voranschlag und Rechnung, Erteilung des Bürgerrechts, Finanzkreditgeschäfte usw.) konkurriert die Stimmrechtsbeschwerde mit keinem andern Rechtsmittel bzw. ist die Stimmrechtsbeschwerde die einzige Anfechtungsmöglichkeit, welche dem Bürger gegenüber einem Gemeindeversammlungsbeschluss zur Verfügung steht. Beim Erlass des kommunalen Zonenplanes (mit Baureglement) und des Erschliessungsplanes (mit allenfalls dazugehörenden Rechtssätzen) kommt nun die Möglichkeit der Erschliessungsplaneinsprache bzw. -beschwerde als zweite Anfechtungsmöglichkeit dazu. Die Stimmrechtsbeschwerde ist dabei allgemeines Rechtsmittel (lex generalis), die Erschliessungsplaneinsprache/-beschwerde besonderes Rechtsmittel (lex specialis). Nach einer allgemeingültigen Regel gehen aber die besonderen Rechtsmittel den allgemeinen vor (vgl. Hiller, Die Stimmrechtsbeschwerde, S. 216, Ziff. 2).

5.2 Zum gleichen Ergebnis gelangt man bei einer näheren Betrachtung der §§ 25ff. PBG. § 25 PBG regelt das Erschliessungsplaneinspracheverfahren. Daran schliesst sich das Erschliessungsplanbeschwerdeverfahren an, welches in § 26 PBG geregelt ist. § 27 PBG schliesslich beantwortet die Fragen, wie verfahrensmässig vorzugehen ist, nachdem die Erschliessungsplaneinsprache- und -beschwerdeverfahren rechtskräftig erledigt sind. Erst nach Abschluss des Individualrechtsschutzes (geregelt in den §§ 25 und 26 PBG) folgt das politische Entscheidungsverfahren mit der Behandlung der Erschliessungsplanvorlage an der beratenden Gemeindeversammlung und an der beschliessenden Gemeindeversammlung (bzw. an der Urne). Erst in diesem Kontext wird in § 27 Abs. 3 PBG die Stimmrechtsbeschwerde erwähnt, wobei diese materiell gleich geregelt ist wie in § 54a WAG. Diese systematische Einordnung der Stimmrechtsbeschwerde innerhalb des PBG führt ebenfalls zum klaren Schluss, dass diese erst nach der rechtskräftigen Erledigung der Einsprachen bzw. Beschwerden gemäss den §§ 25 und 26 PBG ergriffen werden kann.

5.3 Der Begriff Vorbereitung einer Sachabstimmung ist unbestimmt. Der Natur der Sache entsprechend lässt sich nicht abschliessend auflisten, was zur Vorbereitung einer Sachabstimmung gehört, zumal solchen Vorbereitungshandlungen nicht hoheitlicher Charakter zukommen muss (Auer, droits politiques, S. 77, do. juridiction Nr. 431; Hiller, a.a.O., S. 190 oben). Es ist deshalb im Einzelfall zu prüfen, ob ein gerügter Sachverhalt als Vorbereitung einer Wahl oder Sachabstimmung angesprochen werden kann.

Man kann gerade am Beispiel des Erlasses von kommunalen Nutzungsplänen (Zonenplänen und Erschliessungsplänen) nach den §§ 25ff. PBG klar zwei Phasen voneinander unterscheiden. Phase 1 dient dem individuellen Rechtsschutz. In dieser Phase (geregelt in den §§ 25 und 26 PBG) wird der Zonenplan bzw. der Erschliessungsplan entworfen, abgeändert und umgestaltet. Ist diese Phase abgeschlossen, gelangt der Erschliessungsplan in die Phase 2, in die politische Entscheidungsphase. Erst nach Beginn der Phase 2 können Vorbereitungshandlungen zur Durchführung der Abstimmung erfolgen, und erst in dieser Phase, welche abgeschlossen wird mit dem Gemeindeversammlungsbeschluss (im Versammlungssystem oder an der Urne) können dementsprechend Stimmrechtsbeschwerden erhoben werden.

Auch wenn man einen Blick wirft auf Stimmrechtsbeschwerden, welche Vorbereitungshandlungen zum Gegenstand hatten, zeigt es sich, dass es immer um Handlungen ging, die in der Phase des Abstimmungs- oder Wahlkampfes erfolgten (beispielhaft sei verwiesen auf: BGE 112 Ia 333ff. Veröffentlichung einer Informationsseite über Abstimmungsvorlagen in zwei Zeitungen durch den Regierungsrat Uri; 106 Ia 198 die amtliche Botschaft zu einer Abstimmungsvorlage verletze die Stimmfreiheit; zahlreiche weitere Beispiele bei Hiller, a.a.O., S. 325ff.; vgl. auch VGE 631/96 v. 22.11.96, Prot. 1258, behördliche Pressemitteilungen vor Sachabstimmungen; VGE 824/97 v. 26.5.97, Prot. 486, Formulierung der Abstimmungsfrage auf dem Stimmzettel, Ausgewogenheit der Abstimmungsbotschaft).

5.4 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Erschliessungsplaneinsprache bzw. Erschliessungsplanbeschwerde gemäss den §§ 25 und 26 PBG der Stimmrechtsbeschwerde vorgeht und dass mindestens bis zur rechtskräftigen Erledigung der Erschliessungsplaneinsprachen und Erschliessungsplanbeschwerden keine Vorbereitungshandlungen im Hinblick auf die Durchführung der Sachabstimmung des Volkes getroffen werden. Somit ist auf die vorliegenden Stimmrechtsbeschwerden nicht einzutreten. Nicht zu entscheiden ist vorliegend die Frage, ob bzw. wieweit Einwendungen gegen einen Erschliessungsplan, welche im Einsprache- und Beschwerdeverfahren nach den §§ 25 und 26 PBG entschieden worden sind, mit Stimmrechtsbeschwerde nochmals vorgebracht werden können und auf eine Rüge, die erstmals im Rahmen einer Stimmrechtsbeschwerde erhoben wird, entgegengehalten werden kann, sie sei verspätet, weil sie bereits im Einspracheverfahren nach § 25 PBG hätte vorgebracht werden müssen.

(VGE 812+813/00 vom 16. März 2000).

 

9

Verfahren

 Dem Verwaltungsgericht steht es nicht zu, die Frage zu prüfen, ob der Regierungsrat eine Aufsichtsbeschwerde zu Recht oder zu Unrecht entgegengenommen hat. Hingegen können aufsichtsrechtliche Anordnungen Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens bilden.

Aus den Erwägungen:

1. a) Vor Erlass eines Entscheides prüft das Gericht von Amtes wegen, ob die Voraussetzungen für einen Sachentscheid erfüllt sind. Es prüft u.a. insbesondere die Zuständigkeit und die Zulässigkeit des Rechtsmittels (vgl. § 27 Abs. 1 lit. a und lit. e VRP). Ist eine dieser Voraussetzungen nicht gegeben, trifft das Gericht einen Nichteintretensentscheid (vgl. § 27 Abs. 2 VRP).

b) Aufsichtsrechtliches Handeln des Regierungsrates kann nur Gegenstand eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sein, sofern der Regierungsrat eine Anordnung trifft, die unmittelbare Aussenwirkung zeitigt, und soweit das Verwaltungsgericht in der betreffenden Materie überhaupt zuständig ist. Dies deshalb, weil dem Verwaltungsgericht keine Aufsicht über den Regierungsrat zukommt. Der individuelle Rechtsschutz der natürlichen und juristischen Personen muss indes dann gewährleistet sein, wenn im Rahmen aufsichtsrechtlichen Handelns vom Regierungsrat eine Anordnung getroffen wird, die die Person unmittelbar im Sinne des Verfügungsbegriffes (§ 6 VRP) bindet und im Sinne der Beschwerdebefugnis tangiert (§ 37 lit. a VRP; vgl. VGE 922/98 v. 29. Jan. 1999, Erw. 1 mit Hinweisen u.a. auf VGE 591/96 v. 25. Okt. 1996, Erw. 1b; VGE 628/91 v. 23. Jan. 1992, VGE 534/91 v. 24. Juli 1991, Erw. 1; vgl. auch Rhinow/ Krähenmann, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband 1990, Nr. 35 B. VII/4/c/1 und Nr. 145 B. IV; BGE 102 Ib 84 unten; vgl. Kölz/Bosshardt/Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2.A., Vorbem. zu §§ 19–28, Rz. 43/44; Kölz/Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2.A., Rz. 461; A. Marti, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton Schaffhausen, S. 127 unten mit weiteren Hinweisen, u.a. auf Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2.A., S. 140 und S. 224; A. Gadola, Das verwaltungsinterne Beschwerdeverfahren, S. 164).

c) Dem Aufsichtsmassnahmen ablehnenden Beschluss fehlt der Verfügungscharakter, da er keinen Akt darstellt, der ein Verhältnis zwischen der Verwaltung und einem Bürger verbindlich regelt. Zugleich geht dem Aufsichtsbeschwerdeführer das rechtlich geschützte Interesse (im Sinne von Art. 88 OG) ab, da die Einreichung einer Aufsichtsbeschwerde keinen Anspruch auf materielle Prüfung und Erledigung vermittelt (vgl. BGE 121 I 90 mit Hinweisen). Gegen einen Entscheid der Aufsichtsbehörde, einer Anzeige keine Folge zu geben, kann daher weder ein ordentliches noch ein ausserordentliches Rechtsmittel ergriffen werden (vgl. Merkli/Aeschlimann/Herzog, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege im Kanton Bern, Rz. 13 zu Art. 101 VRPG-BE mit Hinweisen; vgl. auch VGE 813/96 v. 19. Dez. 1996, Erw. 1, Prot. 1441 mit weiteren Hinweisen; VGE 922/98 v. 29. Jan. 1999).

Analog fällt der Entscheidakt der Aufsichtsbehörde, eine Aufsichtsbeschwerde entgegenzunehmen und materiell zu prüfen, grundsätzlich ausschliesslich in den Zuständigkeitsbereich der Aufsichtsbehörde. In diesem Sinne steht es dem Verwaltungsgericht nicht zu, die Frage zu prüfen, ob die Aufsichtsbehörde eine Anzeige oder Aufsichtsbeschwerde zu Recht oder zu Unrecht entgegengenommen hat, da das Verwaltungsgericht nicht Aufsichtsinstanz über den Regierungsrat ist, was sich schon mit dem Gebot der Gewaltentrennung nicht vereinbaren liesse (vgl. VGE 813/96 v. 19. Dez. 1996, Erw. 1 mit Hinweisen).

Vom Entscheid über eine Aufsichtsbeschwerde oder -anzeige abzugrenzen sind Rechte und Pflichten regelnde Anordnungen, welche die Aufsichtsbehörde als Folge ihres aufsichtsrechtlichen Tätigwerdens erlässt. Solche Anordnungen stellen Sachverfügungen dar, die mit den ordentlichen Rechtsmitteln anfechtbar sind (vgl. Merkli/Aeschlimann/Herzog, a.a.O., Rz. 14 zu Art. 101 VRPG-BE).

Für das vorliegende Ergebnis, wonach es dem Verwaltungsgericht verwehrt ist, die Entgegennahme (oder die abgelehnte Entgegennahme) einer Aufsichtsbeschwerde zu prüfen, spricht schliesslich, dass eine Aufsichtsbehörde im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit von sich aus – also auch ohne Anzeige oder Aufsichtsbeschwerde – aufsichtsrechtliche Anordnungen treffen kann.

d) Zusammenfassend bilden lediglich die im vorliegenden RRB Nr. 698/2000 vom 9. Mai 2000 enthaltenen aufsichtsrechtlichen Anordnungen Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens. Soweit die Beschwerdeführerin zusätzlich sinngemäss vor Verwaltungsgericht rügt, der Regierungsrat habe die Aufsichtsbeschwerde vom 28. Juli 1999 zu Unrecht entgegengenommen, ist darauf nach dem Gesagten nicht einzutreten.

(VGE 1027/00 vom 27. September 2000).

  

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Verfahren

 Kein Einsichtsrecht in ausschliesslich der verwaltungsinternen Meinungsbildung dienende Hilfsakten wie z.B. Notizen oder Entwürfe.

Aus den Erwägungen:

2. Der Beschwerdeführer erhielt vor Verwaltungsgericht Einblick in die von der Vorinstanz gemäss Verzeichnis in der Vernehmlassung (...) eingereichten Akten (...) und konnte diesbezüglich in seiner Stellungnahme vom (...) umfassend Stellung nehmen. Von daher ist sein Anspruch auf rechtliches Gehör gewahrt worden. Was die sogenannte Akte «3» aus dem «Dossier Verträge» anbelangt, konnte sich das Gericht davon vergewissern, dass es sich dabei um Notizen von verschiedenen verwaltungsinternen Gesprächen betreffend den Stand des Verfahrens bei der Eidg. Steuerverwaltung (Besko) handelt. Diese Gesprächsnotizen sind in keiner Weise entscheidrelevant. Dem Beschwerdeführer wurde dieses Ergebnis bereits mit Schreiben vom (...) mitgeteilt. Im gleichen Schreiben wurde auf die Rechtsprechung hingewiesen, wonach in solche verwaltungsinterne Akten keine Einsicht zu gewähren ist (mit Hinweisen auf BGE 122 I 161; 117 Ia 96; Merkli/Aeschlimann/Herzog, Kommentar zum VRG-Bern, N 8ff. zu Art. 23 VRPG). Daran ist hier festzuhalten.

(VGE 619/98 vom 31. März 1999).

Das Bundesgericht hat eine dagegen erhobene staatsrechtliche Beschwerde mit Urteil vom 18. Januar 2000 abgewiesen, soweit darauf einzutreten war. In Erwägung 2 lit. l führte es zur Frage einer Gehörsverletzung aus:
«Schliesslich rügt der Beschwerdeführer, es sei ihm das rechtliche Gehör verweigert worden, weil ihm die Einsicht in die so genannte ‹Akte 3› aus dem Dossier ‹Verträge› verweigert worden sei. Das Verwaltungsgericht nahm an, es handle sich dabei um interne, nicht relevante Gesprächsnotizen über den Stand des Verfahrens vor den Besonderen Steuerkontrollorganen, die bei der Aktenordnung versehentlich mitnummeriert worden seien. Diese dem Bundesgericht vorliegenden Gesprächsnotizen umfassen ein beidseitig beschriftetes Blatt (018) mit verschiedenen Notizen über den Stand des Verfahrens vor den Besonderen Steuerkontrollorganen, das weitere Vorgehen und über den Verbleib von Akten. Das Bundesgericht vermag sich der Auffassung anzuschliessen, dass es sich dabei um ein rein amtsinternes Dokument handelt, das bloss der weiteren amtsinternen Verfahrensabwicklung gedient hat und von keiner materiellen Entscheidrelevanz ist. In dieses Dokument ist damit zu Recht keine Einsicht gewährt worden; nach der Rechtsprechung besteht kein Einsichtsrecht in ausschliesslich der verwaltungsinternen Meinungsbildung dienende Hilfsakten wie Entwürfe, Anträge, Notizen, Mitberichte, Hilfsbelege usw. (BGE 115 V 297, S. 303f.; 117 Ia 90 E. 5b, S. 96).»

(BGE 2P.157/1999 vom 18. Januar 2000 i.Sa. X. c. Steuerkommission und Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, Erw. 2l, 2. Abs.).

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Verfahren

 Kosten- und Entschädigungsregelung bei Beschwerderückzug im Submissionsverfahren, wenn die angefochtene Verfügung bzw. Vergebungsmitteilung mangelhaft begründet war.

Aus den Erwägungen:

2. a) Zu entscheiden sind noch die Kosten- und Entschädigungsfragen. Wird ein Verfahren gegenstandslos, so liegt der Entscheid über die Kostenfolge im Ermessen der das Verfahren abschreibenden Behörde (vgl. § 72 Abs. 4 VRP). Zieht ein Beschwerdeführer sein Begehren zurück, gilt er grundsätzlich als unterliegend und hat grundsätzlich die Kosten des Verfahrens zu tragen. Daneben kommen aber in solchen Fällen auch Billigkeitserwägungen zum Zuge (vgl. Kölz/Bosshart/Röhl, Kommentar zum VRG-Zürich, N 16 zu § 13). Grund für den Beschwerderückzug ist vorliegend offensichtlich die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin nach Eingang der Vernehmlassungen feststellen konnte, dass sie mit ihrer Offerte aufgrund des bereinigten Preisvergleichs für das Amtsblatt (allein diese Vergabe wurde von ihr angefochten) preislich im vierten Rang lag, was aufgrund der konstanten Rechtsprechung, worauf in der vorinstanzlichen Vernehmlassung hingewiesen wurde (EGV-SZ 1979, S. 17ff.), zu einem Nichteintreten geführt hätte.

b) Entgegen der üblichen Verwaltungspraxis werden bei Arbeitsvergebungen von der Vorinstanz in der Regel nicht die eigentlichen Vergebungsverfügungen, welche in Form eines Regierungsratsbeschlusses (RRB) gefasst werden, den nichtberücksichtigten Offerenten zugestellt, sondern lediglich eine mit einer Rechtsmittelbelehrung versehene Mitteilung über die Vergebung. § 20 Abs. 1 der kantonalen Submissionsverordnung (SRSZ 430.110) bestimmt, dass die Behörde oder die von ihr beauftragte Stelle sämtlichen Bewerbern den Vergebungsbeschluss eröffnet, wobei dieser kurz zu begründen ist. Somit ist es zulässig, nicht den Vergebungsbeschluss direkt zu eröffnen. Wird eine beauftragte Stelle (...) mit der Mitteilung des Vergebungsbeschlusses beauftragt, so ist dieses Vorgehen grundsätzlich zulässig, entbindet indessen nicht von einer Begründung. Über die Begründungsdichte einer Verfügung bzw. der Mitteilung über eine Verfügung können keine generellen Aussagen gemacht werden. Allgemein erscheint die Begründung als angemessen und hinreichend, wenn sich die Betroffenen über die Tragweite der Verfügung Rechenschaft geben können und allenfalls in voller Kenntnis der Gründe ein Rechtsmittel zu ergreifen vermögen (Kölz/Bosshart/Röhl, a.a.O., N 39 zu § 10). Vorliegend enthielt die Vergebungsmitteilung den Hinweis, dass die preislich am günstigsten offerierende Beschwerdegegnerin den Unterangebotsverdacht habe entkräften können, weshalb ihr der Auftrag zu den Bedingungen des Angebots vom ... vergeben worden sei. Entgegen dem RRB 1363/2000 enthielt diese Mitteilung keinerlei Hinweis über den bereinigten Preisvergleich. Die Beschwerdeführerin konnte somit allein aufgrund dieser Mitteilung nicht erkennen, dass ihr die Beschwerdebefugnis fehlte, weil sie preislich nur im 4. Rang figurierte und der Abstand zum zweit- und drittplatzierten Offerenten zu gross war, um bei einer Ausschaltung der preisgünstigsten Anbieterin den Auftrag bekommen zu können. (...) Bei dieser Sachlage gehört es zur Begründung der Vergebungsmitteilung, dass das Ergebnis der Angebotsprüfung gemäss § 13 Abs. 1 Submissionsverordnung sämtlichen Bewerbern im Rahmen der Zustellung der Vergebungsverfügung oder der Zuschlagsmitteilung gemäss § 20 Submissionsverordnung eröffnet wird.

Weil die Vorinstanz bzw. die mit der Vergebungsmitteilung beauftragte Stelle dies vorliegend nicht getan hat, sind die Verfahrenskosten deshalb dem Kanton aufzuerlegen. Die gleichen Überlegungen führen dazu, dass der Kanton der Beschwerdegegnerin, welche sich infolge des Beschwerderückzugs de facto in einer obsiegensähnlichen Stellung befindet, für den Prozessaufwand eine Parteientschädigung gemäss § 74 Abs. 1 VRP auszurichten hat (...).

(VGE 1040/00 vom 23. Oktober 2000).

  

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Baurecht

 Baubewilligungsverfahren: Ziviler Bauberechtigungsnachweis erforderlich?

Aus den Erwägungen:

2. Umstritten ist vor allem die Frage, in welchem Ausmass für das öffentlich-rechtliche Bewilligungsverfahren die zivilrechtliche Bauberechtigung ausgewiesen sein muss und ob dies in casu der Fall bzw. mittels Nebenbestimmungen vorzubehalten ist.

a) Gemäss § 77 PBG muss das Bewilligungsgesuch eine Beschreibung des Vorhabens, Situations- und Baupläne, einen Katasterplan, Angaben über die Grundeigentumsverhältnisse und den Zweck der Baute sowie die Unterschrift des Bauherrn enthalten. Sofern erforderlich, kann die Bewilligungsbehörde weitere Unterlagen verlangen. Nach kantonalem Recht sind wohl die Grundeigentumsverhältnisse anzugeben, das Gesuch muss jedoch nur der Bauherr unterzeichnen. Von einem Bauberechtigungsnachweis ist nicht die Rede.

b) Das kommunale Baureglement sieht in Art. 109 Abs. 2 BauR (in der seit 13. April 1999 gültigen Fassung: Art. 114 Abs. 2) vor, dass die Pläne vom Projektverfasser, Bauherrn und Grundeigentümer zu unterschreiben sind. Von einem Bauberechtigungsnachweis ist explizit wiederum nicht die Rede.

aa) Das Verwaltungsgericht hat in VGE 624/84 v. 15.10.1991, Erw. 5, Prot. S. 10 zu einer gleichen Verfahrensbestimmung in einer anderen Gemeinde u.a. was folgt ausgeführt:

«Art. 59 Ziff. 1 des alten und neuen BR-.... schreiben vor, dass für Bauten der Bauherr ein Baugesuch einzureichen hat, welches von ihm, dem Projektverfasser und dem Grundeigentümer zu unterzeichnen ist. Grundsätzlich ist es nicht Sache des öffentlichen Baurechts, zivilrechtliche Ansprüche Dritter zu schützen. Das Erfordernis der Beibringung der Unterschrift des Grundeigentümers ist daher nicht ausdehnend zu handhaben ..... Überdies ist Art. 59 Ziff. 1, soweit die Unterzeichnung des Baugesuchs durch den Grundeigentümer verlangt wird, als blosse Ordnungsvorschrift zu verstehen, welche primär zu Gunsten der Baubewilligungsbehörde aufgestellt worden ist. Die Baubewilligungsbehörde soll nicht zu einer Baubewilligungsverfügung verhalten werden können, wenn der Baugesuchsteller infolge fehlender zivilrechtlicher Verfügungsbefugnisse gar nicht in der Lage ist, ein Bauvorhaben zu verwirklichen.

Daran, dass die Zustimmungserklärungen der Stockwerkeigentümer im Baubewilligungsverfahren nicht einzuholen sind, ändern auch die Zustimmungsanforderungen für bauliche Massnahmen des Sachenrechts nichts (Art. 647cff. und 712aff. ZGB). Sollten sich die übrigen Stockwerkeigentümer von KTN ... als Miteigentümer des Daches in ihren rechtlich geschützten Positionen durch die Baubewilligung tangiert fühlen, so ist es deren Angelegenheit, mit zivilrechtlichen Mitteln gegen das Kamin vorzugehen. Soweit sich die Cheminées und das Kamin innerhalb der Räume befinden, welche im Sonderrecht der Bf. stehen, gibt das Stockwerkeigentum ohnehin das Recht zum ausschliesslichen inneren Ausbau (Art. 712a Abs. 1 ZGB). Auch wenn die Beibringung der Einwilligungen der übrigen Stockwerkeigentümer oder der Mehrheit der Stockwerkeigentümer nicht Sache des öffentlichen Baurechts ist, ist der Bf. zu raten, die Einwilligung der Miteigentümer bzw. der Mehrheit der Miteigentümer im Sinne von Art. 647d ZGB zu beschaffen, um nicht in zivilrechtliche Auseinandersetzungen verwickelt zu werden.»

bb) Das Gericht sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzukehren. Die Unterschrift des Grundeigentümers ist in erster Linie eine Ordnungsvorschrift, die zum Schutz der Bewilligungsinstanz dient, damit diese nicht zum Vornherein nutzlose Amtshandlungen zu verrichten hat. Diese Zweckbestimmung steht selbst dort im Vordergrund, wo ein ausdrücklicher Berechtigungsnachweis verlangt wird (so im Kanton Zürich: siehe ZBl 1985, S. 121; Fritzsche/Bösch, Zürcher Planungs- und Baurecht, S. 174; im Muster-Baureglement des Justizdepartementes von 1988 wird der «Nachweis der Bauberechtigung» nunmehr als mögliche Baugesuchsunterlage vorgeschlagen).

cc) Nebst der Verhinderung nutzloser und überflüssiger Amtshandlungen besteht aus der Sicht des öffentlichen Baurechts indes auch ein gewichtiges Interesse daran, dass die mögliche fehlende zivilrechtliche Verfügungsberechtigung nicht zu Verletzungen des öffentlichen Baurechts führt, die nicht oder nur unter erschwerten Umständen rückgängig gemacht werden können. In diesem Sinne verlangt der Gesetzgeber, dass gewisse zivilrechtliche Zugeständnisse Dritter mittels im Grundbuch eingetragener Dienstbarkeitsverträge gesichert sind (z.B. ungleiche Verteilung des Grenzabstandes gemäss § 62 PBG; Ausnützungstransfer gemäss Art. 53 BauR ...) oder eine schriftliche Zustimmung vorliegt (Unterschreitung des Grenzabstandes von Nebenbauten gemäss § 62 Abs. 3 PBG). Bei der Erschliessung wird eine «rechtlich gesicherte» hinreichende Zufahrt verlangt (§ 37 Abs. 3 PBG), während bei den Abstellflächen von Motorfahrzeugen eine Erstellungspflicht auf privatem Grund verbunden mit einer dauernden Erhaltung «zu diesem Zweck» geboten ist (§ 58 Abs. 1 PBG). Mittels Nebenbestimmungen (z.B. Suspensivbedingungen) können solche vom öffentlichen Baurecht beanspruchte Privatrechte sichergestellt bzw. als conditio sine qua non vorbehalten werden.

dd) Dem Interesse des verfügungsberechtigten Grundeigentümers, dass sein Grundeigentum nicht durch eine erteilte Baubewilligung beeinträchtigt wird, kommt der schwyzerische Gesetzgeber in effizienter Weise entgegen, indem er während der Auflagefrist auch eine privat-rechtliche Einsprache beim Einzelrichter im beschleunigten Verfahren ermöglicht. Diese Einsprache ist unabhängig von einer allfällig öffentlich-rechtlichen Einsprache «ohne Verzug zu Ende zu führen» (§ 80 PBG). Mit dem Bauen darf erst begonnen werden, wenn die Baubewilligung und die Entscheide über öffentlich- und zivil-rechtliche Einsprachen rechtskräftig sind (§ 85 PBG).

ee) In anderem Zusammenhang stellt sich die Frage der Verfügungsberechtigung, nämlich bei einer im Rahmen eines nachträglichen Baubewilligungsverfahrens ergehenden Abbruchverfügung. Liegt die Verfügungsberechtigung über eine illegale Baute bei mehreren Personen, so sind nebst dem Verhaltensstörer auch allfällige blosse Zustandsstörer ins Verfahren miteinzubeziehen, damit eine Vollstreckung überhaupt möglich wird (vgl. hiezu Urs Beeler, Die widerrechtliche Baute, S. 89ff.; BGE 107 Ia 25ff. Erw. 2c.).

(VGE 1005+1009/00 vom 26. Mai 2000).

  

13

Baurecht

 Öffentliche Zone: Vorübergehende (teilweise) Fremdvermietung eines Pfarrhauses ist zonenkonform.

Aus dem Sachverhalt:

Die Kirchgemeinde X. beabsichtigt, das in der öffentlichen Zone befindliche Pfarrhaus umzubauen und zusätzliche Parkplätze zu erstellen. Die Pfarrer- und Haushälterinstelle sind zurzeit verwaist. Für die beiden Wohnungen ist deshalb eine Vermietung an Drittpersonen vorgesehen. Die Baubewilligungsbehörde erteilte – bei gleichzeitiger Abweisung einer Einsprache – die Bewilligung mit der Auflage, dass die Abmachung mit den zukünftigen Wohnungsmietern in dem Sinne zu treffen sei, «dass bei Wiederbesetzung der Pfarrstelle dem Priester und damit auch einer Haushälterin innert nützlicher Frist der nötige Wohnraum im Pfarrhaus angeboten werden kann».

Aus den Erwägungen:

2. Gemäss Art. 106 des kommunalen Baureglementes ist die Zone für öffentliche Bauten und Anlagen (OeZ) für Kirchen, Schulhäuser, Kindergärten und weitere der Öffentlichkeit dienende Anlagen bestimmt.

a) Die Parteien sind sich zu Recht einig, dass die Wohnungen des Pfarrers und seiner Hausangestellten zu den der Öffentlichkeit dienenden «Anlagen» zu zählen sind (...).

b) Strittig ist, wie die Vakanz der Pfarrerstelle (und der Haushälterinstelle) bzw. die deshalb vorgesehene Vermietung der beiden Wohnungen an Drittpersonen baurechtlich zu würdigen ist.

aa) Gemäss den ursprünglichen Bauplänen befinden sich im 1934 erbauten Pfarrhaus im Erdgeschoss eine Küche mit Esszimmer, ein Sprechzimmer mit Wartezimmer, ein Zimmer für die Haushälterin sowie ein WC, im Obergeschoss ein WC, zwei Gästezimmer, ein Studierzimmer und ein Schlafzimmer und im Dachgeschoss zwei Schlafzimmer sowie ein Studierzimmer (angef. RRB, S. 5, Erw. 3.5). Im VGE 897/98 v. 29.12.1998 (S. 8, Erw. 3a) wird festgehalten, dass das Erdgeschoss bis anhin für pfarreiliche Bedürfnisse genutzt wurde (Sitzungszimmer, Büro einer Pfarreiangestellten, zweites Büro, grosse Küche, WC). Das zweite und dritte Geschoss wurden früher zu Wohnzwecken genutzt (Pfarrer und Haushälterin) und stehen seit dem Wegzug des letzten Pfarrers leer. Im dritten Geschoss (Dachgeschoss) befinden sich auch nichtisolierte Estrichräume.

Die umstrittene Baubewilligung sieht im Erdgeschoss eine Erweiterung des Vorbereitungszimmers des Katecheten und die Verlegung der WC-Anlage an die Ostseite mit zusätzlicher Erweiterung zu einem Badezimmer vor, während der Büroraum und das Sitzungszimmer bestehen bleiben, die ehemalige Küche neu für den Pfarreisaal genutzt und die bestehende Pfarreisaalküche in eine rollstuhlgängige WC-Anlage umgebaut werden. Im Obergeschoss entsteht eine 31/2-Zimmer-Wohnung und im Dachgeschoss eine 21/2-Zimmer-Wohnung. Zu diesem Zweck wird das Dachgeschoss mit zwei grossen Dachlukarnen erweitert (...).

bb) Würde der dargelegte Um- und Ausbau zu einem Zeitpunkt erfolgen, wo die Kirchgemeinde über einen Pfarrer und eine Hausangestellte verfügte, stünde – wie bereits erwähnt – die Zonenkonformität des Bauvorhabens ausser Frage.

cc) Für die Beschwerdeführer ist die Zonenkonformität deshalb verletzt, weil die Nutzung durch einen allfälligen Pfarrer und die Leiterin des Haushaltes klar im Hintergrund stehe und «effektiv nur als Deckmantel zur Legitimierung eines zonenwidrigen Bauvorhabens» diene. Sie nehmen an, dass nurmehr eine theoretische Möglichkeit einer zonenkonformen Nutzung bestehe, die im Übrigen in keiner Weise angestrebt werde, vielmehr wolle man Wohnraum gewinnbringend an Private vermieten.

dd) Bei der Erteilung des Planungskredites anlässlich der Kirchgemeindeversammlung vom ... 1997 wurde von Seiten des Kirchenrates erklärt, vor zwei Jahren habe man den Auftrag erhalten, «dafür zu sorgen, dass weitere Einnahmen der Kirchenrechnung zufliessen. Die geplanten Wohnungen sollen in erster Linie dem Personal und in zweiter Linie an andere Personen vermietet werden» (RRB-act.Vi 6).

Der Kirchenrat gelangte alsdann am ... 1997 an das Generalvikariat der Urschweiz und unterbreitete folgenden Sachverhalt zur Kenntnis- und Stellungnahme (RRB-act.Vi 3):

Die Kirchgemeinde hat vor, das Pfarrhaus besser ein- und die Räume aufzuteilen, so- dass eine 4-Zimmer-Wohnung im 1. Stock und eine 31/2-Zimmer-Wohnung im Dachgeschoss erstellt werden können. Diese zwei Wohnungen sind in erster Linie für Personen gedacht, die im kirchlichen Dienst der Pfarrei ... stehen. Sollte sich sogar nach Abschluss der Bauarbeiten ein Pfarr-Resignat melden, so können wir eine praktische Kleinwohnung offerieren.
Das Parterre bleibt unverändert, da sich die dort offiziellen Räume der Pfarrei befinden. Pfarrbüro, Sitzungszimmer, Apparateraum, Küche für Vereine.»
Weihbischof X. teilte am ... 1997 sein Einverständnis mit (RR-act.Vi 4). Vorgängig der Kreditgewährung für das Umbauprojekt durch die Kirchgemeindeversammlung äusserte sich zudem am ... 1998 Domherr Y. als Bischöflicher Beauftragter für das kirchliche Stiftungswesen wie folgt (RR-act.Vi 5):

«Auf Grund unserer Aktenlage gehen wir davon aus, dass wir es hier mit einem einer Stiftung zugeordneten Objekt zu tun haben. ....
Zu Angelegenheit Umbau des Pfarrhauses ... ist aus den zugesandten Plänen ersichtlich, dass mit diesem Projekt eine intensivere und flexiblere Nutzung dieses Objektes angestrebt wird. Ich habe mir erlaubt, auch beim Projektverfasser (...) weitere Informationen einzuholen. Auf Grund dieses Wissensstandes nehme ich an, dass die Weiterverwendung des Pfarrhauses in erster Linie für einen Priester reserviert ist. Natürlich ist mir auch klar, wenn die Pfarrstelle nicht besetzt ist, dass man eine Weitervermietung ins Auge fassen wird. Wir haben insofern nichts gegen eine solche Lösung einzuwenden, wenn dabei aber die vertraglichen Abmachungen mit Mietern in dem Sinne getroffen werden, dass bei Wiederbesetzung der Pfarrstelle auch dem Priester im Pfarrhaus innert nützlicher Frist eine Wohnung angeboten werden kann.
Ich glaube nun, dass diesen Bedingungen Ihrerseits keine grosse Opposition entstehen wird und dass Sie unseren Vorstellungen entsprechen können. So kann ich Ihnen mitteilen, dass das Bischöfliche Ordinariat Ihrem Vorhaben betr. Umbau des Pfarrhauses ... zustimmt.»

Das vom Bischöflichen Beauftragten abgesegnete und am ... 1998 von der Kirchgemeindeversammlung mittels Kreditbeschluss genehmigte Projekt beinhaltete drei Wohneinheiten und einen Pfarrei-Teil. In der Botschaft wies man ebenfalls auf die Wohnnutzung durch einen «allenfalls wieder in ... tätigen Pfarrer» hin. Das Umbauprojekt wurde «ökologisch, wirtschaftlich, technisch und sozial» als «optimaler Vorschlag» gepriesen. Mit minimalem Kostenaufwand entstehe günstiger Wohnraum mit guter Rendite. Durch die kleineren Wohneinheiten bleibe das wertvolle, unter Denkmalschutz gestellte Gebäude «jung und belebt» (...).

Nachdem die ... Baubehörde eine Wohnnutzung auf drei Geschossen mit den Bestimmungen der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen nicht vereinbar hielt, zog der Kirchenrat das bereits öffentlich aufgelegte Projekt zurück und änderte es im Erdgeschoss insofern ab, als das «Küche/Ess-/Wohnzimmer» nunmehr als Sitzungszimmer und das Schlafzimmer als «Vorbereitungszimmer Katecheten» bestimmt sind (VGE 897/98 v. 29.12.1998, S. 9f.).

Gegen diese Projektänderung erhoben die Beschwerdeführer zusammen mit zwei weiteren Stimmberechtigten beim Verwaltungsgericht Schwyz Stimmrechtsbeschwerde, welche am 28. Dezember 1998 abgewiesen wurde (= EGV-SZ 1998, Nr. 12). Die Beschwerdeführer begründen in casu ihren Standpunkt vorwiegend mit Äusserungen, die die Beschwerdegegnerin in jenem Stimmrechtsbeschwerdeverfahren machte (siehe unten Erw. 2b/ff).

ee) Im Lichte der dargelegten Entstehungsgeschichte ist zunächst Folgendes festzuhalten:
          Es war und ist nicht Absicht der Bauherrin, die umstrittenen Wohnungen dauernd der kirchlichen und damit der öffentlichen Nutzung zu entziehen. Vielmehr soll während der Pfarrvakanz das Gebäude einerseits wirtschaftlich genutzt werden, wodurch der Kirchgemeinde zusätzliche Mittel zur Ausgabentilgung zufliessen, und anderseits soll die Bausubstanz auf den Stand der Zeit gebracht werden, sodass einem künftigen Pfarrer und dessen Haushälterin innert nützlicher Frist eine adäquate Unterkunft zur Verfügung gestellt werden kann.
          Garant für die Einhaltung dieser Absicht ist nicht nur die der Kirchgemeinde obliegende Verpflichtung, die weltlichen Bedürfnisse (Temporalia) der römisch-katholischen Konfession zu erfüllen (§ 23 Organisationsstatut der Röm.-kath. Kantonalkirche Schwyz), sondern auch die vom bischöflichen Ordinariat geübte Aufsicht über kirchliche Stiftungen sowie – was hier besonders hervorzuheben ist – die von der Baubewilligungsbehörde verfügte Auflage, die Mietverhältnisse derart auszugestalten, dass innert nützlicher Frist der nötige Wohnraum einem künftigen Pfarrer und dessen Haushälterin angeboten werden kann (...).
          Die Möglichkeit einer künftigen bzw. erneuten Pfarrinstallation in der Pfarrei ... ist zumindest längerfristig intakt und nicht nur theoretischer Natur. Der aktuelle Priestermangel mag zwar aus heutiger Sicht das Ende der Vakanz als nicht absehbar erscheinen lassen. Bei Institutionen wie der römisch-katholischen Kirche, die sich mit Hochs und Tiefs über Jahrhunderte behaupten konnten, ist es jedoch angezeigt und gerechtfertigt, in etwas grösseren Zeiträumen zu denken. Es ist deshalb bloss eine vorübergehende Vakanz anzunehmen, zumal die Pfarrei ... als solche wie auch hinsichtlich der räumlichen Platzierung ihrer Bauten und Anlagen (Kirche, Friedhof, Pfarrhaus) nicht in Frage gestellt wird, was die Chancen für eine Pfarrinstallation – zusammen mit dem dannzumal anzubietenden zeitgemässen Wohnraum – erhöht.

Im Übrigen ist die Vermietung an Personal der Kirchgemeinde (siehe Erw. 2b/dd erster Absatz) wie z.B. Kirchensigrist, Katechet, Laienseelsorger usw. wohl auch als kirchliche Nutzung einzustufen.

ff) Am Umstand, dass die kirchliche bzw. die der Öffentlichkeit dienende Nutzung der beiden Wohnungen weiterhin beabsichtigt und möglich ist, vermögen die Einwände der Beschwerdeführer nichts zu ändern. Den Ausführungen der Beschwerdegegnerin im Stimmrechtsverfahren, auf welche sich die Beschwerdeführer vor allem berufen, ist nicht zu folgen, soweit darin die These einer Umwandlung vom Verwaltungs- ins Finanzvermögen vertreten und zudem der Anschein erweckt wird, es handle sich faktisch um eine dauernde (zonenwidrige) Umnutzung. Die oben gemachten Ausführungen belegen vielmehr, dass der kirchlichen Nutzung nach wie vor prioritärer Charakter zukommen soll und vor allem auch muss, sodass weiterhin das Pfarrhaus dem Verwaltungsvermögen zuzuordnen ist (...).

gg) Zieht man des Weiteren in Betracht, dass mangels Bedarfs einer öffentlichen bzw. kirchlichen Nutzung, auch gestützt auf die Bestandesgarantie (§ 72 Abs. 1 PBG), zumindest eine vorübergehende Wohnnutzung durch Dritte im Rahmen des bestehenden Ausbaus zulässig sein muss und dass der geplante Um- und Ausbau zusätzlich nur eine geringfügige, nachbarliche oder öffentliche Interessen kaum tangierende vorübergehende Drittnutzung ermöglicht, so erweist sich unter Berücksichtigung der gesamten Rechts- und Sachlage das fragliche Bauvorhaben als zonenkonform. Selbst wenn dem nicht so wäre, wären die Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung nach § 73 PBG wohl erfüllt. Einer analogen Anwendung von § 74 Abs. 3 PBG (Ausnahmen ausserhalb der Bauzonen) bedarf es deshalb nicht, weshalb auch nicht zu prüfen ist, ob ein solcher Analogieschluss überhaupt zulässig wäre.

(VGE 1036/99 vom 18. Februar 2000).

 

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Baurecht

 Art. 16 Abs. 1 RPG; § 19 Abs. 1 PBG: Wohnraum für Betriebsleiterfamilie in der Landwirtschaftszone. Begriff der weit entfernten nächstgelegenen Wohnzone. Abtretende Generation (Stöcklipraxis).

Aus dem Sachverhalt:

X. ist Eigentümer einer in der Landwirtschaftszone befindlichen Liegenschaft samt Stall und Wohnhaus. Er betreibt zusammen mit seiner Ehefrau Milchwirtschaft und Viehzucht. Im Wohnhaus leben die Eltern des Eigentümers (lebenslängliches Wohnrecht). Die Betriebsleiterfamilie wohnt zurzeit in der angrenzenden Wohnzone. Sie beabsichtigt, das Stallgebäude zu erweitern, eine neue Jauchegrube zu erstellen und im Rahmen der «Stöcklipraxis» ein Einfamilienhaus zu erstellen. Das Kantonale Meliorationsamt erteilte die Raumplanungsbewilligung. Auf Beschwerde hin hob der Regierungsrat die Bewilligung für das Einfamilienhaus auf. Das Verwaltungsgericht hiess eine dagegen geführte Beschwerde teilweise gut. Es bejahte die Zonenkonformität für den Wohnraum der Betriebsleiterfamilie. Wo (Erweiterung des bestehenden Wohnhauses oder Erstellung eines zusätzlichen Einfamilienhauses) und in welchem Ausmass der Wohnraum zur Verfügung gestellt werden darf, konnte es aufgrund der vorliegenden Akten nicht beurteilen. Es wies die Sache an die Vorinstanz zur ergänzenden Sachverhaltsabklärung und Neubeurteilung zurück. Gegen diesen Entscheid ist betreffend Zonenkonformität beim Bundesgericht eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht, später jedoch zurückgezogen worden.

Aus den Erwägungen:

1. a) Bauten und Anlagen dürfen nur mit behördlicher Bewilligung errichtet oder geändert werden (Art. 22 Abs. 1 RPG). Voraussetzung einer Bewilligung ist, dass die Bauten und Anlagen dem Zweck der Nutzungszone entsprechen (lit. a) und das Land erschlossen ist (lit. b) (Art. 22 Abs. 2 RPG). Die übrigen Voraussetzungen des Bundesrechts und des kantonalen Rechts bleiben vorbehalten (Art. 22 Abs. 3 RPG).

b) Landwirtschaftszonen umfassen Land, das sich für die landwirtschaftliche Nutzung oder den Gartenbau eignet oder im Gesamtinteresse landwirtschaftlich genutzt werden soll (Art. 16 Abs. 1 RPG; § 19 Abs. 1 PBG).

aa) In der Landwirtschaftszone sind Bauten und Anlagen zulässig, soweit die landwirtschaftliche oder gartenbauliche Nutzung sie erfordert. Für einen bestehenden Landwirtschaftsbetrieb gilt ein Stöckli oder eine zusätzliche Wohnung zur Erleichterung des Generationenwechsels als zonenkonform. Zur Sicherung der Zweckbestimmung kann die Bewilligung mit Auflagen und Bedingungen versehen werden, die als öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkungen im Grundbuch anzumerken sind (§ 19 Abs. 2 PBG).

bb) Wohngebäude sind in der Landwirtschaftszone nach Art. 16 RPG zonenkonform, wenn sie hinsichtlich Standort und Ausgestaltung in einer unmittelbaren funktionellen Beziehung zum Landwirtschafts- bzw. Gartenbaubetrieb stehen und im Hinblick auf die bodenabhängige Nutzung des Landes als unentbehrlich erscheinen. Bei Landwirtschaftsbetrieben stimmt der Begriff der Zonenkonformität im Sinne von Art. 16 Abs. 1 RPG im Wesentlichen mit demjenigen der Standortgebundenheit gemäss Art. 24 Abs. 1 RPG überein. Wohnraum für eine landwirtschaftliche Nutzung kann nur dann bewilligt werden, wenn für ein ordnungsgemässes, zonenkonformes Bewirtschaften des Bodens ein längeres Verweilen am betreffenden Ort erforderlich ist und dieser von der nächstgelegenen Wohnzone weit entfernt liegt. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, so fehlt es am erforderlichen sachlichen Bezug des Bauvorhabens zur landwirtschaftlichen Produktion. In einer Landwirtschaftszone im Sinne von Art. 16 RPG sind somit nur solche Wohngebäude zonenkonform, die in ihrer konkreten Ausgestaltung für eine zweckmässige Bewirtschaftung des Bodens am vorgesehenen Ort notwendig und nicht überdimensioniert sind. Ausserdem dürfen gegen ihre Errichtung keine überwiegenden öffentlichen Interessen sprechen. Das Recht, ausserhalb der Bauzone zu wohnen, bleibt somit einem relativ engen Personenkreis vorbehalten. Dazu zählen nur Leute, die als Betriebsinhaber oder Hilfskräfte unmittelbar in der Landwirtschaft tätig sind, sowie die Familienangehörigen und die abtretende Generation, welche ein Leben lang in der Landwirtschaft tätig war. In jedem einzelnen Fall ist nach objektiven Kriterien aufgrund einer gesamthaften, mehr an qualitativen denn an quantitativen Faktoren anknüpfenden Betrachtungsweise zu beurteilen, ob eine betriebliche Notwendigkeit besteht, ausserhalb der Bauzonen Wohnsitz zu nehmen, und damit das Wohnen in der Landwirtschaftszone im Sinne von Art. 16 RPG als zonenkonform bezeichnet werden kann. Auf subjektive Vorstellungen und Wünsche des Einzelnen kann es ebenso wenig ankommen wie auf die persönliche Zweckmässigkeit und Bequemlichkeit. Es ist namentlich unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände eines Falles zu untersuchen, in welchem Umfang eine ständige Anwesenheit der Bewirtschafter zur Führung und Überwachung des Landwirtschaftsbetriebes notwendig ist (BGE 121 II 310f., Erw. 3b mit weiteren Zitaten).

In BGE 116 Ib 231ff. nimmt das Bundesgericht im Rahmen von Art. 24 Abs. 1 RPG zur Frage von Wohnraum für die abtretende Generation wie folgt Stellung (diese Rechtsprechung ist auch für die Zonenkonformität innerhalb der Landwirtschaftszone heranzuziehen): Wohnraum für die abtretende Generation ist grundsätzlich als standortgebunden zu betrachten. Es kann einem betagten Bauern nicht zugemutet werden, seinen Hof im Hinblick auf die Aufgabe der landwirtschaftlichen Tätigkeit zu verlassen. Im Übrigen kann dadurch die bäuerliche Sozialstruktur aufrechterhalten bleiben, zu der auch das Verbleiben des abtretenden Landwirts auf dem Hofe gehört. Dieser kann weiterhin wertvolle Dienste für die Bewirtschaftung des Hofes leisten, sei es mit Besorgungen, mit Ratschlägen, in Zeiten grosser Arbeitsbelastung oder angesichts besonderer Umstände wie Krankheit oder Militärdienst. Wird die Standortgebundenheit bejaht, so bedeutet dies noch nicht, dass der Neubau eines Stöcklis ohne weiteres zulässig ist. Kann der benötigte Wohnraum im bestehenden Wohnhaus integriert werden, so tritt er nach aussen baulich nicht in Erscheinung, und die landwirtschaftlichen Interessen sowie das Ziel, Land ausserhalb der Bauzonen von Überbauungen freizuhalten, werden kaum beeinträchtigt. Steht genügender Wohnraum nicht bereits zur Verfügung, ist solcher in erster Linie durch den Ausbau des bestehenden Bauernhauses oder durch einen entsprechenden Anbau zu schaffen. Erst wenn der Einbau zusätzlichen Wohnraums im bestehenden Gebäude aus objektiven Gründen nicht möglich ist, stellt sich die Frage, ob der Neubau eines Stöcklis, also einer eigenständigen Wohnbaute für die abtretende Generation bewilligt werden kann. Im Rahmen der Interessenabwägung muss daher nach einer Lösung gesucht werden, die sich mit den Zielen der Raumplanung am besten verträgt. Diesen öffentlichen Interessen sind die privaten Interessen des Gesuchstellers entgegenzustellen, wobei finanzielle Interessen nicht ausschlaggebend sein können. Eine separate Stöcklibaute komme nur dann in Frage, wenn sich ein Umbau aus anderen als rein finanziellen Gründen als unzumutbar darstellen würde. Dies könnte etwa bei einem unvernünftigen Sanierungsaufwand, bei einer zu grossen baulichen Verdichtung des bestehenden Wohnhauses oder bei sachlich und funktionell nicht gerechtfertigten Dachausbauten der Fall sein. Die Kostendifferenz zwischen einem Umbau und einem Neubau wäre gegebenenfalls ein Indiz für bauliche oder funktionelle Gründe, die einem Umbau entgegenstehen.

c) Abweichend von Art. 22 Abs. 2 RPG können Bewilligungen erteilt werden, Bauten und Anlagen zu errichten oder ihren Zweck zu ändern, wenn der Zweck der Bauten und Anlagen einen Standort ausserhalb der Bauzonen erfordert und keine überwiegenden Interessen entgegenstehen (Art. 24 Abs. 1 RPG). Des Weiteren kann das kantonale Recht gestatten, Bauten und Anlagen zu erneuern, teilweise zu ändern oder wieder aufzubauen, wenn dies mit den wichtigen Anliegen der Raumplanung vereinbar ist (Art. 24 Abs. 2 RPG). Der Kanton Schwyz hat von dieser Ermächtigung in § 74 Abs. 2 und 3 PBG Gebrauch gemacht.

d) Baubewilligungsbehörde ist der Gemeinderat (§ 76 Abs. 1 PBG). Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen bedürfen einer Raumplanungsbewilligung des vom Regierungsrat bezeichneten Amtes. Die Baubewilligungsbehörde der Gemeinde beurteilt solche Bauvorhaben auf Einhaltung der baupolizeilichen Vorschriften (§ 76 Abs. 2 PBG).

2. (...)

Der Regierungsrat begründet die Verweigerung der Raumplanungsbewilligung für das Wohnhaus mangels Zonenkonformität im Wesentlichen damit,
          dass der Betrieb der Beschwerdeführer in unmittelbarer Nähe der Bauzonen liege und kein Bedürfnis für ein zusätzliches Wohnhaus bestehe. Die Beschwerdeführer verfügten über eigenes Bauland in unmittelbarer Betriebsnähe. Sie hätten auf KTN A Land im Baurecht für drei Ferienhäuser abgegeben (recte: Land vermietet). Nachdem die Beschwerdeführer bereits 1994 die Absicht gehabt hätten, ein eigenes Wohnhaus zu erstellen, hätten sie 1997 Dritten ein Baurecht auf KTN ... zur Erstellung eines Wohn- und Gewerbehauses eingeräumt. Es gehe nicht an, bestehende Wohn- und Baumöglichkeiten in den unmittelbar benachbarten Bauzonen mittels Vermietung und Einräumen von Baurechten nicht selber zu nutzen und dafür neuen Wohnraum in der Landwirtschaftszone zu beanspruchen. Zudem beziehe sich das Wohnrecht des Beschwerdegegners nicht auf das ganze bestehende Wohnhaus, und mehr als die Hälfte der zu bewirtschaftenden Fläche befinde sich nicht im Bereich des Hofes;
          dass Wohnraum für den Generationenwechsel grundsätzlich mit einem Ausbau des bestehenden Bauernhauses zu schaffen sei und die Erstellung eines Stöcklis nur in Betracht komme, wo ein Ausbau nicht möglich erscheine. Der Um- und Ausbau des Dachgeschosses zu einer zweiten Wohnung sei ohne weiteres möglich. Zu berücksichtigen sei, dass dem Beschwerdegegner an der Küche und am Bad/WC im ersten Wohngeschoss sowie am Keller und an der Waschküche im Untergeschoss nur ein Mitbenützungsrecht zustehe. Überdies bestünden im UG noch Aus- und Anbaumöglichkeiten. Der Erhöhung des Gebäudes dürften weder gestalterische noch landschaftschützerische Interessen entgegenstehen;
          dass der Begriff der Zonenkonformität im Sinne von Art. 16 Abs. 1 RPG im Wesentlichen mit demjenigen der Standortgebundenheit gemäss Art. 24 Abs. 1 RPG übereinstimme, weshalb auch eine Ausnahmebewilligung nach Art. 24 Abs. 1 RPG nicht in Frage komme.

Der Regierungsrat hat offen gelassen, ob aus § 19 Abs. 2 PBG ein Anspruch auf ein freistehendes Stöckli abgeleitet werden könne, da dieser Anspruch bzw. die Umwandlung des bestehenden Wohnhauses in ein Stöckli und der Neubau eines Betriebsleitereinfamilienhauses bereits wegen der oben wiedergegebenen Gründe abgelehnt werden müsse (...).

3. a) Sollte es zutreffen, dass die nächstgelegene Wohnzone im Sinne der Rechtsprechung nicht «weit entfernt» vom landwirtschaftlichen Gewerbe bzw. vom Stallgebäude liegt, so erübrigt sich an sich die Frage, ob im Rahmen des bestehenden Wohnhauses der Wohnraum für die Betriebsleiterfamilie durch Um-, An- und/oder Aufbau integriert werden kann. Daraus ergibt sich aber auch, dass das bestehende Wohnhaus in der Landwirtschaftszone ebenfalls nicht zonenkonform wäre, die Standortgebundenheit im Sinne von Art. 24 Abs. 1 RPG zudem verneint werden müsste (vgl. bereits erwähnte Begriffskongruenz) und die Erstellung zusätzlichen Wohnraumes höchstens mit einer Ausnahmebewilligung nach Art. 24 Abs. 2 RPG möglich wäre. Obgleich es vom Begründungswortlaut her nicht zwingend zu folgern ist, muss man annehmen, dass der Regierungsrat mit seiner Doppelbegründung (Nähe Wohnzone/zusätzlicher Wohnraum durch Integration im bestehenden Wohnhaus) grundsätzlich eine «Selbst-wenn»-Argumentation verfolgen wollte, d.h., selbst wenn die nächstgelegene Wohnzone zu weit entfernt sein sollte, dürfte kein neues freistehendes Stöckli bzw. Betriebsleiterwohnheim erstellt werden, da im bestehenden Wohnhaus genügend Wohnraum geschaffen bzw. zur Verfügung gestellt werden könnte. Allerdings ist die regierungsrätliche Argumentation im Einzelnen nicht durchwegs widerspruchsfrei. Im Zusammenhang mit der Entfernung von der nächstgelegenen Wohnzone führte der Regierungsrat u.a. aus (S. 6, Ziff. 7.3):

«Den Beschwerdegegnern ist es zuzumuten, den Betrieb von der unmittelbar benachbarten Bauzone aus (zirka 550 m Fahrdistanz) zu bewirtschaften, wie dies offenbar auch im Moment möglich ist. Der in der Vernehmlassung vorgetragenen Argumentation des Meliorationsamtes, wonach bei Landwirtschaftsbetrieben mit Tierhaltung die dauernde Anwesenheit des Betriebsleiters nötig sei, ist entgegenzuhalten, dass sich das Wohnrecht des Beschwerdeführers nicht auf das ganze Haus auf KTN A bezieht (...). Es ist deshalb den Beschwerdegegnern ohne weiteres möglich, sich auch vorübergehend im Wohnhaus auf KTN A (zwei Zimmer im Dachgeschoss, Mitbenützungsrecht an Küche, Bad/WC, Keller und Waschküche) aufzuhalten, sofern dies vom Betrieb her erforderlich ist.»

Der Regierungsrat gesteht damit aber – nachdem er die Argumentation des Kant. Meliorationsamts betreffend dauernde Anwesenheit des Betriebsleiters nicht als falsch qualifizierte – im Ergebnis ein, dass im konkreten Fall mindestens teilweise Wohnraum für die Betriebsleiterfamilie in der Landwirtschaftszone trotz der nahegelegenen Wohnzone zonenkonform ist. In die gleiche Richtung zielen auch weitere Bemerkungen des Regierungsrates. So führte dieser im Zusammenhang mit der Grösse der neuen Jauchegrube aus (S. 8, Ziff. 8.4):

«Sollten sich die Beschwerdegegner jedoch entschliessen, das bestehende Einfamilienhaus auf KTN A zu einem Zweifamilienhaus umzubauen (...), wäre das Volumen der geplanten Jauchegrube wiederum vertretbar. Die umstrittene Jauchegrube kann deshalb nur unter der ausdrücklichen Bedingung, dass auch die Beschwerdegegner als Betriebsleiter auf KTN A wohnen, bewilligt werden. Sollten diese den Betrieb von der Bauzone aus führen, so ist das Projekt für die Jauchegrube, auf der Grundlage von lediglich fünf Einwohnergleichwerten, angemessen zu reduzieren.»

Und im Zusammenhang mit der Erschliessungsfrage argumentierte der Regierungsrat (S. 9, Ziff. 10):

«Die Erschliessung steht folglich weder der Bewilligung des Stallanbaus noch derjenigen einer allenfalls zusätzlichen Wohneinheit im bestehenden Wohnhaus auf KTN A entgegen.»

Der Umstand, dass der Regierungsrat – ohne sich mit einem Wort mit den engen Voraussetzungen gemäss Art. 24 Abs. 2 RPG auseinander zu setzen – von einer zusätzlichen Wohneinheit bzw. einem umzubauenden Zweifamilienhaus spricht, lässt vermuten, dass seine ablehnende Haltung auf die Erstellung eines zusätzlichen freistehenden Wohnhauses gerichtet ist, nicht aber grundsätzlich gegen den Um- und Ausbau des bestehenden Wohnhauses.

Bei dieser Ausgangslage ist es angezeigt, auf das Erfordernis der «weit entfernten» nächstgelegenen Wohnzone näher einzugehen.

b) Die Frage der Entfernung der nächstgelegenen Wohnzone zum landwirtschaftlichen Betrieb stellt sich im Zusammenhang mit dem Erfordernis der Notwendigkeit der dauernden Anwesenheit.

aa) Gemäss Keller (Neubauten in der Landwirtschaftszone, Diss., 1987) setzt die Zonenkonformität von Wohnraum für den Betriebsleiter u.a. voraus, dass die dauernde Anwesenheit des Betriebsleiters betriebsnotwendig sei. Der ständigen Betreuung bedürften vor allem Tiere, die als Milch- oder Zuchttiere gehalten würden. Etwas anders gelagert sei die Situation bei der Tiermast und insbesondere bei der Schafhaltung. Eine dauernde Anwesenheit sei auch beim Acker-, Obst- und Rebbau entbehrlich. Nebst der Nutzungsart spiele aber auch die Entfernung zur nächstgelegenen Bauzone eine Rolle. Je näher das Betriebsgebäude bei der Bauzone liege, desto eher könne der Betrieb vom Baugebiet aus geführt werden. Nebst der Distanz seien auch die topographischen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Eine Wohnbaute rechtfertige sich in der Landwirtschaftszone nur, wenn damit wesentliche Vorteile verbunden seien. Dies könne auch für einen Betrieb zutreffen, der von der Art der Nutzung des Bodens her nicht auf die dauernde Anwesenheit bestimmter Personen angewiesen sei. So lasse sich Wohnraum zu einem Ackerbaubetrieb trotzdem begründen, sofern der Hof von der nächsten Bauzone erheblich entfernt liege (Keller, a.a.O., S. 80).

bb) Das Bundesgericht hat vor dem Inkrafttreten des RPG im Lichte des Gewässerschutzgesetzes festgehalten, für Landwirtschaftsbetriebe, die nicht über die erforderlichen Gebäulichkeiten verfügten, sei das sachliche Bedürfnis zu bejahen, wenn das bewirtschaftete Areal ausserhalb der Bauzone liege «und der Betrieb nicht von innerhalb des Baugebietes liegenden Gebäulichkeiten aus geleitet werden» könne (BGE 103 Ib 112). In jenem Fall ging es um ein Wohnhaus mit Nebenräumen für einen geplanten Rindermastbetrieb (ca. 10 Mastrinder) und eine Obstkultur. Die Bewilligung wurde verweigert, weil der geplante Landwirtschaftsbetrieb weder als existenzsichernd noch als rentabel eingestuft wurde. In der Begründung verweist das Bundesgericht u.a. auf BGE 102 Ib 70, Erw. 5b, gemäss welchem Entscheid Wohnräumlichkeiten in Alphütten akzeptiert werden, «wenn für die ordnungsgemässe Bewirtschaftung ein längeres Verweilen der Bewirtschafter auf der Alp erforderlich ist und diese von den Wohngebieten fern abliegt» (Hervorhebungen nicht im Original).

Im gleichen Jahr (1977) führte das Bundesgericht zum sachlich begründeten Bedürfnis eines Wohnhauses ausserhalb der Bauzone was folgt aus: Gehe man davon aus, dass der konkrete Geflügelmaststall bewilligt werden könne, so bleibe zu prüfen, ob ein solcher Betrieb die Errichtung eines Wohnhauses in unmittelbarer Nähe erfordere, sodass in der Regel – wie bei einem herkömmlichen Bauernhof – die Erstellung einer angemessenen Wohnung ebenfalls als standortgebundene Baute ausserhalb der Bauzone zu bewilligen wäre. Im konkreten Fall wurde die Bewilligung verweigert und festgehalten, es rechtfertige sich, zwischen herkömmlichen Landwirtschaftsbetrieben mit Viehhaltung und Ackerbau einerseits und einem modernen Geflügelmastbetrieb anderseits in Bezug auf die Standortbedingtheit des Wohnhauses einen klaren Unterschied zu machen. Während dem mehrere Hektaren Kulturland bewirtschaftenden Bauern ein Wohnhaus als standortbedingte Baute bewilligt werden könne, erscheine es angebracht, bei der nicht der Bewirtschaftung landwirtschaftlichen Bodens dienenden Geflügelmast die Notwendigkeit eines Wohnhauses unmittelbar beim Geflügelstall in der Regel zu verneinen (BGE 103 Ib 117ff.).

cc) Mit der Einführung des Raumplanungsgesetzes auf den 1. Januar 1980 können und müssen Landwirtschaftszonen (Art. 16 RPG) ausgeschieden werden, die der ordentlichen Bewirtschaftung des Bodens dienen sowie Bauten und Anlagen zulassen, wenn eine hinreichend enge Verbindung zur landwirtschaftlichen Nutzung besteht. Gemäss den 1981 herausgegebenen Erläuterungen des EJPD zum Bundesgesetz über die Raumplanung gehören zum objektiven Bedürfnis eines landwirtschaftlichen Betriebes u.a. angemessener Wohnraum für die betrieblich benötigten Arbeitskräfte und für die abtretende Generation (S. 213). Als nicht mehr zonenkonform werden – unter Hinweis auf den oben ebenfalls erwähnten BGE 103 Ib 113f. – Bauten erwähnt, bei denen die Bewirtschaftung in den Hintergrund tritt und andere Nutzungen (vor allem das Wohnen) den Hauptzweck des Gebäudes bilden (S. 219f.).

Zur Zonenkonformität (bzw. Standortgebundenheit gemäss Art. 24 Abs. 1 RPG) hat das Bundesgericht in der Folge u.a. festgehalten:
          dass Wohnraum als «Folge» landwirtschaftlicher Nutzung nur dann als standortbedingt bewilligt werden könne, wenn für ein ordnungsgemässes Bewirtschaften des Bodens ein längeres Verweilen am betreffenden Ort erforderlich ist und dieser von der nächstgelegenen Wohnzone weit entfernt sei. Wer allerdings – wie im vorliegenden Fall (gewerbliche Grossgärtnerei) – schon betrieblich nicht überwiegend auf Kulturland angewiesen sei, dem dürfe auch zugemutet werden, einen Standort zu wählen, der die erforderliche Überwachung von einer nahegelegenen Wohnzone aus ermögliche (BGE 113 Ib 142);
          dass namentlich zu untersuchen sei, in welchem Umfang eine ständige Anwesenheit des Bewirtschafters zur Führung des Landwirtschaftsbetriebes notwendig sei und ferner zu berücksichtigen sei, wie weit das zu bewirtschaftende Land von der nächsten Bauzone entfernt liege. Soweit betrieblich eine ständige Anwesenheit des Personals nicht erforderlich sei, gelte dessen Wohnraum nur dann als zonenkonform, wenn die nächste Wohnzone weit entfernt und schwer erreichbar sei. Letzteres sei nicht anzunehmen, wenn ein Fussmarsch von 20 bis 30 Minuten erforderlich sei, um an den Betriebsort zu gelangen (BGE 121 II 69);
          dass Wohnraum für eine landwirtschaftliche Nutzung nur dann bewilligt werden könne, wenn für ein ordnungsgemässes, zonenkonformes Bewirtschaften des Bodens ein längeres Verweilen am betreffenden Ort erforderlich sei und dieser von der nächstgelegenen Wohnzone weit entfernt liege (BGE 121 II 310, mit Hinweisen auf BGE 113 Ib 138 E. 5a, S. 142 [vgl. oben] und 116 IB 228 E. a, S. 230 [worin jedoch das Distanzkriterium nicht erwähnt wird]).

dd) Aufgrund dieser Rechtsprechung zum Wohnraumbedarf in der Landwirtschaftszone ist es mithin angezeigt, nicht nur den Grundsatz «je näher das Betriebsgebäude bei der Wohnzone liegt, desto eher kann der Betrieb von der Wohnzone aus geführt werden» zu beachten, sondern als Richtlinie ebenso zu berücksichtigen, dass bei steigender notwendiger Anwesenheitsdauer die Zumutbarkeit für den Betriebsleiter bzw. die Betriebsleiterfamilie sinkt, den Betrieb von einer nahegelegenen Wohnzone aus zu bewirtschaften. An diesem Grundsatz vermag der vom Justizdepartement ins Recht gelegte höchstrichterliche Entscheid vom 21.6.1999 (publ. in INFO BRP 1/00, S. 22) nichts zu ändern. Das Bundesgericht erwähnt zwar im Zusammenhang mit einer Viehhaltung, dass bei Wegdistanzen von 250 m bzw. 500 m der betriebliche Vorteil gering sei, der aus dem Wohnsitz auf dem Betriebsareal gewonnen werden könne. Es gilt indes nach wie vor, dass die Frage des Vorteils bzw. der betrieblichen Notwendigkeit nach objektiven Kriterien aufgrund einer gesamthaften, mehr an qualitativen denn an quantitativen Faktoren anknüpfenden Betrachtungsweise zu beurteilen ist (vgl. oben Erw. 1 b/bb). Die Distanz ist vor allem ein quantitatives Kriterium, welches die mit der konkreten Nutzungsart zusammenhängenden qualitativen Momente (Überwachung, partnerschaftliche Bewirtschaftung eines Familienbetriebes, Ansprechperson in unmittelbarer Nähe des Betriebes) nicht in den Hintergrund verdrängen darf. Aber auch der Hinweis auf die technischen Hilfsmittel bei der Überwindung von Nachteilen bei der Bewirtschaftung von der Bauzone heraus (technische/akustische Überwachung; motorisiertes Bewältigen der Entfernung zwischen Wohnung und Betrieb) darf nicht dazu führen, dass letztlich bis auf weit abgelegene Bauernhöfe jeder Viehhaltungsbetrieb von der Bauzone aus bewirtschaftet werden muss und damit der traditionelle Bauernhof mit Stall und (integriertem oder separatem) Wohnraum sich als zonenwidrig erweisen würde. Mit dem Hinweis auf die technischen Hilfsmittel besteht aber diese Gefahr, denn ob ein Betriebsleiter 1 Minute oder 4 Minuten mit seinem Auto fahren muss, oder ob die technische Überwachung über 500 m oder 2 km hinweg erfolgt, macht keinen wesentlichen Unterschied mehr. Beim fraglichen Bundesgerichtsurteil ist aber insbesondere auch noch zu berücksichtigen, dass der konkrete Fall klarerweise gegen den Bedarf für eine landwirtschaftliche Wohnbaute in der Nähe der Bauzone spricht, nachdem der den Wohnraum beanspruchende Beschwerdegegner in 70 m bzw. 320 m Entfernung Bauland besitzt oder besessen hatte. Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt in casu jedoch nicht vor. Der Beschwerdeführer besitzt zwar im Süden des Landwirtschaftsbetriebes Bauland, er wohnt zurzeit sogar in einer von einem Baurechtsnehmer auf seinem Land erstellten Wohnung. Wie noch zu zeigen sein wird, sind aber mit der Bewirtschaftung von seinem Bauland aus erhebliche Nachteile verbunden (nachfolgend Erw. 3c/aa, bb, cc).

c) aa) Die Hauptliegenschaft des fraglichen landwirtschaftlichen Gewerbes mit Stall und Wohnhaus (KTN A) ist südlich und östlich von Bauzonen (vornehmlich WG 4 und WG 3) umgeben, wobei südseits die unmittelbare Begrenzung durch die Kantonsstrasse und die SBB-Linie erfolgt. Der Stall liegt von den Wohnzonengrenzen ca. 80 m bis 160 m entfernt (Luftlinie). Der Betriebsleiter und Beschwerdeführer ist südlich der Landwirtschaftszone Eigentümer von drei Liegenschaften in der Zone WG 4 bzw. G 2 (KTN ...). Auf der weitgehend unüberbauten KTN ... befindet sich ein gewerblich genutztes Stallgebäude und auf KTN ... eine Garage. KTN ... hat der Betriebsleiter im Baurecht abgetreten. Im darauf erstellten Wohn- und Gewerbegebäude bewohnen die Beschwerdeführer eine Mietwohnung, von wo aus sie seit ca. 1996 das landwirtschaftliche Gewerbe betreiben. Die Strassenüberführung und die SBB-Linie behindern den Sichtkontakt von der Mietwohnung zum Stallgebäude sehr stark, sodass eine visuelle Überwachung des Betriebes von der aktuellen Wohnung aus nicht möglich ist. Wegen der Kantonsstrasse und der Doppelspur-Eisenbahnlinie (...) besteht auch keine direkte strassenmässige Verbindung zwischen Mietwohnung und Stallgebäude. Vielmehr muss mit dem Motorfahrzeug (ca. 1–2 Min., bei starkem Verkehrsaufkommen auf der Kantonsstrasse evtl. etwas länger) und zu Fuss (ca. 6–8 Min.) eine Strecke von ca. 550 m zurückgelegt werden, wobei wegen der Strassenüberführung über die SBB-Linie zusätzlich eine geringfügige Steigung zu bewältigen ist (vom übrigen Bauland des Beschwerdeführers aus sind die Verhältnisse vergleichbar). Etwas kleiner würde möglicherweise die Entfernung ausfallen, wenn die Beschwerdeführer sich Wohnraum in den Wohnzonen in Richtung ... (Osten) beschaffen könnten, wobei die tatsächliche Distanz hinsichtlich der nördlich von der Kantonsstrasse gelegenen unüberbauten Wohnzonen aber nicht zuletzt von der dannzumaligen strassenmässigen Erschliessung abhängen würde.

bb) Der Beschwerdeführer hat 1991 den landwirtschaftlichen Betrieb von seinen Eltern, welche weiterhin im bestehenden Wohnhaus neben dem Stallgebäude wohnen, übernommen und bis ca. 1996 selbst im bestehenden Wohnhaus gelebt bzw. von hier aus den Betrieb bewirtschaftet. Seit ca. 4 Jahren leitet er den Betrieb zusammen mit seiner Frau von der bereits erwähnten Mietwohnung aus (das Betriebsleiterehepaar ist gemäss der im Verwaltungsbeschwerdeverfahren erstatteten Vernehmlassung v. 15.1.1999, S. 3, entsprechend ausgebildet; vgl. auch AS-Protokoll, S. 4). Der Betrieb ist hauptsächlich auf Milchwirtschaft und Viehzucht ausgerichtet (AS-Protokoll, S. 2). Mittels Zupachten ist er zwischenzeitlich erweitert worden (AS-Protokoll, S. 3). Am 22. April 1999 bestätigte das Landwirtschaftsamt eine landwirtschaftliche Nutzfläche von 11,4 ha und einen Viehbestand von 19,2 GVE (am Augenscheinstag verfügte der Betrieb jedoch nur über 15 GVE, AS-Protokoll, S. 4). Im Weiteren erwähnte das Amt, der Betrieb halte gemäss Überprüfung vom 21. Oktober 1998 die IP-Vorschriften ein. Dem Betriebsleiterehepaar, welches zwei Kinder im Alter von 3 und 5 Jahren hat, wird von den Vorinstanzen mit der (heute nicht mehr in Frage gestellten) Bewilligung des Stallanbaues eine Vergrösserung bzw. eine Zentralisierung des Betriebes zugestanden. Die zusätzliche Bodenfläche von 92.5 m2 ist für ein Läger für 13 Kühe vorgesehen. Im alten Stallteil besteht alsdann ein Läger für 12 Kühe sowie Platz sowohl für 8 Maissen als auch für Kalberboxen. Zurzeit werden Milchprodukte direkt vermarktet. Eine Ausdehnung der Direktvermarktung als zusätzliches Standbein ist vorgesehen. Im Übrigen geht der Betriebsleiter einem unregelmässigen Nebenerwerb (...) nach mit einem jährlichen Zusatzverdienst von ca. Fr. ... Die Beschwerdeführer machen geltend, seit der Betriebsführung von der Mietwohnung aus sei die Betriebsleistung zurückgegangen.

cc) Die vorliegende Nutzungsart (Milchwirtschaft und Viehzucht) verbunden mit der Direktvermarktung ist auf eine dauernde Anwesenheit des Betriebsleiters oder seines Stellvertreters, hier der Ehefrau des Betriebsleiters, angewiesen (vgl. auch BGE 121 II 314). Das kantonale Meliorationsamt macht als Fachinstanz nachvollziehbar geltend, dass ungenügende Tierbetreuung, Brunstbeobachtung usw. zu wirtschaftlichen Einbussen führen kann, die «im heutigen agrarpolitischen Umfeld für einen förderungswürdigen Familienbetrieb schwer zu verkraften» seien. Solange der Betriebsleiter seine Arbeit im Stall verrichtet (in der Regel ca. 6.00 bis ca. 9.00 sowie nach dem Frühstück bis 12.00 Uhr und ab ca. 16.30 Uhr bis ca. 20.00 Uhr) ist die erforderliche Überwachung und eine effiziente Interventionsmöglichkeit gewährleistet. Ausserhalb dieser Zeiten, wenn der Betriebsleiter draussen auf seinen (verstreuten) Nutzungsflächen oder im Nebenerwerb arbeitet oder aus anderen Gründen abwesend ist, bedarf es nebst der bereits erwähnten Überwachung (z.B. durch Kontrollgang) vor allem eines Ansprechpartners im Stallbereich, wenn Tierarzt, Besamer, Viehhändler, Zulieferer usw. ankommen, alles Berufsleute, die regelmässig keine genaue Zeitangabe über ihre bevorstehende Ankunft machen können. In einem partnerschaftlich geführten Familienbetrieb wie dem vorliegenden fällt diese Aufgabe – nebst den Kinderbetreuungs- und Haushaltungsaufgaben – auch der Ehefrau des Betriebsleiters zu. Hinzu kommen die Präsenzzeiten für eine erfolgreiche Direktvermarktung. Diese ist – nachdem die Viehhaltung eine dauernde Anwesenheit im Bereich des Stalles gebietet – vernünftigerweise ebenfalls beim Stall zu betreiben, andernfalls Präsenzzeiten an zwei verschiedenen Örtlichkeiten zu beachten wären, was insbesondere bei Abwesenheit des Mannes die Arbeit der Frau zusätzlich erschweren würde. Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände gelangt deshalb das Gericht zum Schluss, dass hier trotz der relativen Nähe zur Wohnzone Wohnraum für den Betriebsleiter in der Landwirtschaftszone unentbehrlich und mithin zonenkonform ist (was im Ergebnis wohl auch der Regierungsrat nicht in Abrede stellt, vgl. oben Erw. 3a). Dies gilt umso mehr, als das Kriterium der Entfernung bei Milchwirtschafts- und Zuchtbetrieben eine geringere Rolle spielt. Die konkreten Unzulänglichkeiten bei einer Bewirtschaftung von der Wohnzone heraus übertreffen klarerweise das Mass persönlicher Zweckmässigkeits- und Bequemlichkeitswünsche.

dd) Dass das bereits bestehende, zonenkonforme Wohnhaus durch die Eltern und nicht durch die aktuelle Betriebsleiterfamilie bewohnt wird, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Zu Recht wird im vorliegenden Verfahren nicht bestritten, dass die Eltern im Sinne der sog. «Stöcklipraxis» in der Landwirtschaftszone weiterhin wohnen dürfen, selbst wenn sie der aktuellen Betriebsleiterfamilie nicht (aushilfsweise) zur Hand gehen können oder wollen. Es wird deshalb zu prüfen sein, wo und in welchem Ausmass der Betriebsleiterfamilie nebst den Eltern Wohnraum zur Verfügung gestellt werden kann (nachfolgend Erw. 4).

(...)

4. Ist mithin davon auszugehen, dass Wohnraum für die Betriebsleiterfamilie in der Landwirtschaftszone zonenkonform ist, stellt sich die Frage, wo und in welchem Ausmass dieser Wohnraum zur Verfügung gestellt werden kann.

a) Im vorliegenden Fall geht es beim umstrittenen Einfamilienhaus an sich nicht um ein Stöckli, sondern um ein neues Betriebsleiterwohnhaus. Da das urspüngliche Betriebsleiterwohnhaus zurzeit nur als Altenteil genutzt wird, mit der Konsequenz, dass ein zusätzliches freistehendes Wohnhaus für die Betriebsleiterfamilien erstellt werden soll, stützt sich der Regierungsrat zu Recht auf die höchstrichterliche Rechtsprechung im Zusammenhang mit Wohnraum für die abtretende Generation und zieht das bestehende Wohnhaus in seine Beurteilung mit ein (vgl. oben Erw. 1b/bb).

(...)

c) Vorab ist des Weiteren festzuhalten, dass die objektiven Möglichkeiten und Gegebenheiten und nicht die privaten Dispositionen auf der Eigentümerseite (z.B. Wohnrecht), mit denen die betrieblichen Möglichkeiten beschränkt werden, massgebend sind (BVR 1994, S. 168). Andernfalls könnten beim Generationenwechsel mittels vertraglicher Bestimmungen gesetzeswidrig zusätzliche freistehende Bauten beansprucht werden. Zudem sind auch rein finanzielle Interessen nicht ausschlaggebend (vgl. oben Erw. 1. b/bb).

Im Übrigen ist nicht davon auszugehen, dass ein zusätzliches freistehendes Wohnhaus a priori unzulässig ist, nur weil der Kanton Schwyz keine entsprechende bau- und kulturgeschichtliche Tradition hat. Wenn aus objektiven Gründen genügender Wohnraum in einem bestehenden Wohnhaus nicht zur Verfügung gestellt oder durch Um-, Auf- und/oder Anbau zusätzlich geschaffen werden kann, so besteht von Bundesrechts wegen der Anspruch auf den erforderlichen Wohnraum (EJPD, a.a.O., S. 220 oben), welcher folgerichtig aber nur durch den Bau eines neuen freistehenden Wohnhauses geschaffen werden kann. § 19 Abs. 2 PBG verwendet denn auch den Begriff «Stöckli» nicht einschränkend auf einen blossen Wohnhausanbau. Zudem werden nach Auskunft der kantonalen Fachinstanz jedes Jahr ca. 6 zusätzliche freistehende Einfamilienhäuser bewilligt (AS-Protokoll, S. 15).

d) Im erstinstanzlichen Baubewilligungs- und Einspracheverfahren sind die zusätzlichen Wohnnutzungsmöglichkeiten beim bestehenden Wohnhaus nicht behandelt und abgeklärt worden. Im Verwaltungsbeschwerdeverfahren machte der damalige Beschwerdeführer (und heutige Beschwerdegegner) geltend, sein Wohnrecht umfasse lediglich die Stube sowie zwei Schlafzimmer im 1. Stock und die Garage im Parterre. Zudem stehe ihm das Mitbenutzungsrecht an der Küche, am Bad usw. zu. Es sei offensichtlich, dass in diesem Haus noch Wohnraum zur Verfügung stehe. Dem hielt das Meliorationsamt vernehmlassend entgegen, gemäss seiner Praxis würden 165 m2 BGF für den Altenteil und 200 m2 BGF für ein Betriebsleiterwohnhaus als zulässig anerkannt (vgl. jedoch EGV-SZ 1990, Nr. 67 Ziff. 8, S. 188f.: 110 m2 BGF bzw. 180 m2 BGF). Es sei offensichtlich, dass im bestehenden Wohnhaus nicht genügend Wohnraum zur Verfügung stehe. Der Regierungsrat machte alsdann aufgrund der ihm vorliegenden Akten in seinem Beschwerdeentscheid Ausführungen zu einem allfälligen Dachstockausbau bzw. zum Um- und Ausbau zu einem Zweifamilienhaus (Betriebsleiterwohnung plus Stöckli).

Dieser Verfahrensablauf zeigt zunächst auf, dass der Beschwerdeführer zu dieser Argumentation zulässigerweise vor Verwaltungsgericht Stellung nimmt und einen entsprechenden Bericht des Architekten (siehe unten Erw. 4e) ins Recht legt (§ 57 Abs. 1 VRP). Im Weiteren erklärt der bisherige Verlauf auch, weshalb die aktenkundige Sach- und Rechtslage (betr. Praxis) nicht liquid ist bzw. nicht liquid sein kann.

e) Im Bericht des Architekturbüros ... vom 24. September 1999 werden verschiedene Einwände gegen einen Um- und Ausbau mit Aufstockung vorgetragen. Die vorhandene Grundfläche für eine selbständige Wohnung sei zu klein (84 m2 statt 141 m2). Zudem müsste ein separates Treppenhaus für eine einwandfreie Erschliessung des Dachgeschosses angebaut werden. Es sei zu erwarten, dass wegen des schlechten Untergrundes bei einer Aufstockung die Fundation den statischen Ansprüchen nicht genügen würde. Erheblicher Aufwand entstünde auch bei den Hausinstallationen. Zudem würde das aufgestockte hohe Wohnhaus den Seeuferbereich stören.

Diese Einwände können zumindest teilweise nicht ohne weitere Abklärungen ausgeräumt werden. Zudem hat der Augenschein ergeben, dass bei einer Hebung des Daches zwar bis in die Kniestöcke hinaus Wohnraum geschaffen würde, dass aber gleichzeitig der heute dort vorhandene Stauraum verloren ginge. Am Augenschein wurde aber auch vorgetragen, dass das Dachgeschoss ursprünglich offenbar für einen Zwei-PersonenHaushalt gedacht war (AS-Protokoll, S. 6), was konzeptionell die Annahme eines ausbaufähigen Zweifamilienhauses nahe legt. In diesem Zusammenhang stellt sich, da von den Vorinstanzen unterschiedliche Angaben gemacht werden, die Frage nach den möglichen Bruttogeschossflächen für die Betriebsleiterwohnung bzw. den Altenteil. Beim vorliegenden Bauvorhaben ist zudem die Frage eines möglichen Anbaus, nachdem dies bei einem früheren Projekt offenbar schon einmal zur Diskussion stand, nicht mehr gestellt worden. Nach nicht verifizierten Angaben anlässlich des Augenscheins ist gegen Westen hin wegen Schleichsandes ein Anbau nicht möglich, wohl aber gegen Süden und Norden hin (d.h. also nicht in der Dachfirstrichtung...). Wie sich ein solcher Anbau gestalterisch und funktionell ausnehmen würde, ist mangels entsprechender Vorabklärungen und Projektskizzen zurzeit nicht beurteilbar. Ungeklärt ist auch, wie die heutige Vielfalt von Baumaterialien und Bautechniken der Problembewältigung entgegenkommen bzw. entgegenstehen würde.

f) Der angefochtene Entscheid ist somit aufzuheben, und die Akten sind an die Vorinstanz zur ergänzenden Sachverhaltsabklärung und Neubeurteilung zurückzuweisen. Vorab wird zu prüfen sein, welche Praxis der Kanton betreffend Wohnraum in der Landwirtschaftszone im Rahmen der bundesrechtlichen Vorgaben und unter Beachtung der vorstehenden Erwägungen verfolgt bzw. inskünftig zu verfolgen gedenkt. Alsdann sind unter Mitwirkung der Beschwerdeführer (sowie entsprechender Duldung des Beschwerdegegners) sowie unter Beizug verwaltungsinternen Fachwissens (z.B. Grundbau, Hochbau, Landschaftsschutz; am einfachsten wäre wohl ein «polydisziplinärer» Augenschein in Anwesenheit der Parteien) die Grundlagen zu erarbeiten, die eine Beurteilung ermöglichen, ob im bestehenden Gebäude der erforderliche Wohnraum integriert werden kann oder nicht. Dabei ist auch der kommunale Einwand betreffend Landschaftschutz mitzubeurteilen. Sollte sich herausstellen, dass der erforderliche Wohnraum in das bestehende Wohnhaus durch bauliche Massnahmen (inkl. Anbau) integriert werden kann, so ist das fragliche Einfamilienhaus nicht bewilligungsfähig. Sollte sich das Gegenteil herausstellen, also die fehlende Integrationsmöglichkeit, ist ein zusätzliches freistehendes Wohnhaus grundsätzlich zonenkonform. Es sind alsdann die weiteren Voraussetzungen für die Erteilung einer Baubewilligung, soweit sie noch umstritten oder unklar sind (z.B. Einordnung, BGF), zu überprüfen.

(VGE 1044/99 vom 16. März 2000).

  

15

Gemeinderecht

 Beschwerdebefugnis von Stimmberechtigten (Erw. 1);
 Verfahrensmängel (formelle Mängel) sind im Versammlungssystem, soweit zumutbar, vor der Durchführung der Abstimmung zu rügen; wer diese Rügepflicht verletzt, verwirkt grundsätzlich sein nachträgliches Anfechtungsrecht (Erw. 2, 3);
 In casu kommt Rückweisungsantrag keinem verdeckten, unzulässigen Ablehnungsantrag gleich (Erw. 4, 5, 6a und b);
 In casu die Fragen offen gelassen, ob die Auflage für eine Strasse zeitlich vor, mit oder nach dem Kreditbeschluss zum Strassenbau zu erfolgen hat, bzw. ob die Gemeinde diesbezüglich eine Wahlmöglichkeit besitzt; die Durchführung des Auflage-/Einspracheverfahrens vor der Beschlussfassung für einen Strassenbaukredit ist jedenfalls gesetzeskonform (Erw. 6c);
 Direkte Umsetzung einer in der Form der allgemeinen Anregung gehaltenen Initiative in eine ausformulierte Kreditvorlage; mittels Rückweisung darf die Beschlussfassung über eine seit mehr als einem Jahr hängige Initiative nicht weiter hinausgeschoben werden (Erw. 7).

Aus dem Sachverhalt:

Zuhanden der Bezirksgemeinde vom Freitag, 14. April 2000, legte der Bezirksrat Einsiedeln das Kreditsachgeschäft «Ausbau Grotzenmühlestrasse/Allmeindstrasse» vor. Der bezirksrätliche Antrag zu diesem Geschäft, welches an der Bezirksgemeinde beraten und an die Urnenabstimmung vom 21. Mai 2000 überwiesen werden sollte, lautete:

«Für das Projekt ‹Ausbau Grotzenmühlestrasse/Allmeindstrasse› und ‹verkehrsberuhigende Massnahmen Langrütistrasse› wird ein Kredit von brutto Fr. 3290000.– bewilligt.»

Diese Vorlage war zugleich die Umsetzung einer am 11. März 1996 von S. K. und Mitunterzeichner eingereichten Einzelinitiative, welche Folgendes verlangt hatte:

«Es ist der Einsiedler Bezirksgemeinde eine Kreditvorlage für den Ausbau der Grotzenmühlestrasse (ab Alpkreisel bis Abzweigung Allmeindstrasse) sowie der Allmeindstrasse vorzulegen. Die Ausführung des Projektes richtet sich nach der Vorgabe des Verkehrsrichtplanes und umfasst zusätzlich die notwendigen verkehrsleitenden Massnahmen. Zugleich sollen für die Langrütistrasse (ab Dorfplatz bis Abzweigung Allmeindstrasse) verkehrsberuhigende Massnahmen angeordnet werden.» (Initiative Langrütistrasse)

In Opposition zum Bezirksrat stellte die Rechnungsprüfungskommission des Bezirks Einsiedeln, welche zum Kreditgeschäft gestützt auf § 41 des Gesetzes über den Finanzhaushalt der Bezirke und Gemeinden Bericht und Antrag zu stellen hat (FHG, SRSZ 153.100), in der schriftlichen Botschaft den Antrag, die Vorlage an der Bezirksgemeinde zur nochmaligen Überarbeitung zurückzuweisen. Sollte das Projekt an die Urne überwiesen werden, empfahl die Rechnungsprüfungskommission die Vorlage zur Ablehnung.

Mit Beschluss vom 30. März 2000 nahm der Bezirksrat zu Bericht und Antrag der Rechnungsprüfungskommission Stellung, wobei er zum Schluss kam, sowohl der Rückweisungs- als auch der Ablehnungsantrag der RPK seien unbegründet. Beide Anträge basierten auf nicht zutreffenden Annahmen. Das Rückweisungsbegehren sei zudem unzulässig, da eine Eruierung der zukünftigen Kostenbelastung privater Bauherren im heutigen Zeitpunkt unmöglich sei.

An der Bezirksgemeinde vom 14. April 2000 wurde das Geschäft «Ausbau Grotzenmühlestrasse/Allmeindstrasse» durch Bezirksrätin Antonia Birchler vorgestellt mit dem bezirksrätlichen Antrag, es sei dem Kredit zuzustimmen.

Der Präsident der Rechnungsprüfungskommission stellte im Namen der Rechnungsprüfungskommission den Antrag, die Vorlage sei an die Urnenabstimmung zu überweisen mit gleichzeitiger Empfehlung zur Ablehnung. Den in der schriftlichen Botschaft gestellten Rückweisungsantrag zog die Rechnungsprüfungskommission ausdrücklich zurück.

Anschliessend stellte P.S. einen schriftlich vorbereiteten Rückweisungsantrag. In der Folge äusserten sich verschiedene Stimmbürger teils für, teils gegen den Rückweisungsantrag. Bezirksammann Meinrad Bisig hielt fest, dass die Kreditvorlage des Bezirksrates dem Initiativ-Text der Initiative Langrütistrasse entspreche. Über den Rückweisungsantrag werde heute abgestimmt. Falls der Rückweisungsantrag durchdringe, werde im Herbst 2000 an der Urne über die Initiative, aber ohne Ausbauprojekt, abgestimmt (Protokoll, S. 15). Am Schluss wurde über den Rückweisungsantrag von P. S. abgestimmt, und es wurde dieser Antrag mit Stimmenmehr angenommen.

Am 25. April 2000 reichten A.B. und U.B. beim Verwaltungsgericht eine Beschwerde ein mit den Anträgen:

«1.          Der an der Bezirksgemeindeversammlung vom 14. April 2000 gefasste Beschluss, das Geschäft ‹Ausbau Grotzenmühlestrasse/Allmeindstrasse› sei an den Bezirksrat zurückzuweisen, ist aufzuheben.
2.             Der Bezirksrat Einsiedeln ist anzuweisen, das traktandierte Geschäft ‹Ausbau Grotzenmühlestrasse/Allmeindstrasse› an die auf den 21. Mai 2000 anberaumte Urnenabstimmung zu überweisen.»

Mit Zwischenbescheid vom 27. April 2000 wies der Verwaltungsgerichtspräsident den Beschwerdeantrag Ziffer 2 ab, soweit damit die Durchführung der Urnenabstimmung über das Sachgeschäft ‹Ausbau der Grotzenmühlestrasse und Allmeindstrasse› am 21. Mai 2000 verlangt wurde.

Aus den Erwägungen:

1. Jede Person, die ein Interesse nachweist, kann gegen rechtswidrige Beschlüsse und Wahlen des Volkes, die auf der Stufe Gemeinde oder Bezirk getroffen werden, innert zehn Tagen seit dem Wahl- oder Abstimmungstag beim Verwaltungsgericht Beschwerde einreichen (§§ 95 und 96 Gemeindeorganisationsgesetz, GOG, SRSZ 152.100). Gemäss konstanter Rechtsprechung ist dieses Interesse bei Stimmberechtigten des entsprechenden Gemeinwesens immer zu bejahen (VGE 569/93 v. 27.5.1993, Prot. S. 550, E. 1; J. Hensler, Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Kanton Schwyz, S. 45). Die beiden Beschwerdeführer sind unbestrittenermassen im Bezirk Einsiedeln stimmberechtigt, weshalb sie zur Beschwerdeführung befugt sind.

2. Die Beigeladenen begründen ihren Nichteintretensantrag mit dem Hinweis, der von den Beschwerdeführern gerügte Mangel (Entgegennahme des nach ihrer Ansicht unzulässigen Rückweisungsantrages) sei bereits anlässlich der Bezirksgemeindeversammlung bekannt gewesen. Während der dreiviertelstündigen Debatte sei den Beschwerdeführern absolut genügend Zeit geblieben, ihre Bedenken vorzubringen. In objektiver und subjektiver Hinsicht sei es den Beschwerdeführern zuzumuten gewesen, den Mangel rechtzeitig anlässlich der Bezirksgemeinde selber zu rügen, zumal es sich um Bürger handle, die mit dem Verfahren an der Gemeindeversammlung vertraut seien (...).

3. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts und des Verwaltungsgerichts hat seit langem den aus dem Prinzip von Treu und Glauben entwickelten Grundsatz aufgestellt, wonach formelle Mängel (Verfahrensmängel), soweit zumutbar, vor der Durchführung der Abstimmung gerügt werden müssen, damit der Mangel womöglich noch rechtzeitig behoben werden kann. Wartet ein Stimmbürger, der bei zumutbarer Sorgfalt einen formellen Mangel erkennen konnte, mit der Beanstandung bis nach der Durchführung der Abstimmung zu, um dann je nach dem Ergebnis der Abstimmung (wenn ihm dieses nicht behagt) Beschwerde zu führen, dann handelt er gegen Treu und Glauben, und er hat das Anfechtungsrecht verwirkt. Die Verwirkung tritt aber nur ein, wenn ein Einspruch vor der Abstimmung nicht nur an sich (objektiv) möglich, sondern den Betroffenen nach den Umständen auch zumutbar war (VGE 853/99 v. 25.8.1999, E. 1b/bb; 542/1989 v. 23.5.1989, E. 2b, Prot. 461f. mit Hinweisen; BGE v. 5.10.1979 i.S. Reichmuth & Beteiligte gegen Oberallmeindkorporation Schwyz, E. 3, S. 11ff.; EGV-SZ 1985, Nr. 5 E. 6; 1993, Nr. 20 E. 6b).

Die Grenzen der Zumutbarkeit eines Einspruches sind bei Wahlen und Abstimmungen, die im Versammlungssystem gefällt werden, eng zu ziehen. Die Unmittelbarkeit einer Verhandlung wird die meisten Stimmberechtigten überfordern, wenn es darum geht, nicht offensichtliche Mängel sofort zu erkennen und dagegen Einspruch zu erheben (Hensler, Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Kanton Schwyz, S. 45/46 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Vorliegend ist zu beachten, dass ein Rückweisungsantrag bei Sachgeschäften, die an der Bezirksgemeindeversammlung beraten und anschliessend an der Urne verabschiedet werden, grundsätzlich zulässig ist (vgl. nachstehend). Schon von daher ist ein allenfalls unzulässiger Rückweisungsantrag nicht ohne weiteres zu erkennen. Vorliegend wurde denn auch die Frage der Zulässigkeit des Rückweisungsantrages weder von Seiten des Büros der Versammlung (§ 22 GOG), noch von einem der Redner zum entsprechenden Traktandum an der Versammlung aufgeworfen. Unter diesen Umständen wäre eine Verletzung der Rügepflicht eher zu verneinen. Für eine Verletzung der Rügepflicht und mithin für Nichteintreten spricht allerdings die Argumentationsweise der Beschwerdeführer selber, welche ausführen, es habe sich um einen offensichtlich unzulässigen Antrag gehandelt (vgl. Beschwerde Ziff. 9). War der Antrag aber in den Augen der Beschwerdeführer offensichtlich unzulässig, so hätte von den Beschwerdeführern, welche an der Versammlung anwesend waren, erwartet werden können, dass einer das Wort ergriffen und die Versammlungsleitung aufgefordert hätte, diesen Antrag nicht zur Abstimmung zu bringen. Indem sie dies unterliessen, haben sie das nachträgliche Beschwerderecht verwirkt, und es ist deshalb auf die Beschwerde nicht einzutreten.

Selbst wenn aber auf die Beschwerde einzutreten wäre, müsste sie aus den folgenden Gründen abgewiesen werden.

4. Die Stimmberechtigten des Bezirks Einsiedeln haben die Einführung der Urnenabstimmung für alle Sachgeschäfte, vorbehältlich der Ausnahmen gemäss § 72 Abs. 3 KV, beschlossen.

Über die der Urnenabstimmung unterstellten Sachgeschäfte und Initiativbegehren ist vorher an der Gemeindeversammlung zu beraten (§ 12 Abs. 1 GOG). Anträge auf Ablehnung oder Nichteintreten sind unzulässig; im Übrigen gilt § 26 dieses Gesetzes (§ 12 Abs. 2 GOG).

Nach § 26 Abs. 2 GOG haben bei der Abstimmung Anträge auf Rückweisung, Verschiebung oder Trennung des Geschäftes den Vorrang. Wird Rückweisung oder Verschiebung beschlossen, so geht das Geschäft an den Gemeinderat (bzw. Bezirksrat) zurück. In allen andern Fällen wird ein Sachentscheid getroffen (§ 26 Abs. 3 GOG). Dabei wird zuerst über Eintreten oder Nichteintreten abgestimmt. Anschliessend wird über die Abänderungsanträge Beschluss gefasst. Abänderungsanträge, die sich gegenseitig ausschliessen, sind einander gegenüberzustellen. Zum Schluss wird über die bereinigten Hauptanträge abgestimmt (§ 26 Abs. 4 GOG). Das GOG unterscheidet somit zwischen formellen Anträgen und Sachanträgen und nennt folgende Arten von Anträgen:
            Rückweisungsanträge
            Verschiebungsanträge
            Trennungsanträge (Trennung des Geschäftes).
Diese drei gehören zu den formellen Anträgen.

            Eintretens- und Nichteintretensantrag
            Abänderungsantrag
            Hauptantrag und Ablehnungsantrag als Pendant.
Diese drei Anträge bzw. deren Pendants gehören zu den Sachanträgen. Im zweistufigen Beschlussverfahren mit Beratung an der Versammlung und Schlussabstimmung an der Urne sind gemäss § 12 Abs. 2 GOG Anträge auf Ablehnung und Nichteintretensanträge (beides Sachanträge gemäss § 26 Abs. 4 GOG) unzulässig. Hingegen sind Abänderungsanträge sowie die formellen Anträge gemäss § 26 Abs. 2 GOG grundsätzlich zulässig (EGV-SZ 1996, Nr. 9, S. 19ff.).

5. Mit dem Antrag auf Rückweisung wird der Bezirksrat verhalten, ein Geschäft einer nochmaligen Prüfung zu unterziehen. Solche Anträge können aus formellen Gründen (z.B. mangelhafte Vorbereitung oder Information) oder aus materiellen Gründen (z.B. andere Gestaltung eines Projektes, weniger aufwendige Lösung usw.) gestellt werden (F. Huwyler, Das Gemeindeorganisationsgesetz, Referat v. 9.11.1977, S. 33/34). Lehre und Rechtsprechung betonen, dass im Verfahren der beratenden Gemeindeversammlung auch gegenüber Anträgen, welche als Rückweisungs- oder Verschiebungsanträge bezeichnet werden, hinsichtlich deren Zulässigkeit eine gewisse Zurückhaltung geboten ist. Wenn solche Anträge sachlich einem Nichteintretens- oder Ablehnungsantrag gleichkommen, sind sie als verdeckte oder getarnte Abweisungs- oder Nichteintretensanträge unzulässig und nicht zur Abstimmung zu bringen (Huwyler, a.a.O., derselbe, Die Beratungspflicht der Gemeindeversammlung, EGV-1972, S. 122; VGE 607/76 v. 25.2.1977, E. 5, Prot. 42).

Diese Praxis ergibt sich aus dem Sinn des zweistufigen Beschlussverfahrens mit der Beratung im Versammlungssystem und der Schlussabstimmung an der Urne. Die Urnenabstimmung soll nicht durch verdeckte Rückweisungs- oder Verschiebungsanträge ausgeschaltet werden dürfen oder anders ausgedrückt, es soll das in § 12 Abs. 2 GOG statuierte Verbot von Ablehnungs- und Nichteintretensanträgen durch Anträge, welche anders benannt werden, aber inhaltlich nahe bei einem Ablehnungs- oder Nichteintretensantrag liegen, nicht unterlaufen werden dürfen. Wann ein Rückweisungs- oder Verschiebungsantrag als verdeckter Ablehnungs- oder Nichteintretensantrag zu qualifizieren und demzufolge unzulässig ist, lässt sich abschliessend nicht generell, sondern nur einzelfallweise anhand der konkreten Umstände beurteilen. Im Gegensatz zur Praxis bei der Zulässigkeit von Abänderungsanträgen ist dabei eine erhöhte Zurückhaltung angezeigt; dies, weil andernfalls die Aufgabenteilung zwischen der beratenden Gemeindeversammlung und der Schlussabstimmung an der Urne verwischt würde. Ein zweites, mindestens so gewichtiges Argument für diese Zurückhaltung liegt darin begründet, dass die beratende Versammlung in der Regel weit weniger repräsentativ ist als die Urnenabstimmung. So zählte der Bezirk Einsiedeln an der Urnenabstimmung vom 21. Mai 2000 8517 Stimmberechtigte. 4284 Stimmberechtigte (50,3%) aus dem Bezirk Einsiedeln nahmen an der Urnenabstimmung vom 21. Mai 2000 über die bilateralen Verträge teil (vgl. Amtsblatt Nr. 21 v. 26. Mai 2000, S. 764). An der beratenden Bezirksgemeindeversammlung vom 14. April 2000 nahmen demgegenüber lediglich ca. 220 Stimmbürgerinnen und Stimmbürger teil (Protokollentwurf, S. 1). Die beratende Versammlung mit einer Beteiligung von 2,6% der Stimmberechtigten war somit bedeutend weniger repräsentativ als die beschlussfassende Urnenabstimmung vom 21. Mai 2000. Die sehr geringe Beteiligung an der beratenden Versammlung bringt es mit sich, dass ein einzelnes Quartier, dessen Bewohner an einem Sachgeschäft infolge besonderer Betroffenheit stark interessiert sind, durch entsprechenden Besuch die beratende Versammlung majorisieren kann (EGV-SZ 1996, Nr. 9 E. 6, S. 20f.).

6. a) Die Beschwerdeführer machen geltend, es erübrige sich, auf die Begründungen der Antragsteller näher einzutreten. Sie seien nämlich samt und sonders nicht stichhaltig, insofern damit die Rückweisung des Geschäftes begründbar wäre. Hingegen lasse sich daraus eindeutig die Ablehnung der Vorlage erkennen. Es handle sich klar um einen verdeckten Ablehnungsantrag, was gemäss Literatur und Rechtsprechung nicht zulässig sei. Das vorgelegte Projekt sei in keiner Weise gerügt oder kritisiert worden. Es seien auch keine Abänderungen am Projekt beantragt worden, was allenfalls eine Rückweisung möglich gemacht hätte (vgl. Beschwerde Ziff. 8).

b) Demgegenüber verweisen die Beigeladenen auf den schriftlich begründeten Rückweisungsantrag und betonen, es gehe ihnen um die Durchführung des vom Gesetz geforderten korrekten Verfahrens (§ 13 Abs. 2 Strassenverordnung, StrV, SRSZ 442.110) und eine (vom Bezirksrat verlangbare) kritisch-konstruktive Auseinandersetzung mit einem Initiativbegehren bzw. eine von demselben zu beachtende Sorgfalt auch bei der Ausarbeitung einer – dem Initiativbegehren folgenden – Ausführungsvorlage, gerade wenn dabei verschiedenartigste erhebliche Interessen tangiert seien. Von Seiten des Bezirksrates sei im Übrigen in keiner Weise gegen diese vorgebrachten Kritikpunkte opponiert worden, nicht einmal gegen den Vorwurf der (verfahrensmässigen) Rechtswidrigkeit der bezirksrätlichen Vorlage.

Gemäss dem Protokoll (...) führte P. S. aus:

« – Zunächst ist das ordentliche, vom Gesetz vorgesehene Verfahren einzuhalten. Für die erhebliche Änderung bestehender Strassen, vor allem einer solchen mit grossen Auswirkungen auf die Umwelt, verlangt die Strassenverordnung die vorgängige Durchführung eines besonderen Erschliessungsplanverfahrens. Nur in einem abwägenden Planungsprozess lassen sich die seit Jahrzehnten anstehenden Probleme, die heute echte Herausforderungen darstellen (wie Lösung Verkehrskonzept, Verkehrssicherheit, Siedlungs- und Wohnqualität, Sport- und Naherholungszone usw.) in ihren vollen Tragweiten erkennen und lösen. Ich weise darauf hin, dass die Notwendigkeit eines besonderen Erschliessungsplanverfahrens vom Regierungsrat in der Botschaft zur Strassenverordnung bestätigt wird. Der im Januar/Februar 2000 vom Bezirksrat aufgelegte allgemeine Erschliessungsplan beinhaltet nur die Groberschliessung der Bauzonen. Die kommunale Basiserschliessung war ausdrücklich nicht Gegenstand des damaligen Verfahrens. Der Bezirksrat wird deshalb aufgefordert, den formellen Mangel bzw. die Rechtswidrigkeit seiner Vorlage zu beheben. Das heisst, er muss vorgängig der Sachvorlage das vom Gesetz geforderte besondere Erschliessungsplanverfahren für einen allfälligen Ausbau und die damit verbundene Aufklassierung der Grotzenmühle-/Allmeindstrasse durchführen.»

c) Gemäss § 13 Abs. 2 der neuen, am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen StrV plant die Gemeinde (bzw. der Bezirk) Strassen im Nutzungsplanverfahren nach PBG. Im regierungsrätlichen Bericht zur Vorlage an den Kantonsrat zur Strassenverordnung wird ausgeführt:

«In den §§ 13ff. PBG werden die Gemeinden ausdrücklich zur Erschliessungsplanung verpflichtet. Das Gesetz denkt dabei an die Groberschliessung der Bauzonen (vgl. §§ 22ff. PBG). Strassen, die eine andere Funktion erfüllen, etwa der kommunalen Basiserschliessung dienen, werden nicht erfasst. § 12 Abs. 2 (recte: § 13 Abs. 2) schliesst diese Lücke und verpflichtet die Gemeinde, alle Strassen, die nicht der Planungshoheit des Kantons unterstellt sind, nach den Vorschriften des PBG über das Nutzungsplanverfahren zu planen. Die Gemeinde wird entscheiden, ob diese Pflicht im Rahmen eines allgemeinen Zonen- oder besonderen Erschliessungsplanverfahrens erfüllt wird. (RRB Nr. 2225/1998 v. 15. Dezember 1998, S. 16).»

In der kantonsrätlichen Kommission und in den Behandlungen des Kantonsrates gingen zu § 13 der Vorlage weder Wortmeldungen noch Abänderungsanträge ein. Die Grotzenmühlestrasse und Allmeindstrasse sind nicht Gegenstand des Erschliessungsplanes, der vom Bezirksrat Einsiedeln am 14. Januar 2000 gestützt auf § 25 Abs. 2 des Planungs- und Baugesetzes (PBG) öffentlich aufgelegt worden ist. Dies besagt indessen nur, dass der Bezirksrat diesen Strassenanlagen eine über die Groberschliessung hinausreichende höherrangige Funktion beimisst. Die Auflage gemäss den §§ 25ff. PBG ist aber, gestützt auf § 13 Abs. 2 StrV gleichwohl eine gesetzliche Verpflichtung. Ob die Auflage für eine solche Strasse zeitlich vor, mit oder nach dem Kreditbeschluss zum Strassenbau bzw. Strassenausbau zu erfolgen hat, bzw. ob die Gemeinde oder der Bezirk diesbezüglich eine Wahlmöglichkeit besitzt, ist in der StrV nicht geregelt und braucht im vorliegenden Verfahren nicht abschliessend beurteilt zu werden. Jedenfalls aber kann aufgrund des generellen Verweises in § 13 Abs. 2 StrV auf das Nutzungsplanverfahren nach PBG festgehalten werden, dass die Durchführung des Auflage- und Einspracheverfahrens vor der Fassung des Kreditbeschlusses zum Strassenbau jedenfalls gesetzeskonform ist. Allein schon dieser verfahrensrechtliche Aspekt widerlegt die Auffassung der Beschwerdeführer, wonach der Rückweisungsantrag einem verdeckten Ablehnungsantrag gleichkommt.

7. Weiter zu prüfen ist die Frage, ob der Rückweisungsantrag im Hinblick auf die hängige Initiative Langrütistrasse zulässig war. Das Initiativrecht in den Bezirken und Gemeinden unterscheidet zwischen der Rechtsetzungsinitiative (Initiativbegehren, das sich auf den Erlass, die Abänderung oder die Aufhebung einer Verordnung bezieht) und der Initiative, die sich auf einen Verwaltungsakt bezieht (vgl. § 73 Abs. 2 Kantonsverfassung). Eine Rechtsetzungsinitiative ist nur in der Form der allgemeinen Anregung zulässig, während die Initiative auf Erlass eines Verwaltungsaktes sowohl als allgemeine Anregung als auch in Form des ausgearbeiteten Entwurfes eingereicht werden kann (vgl. P. Gander, Die Volksinitiative im Kanton Schwyz, ZBl 1990, S. 398). Die «Initiative Langrütistrasse» ist in der Form der allgemeinen Anregung gehalten. Wird eine solche Initiative zur Abstimmung gebracht und von den Stimmbürgern (vorliegend an der Urnenabstimmung) angenommen, so hat der Bezirksrat anschliessend entsprechend der allgemeinen Anregung eine konkrete Kreditvorlage auszuarbeiten, wobei offen ist, ob er hiefür die Einjahresfrist gemäss § 8 Abs. 5 Gemeindeorganisationsgesetz (GOG, SRSZ 152.100) zu beachten hat (vgl. Gander, a.a.O.). Vorliegend hat der Bezirksrat die in der Form der allgemeinen Anregung gehaltene Initiative Langrütistrasse, ohne diese vorerst der beratenden Gemeindeversammlung und der Urnenabstimmung zu unterstellen, sogleich in eine ausformulierte Kreditvorlage umgesetzt. Dies ist wohl als statthaft anzusehen, zumal dann, wenn dadurch die Anliegen der Initianten – wie dies hier geschehen ist – vollumfänglich gewahrt werden. Es ist denn auch nicht aktenkundig, dass die Initianten dieses Vorgehen in irgendeinem Verfahrenszeitpunkt gerügt hätten. Abschliessend zu beurteilen ist diese Frage indessen in diesem Verfahren nicht; denn nach dem angefochtenen Rückweisungsbeschluss ist die ausformulierte Kreditvorlage vorerst aus der Entscheidungsebene eliminiert worden. Problematisch wäre es hingegen, wenn mit der Gutheissung des Rückweisungsantrages auch die Initiative auf die lange Bank geschoben worden wäre. Nachdem vorliegend die in § 8 Abs. 4 GOG gesetzte einjährige Frist für die Vorlage der Initiative ohnehin, wenn auch teilweise mit Einverständnis der Initianten, beträchtlich überschritten worden ist, wäre es kaum zulässig, mittels Rückweisung die Beschlussfassung über die Initiative weiter hinauszuschieben. Diese Frage braucht indessen vorliegend ebenfalls nicht abschliessend behandelt zu werden; denn der Bezirksammann hat an der Versammlung vom 14. April 2000 mehrmals und mit aller Deutlichkeit den zutreffenden Hinweis gemacht, dass der Bezirksrat die Initiative Langrütistrasse in Form der allgemeinen Anregung im Herbst 2000 zur Abstimmung bringe, sofern der Rückweisungsantrag zum bezirksrätlichen Kreditgeschäft angenommen werde (...). Mithin gilt der zu diesem Geschäft gefasste Rückweisungsbeschluss zum Antrag des Bezirksrates zugleich auch als Überweisungsbeschluss an die Urnenabstimmung in Bezug auf die Initiative Langrütistrasse in der Form der allgemeinen Anregung. Sollten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger der Initiative Langrütistrasse an der Urnenabstimmung zustimmen, hätte der Bezirksrat alsdann, nach Durchführung des Auflage- und Einspracheverfahrens (§ 13 Abs. 2 StrV i.V. mit §§ 25ff. PBG), erneut eine Kreditvorlage der Gemeindeversammlung zu unterbreiten.

(VGE 846/00 vom 5. Juli 2000).

  

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Umweltschutzrecht

– Katastrophenschutz: Tragbarkeit eines Risikos; Interessenabwägung (Art. 10 Umweltschutzgesetz, USG; Art. 7 Störfallverordnung, StFV).

Rechtliche Ausgangslage/Sachverhalt:

Wer Anlagen betreibt oder betreiben will, die bei ausserordentlichen Ereignissen den Menschen oder seine natürliche Umwelt schwer schädigen können, trifft die zum Schutz der Bevölkerung und der Umwelt notwendigen Massnahmen. Insbesondere sind die geeigneten Standorte zu wählen, die erforderlichen Sicherheitsabstände einzuhalten, technische Sicherheitsvorkehren zu treffen sowie die Überwachung des Betriebes und die Alarmorganisation zu gewährleisten (Art. 10 Abs. 1 USG). Der Bundesrat kann durch Verordnung bestimmte Produktionsverfahren oder Lagerhaltungen verbieten, wenn die Bevölkerung und die natürliche Umwelt auf keine andere Weise ausreichend geschützt werden können (Art. 10 Abs. 2 USG). Er erliess hiezu die Störfallverordnung vom 27. Februar 1991. Als Störfall gilt ein ausserordentliches Ereignis in einem Betrieb oder auf einem Verkehrsweg, bei dem erhebliche Einwirkungen ausserhalb des Betriebsareals bzw. auf oder ausserhalb des Verkehrsweges einwirken (Art. 2 Abs. 2 lit. a StFV). Das Risiko wird bestimmt durch das Ausmass der möglichen Schädigungen der Bevölkerung oder der Umwelt infolge von Störfällen und der Wahrscheinlichkeit, mit der diese eintreten (Art. 2 Abs. 5 StFV). Ist die Annahme unzulässig, dass bei Betrieben schwere Schädigungen für die Bevölkerung oder die Umwelt infolge von Störfällen nicht zu erwarten sind, bzw. dass bei Verkehrswegen die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Störfall mit schweren Schädigungen eintritt, hinreichend klein ist, so hat der Betriebsinhaber eine Risikoermittlung zu erstellen (Art. 6 StFV). Die Vollzugsbehörde prüft die Risikoermittlung und beurteilt, ob das Risiko tragbar ist. Sie hält ihre Beurteilung in einem Kontrollbericht fest (Art. 7 Abs. 1 StFV). Bei der Beurteilung der Tragbarkeit des Risikos – so Art. 7 Abs. 2 StFV – berücksichtigt die Vollzugsbehörde die Risiken in der Umgebung und beachtet namentlich, dass die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Störfall eintritt, umso geringer sein muss, je schwerer die Schutzbedürfnisse der Bevölkerung oder der Umwelt vor schweren Schädigungen infolge von Störfällen gegenüber den privaten und öffentlichen Interessen an einem Betrieb oder einem Verkehrsweg wiegen (lit. a) und je grösser das Ausmass der möglichen Schädigungen der Bevölkerung oder der Umwelt ist (lit. b). Ist das Risiko nicht tragbar, so ordnet die Vollzugsbehörde die erforderlichen zusätzlichen Massnahmen an. Zu diesen gehören nötigenfalls auch Betriebs- und Verkehrsbeschränkungen sowie Betriebs- und Verkehrsverbote (Art. 8 Abs. 1 StFV). Das BUWAL erliess Richtlinien im Handbuch I zur Störfallverordnung vom Juni 1991 und in den Beurteilungskriterien I zur Störfallverordnung vom September 1996. Danach wird das Risiko als Summenkurve in einem Wahrscheinlichkeits-Ausmass-Diagramm (W-A-Diagramm) dargestellt, wobei das W-A-Diagramm in drei Bereiche unterteilt ist: in einen nicht akzeptablen Bereich, einen Übergangsbereich und einen akzeptablen Bereich. Liegt die Summenkurve (teilweise) im nicht akzeptablen Bereich, so ist das Risiko nicht tragbar und eine Interessenabwägung nach Art. 7 StFV nicht angebracht. Liegt die Summenkurve vollständig im akzeptablen Bereich, so ist das Risiko tragbar. Liegt die Summenkurve hingegen (teilweise) im Übergangsbereich, so führt die Vollzugsbehörde eine Interessenabwägung nach Art. 7 Abs. 2 lit. a StFV durch, d.h., dem Schutzbedürfnis der Bevölkerung oder der Umwelt vor schweren Schädigungen infolge von Störfällen werden die privaten und öffentlichen Interessen an einem Betrieb oder einem Verkehrsweg gegenübergestellt. Fällt die Interessenabwägung positiv aus, d.h., überwiegen die privaten und öffentlichen Interessen am Betrieb, so ist das Risiko tragbar. Fällt die Interessenabwägung negativ aus, d.h., überwiegen die Schutzbedürfnisse der Bevölkerung oder der Umwelt, ist das Risiko nicht tragbar und die Vollzugsbehörde verfügt eine Zielvorgabe für den Verlauf der Summenkurve. Diese Zielvorgabe richtet sich wiederum nach der Interessenabwägung gemäss Art. 7 Abs 2 StFV.

Im konkreten Fall wird bei einer Wasserparkanlage für die Wasserdesinfektion druckverflüssigtes Chlorgas (Lagerung von bis zu 1000 kg) verwendet. Chlor (ein gelblichgrünes Gas mit scharfem, beissendem Geruch) ist der Giftklasse 1 zugeordnet. Es wirkt bei einer Konzentration von 500 ppm (parts per million) innert 5–10 Minuten tödlich. Die Wasserparkanlage ist unbestrittenermassen der Störfallverordnung unterstellt. Die Risikoermittlung ergab, dass beim Ist-Zustand die Risikosummenkurve im Übergangsbereich liegt. Die Betriebsinhaberin schlug zur Risikominderung verschiedene bauliche und betriebliche Massnahmen vor. Vor Verwaltungsgericht waren u.a. die Auswirkungen dieser Vorschläge auf den Verlauf der Risikosummenkurve umstritten. Das Verwaltungsgericht bestätigte einen Beschwerdeentscheid des Regierungsrates, wonach die Risikosummenkurve auch bei Berücksichtigung der vorgeschlagenen Sicherheitsmassnahmen im Übergangsbereich liegt und es mithin einer Interessenabwägung nach Art. 7 Abs. 2 lit. a StFV bedarf. In einem obiter dictum führte es zudem aus:

Aus den Erwägungen:

6. g) Selbst wenn die Risikosummenkurve gänzlich im akzeptablen Bereich liegen würde, was in casu aber nicht nachgewiesen wurde, ist Folgendes zu beachten. Das zuständige Bundesamt hat im Rahmen seiner Richtlinienkompetenz (Art. 22 StFV) im Wahrscheinlichkeits-/Ausmass- Diagramm die Akzeptanzlinie sowie den Übergangsbereich definiert. Diese Definition erfolgt in Anwendung von Art. 7 StFV, und insofern liegt ihr bereits eine erste Interessenabwägung gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. a StFV zu Grunde. Liegt der Störfallwert über 1 (mehr als 2000 Todesopfer), so ist das Risiko gemäss den Richtlinien unbesehen der Eintretenswahrscheinlichkeit sowie privater und öffentlicher Interessen in jedem Falle nicht mehr tragbar, wobei gleichzeitig aber zu erwähnen ist, dass Störfallwerte über 1 bei den in der Schweiz typischen Betrieben mit gefährlichen Stoffen kaum zu erwarten sind (Handbuch I, Anhang G, S. 47). Die Interessenabwägung nach Art. 7 Abs. 2 lit. a StFV kommt ein zweites Mal zum Tragen, wenn die Risiko-Summenkurve im Übergangsbereich liegt (Beurteilungskriterien I, S. 10). Im Handbuch I wird im Zusammenhang mit der Beurteilung der Tragbarkeit des Risikos ausgeführt, es werde «vermutlich ein Mass an Schädigungen geben, das durch die privaten und öffentlichen Interessen nicht mehr aufgewogen» werden könne. In diesem Fall sei das Risiko unabhängig von der Eintretenswahrscheinlichkeit als untragbar zu bezeichnen (S. 36). Nachdem nun aber die Parallele zur Akzeptanzlinie, welche den Übergangsbereich zum akzeptablen Bereich abgrenzt, erst beim Störfallwert 0,9 (1000 Todesopfer) in die Zone gelangt, in dem die Eintretenswahrscheinlichkeit keine Rolle mehr spielt, muss man sich fragen, ob der nachvollziehbaren und im Einklang mit Art. 7 Abs. 2 StFV liegenden Vermutung, dass gewisse Risikoausmasse unbesehen der öffentlichen und privaten Interessen und der Eintretenswahrscheinlichkeit kein tragbares Risiko mehr darstellten, mit dem im Wahrscheinlichkeits-Ausmass-Diagramm definierten Nichtakzeptanz- und Übergangsbereich genügend Rechnung getragen wird. Es leuchtet jedenfalls nicht ein, dass beispielsweise ein Schadensausmass von 950 Todesopfern noch von einer, wenn auch sehr kleinen Eintretenswahrscheinlichkeit abhängig gemacht werden soll, damit im konkreten Fall überhaupt eine Interessenabwägung nach Art. 7 Abs. 2 StFV stattfinden kann, zumal wenn man weiss, dass die Schadensausmass- und Wahrscheinlichkeitsannahmen sachbedingt ungenaue Schätzwerte darstellen. Zieht man in Betracht,
          dass die kantonale Vollzugsbehörde in der Pflicht steht, Art. 7 StFV sachgerecht anzuwenden und durchzusetzen,
          dass der Interessenabwägung nach Art. 7 Abs. 2 lit. a StFV im konkreten Einzelfall bei der Beurteilung der Risikoermittlung eine erhebliche Bedeutung zukommt,
          dass die Akzeptanzlinie sowie der Übergangsbereich in den bundesamtlichen Richtlinien jedoch so festgesetzt sind, dass katastrophale Schadensausmasse (ab Störfallwert 0,5 = ca. 47 Todesopfer) zu einem erheblichen Teil in den akzeptablen Bereich zu liegen kommen und somit zum Vornherein einer konkreten, betriebsbezogenen Interessenabwägung entzogen sind,
          dass indes diese Richtlinien zwar über unverbindliche Empfehlungen hinausgehen, aber nicht denselben Grad an Verbindlichkeit wie Gesetze oder Verordnungen beanspruchen (Beurteilungskriterien I, S. 1),
          dass Abweichungen deshalb zulässig, ja geboten sind, um den Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen nachleben zu können,
          und dass den Vollzugsbehörden ein grosser Ermessens- und Beurteilungsspielraum zukommt,

so ist es angezeigt, im Einzelfall abweichend vom in den Richtlinien definierten Übergangsbereich auch für hohe Störfallwerte, die im akzeptablen Bereich liegen, eine Interessenabwägung nach Art. 7 Abs. 2 lit. a StFV vorzunehmen, zumal dann, wenn dies für den Ist-Zustand unbestrittenermassen erforderlich ist und es nun darum geht, die vorgeschlagenen zusätzlichen Sicherheitsmassnahmen im Lichte von Art. 7f StFV zu beurteilen.

Im vorliegenden Fall sind mögliche «worst case»-Szenarien, wie Ankunft eines oder mehrerer Cars (...) bei gleichzeitiger Freisetzung von Chlorgas wegen angeblicher Irrelevanz der Eintretenswahrscheinlichkeit (was jedoch nicht ausgewiesen ist) nicht berechnet worden (...). Da in einem solchen Extremfall ohne weiteres ein katastrophales Schadensausmass eintreten kann, muss deshalb eine Interessenabwägung selbst dann zulässig sein, wenn allenfalls wegen zu geringer Eintretenswahrscheinlichkeit die Risikosummenkurve nicht im Übergangsbereich zu liegen käme.

(VGE 1060/98 vom 21. Mai 1999).

Das Bundesgericht hat mit Urteil vom 8. Januar 2001 den Verwaltungsgerichtsentscheid 1060/98 vom 21. Mai 1999 aufgehoben und den Kanton angewiesen, hinsichtlich des Verlaufs der Risikosummenkurve unter Berücksichtigung der Vorschläge der Betriebsinhaberin weitere Abklärungen zu treffen. Es hält in seiner Begründung ausdrücklich fest, dass «auch den ‹worst-case›-Szenarien mit einem Störfallwert von 0,5 bis 0,6 eine Eintretenswahrscheinlichkeit zuzuordnen» sei. Zum oben wiedergegebenen obiter dictum des Verwaltungsgerichts führte es wörtlich aus:

«5. d) bb) Allerdings ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass eine Interessenabwägung bei katastrophalem Schadenausmass selbst dann zulässig sei, wenn das Risiko gemäss W-A-Diagramm im akzeptablen Bereich liege, d.h., dass Risiken mit erheblichem Schadenspotential in jedem Fall unzulässig seien, unabhängig von der Eintretenswahrscheinlichkeit. Würde diese Rechtsauffassung zutreffen, wäre die fehlende (bzw. zu hohe) Eintretenswahrscheinlichkeit für die ‹worst-case›-Szenarien unerheblich.
Die Frage, ob gewisse katastrophale Schadenspotentiale in jedem Fall unzulässig sind, unabhängig von der Eintretenswahrscheinlichkeit, wird in der Literatur unterschiedlich beantwortet (Übersicht zum Diskussionsstand in: Hansjörg Seiler, Recht und technische Risiken, Zürich 1997, S. 258; derselbe, staats- und verwaltungsrechtliche Fragen der Bewertung technischer Risiken, insbesondere am Beispiel des Vollzugs von Art. 10 USG, ZBJV 130/1994, S. 1ff., insbes. S. 15). USG und Störfallverordnung enthalten keine ausdrückliche maximale Schadenobergrenze. Das Handbuch I (S. 36) hält es für möglich, dass es ein Mass an Schädigungen gebe, das durch die privaten und öffentlichen Interessen nicht mehr aufgewogen werden könne und unabhängig von der Eintretenswahrscheinlichkeit als untragbar zu bezeichnen sei. Es hat in Anhang G, Fig. G 4, S. 52 eine solche Grenze bei Störfallwert 1,0 gezogen. In den Beurteilungskriterien (S. 8) wurde die Frage dagegen offen gelassen: Ausmassachse und Akzeptabilitätslinie enden beim Störfallwert 1,0, da bei den in der Schweiz vorhandenen Betrieben nicht mit Ereignissen mit grösserem Schadenausmass zu rechnen sei. Grundsätzlich sind die Kantone, denen der Vollzug der Störfallverordnung obliegt, daher berechtigt, eine derartige maximale Schadenobergrenze festzulegen (Seiler, Bewertung technischer Risiken, a.a.O., S. 15). Dabei kann es aber nur um Schadenausmasse gehen, die wirklich Grosskatastrophen darstellen, nicht aber schon um Störfallwerte von 0.5 oder 0.6 (ca. 50–100 Tote). Ein Gefährdungspotential in dieser Grössenordnung haben sehr viele Anlagen (z.B. Tankstellen, Tanklastwagen, Eisenbahn- oder Strassentunnels, Chemiebetriebe usw.). Würde man bereits bei solchen Schadenspotentialen ungeachtet der Wahrscheinlichkeit Betriebsverbote zulassen, könnte fast jede gewerbliche, industrielle oder kulturelle Tätigkeit gestützt auf die Störfallverordnung verboten werden. Dies kann nicht der Sinn von Art. 10 USG und von Art. 7f. StFV sein.»

(BGE 1A. 144/1999 vom 8. Januar 2001 = BGE 127 II 18).

  

17

Vollstreckungsrecht

 Vollstreckbarkeit einer Vollstreckungsandrohung.

Aus den Erwägungen:

2. (...)

Die Vollstreckungsandrohung muss im Zeitpunkt der unbewilligten Schulabsenz vollstreckbar sein. Nur eine rechtskräftige bzw. vollstreckbare Vollstreckungsandrohung vermag einerseits nachhaltig auf die persönliche Pflichterfüllung einzuwirken und anderseits im Säumnisfall die Anordnung der angedrohten Vollstreckungsmassnahme zu rechtfertigen (VGE 1045/99 v. 23.12.1999, Erw. 3b = EGV-SZ 1999, Nr. 15, S. 51).

3. Einer allfälligen Beschwerde gegen die Androhung der täglichen Ordnungsbusse wurde in casu unbestrittenermassen zu keinem Zeitpunkt die aufschiebende Wirkung entzogen.

In der Beschwerdevernehmlassung stellt sich das instruierende Justizdepartement auf den Standpunkt, wenn einer Beschwerde gegen die Sachverfügung keine aufschiebende Wirkung zukomme (in casu weil es sich um eine Negativ-Verfügung handelt), so gelte dies auch für die unselbständige Vollstreckungsandrohung. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Die tägliche Ordnungsbusse muss als Vollstreckungsmassnahme in jedem konkreten Einzelfall «von der für die Vollstreckung zuständigen Verwaltungsbehörde nach Massgabe des öffentlichen Interesses an der Durchsetzung eines Entscheides oder einer Verfügung und nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Pflichtigen angedroht und festgesetzt» werden (§ 78 Abs. 5 VRP; siehe auch § 79 Abs. 1 VRP). Die Androhung besteht mit anderen Worten im konkreten Einzelfall nicht ex lege. Sie wirkt erst ab jenem Zeitpunkt in verbindlicher Weise als Beugemassnahme sowie als Grundlage für tägliche Ordnungsbussen im Nichterfüllungsfall, in dem sie vollstreckbar geworden ist. Dies trifft bei Eintritt der Rechtskraft oder bei Entzug der aufschiebenden Wirkung zu. Andernfalls ist die Voraussetzung der verbindlichen Androhung nicht erfüllt. Eine rückwirkende Verbindlichkeit der Vollstreckungsandrohung ist nicht möglich. Die im Zeitpunkt einer einzuhaltenden öffentlich-rechtlichen Pflicht erforderliche Vollstreckbarkeit der Vollstreckungsandrohung kann nicht mehr erreicht werden.

Zu Recht wird von den Parteien nicht geltend gemacht, bei der Androhung von täglichen Ordnungsbussen könne die aufschiebende Wirkung gar nicht entzogen werden, weil es sich um eine Geldleistung handle (§ 42 Abs. 2 VRP). Bei der fraglichen Vollstreckungsandrohung geht es in erster Linie um die Durchsetzung von öffentlich-rechtlichen Pflichten und nicht um Geldleistungen, auf die der Staat – so wohl der Zweck der einschränkenden Bestimmung in § 42 Abs. 2 VRP – bis zur rechtskräftigen Festsetzung einer Geldzahlungspflicht durchaus warten kann (vgl. Kölz/Bosshart/Röhl, Kommentar zum VRG-ZH, N 13 zu § 25; Kölz/Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2.A., Rz. 649).

(VGE 1001/00 vom 16. März 2000).

 

18

Arbeitsvergebung

 Submission: Selektives Verfahren. Zahlenmässige Beschränkung der einzuladenden Offertsteller. In welchem Verfahrensstadium anfechtbar? (Erw. 2).
 Losentscheid zulässig (Erw. 3)?

Aus dem Sachverhalt:

Das Baudepartement hat gestützt auf die Interkantonale Vereinbarung für das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB) im selektiven Verfahren die Ingenieurleistungen für einen Neubau (Investitionskredit über 25 Mio. Franken) öffentlich ausgeschrieben. Es hielt darin u.a. fest, dass nach dem Präqualifikationsverfahren (Stufe 1) drei bis fünf Ingenieurbüros oder Bietergemeinschaften für die anschliessende Submission (Stufe 2) ausgewählt würden. Nachdem 40 Interessenten die Ausschreibungsunterlagen angefordert hatten, gingen 17 Teilnahmebewerbungen ein. Die Auswertung der Präqualifikation ergab folgendes Ergebnis: Drei Ingenieurbüros erzielten die Bewertung 3.6, die drei nächstfolgenden 3.3. Die Bewertung der übrigen Bewerber lag zwischen 3.0 und 2.2. Von den drei zweitrangierten Ingenieurbüros mit der Bewertung 3.3 wurde ein Bewerber mittels Losentscheid eliminiert. Der eliminierte Bewerber erhob dagegen Beschwerde.

Aus den Erwägungen:

2. a) Gegen Verfügungen des Auftraggebers ist die Beschwerde an eine unabhängige kantonale Instanz zulässig. Diese entscheidet endgültig. Die Beschwerdefrist beträgt 10 Tage (Art. 15 Abs. 1 und 2 IVöB). Kantonale Beschwerdeinstanz ist das Verwaltungsgericht. Als anfechtbare Verfügungen des Auftraggebers gelten der Entscheid über den Zuschlag oder den Abbruch, die Wiederholung und die Neuauflage des Verfahrens, die Ausschreibung des Auftrages, der Entscheid über die Eignung eines Bewerbers und der Entscheid über den Ausschluss aus dem Wettbewerb und den Widerruf des Zuschlags (§ 3 Kantonsratsbeschluss über den Beitritt des Kantons Schwyz zur IVöB, SRSZ 430.120).

b) In der Ausschreibung zur Teilnahme am Präqualifikationsverfahren ist die Anfechtungsmöglichkeit explizit erwähnt worden (Rechtsmittelbelehrung; ...). Die Ausschreibung blieb indes unangefochten. Es stellt sich mithin die Frage, ob im Rahmen des Präqualifikationsbescheides die zahlenmässige Beschränkung der einzuladenden Bauingenieure auf drei bis fünf noch überprüft werden kann bzw. ob die Prozessvoraussetzung der fehlenden res iudicata gegeben ist (§ 27 Abs. 1 lit. g VRP).

c) Es steht zwar fest, dass die Ausschreibung als solche selbständig anfechtbar ist (vgl. oben Erw. 2 lit. a). Damit wird aber noch nicht umschrieben, was konkret Anfechtungsobjekt sein kann (in Frage kommen v.a. Verfahrensart, Auftragsgegenstand und -umfang, Fristen), und ob es sich dabei um ein Zwischenbescheid- oder ein Teilentscheidverfahren handeln würde.

d) Handelt sich um ein Zwischenbescheidverfahren, so tritt zum vornherein keine materielle Rechtskraft ein (Gadola, Das verwaltungsinterne Beschwerdeverfahren, S. 302). Die Anfechtbarkeit mit dem Endentscheid bleibt als Option offen, ausser das Gebot von Treu und Glauben würde eine Geltendmachung in einem möglichst frühen Stadium erfordern (vgl. BEZ 1999, Nr. 14, Erw. 3).

Geht man in casu davon aus, dass die in Aussicht genommene Teilnehmerbeschränkung auf 3–5 Bauingenieure bzw. Submittenten eine verfahrensleitende Anordnung darstellt, so bleibt damit die Anfechtung mit dem Endentscheid möglich, da in der Nichtanfechtung der Ausschreibung kein Verhalten gegen Treu und Glauben zu erblicken ist (vgl. unten Erw. 2e).

e) Steht nicht eine verfahrensleitende Frage, sondern eine solche des materiellen Vergaberechts zur Diskussion, kann nur von einer res iudicata ausgegangen werden, wenn die Teilverfügung auch anfechtbar war. Damit wird die Frage der Zulässigkeit eines Rechtsmittels angesprochen (§ 27 Abs. 1 lit. e VRP). Rechtsmittel sind zulässig gegen Verfügungen und Entscheide, womit ein Verfahren durch eine Sach- oder Nichteintretensverfügung oder einen entsprechenden Entscheid abgeschlossen wird (§ 35 Abs. 1 lit. a VRP). Von anfechtbaren Teilverfügungen und -entscheiden ist im schwyzerischen Verwaltungsverfahrensrecht zwar nicht explizit die Rede. Das Gebot der Prozessökonomie gestattet indes auch im Kanton Schwyz den Erlass anfechtbarer Teilverfügungen bzw. -entscheide, wenn die Ziele und die nähere Regelung eines Verfahrens eine Aufspaltung in Teilfragen zulassen (Merkli/Aeschlimann/Herzog, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege im Kanton Bern, N 13 zu Art. 49; engere Umschreibung der Voraussetzung bei Gadola, a.a.O., S. 303 unter Hinweis auf die zürcherische Verwaltungspraxis; vgl. auch BEZ 1999, Nr. 14, Erw. 3).

Geht man davon aus, dass die zahlenmässig festgelegte Teilnehmerbeschränkung eine Frage des materiellen Vergaberechts ist, so ist dieser Aspekt (d.h. die Festlegung der genauen bzw. der maximalen Zahl der nach der Präqualifikation einzuladenden Submittenten) nicht geeignet, bereits im Zeitpunkt der Ausschreibung definitiv beurteilt und einer abschliessenden Überprüfung durch ein Rechtsmittelverfahren zugeführt zu werden. Die ratio der Teilnehmerbeschränkung (siehe unten Erw. 3a/b) erlaubt zu diesem Zeitpunkt nicht ein derart absolutes und starres Vorgehen. Vielmehr ist eine in der Ausschreibung gemachte Vorgabe über das Mass der Teilnehmerbeschränkung in Kenntnis des Präqualifikationsergebnisses und in Beachtung eines wirksamen, effizienten und diskriminierungsfreien Wettbewerbs nochmals zu hinterfragen. Die Formulierung «drei bis fünf Ingenieurbüros» ist denn auch zu Recht nicht kategorisch ausgefallen (wie z.B. bei der Formulierung «maximal fünf Ingenieurbüros» oder «in jedem Fall nur fünf Ingenieurbüros»). Sie gab den Bewerbern des Präqualifikationsverfahrens zum Vornherein wenig Anlass, bereits die Ausschreibung anzufechten (im Gegensatz zu anderen Vorgaben wie die Wahl des selektiven Verfahrens und damit verbunden die grundsätzliche Teilnahmebeschränkung), zumal ihnen wie den Vergabebehörden der konkrete Verlauf des Präqualifikationsverfahrens (wieviel Teilnehmer mit welchen Qualitäten?) noch unbekannt war. Indes wird es in Nachachtung des Transparenzprinzipes für zukünftige Ausschreibungen angezeigt sein, die einzuladende Teilnehmerzahl im Sinne der vorstehenden Darlegungen ausdrücklich zu relativieren.

f) Auf die Beschwerde ist somit auch hinsichtlich der in der Ausschreibung zahlenmässig festgelegten Teilnehmerbeschränkung einzutreten.

3. a) Für die vorliegende Arbeitsvergabe wurde rechtskräftig das selektive Verfahren bestimmt. Alle Anbieter können in diesem Verfahren einen Antrag auf Teilnahme einreichen. Der Auftraggeber bestimmt aufgrund von Eignungskriterien Anbieter, die ein Angebot einreichen dürfen. Der Auftraggeber kann die Zahl der zur Angebotsabgabe eingeladenen Anbieter beschränken, wenn sonst die Auftragsvergabe nicht effizient abgewickelt werden kann. Dabei muss ein wirksamer Wettbewerb gewährleistet sein (Art. 12 Abs. 1 lit. b IVöB). In der Vollzugsverordnung zur IVöB (SRSZ 430.121) wird in § 7 Abs. 3 präzisierend festgehalten, dass die Anzahl der zur Angebotseinreichung einzuladenden Anbieter beschränkt werden könne, wenn es die rationelle Durchführung des Vergabeverfahrens erfordere. Sie darf, wenn es genügend geeignete Anbieter gibt, nicht kleiner als drei sein.

b) Aus diesen normativen Vorgaben ergibt sich, dass grundsätzlich für jede geplante Beschaffung die grösstmögliche mit einer effizienten Abwicklung der Beschaffung zu vereinbarende Zahl von Anbietern zur Angebotsabgabe einzuladen ist (André Moser, Überblick über die Rechtsprechung 1998/99 zum öffentlichen Beschaffungswesen, in AJP 2000, S. 690; Galli/Lehmann/Rechsteiner, Das öffentliche Beschaffungswesen in der Schweiz, Rz. 154; BEZ 1999, Nr. 14, S. 43). Der Vorteil des selektiven Verfahrens liegt mithin vor allem darin, «dass ungeeignete Anbieter vom Aufwand der Angebotseinreichung verschont bleiben und dass die Beschaffungsstelle sich nicht mit vielen mangelhaften Angeboten herumschlagen muss» (Galli/Lehmann/Rechsteiner, a.a.O., Rz. 153). Die effiziente (rationelle) Abwicklung der Arbeitsvergabe kann darüber hinaus eine weitergehende Beschränkung der Teilnehmerzahl gebieten, damit der Aufwand für die Abwicklung des Vergabeverfahrens in einem tragbaren Rahmen bleibt (BEZ 2000, Nr. 28, Erw. 3c/aa; BEZ 1999, Nr. 14, Erw. 4a). Ein wirksamer Wettbewerb muss jedoch gewährleistet bleiben, weshalb es beim Ausschluss geeigneter Teilnehmer einer gewissen Zurückhaltung bedarf. Eine Beschränkung der Zahl der Anbietenden ist vor allem dann gerechtfertigt, wenn die Komplexität der Vergabe im Vergleich zum Auftragswert als hoch erscheint (BEZ 1999, Nr. 14, Erw. 4b).

c) Übertrifft die Zahl der geeigneten Anbieter die vorgesehene Teilnehmerzahl, so ist primär auf das Mass der Eignung abzustellen, und im Zweifelsfall hat das Los zu entscheiden (BEZ 1999, Nr. 14, Erw. 4c mit Zitat). Was den Losentscheid anbelangt, gehen die Meinungen in der Rechtsprechung auseinander. Nach Ansicht der Eidg. Rekurskommission für das öffentliche Beschaffungswesen kann auf eine individuelle Beurteilung der Eignung der einzelnen Bewerber nicht verzichtet werden. Es ist nach ihr unzulässig, unter allen geeigneten Anbietern einfach das Los entscheiden zu lassen. Ein solches Vorgehen überlasse die Auswahl dem reinen Zufall, sei willkürlich und verletze das Diskriminierungsverbot. Es lasse zudem die richterliche Kontrolle illusorisch werden. Ein Losentscheid könne höchstens dann in Betracht gezogen werden, wenn sich aufgrund einer vorgängigen Prüfung der Eignung ergebe, dass zwei oder mehrere Anbieter den gleichen Grad der Eignung aufweisen würden. Das Verwaltungsgericht Aargau sieht hingegen nach Ausscheiden der ungeeigneten Anbieter für den Fall der zahlenmässigen Beschränkung zwei mögliche Vorgehensweisen: entweder Losentscheid unter den geeigneten Anbietern oder Rangliste nach Mehr- oder Mindereignung der Bewerber bei allfälligem Losentscheid unter gleich geeigneten Anbietern (A. Moser, a.a.O., S. 690f.).

d) In casu ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz eine Rangliste nach Mass der Eignung erstellte und vorab die drei im ersten Rang mit gleicher Punktzahl bewerteten Anbieter zur Submission einlädt.

Richtig ist es auch, dass die Vorinstanz es nicht bei diesen drei Bewerbern belässt, da dies den Wettbewerb bei 17 Teilnehmern des Präqualifikationsverfahrens und der gesetzlichen Vorgabe von mindestens drei einzuladenden Bewerbern (sofern so viele geeignete Bewerber vorhanden sind) zu rigoros einschränken würde.

Vertretbar ist es bei der vorliegenden Ausgangslage aber auch, dass die Bewerber ab dem dritten Rang für eine Einladung nicht mehr in Betracht gezogen wurden.

e) Es stellt sich somit die Frage, ob abweichend von der Ausschreibung alle drei Bewerber mit 3.3 Punkten, also insgesamt sechs Bewerber, eingeladen werden müssen, oder ob die Vorinstanz zu Recht einen zweitrangierten Bewerber mittels Losentscheid eliminierte.

aa) Im vorliegenden Fall hält ein Beharren auf der ausgeschriebenen Teilnehmerzahl von drei bis fünf Ingenieurbüros vor dem Diskriminierungsverbot (Art. 11 lit. a IVöB) nicht stand. Nach Ansicht des Gerichtes gebietet das Diskriminierungsverbot, dass die Auswahl unter geeigneten Bewerbern primär nach individuellen, qualitativen Kriterien zu erfolgen hat. Ohne eine solche Differenzierung den Losentscheid zu bemühen, ist willkürlich. Wenn jemand bei der Präqualifikation vorne liegt, so darf er grundsätzlich vom Auftraggeber erwarten, dass ihm keine weniger geeignete Bewerber aufgrund eines zufälligen Losentscheides vorgezogen werden, zumal er als besser qualifizierter Bewerber auch besser geeignet ist, ein wirtschaftlich günstiges Angebot zu unterbreiten bzw. für einen wirksamen Wettbewerb (Art. 11 lit. b IVöB) besorgt zu sein (in diesem Sinne hat der Regierungsrat denn auch richtigerweise – von der Elimination der Beschwerdeführerin abgesehen – die fünf am besten geeigneten Ingenieurbüros ausgewählt). Erst wenn die individuell-qualitative Differenzierung eine derart hohe Anzahl von gleich geeigneten Bewerbern hervorruft, dass dem Effizienzgebot nicht mehr nachgelebt werden kann, rechtfertigt sich ein Losentscheid. Dies wäre auf den vorliegenden Fall bezogen wahrscheinlich dann der Fall, wenn beispielsweise auf dem zweiten Rang sieben gleich geeignete Bewerber liegen würden, sodass zehn von 17 Bewerbern zur Angebotseinreichung einzuladen wären, was die Effizienz des Vergabeverfahrens tatsächlich in Frage stellen könnte. Die blosse Aufstockung der Teilnehmerzahl aber um einen Bewerber tangiert die Effizienz nicht entscheidend, sondern gewährleistet bei der vorliegenden gewichtigen Auftragsvergabe (...) vielmehr einen wirksamen und diskriminierungsfreien Wettbewerb. Die durch diese nachträgliche Erhöhung der Teilnehmerzahl verursachte Beeinträchtigung des Transparenzprinzips fällt geringfügig aus und ist zu Gunsten der Nichtdiskriminierung eines einzelnen Bewerbers in Kauf zu nehmen, zumal dadurch die Gleichbehandlung der anderen Bewerber nicht in Frage gestellt wird und die massliche Beschränkung der Teilnehmerzahl zudem nicht kategorisch ausgefallen ist (Erw. 2e).

bb) An dieser Beurteilung vermögen die vom Baudepartement in der Vernehmlassung vorgetragenen Argumente nichts zu ändern. Es vertritt die Ansicht, man habe mit dem Losentscheid weder willkürlich noch wettbewerbshindernd gehandelt. Willkür sei nur dann gegeben, wenn nicht geeignete Bewerber eingeladen würden. Dass diese Optik zu eng ist, wurde bereits dargelegt (Erw. 3c/aa). Wettbewerbsbehinderung, so das Baudepartement weiter, würde nur vorliegen, «wenn dem Gedanken des gesamtschweizerischen Binnenmarktes nicht Rechnung getragen würde» und «ausschliesslich Einheimische zum Wettbewerb» eingeladen würden. Dass dem Binnenmarktgesetz nachgelebt werden muss, versteht sich von selbst. Vorliegend geht es indes um die Gewährleistung eines wirksamen Wettbewerbs. Dies verlangt – wie ebenfalls schon erwähnt (Erw. 3b) –, dass grundsätzlich die grösstmögliche mit einer effizienten Abwicklung der Beschaffung zu vereinbarende Zahl von Anbietern zur Angebotsabgabe einzuladen ist.

cc) Die Beschwerde ist mithin begründet und der angefochtene Entscheid insofern aufzuheben und abzuändern, als nebst den fünf eingeladenen Ingenieurbüros auch die beschwerdeführende Ingenieurgemeinschaft zur Angebotseinreichung (Stufe 2) einzuladen ist (Art. 18 Abs. 1 IVöB).

(VGE 1043/00 vom 24. November 2000).

 

19

Strassenverkehrsrecht

 Vorsorglicher Sicherungsentzug des Führerausweises bei einer Autolenkerin, welche mit 2,44‰ von der Polizei angehalten wurde.
 Ein Fahrer, der mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,5‰ angetroffen wird, hat sich zwingend einer Fahreignungsuntersuchung zu unterziehen. Wenn sonstige Umstände im Einzelfall den Verdacht auf chronischen Alkoholabusus begründen, oder wenn Umstände vorliegen, welche die Eignung als Motorfahrzeugführer als fraglich erscheinen lassen, ist bereits bei einer tieferen Alkoholkonzentration eine Fahreignungsuntersuchung anzuordnen.

Aus den Erwägungen:

2. a) Der Führerausweis wird gemäss Art. 17 Abs. 1bis SVG auf unbestimmte Zeit entzogen, wenn der Führer u.a. wegen Trunksucht oder anderer Suchtkrankheiten nicht geeignet ist, ein Motorfahrzeug zu führen. Mit dem Entzug wird eine Probezeit von mindestens einem Jahr verbunden. Ferner wird gestützt auf Art. 16 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 2 Bst. b SVG ein Sicherungsentzug auf unbestimmte Zeit ausgesprochen, wenn ein Führer durch körperliche oder geistige Krankheiten oder Gebrechen gehindert ist, ein Motorfahrzeug sicher zu führen. Beim Entzug aus medizinischen Gründen entfällt die Probezeit.

b) Neben dem in Erwägung 2a dargestellten definitiven Sicherungsentzug kennt das Gesetz auch den vorsorglichen Sicherungsentzug. Dieser kann gestützt auf Art. 14 Abs. 3 SVG und Art. 35 Abs. 3 der Verordnung über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (VZV) von der Führerausweisentzugsbehörde bis zur Abklärung von Ausschlussgründen angeordnet werden.

Anfechtungsobjekt ist vorliegend ein vorsorglicher Sicherungsentzug, der gemäss der angefochtenen Verfügung so lange dauern soll, bis ein verkehrsmedizinischer Untersuchungsbericht des Institutes für Rechtsmedizin der Universität Zürich (IRM) vorliegt, der eingehend zur Fahreignung der Beschwerdeführerin Stellung nehmen soll. Je nach dem Ergebnis dieses IRM-Gutachtens wird nach der Intention der vorinstanzlichen Verfügung alsdann der vorsorgliche Sicherungsentzug abzulösen sein durch einen definitiven Sicherungsentzug (sofern sich der Verdacht auf Alkoholsucht oder eine die sichere Führung eines Motorfahrzeugs ausschliessende Krankheit bestätigt) oder aber durch einen befristeten Warnungsentzug, sofern der erwähnte Verdacht entkräftet wird.

3. a) Das Bundesgericht hat am 27. März 2000 (6A. 13/2000) eine Beschwerde des Bundesamtes für Strassen gegen ein Urteil des Kantonsgerichtes Graubünden entschieden. Das Kantonsgericht Graubünden hatte gegen einen Personenwagenlenker, der wegen unsicherer Fahrweise auffiel und dessen Blutentnahme einen Blutalkoholgehalt von mindestens 2.73‰ aufwies, einen Warnungsentzug von 7 Monaten ausgesprochen. Das Bundesgericht hiess die Beschwerde in dem Sinne teilweise gut, als es die Sache an das Strassenverkehrsamt Graubünden zur medizinischen Abklärung der Eignung des Lenkers im Sinne von Art. 14 Abs. 2 lit. c SVG zurückwies mit der Auflage, dass das Strassenverkehrsamt von Amtes wegen auch die Notwendigkeit einer vorsorglichen Massnahme zu prüfen habe. In den Erwägungen zitiert das Bundesgericht eine Publikation von R. Schaffhauser, Zur Entwicklung von Recht und Praxis des Sicherungsentzugs von Führerausweisen, AJP 1992, S. 34f. und eine solche von E. Stephan, Trunkenheitsdelikte im Verkehr: Welche Massnahmen sind erforderlich, AJP 1994, S. 453. Danach liegt bei Personen, die im Strassenverkehr mit 1.6‰ und mehr auffällig werden, eine Missbrauchstoleranz oder auch robuste Alkoholgewöhnung vor, die nur durch chronischen, die Persönlichkeit, die soziale Umwelt und die Gesundheit belastenden Alkoholmissbrauch erworben werden kann. In Richtlinien der Bundesrepublik Deutschland würden Fahrer ab 1.6‰ einer medizinisch-psychologischen Eignungsuntersuchung unterzogen, wenn sonstige Umstände des Einzelfalles den Verdacht auf überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung nahelegten. Bei einer Alkoholkonzentration von 2‰ oder mehr komme auch ohne das Vorliegen solcher Umstände regelmässig eine medizinisch-psychologische Untersuchung in Betracht (E. 2c). Die bundesgerichtlichen Erwägungen führen dann zu folgender Feststellung:

«Im Interesse der Klarheit und der einheitlichen Anwendung des Bundesrechts ist Art. 14 Abs. 2 lit.c SVG wie folgt zu konkretisieren: Personen, die während der letzten fünf Jahre vor der aktuellen Trunkenheitsfahrt keine einschlägige Widerhandlung begangen haben, sind einer Fahreignungsuntersuchung zu unterziehen, wenn die Blutalkoholkonzentration 2,5 und mehr Promille beträgt. Personen mit einer so hohen Blutalkoholkonzentration verfügen über eine sehr hohe Alkoholtoleranz, die in aller Regel auf eine Alkoholabhängigkeit hinweist.» (BGE 6A.13/2000, E. 2e).

b) Ein eingehender Untersuch mit Begutachtung durch einen Facharzt für Rechtsmedizin ist insbesondere angezeigt, wenn Bedenken über die Eignung (vgl. Art. 14 Abs. 3 SVG) einer Person zur sicheren Lenkung von Motorfahrzeugen im Sinne von Art. 14 Abs. 2 Bst. b oder c SVG bestehen. Das Bundesgericht hat im zuvor zitierten Entscheid festgehalten, dass unabhängig um die jeweiligen Umstände eine Eignungsuntersuchung in jedem Fall zwingend ist, wenn ein Fahrer mit 2,5‰ beim Lenken eines Motorfahrzeuges angetroffen wird. Dies besagt jedoch nicht, dass Bedenken über die Eignung in einem Einzelfall nicht auch dann bestehen können, wenn der Lenker eine etwas tiefere Alkoholkonzentration aufwies. Dies ist dann der Fall, wenn sonstige Umstände des Einzelfalles den Verdacht auf chronischen Alkoholabusus begründen oder wenn Umstände vorliegen (Krankheiten oder Gebrechen), welche die Eignung als Motorfahrzeugführer als fraglich erscheinen lassen (VGE 869/00 v. 24.8.2000, E. 3c).

c) Vorliegend liegen solche besonderen Umstände vor. Aus dem Protokoll der ärztlichen Untersuchung geht hervor, dass die Beschwerdeführerin, abgesehen vom Foetor aethylicus kaum Anzeichen von Angetrunkenheit zeigte, obwohl sie einen sehr hohen Promillegehalt aufwies. Dies lässt eine sehr hohe Alkoholgewöhnung bzw. einen chronischen Alkoholabusus vermuten, weshalb sich eine eingehende fachmedizinische Abklärung der Frage, ob die Fahreignung der Beschwerdeführerin wegen Trunksucht zu verneinen ist, aufdrängt. Bestärkt wird dies auch noch durch den Hinweis der Beschwerdeführerin selber, wonach ihr 1994 der Ausweis entzogen worden sei, weil damals die Leberwerte schlecht gewesen seien. Auch dies verstärkt den Verdacht, dass bei der Beschwerdeführerin chronischer Alkoholabusus vorliegen dürfte. Jedenfalls wird die Vorinstanz dem Facharzt nicht nur die aktuellen Akten, sondern auch die einschlägigen Akten zu den früheren Administrativmassnahmen auszuhändigen haben, damit die Anamnese lückenloser erstellt werden kann.

Zusammenfassend ist die Anordnung eines vorsorglichen Sicherungsentzuges somit gerechtfertigt.

(VGE 896/00 vom 24. Oktober 2000).

  

20

Strassenverkehrsrecht

 Ausführungen zur Beweiswürdigung bei Warnungsentzügen (Führerausweisentzug) und zur Beweistauglichkeit von Telefonnotizen.

Aus den Erwägungen:

4. c) Hinsichtlich der Beweiswürdigung gilt nach § 25 der Verordnung über die Verwaltungsrechtspflege, dass die Behörde die Beweise nach pflichtgemässem Ermessen würdigt. Mit Urteil vom 11. Januar 1995 hat das Bundesgericht erkannt, der Warnungsentzug sei ein Entscheid über die Stichhaltigkeit einer strafrechtlichen Anklage im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (BGE 121 II 22). Unter die Verfahrensgarantien fällt somit auch Art. 6 Ziff. 2 EMRK. Danach wird bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld vermutet, dass der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist (Unschuldsvermutung). Die Bestimmung darüber, was zum gesetzlichen Nachweis der Schuld gehört und auf welche Weise der Schuldnachweis zu führen ist, bleibt dem innerstaatlichen Recht überlassen (Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, N 111 zu Art. 6). Der Grundsatz der Unschuldsvermutung findet sich nunmehr auch in Art. 32 Abs. 1 der neuen Bundesverfassung. Ist der Strafcharakter des Warnungsentzuges im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK zu bejahen, so gilt auch der Grundsatz «in dubio pro reo», der vorab besagt, dass das Gericht den Angeschuldigten freisprechen muss, wenn es die Überzeugung von der Schuld nicht gewinnen kann (Villiger, Handbuch EMRK, N 493 zu Art. 6 mit Verweisen; Dähler, Beweisfragen im Straf- und Administrativverfahren, in: Aktuelle Fragen des Straf- und des Administrativmassnahmerechts im Strassenverkehr, S. 78f.; Rhinow/Krähenmann, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, S. 298). Blosse Wahrscheinlichkeit genügt für eine Verurteilung nicht, absolute Sicherheit ist aber auch nicht erforderlich, und eine entfernte Möglichkeit, dass der Sachverhalt anders sein könnte, rechtfertigt keinen Freispruch. Der Richter darf sich nicht von der Existenz eines für den Betroffenen ungünstigen Sachverhaltes überzeugt erklären, wenn bei objektiver Betrachtung Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt so verwirklicht habe. Für die Überzeugung ist erforderlich ein jeden vernünftigen Zweifel ausschliessendes Urteil eines besonnenen und lebenserfahrenen Beobachters (Hauser/Schweri, Schweizerisches Strafprozessrecht, 4.A. N 11–13 zu § 54, S. 217).

d) Bei der polizeilichen Befragung vom 20. Januar 1999 erklärte der Beschwerdeführer, er selber habe den Führerausweis nicht abgegeben. Er habe den Ausweis auf dem Tisch in seinem Zimmer liegen gehabt und habe zum Zeitpunkt, als er sich am 15. Januar 1999 ans Steuer gesetzt habe, nicht gewusst, dass der Ausweis bereits bei der Polizei abgegeben worden sei.

Bei der Kontrolle in Brunnen wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, Fahrzeug- und Führerausweis vorzuzeigen. Während er den Fahrzeugausweis vorzeigen konnte, zeigte er den Führerausweis nicht. Die beiden Polizeibeamten der Patrouille händigten ihm hierauf einen Bussenzettel mit Bedenkfrist (...) wegen Nichtbeachtens eines Vorschriftssignals (Verbot für Motorwagen) und Nichtmitführens des Führerausweises aus (...). Bei der Befragung vom 20. Januar 1999 erklärte er, nach dieser Kontrolle habe er auch nicht zu Hause nach dem Ausweis gesucht, und es sei ihm auch nicht aufgefallen, dass der Ausweis sich nicht mehr auf dem Tisch befand. Jetzt, wo ihm der Polizeibeamte sage, dass sein Ausweis deponiert worden sei, falle ihm auf, dass sein Ausweis nicht mehr auf dem Tisch liege. X., der jüngere Bruder, bestätigte gegenüber der Polizei übereinstimmend mit dem Beschwerdeführer, dass er im Auftrag der Mutter am 13. Januar 1999, 16.00 Uhr, den Ausweis beim Polizeiposten Z. abgegeben habe. Die Mutter hingegen wollte hiezu nichts sagen (...). Der Vater wisse auch, dass er den Führerausweis für zwei Monate abgeben müsse. Er habe einen Reserveschlüssel zum Auto des Vaters. Das Auto sei vor dem Haus parkiert gewesen. Dass er am fraglichen Abend mit dem Auto des Vaters weggefahren sei, habe dieser sicher bemerkt, als er weggefahren sei. Vorher habe er aber dem Vater nichts davon gesagt. Auf die Frage, weshalb er beim Fehlen des Ausweises anlässlich der Kontrolle in Brunnen nichts bezüglich des Ausweisentzuges gesagt habe, erklärte der Beschwerdeführer, er habe klar gesagt, dass er seinen Ausweis im Zimmer habe. Er habe aber nicht gewusst, dass jemand seinen Ausweis bereits abgegeben habe (Frage 11). Wer seinen Ausweis bei der Polizei in Z. deponiert hat, das wisse er nicht (Frage 12). Das Verhöramt holte am 26. Februar 1999 bei der Sekretärin des Polizeipostens Z., Frau Y., eine telefonische Auskunft ein und erstellte darüber folgende Aktennotiz:

«Auskunft des PP Z. (...)
Am 13.1.1999, 16.00 Uhr, erschien eine Person auf dem PP Z., welche sich als Bruder von ... ausgab und den Führerausweis von ... deponierte. Frau Y. fragte ihn, ob der Inhaber des Führerausweises (...) davon wisse, dass der Ausweis deponiert werde, worauf dieser gesagt habe, ja, der Bruder wisse davon, er käme im Auftrag des Bruders.
Frau Y. teilt weiter mit, dass sie den Führerausweis noch am selben Tag an das Verkehrsamt Schwyz weitergeleitet habe.»

Eine formlos eingeholte und in einer Aktennotiz festgehaltene mündliche bzw. telefonische Auskunft stellt nur insoweit ein zulässiges und taugliches Beweismittel dar, als damit blosse Nebenpunkte, namentlich Indizien oder Hilfstatsachen, festgestellt werden. Sind aber – was in Bezug auf die Auskunft Y. zutrifft – Auskünfte zu wesentlichen Punkten des rechtserheblichen Sachverhaltes einzuholen, kommt grundsätzlich nur die Form der schriftlichen Anfrage und Auskunft in Betracht. Werden Auskunftspersonen zu wichtigen tatbeständlichen Punkten dennoch mündlich befragt, ist eine Einvernahme durchzuführen und darüber ein Protokoll aufzunehmen (Urteil EVG v. 16.3.1998, U 185/97, E. 5 a; BGE 117 V 285, E. 4c). Das Verwaltungsgericht hat deshalb Y. am 6. April 2000 als Zeugin zur Sache befragt, wobei den Parteien Gelegenheit geboten wurde, an dieser Zeugenbefragung teilzunehmen und zum Ergebnis der Zeugenbefragung Stellung zu nehmen. Y. bestätigte als Zeugin, dass die Aktennotiz des Verhöramtes vom 26.2.1999 vollumfänglich stimme. Sie habe die den Ausweis überbringende Person mit der Foto des Ausweises verglichen und festgestellt, dass keine Identität bestand. Auf ihren fragenden Blick habe der Überbringer des Ausweises spontan erklärt, es handle sich nicht um seinen Ausweis, sondern um jenen seines Bruders. Sie habe die Modalitäten der Überbringung auf der Ausweisentzugsverfügungskopie, welche der Polizeiposten usanzgemäss vom Verkehrsamt erhalten hatte, handschriftlich vermerkt, weshalb sie bei der telefonischen Anfrage vom 26. Februar 1999 dem Verhöramt exakte Angaben über diesen Vorgang habe machen können. Es komme häufig vor, dass sie auf dem Polizeiposten Führerausweise von Lenkern, denen der Ausweis entzogen werde, entgegennehme. Sie nehme dabei den Ausweis entgegen, und es erfolge ein Eintrag im Posten-Journal. Zusätzlich erfolge ein Eintrag im Geschäftsbuch. Der Ausweis werde postalisch ans Verkehrsamt weitergeleitet mit Austrag im Geschäftsbuch. Es komme auch immer wieder vor, dass Führerausweise in den Briefkasten eingeworfen würden, was wohl dann der Fall sei, wenn im entsprechenden Zeitpunkt der Posten geschlossen sei. So habe sie am 24. März 2000 den Führerausweis von ... im Briefkasten vorgefunden und diesen ans Verkehrsamt weitergeleitet.

e) Bei der gerichtlichen Sachverhaltswürdigung ist zu beachten, dass der Motorfahrzeugführer verpflichtet ist, den Führerausweis beim Autofahren mit sich zu führen und diesen den Kontrollorganen (Polizei) auf Verlangen vorzuweisen (Art. 10 Abs. 4 SVG). Bereits das Verhalten des Beschwerdeführers bei bzw. vor der polizeilichen Kontrolle am Samstag, 16.1.1999 in Brunnen (Versuch, sich der Kontrolle zu entziehen durch Beschleunigen, Missachten eines Fahrverbotes, Parkieren auf einem dunklen Parkplatz, sofortiges Löschen der Lichter) sind Indizien dafür, dass sich der Beschwerdeführer der polizeilichen Kontrolle entziehen wollte. Sodann wurde ihm durch die Polizei ein Bussenzettel mit Bedenkfrist wegen Nichtbeachtens des Vorschriftsignals und Nichtmitführens des Führerausweises ausgehändigt. Die übliche und naheliegende Reaktion eines Motorfahrzeugführers, der bei einer Verkehrskontrolle den Führerausweis nicht vorweisen kann ist die, dass er zu Hause den Ausweis sucht und diesen entweder auf sich trägt oder in einem Dokumentenfach des Autos deponiert, damit ihm die gleiche Übertretung nicht mehr passiert. Demgegenüber erklärte der Beschwerdeführer, dass er nach der Kontrolle nicht zu Hause nach dem Ausweis gesucht habe (Einvernahme vom 29.1.1999, Frage 4). Vielmehr fuhr er am 18. Januar 1999 wiederum mit dem Auto, womit er bewusst gegen Art. 10 Abs. 4 SVG verstiess (vgl. Einvernahmeprotokoll, Frage 10). Die naheliegende Erklärung hiefür ist, dass er keinen Grund hatte, den Ausweis zu suchen, da er wusste, dass sein Bruder diesen in seinem Auftrag bei der Polizei abgegeben hatte. Unglaubwürdig ist die Behauptung, dass sein Bruder den Ausweis im Auftrag der Mutter ohne sein Wissen bei der Polizei deponiert habe. Es liegt nahe, dass ein solches Vorgehen nicht ohne Auftrag oder zumindest nicht ohne vorgängige Orientierung des Ausweisinhabers erfolgt. Eine gegenteilige Annahme wäre lebensfremd. In dieses Bild passt auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer seine Eltern am fraglichen Abend nicht um die Erlaubnis fragte, um mit dem Auto des Vaters in den Ausgang fahren zu dürfen. Hätte er dies getan, so wäre ihm dies wohl untersagt worden, sofern die Behauptung zutrifft, dass die Mutter um die bereits erfolgte Deponierung des Ausweises wusste. Symptomatisch und aussagekräftig ist auch, dass die Mutter zur Darstellung des Beschwerdeführers und seines jüngeren Bruders, wonach dieser den Ausweis im Auftrag der Mutter auf der Polizeistation Z. abgegeben habe, nicht Stellung nehmen wollte (Polizeirapport, S. 4). Mit der Zeugenaussage von Y., gegenüber welcher keine begründeten Zweifel bestehen, werden die letzten sachverhaltsmässigen Zweifel ausgeräumt. (...)

Zusammenfassend bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass der Beschwerdeführer am 15./16. Januar 1999 und am Montag, 18. Januar (Einvernahmeprotokoll, Frage 10) die Autofahrt unternahm im Wissen darum, dass er seinen Ausweis abgegeben hatte und er nicht hätte fahren dürfen. Damit ist der Beschwerdeführer vorsätzlich ohne Führerausweis mit dem Auto gefahren, weshalb Art. 17 Abs. 1 Bst. c SVG zur Anwendung gelangt.

(VGE 829/99 vom 14. April 2000).

 

21

Strafvollzug

  Vorzeitiger Strafvollzug: die Kompetenzen regeln sich nach dem ordentlichen Strafvollzugsrecht. Für Anordnungen im Rahmen des vorzeitigen Strafvollzuges ist damit das Justizdepartement zuständig.

Aus den Erwägungen:

1. Das Justizdepartement macht vernehmlassend geltend, dass der zuständige Untersuchungsrichter des Verhöramtes die Einweisung des Häftlings in eine geschlossene Anstalt gewünscht habe. Gemäss Usanz des Strafvollzuges des Kantons Schwyz gelte eine solche «Anweisung» als bindend, da die letztliche Zuständigkeit und Verantwortung bis zum rechtskräftigen Urteil beim Verhöramt resp. beim betreffenden Gericht verbleibe. In diesem Sinne erachtet sich die Vorinstanz für die Anordnung einer Versetzung in eine Anstalt für Erstmalige als unzuständig.

a) Der vorzeitige Strafvollzug stellt seiner Natur nach eine Massnahme auf der Schwelle zwischen Strafverfolgung und Strafvollzug dar. Er soll insbesondere ermöglichen, dass dem Angeschuldigten bereits vor der (rechtskräftigen) Urteilsfällung verbesserte Chancen auf Resozialisierung im Rahmen des Strafvollzuges geboten werden können. Auch ermöglicht er den weiteren Nachteilen der Untersuchungshaft – v.a. der unzulänglichen Beschäftigungsmöglichkeiten und der teilweisen starken Isolierung der Gefangenen – auszuweichen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts und der herrschenden Lehre ist der vorzeitige Strafantritt mit dem verfassungsmässigen Recht der persönlichen Freiheit und den Garantien der EMRK nur bei ausdrücklicher Einwilligung des Betroffenen vereinbar (vgl. BGE 117 Ia 76 m.H.; Schubarth, Zur Rechtsnatur des vorläufigen Strafvollzuges, ZStR 1979, S. 302f.).

Das Institut des vorzeitigen Strafvollzuges ist im schwyzerischen Recht nicht geregelt. Es wird jedoch offenbar gewohnheitsrechtlich praktiziert, was grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, soweit der vorzeitige Strafvollzug nur auf ausdrücklichen Antrag des Inhaftierten hin und mit Einwilligung der Untersuchungsbehörden zur Anwendung gelangt, liegt doch der vorzeitige Strafvollzug insbesondere in Fällen, wo bereits im Untersuchungsverfahren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass eine unbedingte Gefängnis- oder Zuchthausstrafe zu verbüssen sein wird, regelmässig im Interesse des Inhaftierten.

b) Im schwyzerischen Strafprozessrecht ist im Stadium der Strafuntersuchung der Untersuchungsrichter bzw. nach Eingang der Akten beim Staatsanwalt der Staatsanwalt und nach Eingang der Anklage beim Gericht der Gerichtspräsident für die Untersuchungshaft zuständig (vgl. § 27 Abs. 1 StPO). Im Stadium des Strafvollzugs, d.h. bei Vorliegen rechtskräftiger Entscheide, sind das Justizdepartement bzw. die Bezirksämter zuständig (vgl. § 159 Abs. 2 und 3 StPO). Dieser Aufteilung der Verfahrenswege entspricht auch der Rechtsmittelweg. Für Beschwerden, welche die Untersuchungshaft betreffen (Haftbefehl, Haftbedingungen, Verweigerung der nachgesuchten Haftentlassung), ist der Kantonsgerichtspräsident bzw. ein von diesem bezeichneter Kantonsrichter zuständig (§ 28 Abs. 1 und 2 StPO). Für Beschwerden gegen Verfügungen der Strafvollzugsbehörden ist demgegenüber das Verwaltungsgericht zuständig (§ 160 StPO).

Ob im vorläufigen bzw. vorzeitigen Strafvollzug die Strafverfolgungs- oder die Vollzugsorgane zur Verfügung über den Angeschuldigten und damit u.a. auch zum Entscheid über Art und Ort der Anstalt, wo die Haft zu vollziehen ist, erstinstanzlich zuständig sind, ist im schwyzerischen Strafprozessrecht naturgemäss ebenfalls nicht ausdrücklich geregelt. Zwischen der Vollzugsbehörde und der Untersuchungsbehörde besteht bezüglich dieser Frage offenbar Uneinigkeit. Während die Vollzugsbehörde – wie dargelegt – davon ausgeht, dass die Untersuchungsbehörde bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils für alle Fragen im Zusammenhang mit dem Aufenthalt in der Haftanstalt zuständig ist, geht die Untersuchungsbehörde offenbar davon aus, dass die Vollzugsbehörde für diese Frage zuständig ist. Dies ergibt sich u.a. aus dem von der Untersuchungsbehörde verfassten Formular für Gesuche um Antritt des vorläufigen Strafvollzuges, wo der Gesuchsteller (Inhaftierte) ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht wird, dass der vorläufige Strafvollzug analog zum definitiven Vollzug in die Zuständigkeit des Justizdepartementes fällt (vgl. Bf-act. 5); im Weiteren ergibt sich dies aus dem Schreiben der Untersuchungsbehörde vom 11. Juli 2000 an die Strafvollzugsbehörde, wo der Untersuchungsrichter um Mitteilung darüber ersucht, wann und in welche Vollzugsanstalt der Beschwerdeführer im Rahmen des vorläufigen Strafvollzugs versetzt werde (Bf-act. 5). Mit der Bewilligung zum vorzeitigen Strafantritt (vgl. Schreiben des Kantonsverhöramtes vom 18. Juli 2000, Bf-act. 7) hat der zuständige Untersuchungsrichter im Übrigen ausdrücklich festgehalten:

«B. Kompetenzregelung
Die zuständige Behörde nimmt davon Kenntnis, dass sich durch den vorzeitigen Strafantritt die Kollusionsgefahr erhöhen kann. Sie bestätigt hiermit, dass der vorzeitige Strafantritt freiwillig und unwiderruflich angetreten wird. Sie tritt sämtliche Kompetenzen wie Finanzen, Kontakt mit der Vollzugsanstalt an den Kantonalen Strafvollzug Schwyz ab. Ausnahmen: bis zur Hauptverhandlung wird sich die Frage des Urlaubes vernünftigerweise nicht stellen.»

Indem das Justizdepartement im vorliegenden Verfahren seine Unzuständigkeit geltend macht, widerspricht es sich im Übrigen insofern selber, als dass es eine Verfügung über die Anstaltseinweisung erlassen hat und als dass es in dieser Verfügung als Rechtsmittelinstanz unter Hinweis auf § 160 StPO das Verwaltungsgericht angibt. Wenn sich das Justizdepartement in Fragen des vorzeitigen Strafvollzuges schon für unzuständig erachtet, müsste es konsequenterweise auch auf den Erlass von Vollzugsverfügungen verzichten bzw. diese mindestens formell den Untersuchungsbehörden zum Erlass unterbreiten.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Justizdepartement zwar im vorliegenden Verfahren geltend macht, für die Festlegung der Anstalt im Rahmen des vorzeitigen Strafvollzuges nicht zuständig zu sein, faktisch jedoch diesbezüglich rechtsverbindliche Verfügungen erlassen hat und andererseits auch die Strafverfolgungsbehörde gemäss den Akten klar die Meinung kundgibt, dass für den vorzeitigen Strafvollzug das Justizdepartement zuständig ist.

c) Von der Sache her wäre grundsätzlich eine Zuweisung der Verfügungskompetenz über den Angeschuldigten während des vorläufigen Strafvollzuges sowohl an die Strafverfolgungs- als auch an die Strafvollzugsorgane möglich (vgl. nicht veröffentlichter BGE v. 18.1.1977 i.S. S., wiedergegeben bei Schubarth, Zur Rechtsnatur des vorläufigen Strafvollzuges, ZStR 1979, S. 302f.). Nachdem sich der vorläufige Strafvollzug in den reinen Vollzugsfragen (z.B. Beschäftigung, Pekulium, Benutzung von therapeutischen Angeboten usw.) sowie in den Vollzugsanstalten grundsätzlich nicht vom normalen Strafvollzug unterscheidet und in Berücksichtigung der Kenntnisse und Erfahrungen des Justizdepartementes in Fragen des Strafvollzuges, rechtfertigt es sich, dass in Fragen des vorzeitigen Strafvollzuges nicht nur das ordentliche Vollzugsrecht zum Zuge kommt, sondern, dass sich auch die Kompetenzen nach dem ordentlichen Vollzugsrecht regeln (vgl. auch Schubarth, a.a.O., S. 311). Nachdem dies offenkundig auch die Meinung der Strafverfolgungsbehörde ist und die Strafvollzugsbehörde zumindest faktisch diesem Grundsatz entsprechend gehandelt hat, ist vorliegend im Rahmen einer richterlichen Lückenfüllung die Zuständigkeit der Strafvollzugsbehörde in Fragen des vorzeitigen Strafvollzuges zu bejahen; eine Ausnahme rechtfertigt sich unter Umständen einzig in Fragen, für welche die Strafverfolgungsbehörde ihre Kompetenz ausdrücklich vorbehalten hat. Im Weiteren müssen auch während des vorläufigen Strafvollzuges die Regelungen über die Untersuchungshaft Anwendung finden, soweit es um den Schutz des Betroffenen vor ungerechtfertigter Freiheitsentziehung geht. So haben die Gefangenen im vorzeitigen Strafvollzug namentlich das Recht, jederzeit ein Haftentlassungsgesuch im Sinne von § 28 StPO zu stellen (Schubarth, a.a.O, S. 311; BGE 117 Ia 72).

d) Zusammenfassend ist somit die Verfügung des Justizdepartementes vom 22. August 2000, mit welcher der Eintritt in die Strafanstalt Bostadel angeordnet wird, als Verfügung betr. den Strafvollzug im Sinne von § 158ff. StPO zu qualifizieren. Das Verwaltungsgericht ist somit gemäss § 160 StPO für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde zuständig.

(VGE 908/00 vom 24. Oktober 2000).

 

22

Waffengesetz

 Art. 27 WG; Voraussetzungen für Erhalt einer Waffentragbewilligung; Glaubhaftmachung einer tatsächlichen Gefährdung. Es sind strenge Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Bedürfnisses zur Mitführung einer Waffe in der Öffentlichkeit zu stellen (Erw. 1).
 Der Beschwerdeführer vermag weder als Inhaber eines Waffengeschäftes noch als Betreiber einer Bar eine tatsächliche Gefährdung in der Öffentlichkeit nachzuweisen, welche über die Gefährdung von Geschäftsinhabern anderer Branchen oder ihrer Mitarbeiter hinausgeht (Erw. 3).

Aus den Erwägungen:

1. a) Der Beschwerdeführer besass seit 1986 einen von der Kantonspolizei Schwyz ausgestellten Waffentragschein. Der Tragschein wurde gestützt auf die damalige kantonale Regelung (Verordnung über das Waffentragen, nGS 527c) erteilt, welche eine Verweigerung der Erteilung eines Tragscheines nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen vorsah (keine Bewilligungen v.a. an Unmündige, Geisteskranke, Straftäter; vgl. § 2 Abs. 2 der Verordnung i.V.m. Art. 5 des Konkordats über den Handel mit Waffen und Munition, nGS 527a). Seit dem 1. Januar 1999 wird der Erwerb, die Ein-, Aus- und Durchfuhr, das Aufbewahren, das Tragen, das Mitführen, das Vermitteln, die Herstellung von und der Handel mit Waffen durch das Bundesrecht geregelt (Waffengesetz, WG, SR 514.54; Waffenverordnung, WV, SR 514.541).

Wer nach bisherigem kantonalen Recht eine Waffe tragen oder mit Waffen handeln darf und dieses Recht behalten will, muss innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Waffengesetzes (d.h. innerhalb eines Jahres seit dem 1.1.1999) ein Gesuch um die entsprechende Bewilligung stellen (Art. 42 WG). Das entsprechende Gesuch wurde vom Beschwerdeführer am 28. Januar 1999 bei der zuständigen kantonalen Behörde gestellt.

b) Gemäss Art. 27 Abs. 1 WG benötigt eine Waffentragbewilligung, wer in der Öffentlichkeit eine Waffe tragen will. Eine Waffentragbewilligung erhält, wer:
            a) die Voraussetzungen für die Erteilung des Waffenerwerbsscheins erfüllt (Art. 8 Abs. 2 WG);
            b) glaubhaft macht, dass er oder sie eine Waffe benötigt, um sich selbst, andere Personen oder Sachen vor einer tatsächlichen Gefährdung zu schützen;
            c) eine Prüfung über die Handhabung von Waffen und über die Kenntnis der rechtlichen Voraussetzungen des Waffengebrauchs bestanden hat (Art. 27 Abs. 2 WG).

2. a) Vorliegend ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer die Voraussetzung von Art. 27 Abs. 2 lit. a WG erfüllt. Zu einer Prüfung im Sinne von Art. 27 Abs. 2 lit. c WG wird der Beschwerdeführer erst zugelassen, wenn er die übrigen Voraussetzungen für die Erteilung einer Waffentragbewilligung erfüllt (Art. 29 Abs. 2 WV). Umstritten und zu beurteilen ist somit vorliegend einzig, ob die Vorinstanzen die Voraussetzung von Art. 27 Abs. 2 lit. b WG beim Beschwerdeführer zu Recht verneinen.

Die Kantonspolizei führt in der angefochtenen Verfügung aus, dass an den Nachweis der Gefährdung strenge Anforderungen zu stellen seien. Die Zugehörigkeit eines Gesuchstellers zu einer bestimmten Berufskategorie – beispielsweise den Waffenhändlern – genüge noch nicht, um die erforderliche Gefährdung von Personen und Eigentum als gegeben zu erachten. Entscheidend seien vielmehr die individuellen Umstände des Einzelfalles. Zudem könne von einem Gesuchsteller erwartet werden, dass er durch andere geeignete Massnahmen im Sicherheitsbereich einer allfälligen Gefährdung von Personen oder Eigentum vorbeuge. Die Kantonspolizei stützt sich bei ihrer Argumentation auf ein Kreisschreiben der Schweizerischen Bundespolizei, Arbeitsausschuss Waffen und Munition, vom 10. Nov. 1998, in welchem eine möglichst strenge Anwendung der Bedürfnisklausel (Art. 27 Abs. 2 lit. b WG) empfohlen wird und unter Hinweis auf die Praxis des Kantons Zürich, wo schon vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes im kantonalen Recht eine analoge Bedürfnisklausel vorhanden war, in Bezug auf die Behandlung von Gesuchen von Waffenhändlern auf die in der angefochtenen Verfügung wiedergegebene Praxis verwiesen wird.

Der Regierungsrat zieht im angefochtenen Entscheid in Erwägung, dass in der Bedürfnisklausel von Art. 27 Abs. 2 lit. b WG klar eine konkrete Gefährdung gefordert wird, dass der Gesetzgeber trotz heftigem Widerstand (v.a. von Seiten der Waffenlobby) an der Bedürfnisklausel festgehalten habe und dass mit dem Waffengesetz der Missbrauch von Waffen verhindert werden soll. Alle diese Gründe würden für eine restriktive Auslegung des Bedürfnisnachweises sprechen.

b) Das Gesuch vom 3. Februar 1999 begründet der Beschwerdeführer mit: «Eigenschutz sowie Verhinderung von Diebstahl Waffen und Munition» wie auch «Gefährdung durch Kriminelle, welche in Besitz von Waffen, Bestandteilen oder Munition gelangen möchten». In der Beschwerde an den Regierungsrat lässt der Beschwerdeführer dann ausführen, dass Kriminelle (Einbrecher, Diebe, Räuber) bekanntermassen ein hohes Interesse an Waffen hätten und vor nichts zurückschreckten, an diese zu gelangen. Der Beschwerdeführer anerkennt zwar, dass er innerhalb seiner Geschäftsräumlichkeiten keine Waffentragbewilligung benötigt und er sich somit innerhalb seiner Geschäftsräumlichkeiten gegen unberechtigte Eindringlinge verteidigen kann, er macht jedoch geltend, dass er Waffen auch ausserhalb seiner Geschäftsräumlichkeiten transportieren müsse (Abholen von importierten Waffen im Zollfreilager Kloten, Lieferung der Waffen zu den Kunden) und er bei diesen Transporten einem erhöhten Risiko ausgeliefert sei. Das Überfallrisiko sei im Weiteren dadurch erhöht, dass er in der Zweigstelle Y. eine Bar betreibe und er jeweils abends grössere Geldbeträge in den Nachttresor der Bank oder nach Hause bringe. In die Bar sei bereits einmal eingebrochen worden. Neu komme hinzu, dass seine Firma auch Sicherheitsdienste im bewaffneten Objekt- und Personenschutz anbiete; eine solche Tätigkeit bringe berufsbedingt eine tatsächliche Gefährdung mit sich.

c) Die Bedürfnisklausel von Art. 27 Abs. 2 lit. b WG ist in offener, unbestimmter Weise formuliert. Die grammatikalische Auslegung der Gesetzesbestimmung ergibt keine klare Anwort darauf, wann ein Bedürfnis für das Waffentragen in der Öffentlichkeit bejaht werden kann oder muss. Indem der Gesetzgeber eine «tatsächliche» Gefährdung fordert, muss zumindest eine reale, fassbare Gefährdung glaubhaft gemacht werden.

In systematischer Hinsicht verweist der Beschwerdeführer auf Art. 3 WG, wo festgehalten wird, dass das Recht auf Waffenerwerb, Waffenbesitz und Waffentragen im Rahmen des Waffengesetzes gewährleistet ist. Diese Bestimmung hat jedoch in erster Linie deklaratorischen Charakter und räumt kein subjektives Recht ein (Weissenberger, Die Strafbestimmungen des Waffengesetzes, AJP 2/2000, S. 155). Indem die Bestimmungen des Waffengesetzes und damit auch die Bedürfnisklausel ausdrücklich vorbehalten wurden, wurde das in Art. 3 WG statuierte Recht auf Waffentragen relativiert.

Den Materialien können – wie der Regierungsrat zu Recht festhält – keine Hinweise zur Auslegung der Bedürfnisklausel entnommen werden. In den Debatten des National- und Ständerates war die Bedürfnisklausel zwar stark umstritten – neben dem generellen Zweifel am Erfordernis einer solchen Klausel wurde auch die Unbestimmtheit der Bestimmung gerügt, und es wurde die Befürchtung geäussert, dass die Behörden bei der Prüfung dieser Voraussetzung willkürlich und rechtsungleich vorgingen –, wann ein Bedürfnis für das Tragen einer Waffe in der Öffentlichkeit zu bejahen sei und unter welchen konkreten Umständen eine Glaubhaftmachung einer Gefährdung bejaht werden kann, wurde jedoch in den Räten nicht diskutiert, und dazu kann auch der Botschaft des Bundesrates (BBl 1996 I, S. 1053ff.) nichts entnommen werden. Insgesamt kann den Äusserungen der Befürworter zumindest entnommen werden, dass grundsätzlich jede in der Öffentlichkeit mitgetragene Waffe als Gefahrenpotential qualifiziert wurde und das Waffentragen in der Öffentlichkeit allgemein als Beitrag zur Förderung der Aggressionsbereitschaft betrachtet wurde (vgl. z.B. Voten Rhyner, Amtl. Bull. StR 1996, Sitzung 20.6.1996, Alder, Amtl. Bull. NR 1997, Sitzung 3.3.1997). Diese Äusserungen sprechen für eine restriktive Auslegung der Bedürfnisklauseln.

Die Unterstellung des Waffentragens in der Öffentlichkeit einer Bewilligungspflicht bezweckt die Missbrauchsbekämpfung, aber auch den Schutz der Öffentlichkeit. Die Limitierung der Personen, welche autorisiert sind, in der Öffentlichkeit eine Waffe zu tragen, vermindert das Risiko, das mit der Verwendung eines solchen Verteidigungsmittels einhergeht. Die Erfahrung zeigt, dass sich gewisse Personen unvorhersehbar und in unverhältnismässiger Art verhalten oder unüberlegt handeln, wenn sie unvermittelt mit einer ausserordentlichen Situation konfrontiert werden. Wenn sie eine Waffe besitzen und davon Gebrauch machen, kann daraus eine erhebliche Gefahr für die Öffentlichkeit entstehen. Es ist richtig, dass sich Gewaltanwendung rechtfertigen kann, um sich gegen die Gewalt eines anderen zu verteidigen. Es ist aber keineswegs garantiert, dass dieser Schutz sicherer ist, wenn die Person eine Waffe trägt und davon Gebrauch macht (vgl. BGE 103 Ia 173). Berücksichtigt man die Zielvorstellung der Bedürfnisklausel, nämlich die öffentliche Sicherheit, ist eine restriktive Anerkennung der Voraussetzung von Art. 27 Abs. 2 lit. b WG klarerweise gerechtfertigt.

Zusammenfassend ergibt die Auslegung von Art. 27 Abs. 2 lit. b WG, dass die Vorinstanzen zu Recht strenge Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Bedürfnisses gestellt haben und sie zu Recht von einer restriktiven Auslegung des Bedürfnisnachweises ausgegangen sind. In diesem Sinne ist die Erteilung des Waffentragscheins auch vom Nachweis einer das übliche Mass übersteigenden Gefährdung abhängig zu machen.

3. Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer eine besondere Gefährdung im Sinne von Art. 27 Abs. 2 lit. b WG glaubhaft zu machen vermag, ist zunächst nochmals darauf hinzuweisen, dass es vorliegend um die Bewilligung zum Waffentragen in der Öffentlichkeit geht. Es ist grundsätzlich unbestritten, dass der Beschwerdeführer in seinen privaten Wohn- und Geschäftsräumen weiterhin eine (geladene) Waffe tragen darf. Es ist damit einzig zu prüfen, ob der Beschwerdeführer im öffentlichen Raum eine Waffe benötigt, um sich selbst, andere Personen oder Sachen vor einer tatsächlichen Gefährdung zu schützen.

a) Es ist nicht zu verkennen, dass Waffengeschäfte einer erhöhten Gefahr ausgesetzt sind, von Kriminellen heimgesucht zu werden. Aus den Akten ergibt sich, dass im Kanton Schwyz in den letzten fünf Jahren vier Einbruchdiebstähle in Waffengeschäfte verzeichnet wurden. Solche Einbruchdiebstähle werden jedoch nicht verhindert, und die Gefahr vor solchen Einbrüchen wird auch nicht minimiert, wenn den Geschäftsinhabern die Bewilligung erteilt wird, in der Öffentlichkeit eine Waffe zu tragen. Überfälle auf Inhaber von Waffengeschäften in der Öffentlichkeit wurden im Kanton Schwyz in den letzten Jahren keine registriert. Der Beschwerdeführer selber vermag lediglich auf einen im Jahre 1997 im Kanton Bern verübten Überfall auf einen Angestellten eines Waffengeschäfts hinzuweisen, welcher ausserhalb der Geschäftsräumlichkeiten vollführt wurde, wobei die Vorinstanz zu Recht daran zweifelt, dass dieser Überfall – der keine Verletzung von Leib und Leben zur Folge hatte – durch das Tragen einer Waffe hätte verhindert werden können. Eine Gefährdung in der Öffentlichkeit, welche über eine Gefährdung von Geschäftsinhabern anderer Branchen oder ihrer Mitarbeiter hinausgeht, vermag der Beschwerdeführer nicht glaubhaft zu machen. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, er habe jeweils Waffen vom Zollfreilager Kloten in sein Geschäft zu transportieren, kann eine erhöhte Gefährdung allenfalls anerkannt werden, einem allfälligen Schutzbedürfnis bei den Transporten kann aber durch andere, geeignetere Massnahmen Rechnung getragen werden, insbesondere könnte die Durchführung des Transportes spezialisierten Fachleuten übergeben werden. Ausserdem steht es dem Beschwerdeführer frei, zu seiner Selbstverteidigung eine Druckluftwaffe (welche gemäss Art. 2 Abs. 2 lit. b WG nicht unter das Waffengesetz fällt) oder einen Selbstverteidigungsspray (z.B. Tränengas oder Pfefferspray) mit sich zu führen. Insoweit der Beschwerdeführer die Lieferung von Waffen und Bestandteilen an Kunden geltend macht, kann diesbezüglich wohl kaum von einer tatsächlichen Gefährdung gesprochen werden. Dass der Beschwerdeführer ausserhalb seiner Geschäftsräumlichkeiten beim Transport einer einzelnen Waffe überfallen wird, ist als nicht sehr wahrscheinlich zu qualifizieren, und es kann diesbezüglich nicht von einer tatsächlichen Gefährdung gesprochen werden. Ohnehin ist fraglich, ob der Beschwerdeführer selber tatsächlich solche Waffentransporte auszuüben hat, hält er doch in einem im Zusammenhang mit dem Verfahren betr. der Waffenhandelsbewilligung an die Kantonspolizei Schwyz eingereichten Schreiben vom 13. April 2000 fest, dass er seine Geschäftsaktivitäten in Zukunft hauptsächlich auf die «Vermittlerbasis» ausrichten werde; eine Gefährdung in der Öffentlichkeit beim Transport von Waffen erscheint von daher nicht als glaubhaft.

Auch die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Gefahr, der er als Betreiber einer Bar insbesondere beim Transport der Einnahmen zur Bank ausgesetzt ist, kann im Rahmen der restriktiven Handhabung des Bedürfnisnachweises nicht als solcher Art qualifiziert werden, dass das Mitführen einer Waffe notwendig ist zum Schutz vor einer tatsächlichen Gefährdung. Auch diesbezüglich kann vom Beschwerdeführer verlangt werden, dass er einer allfälligen Gefährdung in erster Linie durch geeignete Massnahmen im Betrieb selber (z.B. Einbau eines Tresors, Alarmanlage), durch entsprechende Organisation seines Betriebes (z.B. Transport des Geldes jeweils am Tag), durch Mitführen der oberwähnten erlaubten Selbstschutzmittel oder auch durch den Beizug eines privaten Sicherheitsunternehmens entgegentritt. Von daher kann nicht gesagt werden, dass das Tragen einer Waffe für den Schutz des Beschwerdeführers selber oder seines Geldes notwendig im Sinne von Art. 27 Abs. 2 lit. b WG ist.

Würde man vorliegend eine Gefährdung des Beschwerdeführers in der Öffentlichkeit als Inhaber eines Waffengeschäfts und einer Bar im Sinne von Art. 27 Abs. 2 lit. b WG bejahen, müsste praktisch bei jeder Verkäuferin und bei jedem Verkäufer, aber auch bei Mitarbeitern von Banken und Garagen, Gastgewerbebetrieben, Bijoutiers usw. und bei allen Personen, die ab und zu Geld von einer Bank oder einem Bancomaten abheben, eine Gefährdung im Sinne von Art. 27 Abs. 2 lit. b WG bejaht werden und eine Waffentragbewilligung erteilt werden, sodass ein grosser Teil der Bevölkerung eine Waffe in der Öffentlichkeit tragen könnte, was wiederum dem Zweck der Bedürfnisklausel klar widerspricht.

b) Wie bereits erwähnt, machte der Beschwerdeführer im Rahmen des Beschwerdeverfahrens geltend, dass seine Firma neu auch Sicherheitsdienste im bewaffneten Objekt- und Personenschutz anbiete.

Zunächst ist festzuhalten, dass Angehörige von Sicherheitsunternehmungen unter Umständen den erforderlichen Nachweis der tatsächlichen Gefährdung zu erbringen vermögen, sofern sie im Bereich des Personen- oder Eigentumsschutzes tätig sind, wobei der Regierungsrat im angefochtenen Entscheid zu Recht darauf hinweist, dass die Mitarbeiter solcher Firmen in der Regel nicht mit Schusswaffen ausgerüstet sind. Eine Tätigkeit in diesem Gewerbe muss jedoch nachgewiesen werden und insbesondere muss auch bei einer solchen Tätigkeit die tatsächliche Gefährdung konkret dargelegt werden. Für die Glaubhaftmachung einer tatsächlichen Gefährdung kann die blosse Geltendmachung einer Tätigkeit im Objekt- und Personenschutz damit nicht genügen, ansonsten der Bedürfnisnachweis praktisch jedermann zu erbringen vermöchte. Dass der Beschwerdeführer, der ein Waffengeschäft und eine Bar betreibt, daneben noch Sicherheitsdienste anbietet, wurde nicht glaubhaft dargelegt. Zum einen liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschwerdeführer über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten für eine solche Tätigkeit verfügt. Es liegen auch keine Angaben über eine allfällige Ausbildung oder Berufspraxis (z.B. als Polizist) vor. Im Weiteren sind die Angaben zur Geschäftstätigkeit mehr als schwammig; konkrete Angaben über die angebotenen Leistungen, die dazu eingesetzten Mittel (personell, finanziell, ...) und das geographische Tätigkeitsgebiet fehlen. Letztendlich weist der Umstand, dass der Beschwerdeführer erst nach Erhalt des abschlägigen Entscheides der Kantonspolizei und nach Beizug eines Anwaltes im Verfahren vor dem Regierungsrat erstmals geltend machte, dass seine Firma neu auch Sicherheitsdienste im bewaffneten Personen- und Objektschutz anbiete, darauf hin, dass es sich dabei um eine blosse Schutzbehauptung handelt. Dass der Beschwerdeführer neben seiner Tätigkeit als Inhaber einer Waffenhandlung und als Betreiber einer Bar überhaupt Zeit hat, auch noch seriöse Dienste im Bereich des Objekt- und Personenschutzes anzubieten, darf im Übrigen bezweifelt werden. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Beschwerdeführer – wie er geltend macht – im Handelsregister die Zweckumschreibung seiner Firma erweitern liess und neu (neben dem Handel mit und der Wartung von Motorfahrzeugen sowie dem Handel mit Elektrogeräten, Industriekomponenten, Waffen, Munition, Fahrzeugzubehör) auch den Sicherheitsdienst als Gesellschaftszweck deklariert, denn die Zweckumschreibung im Handelsregister stellt noch keine Garantie dafür dar, dass in diesem Tätigkeitsbereich auch aktiv Geschäfte betrieben werden. Es ist damit nicht zu beanstanden, dass der Regierungsrat im angefochtenen Entscheid die Glaubhaftmachung einer Gefährdung des Beschwerdeführers auch in diesem Bereich als nicht genügend dargetan qualifiziert hat.

(VGE 845/00 vom 5. Juli 2000; das Bundesgericht hat mit Urteil 2.A. 411/2000 vom 22. März 2001 eine dagegen erhobene Beschwerde abgewiesen).

 

23

Wasserrecht

 Gesuch um Entlassung aus der Perimeterpflicht nach rechtskräftiger Festlegung des Perimeterplanes.
 Private Hochwasserschutzmassnahmen (Aufschüttung des Baugrundes) rechtfertigen in casu keine Wiedererwägung des Perimeterplanes.
 Raumplanerische Massnahmen einerseits und der Unterhalt des Gewässers andererseits sind sich ergänzende Massnahmen des Hochwasserschutzes. Wenn raumplanerische Massnahmen getroffen wurden (z.B. Anheben des Baugrundes) heisst dies nicht, dass als ergänzende Massnahme der Unterhalt des Gewässers nicht mehr erforderlich ist.

Aus den Erwägungen:

2. a) Wo die Beibehaltung des natürlichen Zustandes von privaten und öffentlichen Gewässern die Gefahr von Überschwemmungen, Erdrutschen oder andern Schäden für die Allgemeinheit mit sich bringt, sind sie durch Korrektion, Verbauung oder Aufforstung zu sichern (§ 44 Abs. 1 des Wasserrechtsgesetzes, WRG, SRSZ 451.100). Die Ausführung von Massnahmen im Sinne von § 44 WRG und der Unterhalt obliegen bei öffentlichen und privaten Gewässern grundsätzlich den bisher pflichtigen Grundeigentümern oder Belasteten (§ 45 WRG). Übersteigen die Aufwendungen für den Unterhalt und die Verbauung von Bächen und Flüssen die Kräfte der Pflichtigen oder stehen sie in keinem Verhältnis zum Wert oder Ertrag der belasteten Grundstücke, so kann der Pflichtenkreis auf weitere Grundeigentümer und die Träger von privaten oder öffentlichen Werken und Anlagen, für welche die Verbauung mittelbar oder unmittelbar von Vorteil oder Interesse ist, ausgedehnt werden (§ 46 Abs. 1 WRG). In den Pflichtenkreis sind insbesondere jene Liegenschaften einzubeziehen, von denen dem zu verbauenden Gewässer Wasser zufliesst (§ 46 Abs. 2 WRG). Bei der Verteilung der Lasten innerhalb des Pflichtenkreises sind der Wert der belasteten Sache, die bestehenden Wuhrpflichten, die Gefahren sowie die Vorteile und Interessen zu berücksichtigen (§ 47 Abs. 1 WRG). In Ausführung dieser Bestimmung hält § 13 der Vollzugsverordnung zum Wasserrechtsgesetz (VVzWRG, SRSZ 451.111) fest, dass die in den Pflichtenkreis einbezogenen Objekte für die Berechnung der Gefahren, Vorteile und Interessen in Zonen eingeteilt werden. In die erste Zone werden alle Objekte eingeteilt, die in ihrem Bestand oder ihrer Sicherheit vom Gewässer bedroht sind. In weitere Zonen werden jene Objekte eingeteilt, denen aus der Verbauung indirekte Vorteile erwachsen oder deren Benützer wegen eines ungehinderten Zugangs von öffentlichen und privaten Strassen, von Siedlungen und von Nachbargrundstücken oder aus andern Gründen an der Verbauung ein Interesse haben.

b) Das Verwaltungsgericht hat im Entscheid 327/94 v. 15.12.1994 (Prot. 515ff.) festgehalten, dass bei der Beurteilung der Frage, ob eine Zuweisung in die Zone I des Pflichtenkreises angebracht ist oder nicht, auf die konkrete Lage eines Grundstückes abzustellen sei. Dieses Kriterium sei, im Gegensatz zum Schatzungswert der einzubeziehenden Liegenschaft, ein statisches, sich grundsätzlich nicht veränderliches. Daraus ergebe sich, dass eine einmal rechtskräftig erlassene Zonenzuweisung nicht oder nur erschwert abänderbar sei. Wann diese Revisions- oder Wiedererwägungsvoraussetzung erfüllt sei, werde weder im Wasserrechtsgesetz noch in der Vollzugsverordnung geregelt. Es sei diesbezüglich auf die allgemeinen Verfahrensbestimmungen (insbes. § 34 VRP) abzustellen. Des Weiteren wurde im zitierten Entscheid festgehalten, dass auch baubedingte Geländeveränderungen (z.B. Terrassierungen) nicht geeignet seien, das Gefahrenpotential genüglich einzudämmen, dass damit eine Umteilung von der I. Zone in eine höhere Zone möglich wäre. Dies umso mehr, als durch Überbauungen versiegelter oder verdichteter Boden die Gefährdung bei Unwetter eher erhöhe als mindere.

Wie bereits erwähnt, wurden auf den Grundstücken der Beschwerdeführer nach dem Erlass des Perimeterplanes Geländeveränderungen vorgenommen, welche speziell den Hochwasserschutz bezwecken. Gemäss dem privaten Überbauungsplan X.Y. des Ingenieurbüros A. wurde die im Baugebiet liegende Geländemulde aufgefüllt, und zwar so weit, dass alle Bauparzellen 50 cm über dem Spiegel eines 100-jährigen Hochwassers liegen. Am Augenschein konnte jedoch festgestellt werden, dass dies nicht bei allen Objekten mit unbewohnten Erdgeschossen zutrifft (...). Gemäss den Angaben der Beschwerdeführer wurden Aufschüttungen von ca. 80 cm bis 1.50 m vorgenommen. Die N-strasse entlang des Baches wurde so angelegt, dass die Nivlette 50 cm über dem 100-jährigen Hochwasser-Spiegel liegt. Parallel zur Strasse verläuft neben dem Bach ein Bächlein, das der Entwässerung des Gebietes X.Y. dient; dieses Wasser wird direkt in den See abgeleitet (d.h., es fliesst nicht in den Bach).

Es stellt sich die Frage, ob diese im Baugebiet getroffenen Massnahmen eine Bedrohung des Gebietes X.Y. durch den Bach ausschliessen und der Unterhalt des Baches von keinem unmittelbaren oder mittelbaren Interesse für die Beschwerdeführer mehr ist.

Diesbezüglich ist zunächst darauf hinzuweisen, dass grundsätzlich unbestritten ist, dass das Gebiet X.Y. im potentiellen Überschwemmungsbereich des Baches liegt (vgl. privater Überbauungsplan des Ingenieurbüros A. v. 11.5.1995). Das Gebiet X.Y. wurde denn auch im kommunalen Schutzzonenplan als Gefahrenschutzzone ausgeschieden. Der Schutzzonenplan lag vom 3. Okt. 1997 bis zum 3. Nov. 1997 öffentlich auf, und von den Beschwerdeführern gingen keine Einsprachen dagegen ein. Der Schutzzonenplan ist zwischenzeitlich in Rechtskraft erwachsen. In einem Gutachten vom 1. Juli 1989 des Ingenieurbüros B. zur Hochwassersicherheit am Seezufluss des Baches wurde zur Erreichung der geforderten Hochwassersicherheit die Erhöhung der Dämme der Bachschalen im Unterlauf vorgeschlagen. Zusätzlich wurde jedoch festgehalten, dass auch bei einer Erhöhung des Dammes entlang der Bachschale angestrebt werden müsse, dass der Wasserabfluss möglichst ungehindert erfolgen könne. Die Möglichkeit des Transportes grösserer Geschiebefrachten, welche allenfalls die Bachschale übermässig belasten bzw. verstopfen könnten, müsste durch gezielte Verbauungsmassnahmen im Bachoberlauf – soweit sie heute noch nicht ausgeführt seien – verhindert werden (Gutachten, S. 18). Bauliche Massnahmen im Unterlauf, wo sich auch das Gebiet X.Y. befindet, genügen gemäss diesem Gutachten somit nicht, sondern für die Hochwassersicherheit sind auch die Überbauungen im Bachoberlauf, für welche die Wuhrkorporation zuständig ist, notwendig. Die im Gutachten B. vorgeschlagene Erhöhung der Dämme der Bachschale wurde bis anhin nicht vorgenommen.

(Es folgen Ausführungen der kantonalen Fachinstanz.)

c) Beim Hochwasserschutz kommt dem sachgerechten Unterhalt der Gewässer oberste Priorität zu. Darunter werden der Erhalt der Abflusskapazität und der Wirksamkeit der Schutzbauten, aber auch die Berücksichtigung der Umweltbelange verstanden. Gleich wichtig ist die Berücksichtigung möglicher Gefahren in der Richt- und Nutzungsplanung. Durch das Meiden von Gefahrengebieten und den Erlass von Bauauflagen (z.B. Objektschutzmassnahmen wie Geländeveränderungen, Aufschüttungen) kann eine Zunahme des Schadenpotentials verhindert werden (vgl. Infoheft Raumplanung 1/94, S. 9). Der sachgerechte Unterhalt der Gewässer und die erwähnten raumplanerischen Massnahmen sind sich ergänzende Massnahmen. Wenn wie vorliegend raumplanerische Massnahmen durch Anhebung des Baugrundes getroffen wurden, heisst dies nicht, dass ergänzende Massnahmen durch den Unterhalt der Gewässer für den Hochwasserschutz nicht mehr erforderlich wären. Die kantonale Fachinstanz – welcher entgegen den Unterstellungen der Beschwerdeführer kein Interesse an der Beibehaltung der Beschwerdeführer im Pflichtenkreis unterschoben werden kann – hat mit nachvollziehbarer und umfassender Begründung auf dieses Zusammenwirken der verschiedenen Schutzmassnahmen hingewiesen und den Schluss gezogen, dass die getroffenen baulichen Massnahmen im Baugebiet für sich alleine als Hochwasserschutz nicht ausreichen. Das Einzugsgebiet des Baches ist Flyschgebiet; die Gefahr, dass Erdrutsche den Bachlauf verstopfen und Stauungen verursachen, ist real. Ein Dammbruch kann dann zu erheblichen Überschwemmungen im Bereich des Bachunterlaufes führen. Das Kriterium des 100-jährigen Hochwassers, welches als Massstab bei den Aufschüttungen im X.Y.-Gebiet diente, ist rein auf die anfallende Wassermenge ausgerichtet. Das Problem beim Bach liegt aber v.a. beim Geschiebe, dem Geröll, den Erdrutschen usw., welche zu Stauungen und entsprechenden Überschwemmungen führen können, ohne dass erst die Wassermenge eines 100-jährigen Hochwassers anfallen muss. Aufgabe der Wuhrkorporation ist es gerade, die Verstopfung des Baches durch Geschiebe so weit als möglich zu verhindern bzw. einzudämmen.

In Berücksichtigung der dargelegten Umstände und der in den Akten befindlichen Gutachten besteht kein Anlass, die Empfehlung der kantonalen Fachinstanz, die Beschwerdeführer nicht aus dem Pflichtenkreis zu entlassen, zu missachten. Der Unterhalt des Baches samt seinen Schutzbauten ist auch heute noch von unmittelbarem Interesse für die Beschwerdeführer, da die von den Beschwerdeführern getroffenen baulichen Massnahmen nur eine Ergänzung zum Unterhalt und den Verbauungen des Baches darstellen und die Funktionstüchtigkeit dieser baulichen Massnahmen die ordnungsgemässe Verbauung und den Unterhalt des Rickentalbaches voraussetzt, wie der Regierungsrat im angefochtenen Entscheid zutreffend festhält. Dass der Unterhalt und die Verbauung des Baches auch heute noch von unmittelbarem Interesse für die Beschwerdeführer ist, ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass die Aufschüttung des Baugrundes auf ein Jahrhunderthochwasser ausgerichtet ist. Der traditionelle Ausbau auf ein Jahrhunderthochwasser hat jedoch keine allgemeine Gültigkeit mehr. Bei sehr hohen Sachwerten, wie z.B. geschlossenen Siedlungen, wird empfohlen, den Schutzgrad höher anzusetzen, d.h., den Schutzgrad auf ein Extremereignis auszurichten (vgl. Infoheft Raumplanung 1/94, S. 9, 10). Bereits der Bezirksrat hielt zu Recht fest, dass trotz der von den Beschwerdeführern vorgenommenen baulichen Massnahmen bei einem Extremhochwasser weiterhin mit einer Gefährdung des Gebietes X.Y. zu rechnen ist.

(VGE 829/00 vom 20. Juni 2000).

 

24

Ausländerrecht

– Familiennachzug.

Aus dem Sachverhalt:

Eine kroatische Staatsbürgerin lebt seit rund sieben Jahren als Kurzaufenthalterin und seit drei Jahren als Jahresaufenthalterin in der Schweiz zusammen mit ihrem 1987 geborenen Sohn, welcher sich seit 1993 in der Schweiz aufhält, seit 1997 im Familiennachzug. 1999 ersuchte sie um Bewilligung des Familiennachzuges für ihren Ehemann (Heirat 1986) und Vater ihres Sohnes. Die Kantonale Fremdenpolizei wies das Gesuch ab, im Wesentlichen mit der Begründung, es bestehe kein Anspruch auf einen Familiennachzug und die privaten Interessen vermöchten die öffentlichen Interessen, insbesondere die Überfremdungsgefahr und Arbeitsmarktregulierung, nicht aufzuwiegen. Der Regierungsrat wies eine dagegen erhobene Beschwerde ab. Das Verwaltungsgericht hob diesen Beschwerdeentscheid auf und wies die Sache zur Sachverhaltsergänzung und Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück.

Aus den Erwägungen:

1. Mit der kantonalen Verwaltungsgerichtsbeschwerde können neben der unrichtigen oder ungenügenden Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes grundsätzlich nur Rechtsverletzungen gerügt werden (§ 55 Abs. 1 VRP). Wegen blosser Unangemessenheit der Verfügung kann die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur erhoben werden, wenn das Verwaltungsgericht als erste kantonale Beschwerdeinstanz zu entscheiden hat und es sich nicht um eine Verfügung des Regierungsrates handelt (§ 55 Abs. 2 lit. a VRP), sich die Beschwerde gegen eine Verfügung im Sinne von § 9 Abs. 2 VRP richtet oder die Beschwerde gemäss § 52 VRP überwiesen wird (lit. b), die Beschwerde sich gegen Vollstreckungsandrohungen, Vollstreckungsverfügungen oder Disziplinarmassnahmen richtet (lit. c) oder die Beschwerde wegen Diskriminierungen in einem öffentlichrechtlichen Arbeitsverhältnis erhoben wurde (lit. d).

Im vorliegenden Verfahren kann die Angemessenheit des angefochtenen Beschlusses folglich nicht überprüft werden.

2. a) Gemäss Art. 4 ANAG entscheidet die zuständige Behörde im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und Verträge mit dem Ausland nach freiem Ermessen über die Bewilligung von Aufenthalt und Niederlassung. Der Ausländer beziehungsweise seine allfällig in der Schweiz lebenden Angehörigen haben damit grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass ihnen eine Aufenthaltsbewilligung erteilt wird (BGE 119 Ib 83 m.H.).

b) Nach Art. 8 Ziff. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Familienlebens. Daraus kann nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich nur dann ein Anspruch auf Familiennachzug abgeleitet werden, wenn das Familienglied, welches sich bereits in der Schweiz befindet, über ein Anwesenheitsrecht verfügt, also entweder Schweizer Bürger oder im Besitz einer Niederlassungsbewilligung ist (vgl. auch Art. 17 Abs. 2 ANAG) oder eine Aufenthaltsbewilligung besitzt, auf deren Erneuerung ein Rechtsanspruch besteht (z.B. nach Massgabe eines Staatsvertrages, vgl. dazu Peter Kottusch, Zur rechtlichen Regelung des Familiennachzugs von Ausländern, ZBl 1989, S. 329ff., S. 343; BGE 115 Ib 99; 119 Ib 93, Erw. 1c; 122 II 5, Erw. 1e).

c) Auch bei Erfüllung der Mindestvoraussetzungen von Art. 39 BVO besteht kein Anspruch auf Bewilligung des Familiennachzuges. Aus Art. 36 und 38ff. BVO kann kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung abgeleitet werden, werden doch in der Begrenzungsverordnung bloss Vorschriften aufgestellt, welche die Kantone in ihrer Freiheit zur Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen einschränken, nicht aber sie zur Erteilung von Bewilligungen verpflichten (BGE 115 Ib 3). Die Fremdenpolizei ist vielmehr befugt, die Bewilligungserteilung von weiteren Voraussetzungen abhängig zu machen, welche nicht in Form von Rechtssätzen gekleidet werden müssen (vgl. Kottusch, Das Ermessen der Kantonalen Fremdenpolizei und seine Schranken, ZBl 1990, S. 168). Die Behörden werden in Art. 16 Abs. 1 ANAG und Art. 8 Abs. 1 ANAV ausdrücklich verpflichtet, in ihren Entscheidungen die geistigen und wirtschaftlichen Interessen, den Grad der Überfremdung des Landes sowie die Situation des Arbeitsmarktes zu berücksichtigen. Die öffentlichen Interessen, die gemäss Art. 16 ANAG beim Bewilligungsentscheid berücksichtigt werden müssen, sind weit auszulegen (Kottusch, a.a.O., ZBl 1990, S. 169 mit Hinweis auf BGE vom 7.9.1984 i.S. B.).

3. a) Der Regierungsrat verneint einen Rechtsanspruch auf den Nachzug von Familienangehörigen der Beschwerdeführerin. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die Beschwerdeführerin bereits seit rund sieben Jahren als Kurzaufenthalterin und drei Jahre als Jahresaufenthalterin in der Schweiz verbracht habe.

b) Die ausländische Beschwerdeführerin verfügt weder über eine Niederlassungsbewilligung noch über einen festen Rechtsanspruch auf Erneuerung ihrer Aufenthaltsbewilligung (hinsichtlich des im Regelfall fehlenden Anspruches auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung vgl. BGE 119 Ib 95, Erw. 1d). Sie kann somit aus Art. 8 EMRK keinen Rechtsanspruch auf Familiennachzug ableiten, wie sie dies auch nicht aus Art. 17 Abs. 2 ANAG herleiten kann, da diese Bestimmung nur der niedergelassenen bzw. der niederlassungsberechtigten Ausländerin ein Recht auf Nachzug ihrer Familie einräumt. Die Niederlassungsbewilligung kann ihr voraussichtlich aber erst per 14.5.2004 erteilt werden (Vernehmlassung Frepo vom 26.8.1999 an Justizdepartement, S. 3, Ziff. 5). Der Kanton wird von gesetzlichen oder staatsvertraglichen Rechtsansprüchen abgesehen im Rahmen seines Ermessens frei, aber immerhin in Beachtung des Rechtsgleichheitsgebotes und des Verhältnismässigkeitsprinzipes über die Niederlassungsbewilligung dannzumal befinden können (Marc Spescha, Handbuch zum Ausländerrecht, S. 108).

c) Was die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit dem verneinten Rechtsanspruch vorträgt, vermag an der vorliegenden Beurteilung nichts zu ändern.

4. Besteht kein Rechtsanspruch auf einen Familiennachzug, so kommt, nebst den Mindestvoraussetzungen nach Art. 39 BVO, dem Verwaltungsermessen bzw. der Abwägung zwischen öffentlichen und privaten Interessen eine entscheidende Bedeutung zu (oben Erw. Ziff. 2a/c oben).

a) Der Regierungsrat stellt sich auf den Standpunkt, auch wenn es alleine um eine Familienzusammenführung gehe (d.h. sinngemäss, dass keine wirtschaftlichen, politischen oder humanitären Interessen im Vordergrund stehen; vgl. unten Erw. 4 lit. b), käme ein Familiennachzug nur in Frage, wenn die privaten Interessen der Betroffenen, die weit auszulegenden öffentlichen Interessen (gemeint sind v.a.: Überfremdungsabwehr/Stabilisierungspolitik des Bundes; Streichung der Länder Ex-Jugoslawiens als traditionelle Rekrutierungsgebiete, Regulierung des Arbeitsmarktes) klar überwiegen würden. Diese für Gesuchsteller aus Ländern des zweiten Kreises strenge Rechtspraxis bzw. Gewichtung der Interessen ist im Rahmen einer blossen Rechtskontrolle nicht zu beanstanden. Sie setzt indes voraus, dass im Einzelfall die privaten Interessen soweit erforderlich auch abgeklärt bzw. – unter Beachtung der Mitwirkungspflicht (§ 19 VRP) – ermittelt werden, um eine sachgerechte Interessenabwägung überhaupt zu ermöglichen. Zudem ist zu beachten, dass bei fehlenden oder nur untergeordneten wirtschaftlichen, politischen und humanitären Interessen in den meisten Fällen nurmehr das Interesse an der Familienzusammenführung im Sinne des Familiennachzuges verbleiben wird.

b) Der Regierungsrat führt zu Recht aus, der Zweck des Familiennachzuges sei, das familiäre Zusammenleben zu ermöglichen. Dem widerspreche es, wenn primär andere, wie wirtschaftliche, humanitäre oder politische Absichten verfolgt würden.

aa) Der Regierungsrat räumt ein, bei der Beschwerdeführerin würden kaum ausschliesslich wirtschaftliche und nicht familiäre Gründe im Vordergrund stehen (angef. RRB, S. 3, Erw. 3). Welche familiären Gründe damit genau angesprochen werden, ergibt sich aus der Beschwerdebegründung indes nicht explizit. Vielmehr wird der Beschwerdeführerin vorgehalten, sie habe im Jahre 1997 lediglich den Nachzug für Sohn ... beantragt, nicht aber auch denjenigen des Ehemannes. Wenn es ihr einzig um die Zusammenführung der Familie ginge, hätte sie bereits damals um die Einreise des Ehemannes nachsuchen müssen (angef. RRB, Erw. 3). An anderer Stelle führt der Regierungsrat aus, die Beschwerdeführerin habe 1997 «lediglich für ihren Sohn ein Familiennachzugsgesuch gestellt ..., obwohl sie als Jahresaufenthalterin den Ehemann hätte miteinbeziehen können.» Offenbar sei «es ihr damals aber mehr um die Besserstellung ihres Kindes als um das Zusammenleben der Gesamtfamilie» gegangen (angef. RRB, Erw. 4.3.2). Und schliesslich wendet der Regierungsrat ein, der Ehemann der Beschwerdeführerin habe bereits einmal als Kurzaufenthalter in der Schweiz gearbeitet, sei dann aber wieder in die Heimat zurückgekehrt, ohne dass die Ehefrau mitgegangen wäre. Insofern habe sie die Trennung ebenfalls freiwillig herbeigeführt (angef. RRB, Erw. 4.3.2). Der Regierungsrat zweifelt mit anderen Worten ernsthaft daran, dass es der Beschwerdeführerin um eine Zusammenführung der Gesamtfamilie gehe. Er sieht vielmehr wirtschaftliche Interessen im Vordergrund (angef. RRB, Erw. 3, 4.3.1, 4.3.3). Diese Sachverhaltsannahme ist nach Auffassung des Gerichtes aus folgenden Gründen indes nicht liquid:

bb) Aufgrund der Akten ist anzunehmen, dass der Ehemann im Rahmen einer Kurzaufenthaltsbewilligung im Jahre 1991 in der Schweiz erwerbstätig war (vgl. auch angef. RRB, Ingress lit. a). Zu jenem Zeitpunkt verweilten weder die Beschwerdeführerin noch Sohn ... (Einreisedatum: 22.3.1993) andauernd in der Schweiz. Vielmehr ist aktenkundig, dass Sohn ... 1991 ein Visum erhielt, um seine Eltern in der Schweiz zu besuchen. Es geht mithin zu weit, aus diesem, relativ weit zurückliegenden Sachverhalt bzw. aus der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin 1992 wieder allein in die Schweiz einreiste (damals bei der Einreise noch zeitlich befristet, ab 1.8.1992 dann im Rahmen der Aktion Bosnien-Herzegowina), das Interesse an einer Familienzusammenführung ernsthaft in Abrede stellen zu wollen.

cc) Hinsichtlich des Nachzuges von Sohn ... hat man sich zu vergegenwärtigen, dass die Beschwerdeführerin und deren Sohn ... bereits seit 1993 in der Schweiz zusammenleben und dass die Beschwerdeführerin per 15. Dezember 1996 eine Jahresaufenthaltsbewilligung erhielt (Umwandlungsgesuch vom 18.10.1996). Im damaligen Zeitpunkt verfügte Sohn ... im Rahmen von Aktion Bosnien-Herzegowina noch über eine Aufenthaltsbewilligung bis 30. April 1997 (die Aufenthaltsbewilligung für Familien mit Kindern konnten die Kantone ein letztes Mal bis 30. April 1997 verlängern, bzw. die kollektive vorläufige Aufnahme wurde per 30. April 1997 aufgehoben; siehe Beschlüsse des Bundesrates vom 3. April 1996 und 26. Juni 1996, BBl 1997 II, S. 743). Die Beschwerdeführerin stellte alsdann am 25. Februar 1997 für Sohn ... ein «Gesuch um Erteilung einer Bewilligung B». Ihr ging es damals offensichtlich darum, dass sich an der bestehenden Situation, d.h., dass Sohn ... weiterhin bei ihr leben darf, nichts ändern soll. Es war dann die Fremdenpolizei, welche der Beschwerdeführerin umgehend mitteilte, das Gesuch sei «mit dem Formular um Familiennachzug» über die Wohngemeinde einzureichen, was am 12. März 1997 auch geschah. Wann genau der Nachzug von Sohn ... bewilligt wurde, ist nicht aktenkundig, hingegen folgender Abklärungsauftrag des Bundesamtes für Ausländerfragen vom 15. Mai 1997 betr. Sohn ... (Eingang Frepo 16.5.1997):

«Aus ihren Akten geht hervor, dass die Mutter eine Jahresbewilligung besitzt. Bevor im vorliegenden Fall eine Wegweisung angeordnet wird, sollte u.E. abgeklärt werden, ob hier allenfalls die Voraussetzungen zur Erteilung einer Bewilligung im Rahmen eines Familiennachzuges gegeben sind. Es gilt zu verhindern, dass diese Frage erst im Rahmen eines möglichen Beschwerdeverfahrens, auf Antrag des Beschwerdedienstes, geprüft werden muss. Falls der Familiennachzug nicht möglich ist und er mit einer entsprechenden kant. Verfügung abgelehnt wird, würde hier die übliche Wegweisungsverfügung erlassen.»

Aktenkundig ist alsdann noch eine Abschätzung des Fürsorgerisikos vom 16.5.1997. Aufgrund der Akten muss man mithin davon ausgehen, dass einerseits die Prüfung des möglichen Nachzuges von Sohn ... vor allem auch von den Behörden in die Wege geleitet wurde (nachdem die Mutter eine Jahresaufenthaltsbewilligung B erhielt und Sohn ... seit 1993 bei der Mutter lebte), und anderseits eine Gesamtzusammenführung der Familie damals offenbar weder von der Beschwerdeführerin noch von den Behörden in Betracht gezogen wurde, obgleich gerade etwa zu diesem Zeitpunkt im Kanton Schwyz die Praxis beim Familiennachzug insofern geändert wurde, als die Bewilligung grundsätzlich nurmehr erteilt wird, wenn beide Ehepartner und alle betreuungspflichtigen Kinder in der Schweiz wohnen (VGE 1028/98 vom 19.6.1998, Erw. 3, 4c; vernehmlassend schrieb in jenem Verfahren das instruierende Justizdepartement am 3. Juni 1998, 1994 sei diese Praxis der Gesamtzusammenführung noch nicht so einheitlich gewesen, der Regierungsrat habe sie aber seit ca. einem Jahr in seiner Beschwerderechtsprechung mehrfach bestätigt). Im angefochtenen Regierungsratsbeschluss wird denn auch die Nachzugsbewilligung für Sohn ... im Nachhinein als fragwürdig bezeichnet (S. 5 oben). Aus dem Umstand, dass damals kein Familiennachzugsgesuch für den Ehemann gestellt wurde, kann für den vorliegenden Fall somit nicht zwingend geschlossen werden, es fehle ein ernsthaftes Interesse an der Zusammenführung der Gesamtfamilie. Vielmehr bedarf es in diesem Zusammenhang in teilweiser Gutheissung der Beschwerde und Rückweisung der Sache an die Vorinstanz noch ergänzender Sachverhaltsabklärungen. Es ist unter Beachtung der Mitwirkungspflichten bei der Beschwerdeführerin und deren Ehemann abzuklären, weshalb der Ehemann die letzten Jahre getrennt von der Beschwerdeführerin und Sohn ... lebte, weshalb nicht früher bzw. gleichzeitig mit Sohn ... ein Familiennachzugsgesuch gestellt wurde und was die Motive des aktuellen und umstrittenen Nachzugsgesuches sind. Erst wenn hinsichtlich dieser Interessenlage soweit möglich Klarheit besteht, kann eine gesamtheitliche Interessenabwägung vorgenommen werden.

c) Zu den privaten Interessen sind zudem noch folgende Bemerkungen anzufügen:

aa) Nach Ansicht des Regierungsrates ist unter Umständen eine Rückkehr als zumutbar zu bezeichnen, wenn es primär um die Zusammenführung der ganzen Familie gehe. Hier wird bei der Interessenabwägung mitzuberücksichtigen sein, weshalb der Nachzug der Gesamtfamilie früher nicht angestrebt wurde. Hat dies die Beschwerdeführerin und ihre Familie bewusst in Kauf genommen, obgleich es ihr zumutbar gewesen wäre, anders zu handeln, so hat sie es sich auch vorhalten zu lassen. Andernfalls aber erweist sich bei Bejahung der Mindestvoraussetzungen (vgl. unten Erw. 5) die Aufgabe des jetzigen Aufenthaltsstatus von Mutter (Jahresaufenthaltsbewilligung) und Sohn (Familiennachzug) zwecks Zusammenführung der Gesamtfamilie als nicht unter allen Umständen verhältnismässig. Vielmehr wird es davon abhängen, ob andere Gesichtspunkte die Verweigerung des Nachzuges zu rechtfertigen vermöchten (z.B. Gleichheitsgebot, Lage auf dem Arbeitsmarkt).

bb) Der Regierungsrat stellt sich auf den Standpunkt, der erst zwölf Jahre alte Sohn, welcher seit einigen Jahren hier zur Schule gehe (Kindergarten bis 5. Primarklasse), könne sich in seiner Heimat noch leicht integrieren. Eine solche Feststellung ist insbesondere gerechtfertigt, solange ein Kind noch nicht die Primarschule besucht. Der Sohn der Beschwerdeführerin wird in einem Jahr die Primarschule beenden. Eine Integration in der Heimat ist auch in diesem fortgeschrittenen Ausbildungsstadium noch möglich, indes würde diese neue Situation Sohn ... im Vergleich zu einem Schüler im Kindergartenalter ungleich härter treffen.

cc) Die Beschwerdeführerin beruft sich auf eine besonders gute Integration im Gastland Schweiz. Das instruierende Justizdepartement bezeichnet dieses geltendgemachte private Interesse als nicht erstellt. Es sind deshalb entsprechende Abklärungen insbesondere bei Arbeitgebern, Schule und Behörden zu treffen.

d) Der Regierungsrat legt zu Recht grosses Gewicht auf eine rechtsgleiche Behandlung. Die Frage der Rechtsgleichheit (inwieweit liegen vergleichbare Verhältnisse mit den übrigen Jahresaufenthaltern oder den Flüchtlings-Rückkehrern vor?) kann aber erst geprüft werden, wenn die erforderlichen ergänzenden Sachverhaltsabklärungen getroffen sind.

(VGE 1000/00 vom 26. Mai 2000).

 

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Handänderungssteuer

 Der kantonale Gesetzgeber hat mit § 6 lit. f HStG die Fusion von Gesellschaften nicht von der Handänderungssteuer befreit.

Aus den Erwägungen:

1. Nach § 1 des kantonalen Gesetzes über die Erhebung der Handänderungssteuer (HStG, SRSZ 172.510) erheben die politischen Gemeinden nach Massgabe dieses Gesetzes eine Handänderungssteuer. Steuerpflichtig ist der Erwerber des Grundstückes (§ 2 Abs. 1 HStG). Die Handänderungssteuer beträgt ein Prozent des Handänderungswertes (§ 7 HStG).

Nach § 6 lit. f HStG sind von der Handänderungssteuer befreit: «Handänderungen infolge Umstrukturierung ohne wesentliche Änderung der Anteilsrechte der Beteiligten auf Verlangen des Steuerpflichtigen. Erfolgt eine wesentliche Veränderung der Beteiligungsrechte innert fünf Jahren, so wird die Handänderungssteuer nacherhoben.»

2. Im konkreten Fall ist im Wesentlichen streitig, ob hinsichtlich des Grundstücks GB ... die Handänderung von der X. AG zur Y. AG nach § 6 lit. f HStG von der Handänderungssteuer befreit ist. Dies ist nach Auffassung der Beschwerdeführerin der Fall. Demgegenüber argumentiert die Vorinstanz sinngemäss, diese Handänderung falle nicht unter den Steuerbefreiungsgrund von § 6 lit. f HStG.

3. a) Das Verwaltungsgericht hat sich mit der Frage der Steuerbefreiung nach § 6 lit.f HStG im Präjudiz VGE 717/99 vom 14. Januar 2000 auseinander gesetzt. Dabei kam es zum Ergebnis, dass der kantonale Gesetzgeber mit § 6 lit. f HStG die Fusion von Gesellschaften nicht von der Handänderungssteuer befreit hat.

Dieses Ergebnis basiert auf einer detaillierten Auseinandersetzung mit der Entstehungsgeschichte von § 6 lit. f HStG. Dabei berücksichtigte das Verwaltungsgericht u.a. hauptsächlich,
          dass die Revision von § 6 lit. f HStG nicht separat erfolgte, sondern im Zusammenhang mit der Einfügung von § 38b StG (mit dem Randtitel «Übergang zur Holdinggesellschaft»); diese Bezugnahme auf den Übergang zur Holdinggesellschaft bzw. auf § 38b StG erfolgte ausdrücklich im Bericht zur Vernehmlassung sowie im Bericht des Regierungsrates an den Kantonsrat (vgl. RRB, Nr. 1657 vom 27. Sept. 1993, S. 13);
          dass im Rahmen der Beratungen in der vorberatenden Kommission des Kantonsrates ausdrücklich die Nidwaldner Regelung herangezogen wurde, welche im Handänderungssteuerrecht bei den Befreiungsgründen – analog wie im Zürcher Handänderungssteuerrecht (vgl. § 180 lit. d/e des bis 31. Dez. 1998 geltenden StG-ZH, bzw. § 229 Abs. 1 lit. d und e des seit 1. Januar 1999 geltenden neuen StG-ZH) – einerseits die «Umwandlung von Unternehmen ohne wesentliche Änderung der Anteilsrechte der Beteiligten» und anderseits «Unternehmenszusammenschlüsse» (durch Übertragung sämtlicher Aktiven und Passiven auf eine juristische Person) aufführt,
          dass indessen der Schwyzer Gesetzgeber von dieser Nidwaldner (bzw. Zürcher Regelung) nicht sämtliche Befreiungsgründe, sondern nur die «Umwandlung von Unternehmen ohne wesentliche Änderung der Anteilsrechte der Beteiligten» übernommen hat (nicht aber den Befreiungsgrund des «Unternehmenszusammenschlusses»),
          dass es dem Richter grundsätzlich verwehrt ist, einen vom Gesetzgeber nicht übernommenen Befreiungsgrund auf dem Wege der Gesetzesauslegung einzuführen,
          dass gemäss konstanter Rechtsprechung Steuerbefreiungen bei einer allgemeinen Rechtsverkehrssteuer, wie sie die Handänderungssteuer darstellt, vom Richter nicht extensiv, sondern restriktiv auszulegen sind,
          und dass es bei der Handänderungssteuer als Objektsteuer unerheblich ist, ob ein Gewinn resultiert; die Besteuerung wird grundsätzlich bei jeder Handänderung ausgelöst, es sei denn, das Gesetz sehe die Steuerbefreiung ausdrücklich vor, was bei der Fusion gerade nicht der Fall ist.

b) Zusammenfassend entschied das Verwaltungsgericht im genannten Präjudiz (S. 14 unten), dass der Steuerbefreiungsgrund von § 6 lit. f HStG («Handänderungen infolge Umstrukturierung ohne wesentliche Änderung der Anteilsrechte der Beteiligten») Unternehmenszusammenschlüsse bzw. die Fusion generell nicht erfasst. Mithin war für das Gericht ausschlaggebend, dass die Fusion nur dann als Steuerbefreiungsgrund gelten kann, wenn dies vom Gesetzgeber ausdrücklich beabsichtigt wird, was indessen voraussetzt, dass der Gesetzgeber einen solchen Befreiungsgrund (welcher im Nidwaldner und Zürcher Recht zusätzlich zum Befreiungsgrund der Umwandlung von juristischen Personen/Personengesellschaften ohne wertmässige Änderung der Anteilsrechte der Beteiligten existiert) auch ausdrücklich im Gesetz aufführt. Solange dies nicht der Fall ist, und der Gesetzgeber Fusionen bzw. Unternehmenszusammenschlüsse bei den Steuerbefreiungsgründen nicht aufführt, bleibt es dabei, dass Handänderungen im Zusammenhang mit Fusionen nach Schwyzer Handänderungsrecht nicht von der Handänderungssteuer befreit sind.

c) Das Gericht hat keinen Anlass, im vorliegenden Fall vom dargelegten Ergebnis des Präjudizes vom 14. Januar 2000 abzuweichen. Unbehelflich sind die Vorbringen in der Beschwerdeschrift, wo u.a. argumentiert wird, im genannten Präjudiz sei es um eine «Fusion unter Dritten (konzernfremden Gesellschaften)» gegangen, derweil hier eine «Fusion unter Nahestehenden (Schwestergesellschaften)» vorliege. Die Beschwerdeführerin übersieht die gerichtliche Schlussfolgerung im genannten Präjudiz (S. 14 unten), wonach der kantonale Gesetzgeber mit § 6 lit. f HStG die Fusion von Gesellschaften nicht von der Handänderungssteuer befreit hat. Mit dieser generell gehaltenen Schlussfolgerung sollte vermieden werden, dass – solange die gesetzliche Regelung von § 6 HStG unverändert bleibt – Diskussionen darüber entstehen, «welche Fusionen» von der Handänderungssteuer nicht befreit sind und «welche Fusionen» eventuell dennoch von der Handänderungssteuer befreit sein sollten. Um eine schwierige Abgrenzung zwischen einzelnen Fusionsarten und daran anschliessenden unterschiedlichen Handänderungssteuerfolgen zu vermeiden, entschied das Verwaltungsgericht im genannten Präjudiz, dass § 6 lit. f HStG in der vorliegenden Fassung Unternehmenszusammenschlüsse (Fusionen) generell nicht erfasst. Falls der kantonale Gesetzgeber – analog wie im Nidwaldner oder Zürcher Handänderungssteuerrecht – Handänderungen bei Fusionen (Unternehmenszusammenschlüssen) von der Handänderungssteuer befreien will, braucht es dazu eine ausdrückliche Regelung, wie sie im Nidwaldner oder Zürcher Handänderungssteuerrecht enthalten ist. Dafür spricht schliesslich, dass der kantonale Gesetzgeber bei der Revision von § 6 lit. f HStG eindeutig am Kriterium der wesentlich gleichbleibenden Beteiligungsverhältnisse festgehalten und neu das Institut der Nachbesteuerung bei wesentlicher Veränderung der Beteiligungsrechte innert 5 Jahren seit der Umstrukturierung bzw. Handänderung eingeführt hat (vgl. zit. Präjudiz, S.14). In diesem Zusammenhang sind folgende Ausführungen im genannten Präjudiz zu betonen:

«(...)
Im Rahmen der Beratungen in der vorberatenden Kommission des Kantonsrates erfolgte die Änderung des ursprünglichen Vorschlages zu § 6 lit. f HStG (‹ohne wertmässige Änderung der Anteilsrechte der Beteiligten...›) ausdrücklich unter Hinweis und in Anlehnung an die Regelung im Kanton Nidwalden. Art. 159 Ziffer 9 StG-NW (in der ab 1. Januar 1989 geltenden Fassung) normiert für den Kanton Nidwalden folgende Befreiungstatbestände von der Handänderungssteuer:
(...)
Mithin verhält es sich so, dass im Kanton Nidwalden im Handänderungssteuerrecht bei den Steuerbefreiungsgründen ausdrücklich zwischen ‹Umwandlung von Unternehmen ohne wesentliche Änderung der Anteilsrechte der Beteiligten› (lit. a), ‹Unternehmenszusammenschluss› (lit. b) sowie ‹Unternehmensaufteilung› (lit. c) unterschieden wird. Eine ähnliche Unterscheidung ist auch im Zürcher Steuerrecht anzutreffen (vgl. § 180 lit. d, e und f StG-ZH, wobei in lit. d die Voraussetzung ‹ohne wertmässige Änderung der Anteilsrechte der Beteiligten› verlangt wird).
Diese soeben dargelegte Unterscheidung basiert u.a. darauf, dass das vorerwähnte Kriterium ‹ohne wesentliche Änderung der Anteilsrechte der Beteiligten› (bzw. ‹ohne wertmässige Änderung der Anteilsrechte...›) grundsätzlich nur bei der ‹Umwandlung als blossen Formwandel› bzw. nur dort sinnvoll ist, wo ein bisheriges Unternehmen lediglich seine äussere Rechtsform verändert, indessen durch die alten Beteiligten fortgeführt wird. In diesem Zusammenhang macht es Sinn, auf die Frage der (im Wesentlichen) gleichgebliebenen Beteiligungsverhältnisse vor und nach der Änderung der äusseren Rechtsform abzustellen und dieses Kriterium als ausschlaggebend für die Steuerbefreiung bzw. das Dahinfallen der Steuerbefreiung (mit nachträglicher Erhebung der Handänderungssteuer) zu erklären.
Anders verhält es sich hingegen bei Unternehmenszusammenschlüssen, bei welchen zwei oder mehrere Unternehmen zu einer rechtlichen oder zu einer engen wirtschaftlichen Einheit vereinigt werden. Im Unterschied zur Umwandlung als blosser Änderung der Rechtsform wird beim Zusammenschluss nicht lediglich die vorhandene unternehmerische Substanz rechtlich umgestaltet, sondern es werden dem Unternehmen neue betriebliche Einheiten einverleibt. Als Zusammenschluss im engeren Sinn erscheint die Verschmelzung von zwei oder mehreren Unternehmen zu einem einzigen Unternehmen als rechtlicher Einheit. Dabei wird entweder eines der beteiligten Unternehmen vom andern übernommen (Absorption oder Annexion), oder es werden zwei oder mehrere Unternehmen zu einem neuen zusammengeschlossen (Kombination). Dagegen versteht die Steuerrechtslehre unter einem Zusammenschluss von Unternehmen im weiteren Sinn jedes Zusammenführen von zwei oder mehreren Unternehmungen zu einer engen wirtschaftlichen Einheit. Dies geschieht durch Übertragung der Beteiligungsrechte an einem oder mehreren Unternehmen auf einen andern Rechtsträger, der inskünftig die übernommenen Unternehmen beherrscht (fusionsähnlicher Zusammenschluss oder Quasifusion, vgl. dazu Richner/Frei/Weber/Brütsch, Kurzkommentar zum Zürcher Steuergesetz, Zürich 1994, S. 755, Rz. 180 zu § 161 mit Hinweisen). Bei solchen Zusammenschlüssen erweist sich die Anwendung des Kriteriums der ‹wesentlich gleichbleibenden Beteiligungsverhältnisse› bzw. der Vergleich der Beteiligungsverhältnisse vor und nach dem Zusammenschluss als unpraktikabel, da bei solchen (fusionsähnlichen) Vorgängen aus der Sicht des einen bisherigen Unternehmens, welches Eigentümer (mindestens) einer Liegenschaft war (ansonsten sich die Frage der Befreiung von der Handänderungssteuer gar nicht stellt), neue Beteiligte (aus dem anderen bisherigen Unternehmen) hinzukommen. (...)»

(vgl. Präjudiz 717/99 vom 14. Jan. 2000, S. 11/12, Kursivdruck nicht im Original)

Dadurch, dass der kantonale Gesetzgeber am Kriterium der gleichbleibenden Beteiligungsverhältnisse festgehalten hat und sogar das Institut der Nachbesteuerung bei wesentlicher Veränderung der Beteiligungsverhältnisse innert 5 Jahren eingeführt hat, brachte er klar zum Ausdruck, dass er mit § 6 lit. f HStG nicht Fusionen gemeint hat (vgl. dazu ferner die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung bei Handänderungen im Zusammenhang mit Fusionen nach Zürcher Recht, wo nicht gleichbleibende Beteiligungsverhältnisse, sondern andere Kriterien verlangt werden, siehe Richner/Frei/Weber/Brütsch, Kurzkommentar zum Zürcher Steuergesetz, Rz. 179 zu § 161 i.V.m. Rz. 2 zu § 180 ZH-StG, bzw. Richner/Frei/Kaufmann, Kommentar zum harmonisierten Zürcher Steuergesetz, Rz. 2 zu § 229 i.V.m. Rz. 238ff. zu § 216).

d) Soweit in der Beschwerdeschrift (S. 9, Ziff. 7, 2. Abs.) eingewendet wird, es sei nicht zulässig, «das Aktionariat der Y. AG in die massgebenden Überlegungen einzubeziehen», ist klarzustellen, dass es grundsätzlich dem kantonalen Gesetzgeber überlassen ist zu entscheiden, welche Handänderungen von der kantonalen Handänderungssteuer befreit werden und welche nicht. Nach der derzeit geltenden Regelung von § 6 HStG hat der kantonale Gesetzgeber Handänderungen im Zusammenhang mit «Unternehmenszusammenschlüssen» bzw. Fusionen nicht von der Handänderungssteuer befreit (da eine entsprechende Regelung, wie sie das Nidwaldner Recht und auch das Zürcher Recht kennen, bei den Beratungen des Schwyzer Gesetzgebers zur Revision von § 6 lit. f HStG von der ausdrücklich diskutierten Nidwaldner Regelung nicht übernommen wurde). Im Übrigen ist zu betonen, dass die von Bundesrechts wegen verlangte Steuerharmonisierung sich lediglich auf die direkten Steuern bezieht und nach ständiger Rechtsprechung das Gleichheitsgebot nicht verletzt wird, wenn der kantonale Gesetzgeber nicht jede Universalsukzession von der Handänderungssteuer befreit hat (vgl. zit. Präjudiz, Erw. 6 mit Hinweisen). Die diesbezüglichen Vorbringen der Beschwerdeführerin vermögen am dargelegten Ergebnis nichts zu ändern.

e) Aus all diesen Gründen erweist sich die Beschwerde als unbegründet. (...)

(703/00 vom 8. September 2000).

 

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Handänderungssteuer

 § 5 HStG: Handänderungen zu Lebzeiten zwischen Onkel/Tante einerseits und Neffe/Nichte anderseits sind nicht von der Handänderungssteuer befreit.

Aus den Erwägungen:

2. a) Nach § 1 HStG erheben die politischen Gemeinden eine Handänderungssteuer. Es handelt sich dabei um eine Rechtsverkehrssteuer. Sie hängt vom Übergang eines Rechts an einem Grundstück von einer Person auf eine andere ab und ist unabhängig davon geschuldet, ob ein Gewinn oder ein Verlust resultiert (vgl. VGE 724/98 vom 27. Mai 1999, Erw. 1 mit Hinweisen, u.a. auf Friedrich Huwyler, Die Handänderungssteuer im Kanton Schwyz, EGV-SZ 1993, S. 203ff.).

Steuerpflichtig ist der Erwerber des Grundstückes (vgl. § 2 Abs. 1 HStG). Mehrere Personen oder Mitglieder einer Personengemeinschaft ohne juristische Persönlichkeit haften solidarisch, ausgenommen die Erbengemeinschaft, welche als Steuersubjekt gilt (§ 2 Abs. 2 HStG).

Was als Handänderung im Sinne des HStG gilt, wird in § 4 HStG definiert. Gemäss § 4 lit. a HStG stellt der zivilrechtliche Erwerb von Grundstücken eine Handänderung dar. Als Handänderung gelten nach § 4 lit. d HStG auch Änderungen im Personenstand einer Gesamthandgemeinschaft oder die wesentliche Veränderung von Beteiligungsrechten an solchen Gemeinschaften ohne Wechsel der Mitglieder.

b) Das kantonale Handänderungssteuergesetz unterscheidet zwischen subjektiven (§ 5 HStG) und objektiven Steuerbefreiungsgründen. Beiden ist gemeinsam, dass die Aufzählung grundsätzlich als abschliessend zu gelten hat (vgl. Huwyler, a.a.O., EGV-SZ 1993, S. 214 mit dem Hinweis, dass diese abschliessende Geltung als Korrelat zur abschliessenden Aufzählung wirtschaftlicher Handänderungen anzusehen ist). Dass der Gesetzgeber von einer abschliessenden Aufzählung ausging, ist auch dem damaligen Bericht an den Kantonsrat zu entnehmen (vgl. RRB, Nr. 1453 vom 9. August 1976: Gesetz über die Erhebung der Handänderungssteuer: Bericht und Vorlage für den Kantonsrat, S. 8 oben; vgl. auch VGE 717/99 vom 14. Januar 2000, Erw. 5b und 5f).

Nach § 5 HStG sind u.a. von der Handänderungssteuer befreit:
«b) Handänderungen an den Ehegatten, zwischen Eltern und Nachkommen sowie zwischen Geschwistern;
c) Handänderungen an den überlebenden Ehegatten und an Erben in direkter auf- oder absteigender Linie sowie an Geschwister und deren Nachkommen infolge Erbteilung oder Vermächtnis;»

Nach der Systematik betrifft § 5 lit. b HStG Handänderungen zu Lebzeiten zwischen Ehegatten, Eltern und Nachkommen sowie zwischen Geschwistern, derweil § 5 lit. c HStG einen Erblasser mit Grundstück voraussetzt, bzw. dass die Handänderung von der verstorbenen Person über die Erbengemeinschaft zu einer weiteren der in lit. c genannten Personen «infolge Erbteilung oder Vermächtnis» erfolgt.

Nach § 6 lit. b HStG ist überdies der Übergang vom Erblasser an die Erbengemeinschaft von der Handänderungssteuer befreit, ausgenommen bei Übergang eines Grundstückes auf einen Alleinerben. Aufgrund dieser Bestimmung unterliegt (einmal abgesehen vom Fall des Übergangs eines Grundstückes auf einen Alleinerben) der Erbgang vor der Teilung nicht der Besteuerung, sondern nur der Eigentumsübergang infolge Erbteilung oder Vermächtnis (vgl. den damaligen Bericht an den Kantonsrat, RRB, Nr. 1453 vom 9. August 1976, S. 9 oben). Mit anderen Worten bezweckt diese Bestimmung, eine doppelte Besteuerung beim erbrechtlichen Erwerb zu vermeiden (vgl. Huwyler, a.a.O., EGV-SZ 1993, S. 215). Ohne diese Bestimmung käme eine Besteuerung beim Übergang eines Grundstückes vom Erblasser auf die Erbengemeinschaft und später beim Übergang im Rahmen der Erbteilung in Betracht. Aufgrund von § 6 lit. b HStG wird die Teilung allein besteuert (es sei denn, es gehe um einen Übergang eines Grundstückes auf einen Alleinerben, oder es liege ein subjektiver Befreiungsgrund nach § 5 lit. c HStG vor).

Diese dargelegte Konzeption beruht auf folgenden Grundlagen. Nach Art. 560 Abs. 1 ZGB gehen mit dem Tode des Erblassers seine Vermögenswerte von Gesetzes wegen in das Eigentum der Erben über. Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft (vgl. Art. 602 Abs. 1 ZGB mit der Marginalie «Erbengemeinschaft»). Befindet sich unter dem Nachlass ein Grundstück, so vollzieht sich der Eigentumsübergang ausserbuchlich; eine Eintragung des Alleinerben oder der Erbengemeinschaft in das Grundbuch ist nur erforderlich, wenn die Erben über das Grundstück verfügen wollen (vgl. Art. 656 Abs. 2 ZGB). Wird dagegen das Nachlassgrundstück auf einen oder mehrere Erben infolge Erbteilung übertragen, so ist die Grundbucheintragung für den Eigentumsübergang notwendig (vgl. EGV-SZ 1967–1968, S. 142). Zusammenfassend geht dann, wenn eine Mehrheit von Erben vorhanden ist, das Grundeigentum vom Erblasser an einen einzelnen Erben grundsätzlich in zwei Etappen über: Zuerst erwerben alle Erben zusammen die Grundstücke zur gesamten Hand (Art. 560 ZGB); erst im Zug der Erbteilung (Art. 602ff. ZGB, v.a. Art. 634 ZGB) werden daran anschliessend einzelne Grundstücke auf einzelne Erben übertragen (vgl. auch Richner/Frei/Kaufmann, Kommentar zum harmonisierten Zürcher Steuergesetz, Zürich 1999, Rz. 149 zu § 216 ZH-StG). Auch wenn bei einer Mehrheit von Erben der Erbgang i.d.R. zwei Eigentumsübergänge enthält (zuerst Erwerb der Nachlassgrundstücke nach Art. 560ff. ZGB; dann Erwerb der betreffenden Grundstücke durch Erbteilung nach Art. 602ff. ZGB), ging die Praxis bereits unter der Herrschaft des alten Rechts (vgl. Schwyzer Rechtsbuch, Nr.106, sowie GS 9, S. 616) seit jeher davon aus, dass nur eine der beiden Handänderungen der Besteuerung unterstellt wird (vgl. EGV-SZ 1967–1968, S. 142 unten, mit Verweis auf ZBl 32, 54). Die Frage, welche der beiden Eigentumsübergänge zu besteuern ist, hat der Regierungsrat nach altem Recht in dem Sinne beurteilt, dass die Eigentumsübertragung von der Erbengemeinschaft auf einen oder mehrere Erben infolge Erbteilung als steuerbar zu betrachten sei (vgl. EGV-SZ 1967–1968, S. 143 oben, mit Hinweis; vgl. auch EGV-SZ 1970, S. 130). Diese frühere Praxis wurde im revidierten HStG, welches per 1. Januar 1978 in Kraft gesetzt wurde, übernommen (vgl. dazu den damaligen Bericht an den Kantonsrat, RRB, Nr. 1453 vom 9. August 1976, S. 9 oben).

c) Vergleicht man die in § 5 lit. b und lit. c HStG genannten Personen, fällt folgender Unterschied beim privilegierten Personenkreis auf. Während § 5 lit. c HStG Handänderungen «an Geschwister und deren Nachkommen» erwähnt, enthält § 5 lit. b HStG (abgesehen von den Handänderungen zwischen Ehegatten, Eltern/Nachkommen) lediglich die Handänderungen zwischen Geschwistern, ohne die Nachkommen von Geschwistern aufzuführen. Aus diesem unterschiedlichen Personenkreis ist abzuleiten, dass der Gesetzgeber Handänderungen, welche zu Lebzeiten zwischen «Onkel/Tante» einerseits und «Neffe/Nichte» anderseits erfolgen, nicht von der Handänderungssteuer befreit hat (andernfalls er § 5 lit. b HStG anders formuliert hätte, beispielsweise in Anlehnung an § 5 lit. c HStG «Handänderungen an Geschwister und deren Nachkommen»). Diese vom Gesetzgeber gewählte Grenzziehung zwischen privilegierten (von der Handänderungssteuer befreiten) und nicht privilegierten Handänderungen ist vom Richter zu beachten. Bereits dargelegt wurde, dass die im Gesetz aufgeführten Steuerbefreiungsgründe abschliessenden Charakter aufweisen. Dem Richter ist es somit verwehrt, zusätzliche Steuerbefreiungsgründe einzuführen (z.B. Handänderungen zu Lebzeiten zwischen Tante und Neffe).

(VGE 719/99 vom 5. April 2000).

  

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Kausalabgaberecht

 Wasseranschlussgebühren: keine überspannten Anforderungen an das Legalitätsprinzip bei der Übertragung der Wasserversorgungsaufgabe an konzessionierte Dritte (Erw. 1);
 Grundsatz der Einmaligkeit der Anschlussgebühr: in casu nicht verletzt (Erw. 2).

Aus den Erwägungen:

1. a) In Ziffer 9 der Beschwerdeschrift wird bemängelt, die von der Vorinstanz erhobenen und hier angefochtenen Wasseranschlussgebühren würden über keine hinreichende gesetzliche Grundlage verfügen.

b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts bedürfen öffentliche Abgaben der Grundlage in einem formellen Gesetz. Delegiert das Gesetz die Kompetenz zur Festlegung einer Abgabe an eine nachgeordnete Behörde, muss es zumindest den Kreis der Abgabepflichtigen, den Gegenstand der Abgabe sowie deren Bemessungsgrundlagen nennen, doch sind diese Anforderungen für gewisse Arten von Kausalabgaben gelockert, soweit das Mass der Abgabe durch überprüfbare verfassungsrechtliche Prinzipien (Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip) begrenzt wird und nicht allein der Gesetzesvorbehalt diese Schutzfunktion erfüllt (vgl. BGE 126 I 183, Erw. 2a/bb mit Hinweisen).

Der Umfang des Legalitätsprinzips ist je nach der Natur der Abgabe zu differenzieren (vgl. BGE 121 I 230, Erw. 3g/aa, S. 238). Das Prinzip darf weder seines Gehalts entleert, noch andererseits in einer Weise überspannt werden, dass es mit der Rechtswirklichkeit und dem Erfordernis der Praktikabilität in einen unlösbaren Widerspruch gerät (vgl. BGE 126 I 183).

Bei Kausalabgaben, auch bei kostenunabhängigen, kann ihm bereits Genüge getan sein, wenn das formelle Gesetz die maximale Höhe der Abgabe im Sinne einer Obergrenze festlegt (BGE 126 I 183 mit Verweis auf BGE 121 I 238). Kanzleigebühren sind wegen ihrer meist geringen Höhe vom Erfordernis der gesetzlichen Grundlage weitgehend ausgenommen (vgl. BGE 112 Ia 44). Umgekehrt müssen andere öffentliche Abgaben, wenn nicht notwendigerweise in allen Teilen im formellen Gesetz, so doch in genügender Bestimmtheit zumindest in rechtssatzmässiger Form festgelegt sein (Erfordernis des Rechtssatzes). Die Voraussetzungen für die Erhebung der Abgabe müssen in den einschlägigen Rechtssätzen so umschrieben sein, dass der rechtsanwendenden Behörde kein übermässiger Spielraum verbleibt und die möglichen Abgabepflichten für den Bürger voraussehbar sind (vgl. BGE 126 I 183). Auch insofern hangen die Anforderungen von der Natur der jeweiligen Materie ab (vgl. auch BGE 123 I 249f.). Das Gleiche gilt für die Frage, ob und wieweit das Kosten- deckungs- und Äquivalenzprinzip im Einzelfall die gesetzliche Grundlage tatsächlich zu ersetzen vermögen (vgl. BGE 126 I 183 mit Verweis auf BGE 123 I 254, 256).

c) Im kantonalen Planungs- und Baugesetz (PBG, SRSZ 400.100) wird in § 51 Abs. 1 PBG normiert, dass die Gemeinden für den Anschluss an die Ver- und Entsorgungsnetze der Gemeinde oder ihrer Anstalten einmalige Anschlussbeiträge oder Anschlussgebühren und für die Benützung wiederkehrende Betriebsgebühren erheben. Schuldpflicht, Voraussetzungen und Höhe der Abgaben sind in den Grundsätzen in einem Reglement festzulegen (vgl. § 51 Abs. 2 PBG).

Soweit die Versorgung mit Wasser oder Energie nicht durch die Gemeinde oder ihre Anstalten erfolgt, obliegt die Pflicht zur Groberschliessung dem betreffenden Versorgungswerk (z.B. öffentlich- oder privat-rechtliche Wassergenossenschaft, Elektrizitätswerk, vgl. § 38 Abs. 3 PBG). In den Fällen von § 38 Abs. 3 PBG ist das Rechtsverhältnis zwischen Gemeinde und Versorgungswerk durch Konzession zu regeln. Die Konzession muss mindestens Bestimmungen enthalten über die Rechte zur Inanspruchnahme von Grundeigentum der Gemeinde für die Durchführung von Leitungen und die Erstellung von Anlagen, über das Tätigkeitsgebiet, die Leistungspflichten und die Grundsätze der Abgabenordnung des Konzessionärs sowie über die Dauer der Konzession oder das Kündigungsrecht (vgl. § 38 Abs. 4 PBG).

d) Die Gemeinde Tuggen hat an der Urnenabstimmung vom 6. Juni 1993 ein Reglement über die Erteilung von Wasserversorgungskonzessionen (nachfolgend: Wasserversorgungskonzessionsreglement, WVKonR) angenommen. Gemäss Art. 11.1 lit. a WVKonR ist die Wasserversorgung berechtigt, nach Massgabe ihrer Reglemente Beiträge und Gebühren u.a. für den Neuanschluss an die Wasserversorgung sowie für bauliche Erweiterungen zu erheben. Art. 11.2 WVKonR lautet folgendermassen:

«Die Beiträge und Gebühren sind nach folgenden Grundsätzen zu bemessen und in einem Reglement festzusetzen:
             Deckung der eigenen, laufenden Betriebskosten
             Amortisation und Verzinsung der eigenen Investitionen
             Bildung von angemessenen Reserven für künftige Investitionen, um eine angemessene Selbstfinanzierung zu gewährleisten
             Erzielung eines ortsüblichen wirtschaftlichen Ertrages
Für Abschreibungen sind die Ansätze des Schweiz. Vereins des Gas- und Wasserfaches (SVGW) massgebend.»

Gemäss Art. 11.3 WVKonR sind Tarifpauschalen und Grundbeiträge, soweit zweckmässig, im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zulässig. Art. 11.4 WVKonR regelt die Fälligkeit der Beiträge und Gebühren. Art. 11.5 WVKonR normiert, wer für die einmaligen Beiträge nach Art. 11.1a WVKonR haftet.

Mit Konzessionsvertrag vom 2. Nov. 1993 erteilte die Gemeinde Tuggen der von der Genossame Tuggen geführten Wasserversorgung Tuggen die Konzession zur Wasserabgabe gemäss dem WVKonR vom 4. März 1993. Dieses kommunale Reglement vom 4. März 1993 (WVKonR) bildet gemäss Art. 4 des Vertrages ausdrücklich Bestandteil des Konzessionsvertrages.

e) Die Genossame Tuggen hat gestützt auf den Konzessionsvertrag vom 2. Nov. 1993 sowie dem WVKonR vom 4. März 1993 ein eigenes Wasserversorgungs-Reglement erlassen (nachfolgend: ReglWVT). Gemäss Art. 1 und 2 ReglWVT ist die Wasserversorgung der Genossame Tuggen (WVT) ein Unternehmen der Genossame Tuggen, welches als Verwaltungsabteilung mit eigener Rechnung geführt wird. Dieses Reglement regelt den Bau, Betrieb und Unterhalt sowie die Finanzierung der Wasserversorgungsanlagen und die Beziehung zwischen der WVT und den Abonnenten, soweit die Vorschriften des Bundes, des Kantons oder der Gemeinde nichts Abweichendes enthalten. Gemäss Art. 66 ReglWVT wird für den Anschluss an die WVT und die Mitbenützung der Wasserversorgungsanlagen eine einmalige Anschlussgebühr erhoben. Die Höhe der einzelnen Beiträge und Gebühren sind in der separaten Tarifordnung im Anhang zum ReglWVT geregelt. Die Tarifordnung ist integrierter Bestandteil dieses Reglementes (vgl. Art. 68 Ziff. 1 ReglWVT). Die Tarifordnung wird durch die Genossengemeinde auf Antrag des Genossenrates festgesetzt und abgeändert (Art. 68 Ziff. 2 ReglWVT). Gemäss Art. 2 der Tarifordnung beträgt die Anschlussgebühr für Wohnbauten Fr. 10.– pro SIA-m3-Gebäudevolumen.

f) Das Verwaltungsgericht stellte 1997 für drei Gemeinden fest, dass die gesetzlichen Grundlagen für die Erhebung von Abgaben im Bereich Abwasser- und Abfallentsorgung unzureichend waren. In diesen Entscheiden wurde insbesondere gerügt, dass eine Blankodelegation an die Gemeindeexekutive dem Erfordernis der gesetzlichen Grundlage nicht zu genügen vermag (vgl. VGE 421/96 vom 24. Febr. 1997 betr. Kanalisationsreglement der Gemeinde Alpthal; VGE 426/96 vom 28. April 1997 betr. Kehrichtreglement der Gemeinde Steinen und VGE 705/97 vom 27. Juni 1997 betr. Kanalisationsreglement der Gemeinde Tuggen). Diese Rechtsprechung wurde vom Verwaltungsgericht in weiteren Entscheiden bestätigt (vgl. dazu VGE 629/99 vom 11. Febr. 2000 betr. einer vom Gemeinderat eingeführten Liftzuschlagsgebühr, welche in dem von der Gemeindeversammlung [Reichenburg] erlassenen Reglement des kommunalen Elektrizitätswerkes nicht enthalten war; VGE 707/99 vom 11. Febr. 2000 betr. Kehrichtreglement der Gemeinde Freienbach).

Gestützt auf die bereits erwähnten Entscheide des Verwaltungsgerichts aus dem Jahre 1997 setzte der Regierungsrat mit RRB, Nr. 1058 vom 17. Juni 1997 eine interdisziplinär zusammengesetzte Arbeitsgruppe ein u.a. mit dem Auftrag, Mustertexte hinsichtlich der Gebührenerhebung für die Ver- und Entsorgungswerke (Abwasser, Abfall, Wasser, Energie) zu erarbeiten. Das Ergebnis dieser Abklärungen ist im RRB Nr. 608/1998 vom 7. April 1998 enthalten. Diesem RRB sind u.a. folgende Ausführungen zu entnehmen:

«(...)
Werden die kommunalen Versorgungsaufgaben durch die Gemeinde selbst oder durch ein gemeindeeigenes Werk erfüllt, hat das entsprechende Reglement ebenfalls den besagten Anforderungen an das Legalitätsprinzip zu genügen. Im Bereich der Versorgung werden indessen die entsprechenden öffentlichen Aufgaben häufig durch öffentlich- oder privat-rechtlich organisierte Unternehmen wahrgenommen. In diesem Fall ist das Rechtsverhältnis zwischen der Gemeinde und dem Versorgungswerk durch Konzession zu regeln (vgl. § 38 Abs. 3 und 4 PBG). Darin sind unter anderem die Grundlagen der Gebührenerhebung zu definieren. Die Beschlussfassung über den entsprechenden Konzessionsvertrag obliegt den Stimmberechtigten.
Werden im Bereich der Versorgung mit Wasser oder Energie mehrere Versorgungswerke tätig, kann die Gemeinde auch ein Reglement zur Erteilung von Konzessionsverträgen erlassen. In diesem Fall haben die Stimmberechtigten über das Reglement, welches die wesentlichen Grundzüge der Konzessionserteilung und insbesondere der Gebührenerhebung zu enthalten hat, zu beschliessen. Die Zuständigkeit zum Abschluss der Konzessionsverträge, die sich auf das Reglement stützen, liegt diesfalls beim Gemeinderat (vgl. § 30 Abs. 1 der Vollzugsverordnung zum Planungs- und Baugesetz vom 2. Dezember 1997, VVzPBG ...). Sowohl Reglemente wie auch Konzessionsverträge, die nicht gestützt auf ein Reglement abgeschlossen werden, bedürfen der Genehmigung durch den Regierungsrat (§ 30 Abs. 2 VVzPBG).
Werden Dritte mit der Erfüllung einer öffentlichen Erschliessungsaufgabe betraut, gilt es zu beachten, dass diese Dritten einerseits bei der Verwaltungsführung an das Legalitätsprinzip und an die Grundrechte gebunden sind. Anderseits soll die Übertragung öffentlicher Aufgaben eine zweckmässige, effiziente und kostengünstige Verwaltungsführung begünstigen, wozu dem Dritten jedoch eine gewisse Gestaltungsfreiheit zugestanden werden muss. Würde nun in den Reglementen zur Erteilung von Konzessionen resp. in den Konzessionsverträgen selbst die Höhe der Gebühren verankert, würde die erforderliche Autonomie des Dritten stark eingeschränkt. Dies widerspricht indes gerade der Absicht, den mit der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe betrauten Dritten die notwendige Eigenständigkeit bei der Erfüllung dieser Aufgaben einzuräumen.
Wird die Gestaltungsfreiheit eines Konzessionnehmers durch kommunale Vorgaben über Gebühr eingeschränkt, erscheint es fraglich, ob und inwieweit private Versorgungswerke noch bereit sind, zwar eine öffentliche Aufgabe zu erfüllen, sich dann aber im Gegenzug bei der Gebührengestaltung einem hoheitlichen Preisdiktat zu unterwerfen. Namentlich bei kommunalen Elektrizitätsversorgungswerken, welche häufig auf Stromlieferungen von ausserkantonalen Grossverteilern angewiesen sind und den Strom entsprechend den von diesen festgesetzten Bedingungen zu übernehmen haben, zeigt sich diese Problematik besonders akzentuiert. Zudem besteht bei Elektrizitätswerken eine sehr grosse Zahl verschiedener Tarife, die sich kaum sinnvoll durch das gesetzgebende Organ festlegen lassen (...).»

(vgl. zit. RRB, Nr. 608/1998 vom 7. April 1998, Ziff. 5.2, S. 6f., Hervorhebungen nicht im Original)

g) Wie in diesen Ausführungen des Regierungsrates, aber auch in der vorinstanzlichen Vernehmlassung zutreffend darauf hingewiesen wurde, ist die Übertragung von öffentlichen Erschliessungsaufgaben an verwaltungsexterne Rechtsträger wesensgemäss damit verbunden, dass dem eingesetzten Dritten oder Privaten zur Erfüllung der Aufgabe grundsätzlich ein Gestaltungsspielraum und eine gewisse Eigenverantwortung (Autonomie) zuzugestehen sind. Will man keinen solchen Gestaltungsspielraum gewähren, hat das Gemeinwesen konsequenterweise die entsprechende Aufgabe selber zu erfüllen, womit eine Übertragung der Aufgabe an Dritte oder Private entfällt. Der erwähnte Gestaltungsspielraum bezieht sich namentlich auch auf die Frage der Tarifgestaltung, andernfalls ein privater Aufgabenträger kaum an der Übernahme einer öffentlichen Erschliessungsaufgabe interessiert wäre, zumal wenn er nicht damit rech nen könnte, bei steigenden Kosten den Tarif entsprechend anpassen zu können.

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass Kausalabgaben Geldleistungen sind, welche die Privaten kraft öffentlichen Rechts als Entgelt für bestimmte (staatliche) Gegenleistungen oder besondere Vorteile zu bezahlen haben (vgl. VGE 707/99 vom 11. Febr. 2000, Erw. 3c; Häfelin/Müller, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 3.A., Rz. 2041). Die Gebühr ist das Entgelt für eine bestimmte, von der abgabepflichtigen Person veranlasste (Amts)Handlung oder für die Benutzung einer öffentlichen Einrichtung. Sie soll die Kosten, welche dem Träger durch die Amtshandlung oder Benutzung der Einrichtung entstanden sind, decken (vgl. Häfelin/Müller, a.a.O., Rz. 2042). Aus der Rechtsnatur der Gebühren als Entgelt für eine bezogene (staatliche) Leistung folgt, dass bei der Bemessung grundsätzlich vom Wert dieser Leistung auszugehen ist, der sich nach dem Kostendeckungs- und dem Äquivalenzprinzip bestimmt (vgl. Häfelin/Müller, a.a.O., Rz. 2049a). Das Kostendeckungsprinzip bedeutet, dass der Gesamtertrag der Gebühren die gesamten Kosten des betreffenden Verwaltungszweiges nicht übersteigen darf (vgl. Häfelin/Müller, a.a.O., Rz. 2050). Nach dem Äquivalenzprinzip muss die Höhe der Gebühr im Einzelfall in einem vernünftigen Verhältnis zum Wert stehen, den die (staatliche) Leistung für die Abgabepflichtigen hat (vgl. Häfelin/Müller, a.a.O., Rz. 2054).

Die Schwierigkeit besteht nun darin, dass die dem Träger für eine bestimmte Handlung/Einrichtung entstandenen Kosten oder Aufwendungen nicht konstant bleiben, sondern erheblichen Schwankungen unterworfen sein können, je nachdem, welche Ersatz- und Neuinvestitionen, Unterhaltsaufwendungen usw. anfallen. Die Bemessung der Gebührenhöhe wird zudem erschwert, wenn ein längerer Zeitraum zu berücksichtigen ist und überdies Teuerungsaspekte nicht einfach einzuschätzen sind. All diese Faktoren stehen einer starren Festlegung von Wasseranschlussgebühren im Wege, zumal wenn es wie hier bei der vorliegenden Übertragung einer Erschliessungsaufgabe an einen verwaltungsexternen Träger um eine Konzessionsdauer von 25 Jahren geht.

Mit anderen Worten steht die Übertragung einer Aufgabe an Dritte/Private und der dabei zuzugestehende Gestaltungsspielraum offenkundig in einem Spannungsverhältnis zu dem im Abgaberecht geltenden Erfordernis der gesetzlichen Grundlage. Je geringer die Tarifautonomie eines allfälligen privaten Aufgabenträgers ist und damit das Risiko für Dritte/Private steigt, dass durch eine hoheitlich festgelegte Tarifordnung im Verlaufe der Konzessionsdauer möglicherweise kein hinreichender Kostendeckungsgrad erzielt wird, desto weniger wird der Dritte/Private bereit sein, die Erfüllung einer öffentlichen Erschliessungsaufgabe zu übernehmen. Anzufügen ist, dass es hier hinsichtlich der Bemessung der Anschlussgebühren nicht um eine Blankodelegation an die Gemeindeexekutive geht, sondern in Art. 11.2 WVKonR, welcher ausdrücklich Bestandteil des Konzessionsvertrages vom 2. Nov. 1993 bildet (vgl. Art. 4 des Konzessionsvertrages), Grundsätze bzw. Parameter für die Festlegung der Gebühren (wenn auch ohne konkrete Zahlen) festgelegt sind.

Bei dieser Sachlage ist der Argumentation der Vorinstanz beizupflichten, wonach sinngemäss bei einer vom Stimmbürger gutgeheissenen Übertragung einer öffentlichen Aufgabe an einen verwaltungsexternen Rechtsträger, welche durch einen langjährigen Konzessionsvertrag erfolgt, hinsichtlich der in Frage kommenden Abgaben keine überspannten Anforderungen an das Legalitätsprinzip gestellt werden dürfen. In diesem Sinne ist entgegen der Meinung der Beschwerdeführer nicht zu beanstanden, dass in Art. 11.2 WVKonR bzw. in Art. 4 des Konzessionsvertrages keine zahlenmässig festgelegten Anschlussgebühren enthalten sind. Vielmehr genügt es in solchen Fällen mit langjährigen Konzessionsverträgen im Einklang mit der Vorinstanz, dass im jeweils zugrunde liegenden Reglement bzw. im entsprechenden Konzessionsvertrag die Abgabepflichtigen, die einzelnen Arten von Beiträgen und Gebühren sowie die für die Erhebung massgebenden Berechnungsparameter definiert werden.

Dies bedeutet indessen nicht, dass der Konzessionsnehmer in der Gestaltung der Anschlussgebühren frei wäre. Einmal abgesehen von den in Art. 4 des Konzessionsvertrages i.V.m. Art. 11.2 WVKonR enthaltenen Parametern hat der Konzessionsnehmer offenkundig auch die allgemeinen Rechtsgrundsätze wie Rechtsgleichheit und Willkürverbot zu beachten. In diesem Sinne ginge es nicht an, dass der Konzessionsnehmer ungeachtet der erwähnten Parameter beispielweise für eine bestimmte Personenkategorie günstigere Tarife gewährt (und damit eine andere Personengruppe, welche die gleichen Leistungen beansprucht, benachteiligen würde). Des Weiteren ist zu betonen, dass die Abgabepflichtigen insofern der Tarifordnung des Konzessionsnehmers nicht einfach ausgeliefert sind, als sie immer noch im Einzelfall die Verletzung des Kostendeckungs- und des Äquivalenzprinzips rügen können. Im konkreten Fall bringen aber die Beschwerdeführer weder ansatzweise noch substantiiert vor, dass die konkrete Anschlussgebühr das Kostendeckungs- oder das Äquivalenzprinzip verletze, weshalb sich diesbezüglich weitere Ausführungen erübrigen.

2. In der Hauptsache rügen die Beschwerdeführer, die von der Vorinstanz erhobenen Anschlussgebühren würden den vom Bundesgericht statuierten und in § 51 Abs. 1 PBG sowie Art. 66 ReglWVT enthaltenen Grundsatz der Einmaligkeit der Anschlussgebühr verletzen.

Die Beschwerdeführer übersehen indessen, dass dieser Grundsatz der Einmaligkeit einer Anschlussgebühr nur dann zur Anwendung kommen kann, wenn die entsprechende Anschlussgebühr bereits tatsächlich entrichtet worden ist. Diesbezüglich blieb die Feststellung im angefochtenen Einspracheentscheid, wonach im Zeitpunkt der Erstellung des zwischenzeitlich abgebrochenen ...Hauses auf KTN ... noch keine Anschlussgebühren erhoben wurden, in der vorliegenden Beschwerdeschrift unwidersprochen (...). Abgesehen davon ist in diesem Zusammenhang noch auf die allgemeine Beweislastregel von Art. 8 ZGB hinzuweisen, wonach im Falle der Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten jener Partei ausfällt, die aus einem behaupteten (aber unbewiesenen) Sachverhalt Rechte ableiten will (vgl. BGE 114 I 6 mit Hinweisen; Rhinow/Krähenmann, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband 1990, Nr. 88 B.I i.V.m. Nr. 2 B Vc; Merkli/Aeschlimann/Herzog, Kommentar zum VRPG-BE, Rz. 3 zu Art. 19). Im konkreten Fall ist zu berücksichtigen, dass für das betreffende Grundstück keine Bezahlung einer Wasseranschlussgebühr nachgewiesen ist (was notabene von den Beschwerdeführern gar nicht behauptet wird). Soweit aber für ein Grundstück noch gar keine Anschlussgebühren bezahlt worden sind, können die Grundeigentümer daraus im Hinblick auf ein neu zu erstellendes Wohnhaus nichts zu ihren Gunsten ableiten.

Zusammenfassend können sich die Beschwerdeführer gegenüber den von der Vorinstanz für das neue Wohnhaus auf KTN ... erhobenen Wasseranschlussgebühren nicht auf eine Verletzung des Grundsatzes der Einmaligkeit der Anschlussgebühr berufen, da für dieses Grundstück noch keine Anschlussgebühren bezahlt worden sind.

(VGE 706/00 vom 15. November 2000 = ZBR 102/2001, S. 156ff. mit redaktionellen Bemerkungen).

 

28

Staatshaftungsrecht

 Für Anwaltskosten, welche einen Zivilprozess betreffen, besteht keine Klagemöglichkeit nach Staatshaftungsrecht.

Aus den Erwägungen:

1. a) Das Verwaltungsgericht beurteilt im verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren Ansprüche aus dem Gesetz über die Haftung des Gemeinwesens und die Verantwortlichkeit seiner Funktionäre (Staatshaftungsgesetz, StHG, SRSZ 140.100; vgl. § 14 Abs. 1 StHG).

b) Für das verwaltungsgerichtliche Klageverfahren sind die §§ 9 bis 16 VRP sowie §§ 18 bis 33 VRP, § 60 VRP und im Übrigen die Bestimmungen der Zivilprozessordnung (ZPO, SRSZ 232.110) sinngemäss anwendbar (vgl. § 70 VRP). (...)

2. a)     Vorab ist festzuhalten, dass nach § 2 Abs. 2 StHG die Vorschriften des Staatshaftungsgesetzes nur gelten, soweit nicht durch kantonale Erlasse eine abweichende Regelung getroffen wird.

Nach § 3 StHG haftet das Gemeinwesen für den Schaden, den ein Funktionär in Ausübung hoheitlicher Verrichtungen einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Haftung setzt demnach grundsätzlich voraus:
          die Verursachung eines Schadens;
          die Zufügung dieses Schadens durch einen Funktionär des Gemeinwesens in Ausübung hoheitlicher Verrichtungen, wobei der Kreis der Funktionäre in § 1 Abs. 2 StHG umschrieben wird;
          die Widerrechtlichkeit der Schadenszufügung;
          einen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Funktionärs und dem eingetretenen Schaden;
          das Fehlen eines Haftungsbefreiungsgrundes gemäss Art. 44 Abs. 1 OR in Verbindung mit § 12 StHG (vgl.VGE 644/94 vom 19. Dezember 1996, Erw. 2a mit Hinweisen; vgl. VGE 823/96 vom 18. April 1997, Erw. 4b).

Wird eine Verfügung oder ein Entscheid im Rechtsmittelverfahren abgeändert, so haftet das Gemeinwesen nur, wenn ein Funktionär der Vorinstanz vorsätzlich oder grobfahrlässig gehandelt hat (§ 5 Abs. 1 StHG).

Der Anspruch des Geschädigten auf Schadenersatz oder Genugtuung gegenüber dem Gemeinwesen verjährt in einem Jahr von dem Tage an, da der Anspruchsberechtigte Kenntnis vom Schaden erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zehn Jahren vom Tage des schädigenden Verhaltens des Funktionärs an (vgl. § 11 Abs. 1 StHG).

Die Rechtmässigkeit formell rechtskräftiger Verfügungen und Entscheide darf in einem Verantwortlichkeitsverfahren nicht überprüft werden (§ 16 StHG).

b) Die Klägerin begründet ihre Forderung (...) im Wesentlichen damit,
          dass das Kantonsgericht die Urteile des Bezirksgerichts (...) infolge Nichtigkeit aufgehoben habe,
          dass die Nichtigkeit der Urteile darauf beruhe, dass der ausserordentliche Gerichtsschreiber, der die Urteilsentwürfe redigierte und unterzeichnete, nicht an der Urteilsberatung teilgenommen habe, was eine zumindest grobfahrlässige Verletzung der in § 131 und § 132 lit. a Ziff. 1 GO statuierten Verfahrensvorschriften darstelle,
          dass durch diese widerrechtliche Verletzung der Verfahrensvorschriften die Klägerin gezwungen gewesen sei, beim Kantonsgericht Berufung einzulegen,
          dass ihr für diese Berufungsverfahren Anwaltskosten von (...) erwachsen seien,
          dass die Zahlungsverpflichtung des beklagten Bezirkes auf den §§ 3 und 5 StHG basiere,
          dass das Kantonsgericht der Klägerin mangels gesetzlicher Grundlage keine Parteientschädigung habe zusprechen können, weshalb die Rechtsvertretungskosten durch eine Staatshaftungsklage geltend zu machen seien,
          und dass die geltend gemachten Rechtsvertretungskosten durch den Erlass des nichtigen Urteils adäquat kausal verursacht worden seien.

(...)

3. a) Die kantonale Zivilprozessordnung vom 25. Oktober 1974 (ZPO) äussert sich zu Gerichtskosten und Prozessentschädigungen im Abschnitt «D. Prozesskosten», «1. Gerichtskosten und Prozessentschädigung» (§§ 59ff. ZPO). Gemäss § 62 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat jede Partei in der Regel den Gegner im gleichen Verhältnis für aussergerichtliche Kosten und Umtriebe, einschliesslich Weisungskosten, zu entschädigen, wie ihr Kosten auferlegt werden. Die Prozessentschädigung wird nach Ermessen festgesetzt (§ 63 Satz 1 ZPO). Gemäss § 65 ZPO werden die Kosten- und Entschädigungsfolgen im Endentscheid festgesetzt. In Vor- und Teilentscheiden wird in der Regel über den entsprechenden Anteil an Kosten und Entschädigungen bestimmt. Aus zureichenden Gründen können auch in prozessleitenden Entscheiden Kosten und Entschädigungen auferlegt werden.

Gegen kantonale Endentscheide, mit welchen im Zivilprozess die Zusprechung einer Prozess- bzw. Parteientschädigung verweigert wird, kann beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde erhoben werden (vgl. beispielsweise BGE 120 Ia 169 mit dem Randtitel «Art. 4 BV; Parteientschädigung im Zivilprozess»; BGE 117 Ia 296; vgl. auch Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3.A., Rz. 4 zu § 71, wonach Kosten- und Entschädigungsbestimmungen zusammen mit dem gegen den End-, Vor- oder Teilentscheid zulässigen Rechtsmittel angefochten werden können; O.Vogel, Grundriss des Zivilprozessrechts, 5.A., 13. Kap., Rz. 203, wonach die willkürliche Anwendung oder Nichtanwendung von kantonalem Verfahrensrecht durch staatsrechtliche Beschwerde gerügt werden kann; Bernet, Die Parteientschädigung in der schweizerischen Verwaltungsrechtspflege, S. 171, Rz. 291, wonach dann, wenn der kantonal letztinstanzliche Entscheid über die Parteientschädigung auf kantonalem Recht beruht, was die Regel ist, als einziges bundesrechtliches Rechtsmittel die staatsrechtliche Beschwerde gegeben ist).

b) Das Kantonsgericht hat in seinen beiden Beschlüssen (...) entschieden, dass für das Berufungsverfahren keine Prozessentschädigung zugesprochen werde.

Die Klägerin hat gegen die genannten Beschlüsse (...) staatsrechtliche Beschwerde erhoben und in der Folge erreicht, dass das Bundesgericht am 23. April 1999 die beiden kantonsgerichtlichen Beschlüsse vom 17. November 1998 aufgehoben hat. Damit wurden auch die erwähnten Dispositivziffern 3, wonach für die Berufungsverfahren keine Prozessentschädigung zugesprochen werde, aufgehoben. Somit war seit dem 23. April 1999 wiederum offen, ob die Klägerin für die betreffenden Berufungsverfahren eine Prozessentschädigung erhalten wird oder nicht. Diese Ungewissheit endete mit den neuen Beschlüssen des Kantonsgerichts vom 20. Oktober 1999, wo wiederum in der jeweiligen Dispositivziffer 3 festgehalten wurde, eine ausserrechtliche Entschädigung werde nicht gesprochen (obwohl in Dispositivziffer 1 die Berufung gutgeheissen und das jeweils angefochtene Urteil vom 6. Februar 1998 aufgehoben wurde). Diese im Berufungsverfahren getroffene Entschädigungsregelung («keine Prozessentschädigung trotz Gutheissung der Berufung») wurde von der Klägerin konkludent akzeptiert, da sie dagegen keine staatsrechtliche Beschwerde erhob.

c) Das Verwaltungsgericht hatte sich bereits mit der Frage zu befassen, ob die nicht gedeckten Anwaltskosten aus einem bestimmten Gerichtsverfahren durch eine Schadenersatzklage nach Staatshaftungsrecht geltend gemacht werden können. Es hat diese Frage verneint mit der Begründung, dass die im Beschwerdeverfahren gestützt auf § 74 VRP zugesprochene Parteientschädigung auf einer lex specialis beruhe, welche dem subsidiären Staatshaftungsrecht vorgehe. Nach dem Wortlaut von § 74 Abs. 1 VRP habe in Rechtsmittelverfahren die unterliegende der obsiegenden Partei eine dem Aufwand angemessene Entschädigung auszurichten, welche die Behörde festsetze. Des Weiteren führte das Verwaltungsgericht dazu u.a. aus:

Damit beabsichtigte der kantonale Gesetzgeber eindeutig, dass über die Abgeltung von Anwaltskosten, welche einer obsiegenden Partei in einem verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren erwuchsen, bereits (definitiv) im Beschwerdeentscheid und nicht erst in einem anschliessenden verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren entschieden wird. Die gegenteilige Auffassung, wonach sinngemäss die Parteientschädigungsregelung eines Beschwerdeentscheides nachträglich noch durch eine Schadenersatzklage nach Staatshaftungsrecht ergänzt, korrigiert oder abgeändert werden könnte, würde nicht nur in Missachtung von § 2 Abs. 2 StHG die Parteientschädigungsregelung nach § 74 VRP aushöhlen, sondern zusätzlich zu einer Prozessflut führen, welche mit dem Grundsatz der Verfahrensökonomie unvereinbar wäre. Denn diesfalls wäre immer dann, wenn der Anwalt der obsiegenden Partei ein höheres Honorar in Rechnung stellt, als der obsiegenden Partei von der betreffenden Behörde Parteientschädigungen zugesprochen wurden, im Umfange der Differenz zwischen Anwaltsrechnung einerseits und zugesprochenen Parteientschädigungen anderseits mit Schadenersatzklagen zu rechnen. Ein derart doppelspuriges Verfahren (zunächst Parteientschädigungsregelung nach § 74 VRP im Rechtsmittelentscheid, dann im Umfang der nicht durch Parteientschädigungen gedeckten Anwaltsforderung eine Schadenersatzklage nach Staatshaftungsrecht) macht keinen Sinn und ist vom kantonalen Gesetzgeber offensichtlich nicht beabsichtigt. Vielmehr gilt, dass die obsiegende Partei, welche mit der Höhe der zugesprochenen Parteientschädigung nicht einverstanden ist, diese Entschädigungsregelung separat anfechten kann (...).

(vgl. Urteil 823/96 des Verwaltungsgerichts vom 18. April 1997 i.Sa. G., Erw. 4d mit Hinweisen)

Im Ergebnis betonte das Verwaltungsgericht im genannten Urteil, dass der obsiegende Beschwerdeführer (bzw. Kläger im Staatshaftungsprozess) die im ersten Rechtsmittelentscheid (Grundfall) festgelegte Entschädigungsregelung durch staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht hätte anfechten können. Er habe dies unterlassen, keine staatsrechtliche Beschwerde erhoben und damit die Entschädigungsregelung grundsätzlich akzeptiert. Im Einklang mit diesem Ergebnis, wonach über die Abgeltung der Parteikosten im damit zusammenhängenden Rechtsmittelverfahren (und nicht in einem anschliessenden verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren) zu befinden ist, steht auch das Urteil 543/84 vom 27. Nov. 1984 (publ. in EGV-SZ 1984, S. 11ff.), in welchem das Verwaltungsgericht sinngemäss entschied, dass in Bezug auf Entschädigungsbegehren bei Freispruch (§ 52 StPO) über Parteikosten im engeren Sinne, wozu die Anwaltskosten im Zusammenhang mit dem Strafverfahren gehörten, nicht im verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren, sondern im bereits vorgängig abgeschlossenen Strafverfahren zu entscheiden sei (vgl. Prot. 1997, S. 419).

Diese verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung (Urteil 823/96 vom 18. April 1997) wurde vom Bundesgericht im Urteil 2P. 176/1997 vom 2. März 1998 i.Sa. G. geschützt. Sie steht ausdrücklich im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu dieser Thematik (vgl. zit. Urteil vom 2. März 1998, Erw. 5 mit Hinweisen auf BGE 112 Ib 353, Erw. 3, S. 356 = Praxis 76/1987, Nr. 16, u.a. mit der Regeste: Der rechtskräftige Kostenentscheid legt die Ansprüche der Parteien abschliessend fest; eine Verantwortlichkeitsklage gemäss VG 3 II ist ausgeschlossen; BGE 117 II 394, Erw. 3, S. 395f.).

d) Bei zivilrechtlichen Streitigkeiten ist nicht anders zu verfahren. Unter lit. D der ZPO werden die Prozesskosten und unter dessen Ziffer 1 (§§ 59–66) die Gerichtskosten und Prozessentschädigung geregelt. Aus § 62 Abs. 1 ZPO ergibt sich der Grundsatz, dass die Entschädigungspflicht der Kostenpflicht folgt. Die gleichzeitig im Jahre 1974 erlassene Gerichtsordnung (GO) bestimmt in § 144 GO zudem, dass den Gemeinwesen keine Gebühren und Auslagen auferlegt werden können, wenn es sich um Ansprüche handelt, die nicht in ihren finanziellen Interessen liegen. Allerdings gilt auch die Regel, dass Kosten, welche keine Partei veranlasst hat, in der Regel der Gerichtskasse belastet werden (§ 145 Abs. 2 Satz 1 GO). Kosten, die durch einen offensichtlichen Fehlentscheid eines Gerichtes entstanden sind, sind jener Gerichtskasse zu überbinden (vgl. § 145 Abs. 2 Satz 2 GO). Es kann mithin nicht zweifelhaft sein, dass eine spezialgesetzliche Regelung im Sinne von § 2 Abs. 2 StHG vorliegt. Diese im kantonalen Verfahrensrecht enthaltene Regelung, wonach die Verlegung der Kosten und Entschädigungen im Zivilverfahren (aber auch im Straf- oder Verwaltungsverfahren) ausschliesslich durch das Prozessrecht bestimmt wird, ist nicht nur prozessökonomisch, sondern auch sachlich richtig, da der im Grundfall angerufene Zivilrichter (bzw. Straf- oder Verwaltungsrichter) die nötige Sach- und Aktenkenntnis hat und gestützt darauf am besten in der Lage ist, eine dem konkreten Fall gerecht werdende Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen zu treffen (vgl. dazu BGE vom 16. Sept. 1986 i.Sa. A., publ. in Praxis 1987, Nr. 16, S. 57, wo das Bundesgericht u.a. ausführte: «die im Verfahrensrecht aufgestellten Grundsätze der Parteientschädigung beruhen auf praktischen Überlegungen und streben einen Interessenausgleich an; dieser Interessenausgleich wäre in Frage gestellt, wenn der Kostenentscheid die Ansprüche der Parteien nicht definitiv regeln würde und Raum liesse für eine nachfolgende Zivilklage oder verwaltungsrechtliche Klage»; vgl. dazu auch BGE 123 II 459, wonach die Kompetenz zur Regelung der Kosten- bzw. Entschädigungsfolgen allein bei der Behörde liegen muss, die sich mit der Sache zuletzt befasst hat; sowie BGE 121 II 294 2. Abs. 1. Satz).

Zusammenfassend findet sich im Staatshaftungsrecht keine Anspruchsgrundlage für die Abgeltung von ungedeckt gebliebenen Anwaltskosten eines zivilprozessualen Berufungsverfahrens, weshalb die Klage abgewiesen werden muss. Ob die zivilprozessuale Regelung bzw. deren konkrete Anwendung übergeordnetem Recht entspricht (bzw. allenfalls widerspricht), wäre im Zusammenhang mit der abgelehnten Prozessentschädigung (im Rahmen eines staatsrechtlichen Beschwerdeverfahrens) zu überprüfen bzw. in Frage zu stellen, was in casu offenbar unterblieb. Es ist hingegen nicht Zweck des (subsidiären) Staatshaftungsrechts, einer obsiegenden Partei eine zusätzliche bzw. alternative Klagemöglichkeit zu verschaffen. Unbehelflich ist auch der Verweis auf § 5 Abs. 1 StHG. Diese Bestimmung schränkt die Staatshaftung insofern ein, als bei im Rechtsmittelverfahren abgeänderten Entscheiden das Gemeinwesen nur einzustehen hat, wenn ein Funktionär der Vorinstanz vorsätzlich oder grobfahrlässig handelte. Diese Bestimmung tangiert § 2 Abs. 2 StHG in keiner Weise. Es sind damit nicht Kosten des Rechtsmittelverfahrens angesprochen, welches zur Abänderung des vorinstanzlichen Entscheides führte, sondern Kosten, die einer Partei anderweitig aus dem Fehlurteil entstanden sind (z.B. bei Entzug der aufschiebenden Wirkung; Verzögerungsschaden usw.).

4. Bei dieser Sach- und Rechtslage braucht nicht näher geprüft zu werden, ob die weiteren, im Staatshaftungsrecht enthaltenen Voraussetzungen für die Zusprechung von Schadenersatzansprüchen erfüllt wären.

(VGE 1007/99 vom 26. Januar 2000).

 

29

Familienzulagen

 Kinderzulagen: Zulagenberechtigung bei Anspruchskonkurrenz; der Stiefvater hat keine elterliche Obhut inne.

Aus den Erwägungen:

1. Das kantonale Gesetz über die Familienzulagen (FZG, SRSZ 370.100) regelt die Familienzulagen der Erwerbstätigen ausserhalb der Landwirtschaft und bezweckt, die Familienlasten teilweise auszugleichen (vgl. § 1 Abs. 1 FZG). Die Familienzulagen werden als Geburts- und Kinderzulagen ausgerichtet (vgl. § 4 Abs. 1 FZG).

Die Höhe der Kinderzulage wird vom Kantonsrat festgelegt. Sie beträgt für jedes bezugsberechtigte Kind Fr. 160.– im Monat (vgl. § 6 Abs. 1 FZG i.V.m. § 1 des Kantonsratsbeschlusses v. 30.1.1992 zum FZG, SRSZ 370.110). Zulageberechtigt sind Kinder verheirateter und nicht verheirateter Eltern (§ 6 Abs. 2 lit. a FZG) sowie Adoptiv-, Stief- und Pflegekinder (§ 6 Abs. 2 lit. b FZG). Der Anspruch auf Kinderzulage entsteht am ersten Tag des Geburtsmonates und dauert bis zum vollendeten 16. Altersjahr (vgl. § 6 Abs. 3 FZG). Der Anspruch wird verlängert für ledige Kinder mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz, die sich in Ausbildung befinden, bis diese ordentlicherweise abgeschlossen werden kann, längstens jedoch bis zum vollendeten 25. Altersjahr (vgl. § 6 Abs. 4 lit. b FZG).

Für das gleiche Kind darf gesamthaft nur eine volle Zulage ausgerichtet werden (vgl. § 9 FZG). Erfüllen mehrere Personen gleichzeitig die Voraussetzungen dieses Gesetzes zum Bezug von Familienzulagen für das gleiche Kind, so steht der Anspruch der Reihe nach zu:
          der Person, in deren Obhut das Kind ist (vgl.
§ 10 lit. a FZG),
          dem Inhaber der elterlichen Gewalt (vgl. § 10 lit. b FZG),
          der Person, die in überwiegendem Masse für den Unterhalt des Kindes aufkommt (vgl. § 10 lit. c FZG).

2. a) Im vorliegenden Fall geht es um die Kinderzulagen für die beiden Söhne ... und ... der Ehefrau des Beschwerdeführers aus erster Ehe. Diese beiden Söhne leben seit dem 1. Juli 2000 im gemeinsamen Haushalt des Beschwerdeführers (Stiefvaters) und seiner Ehefrau im Kanton Luzern, wobei der Beschwerdeführer im Kanton Schwyz unselbständig erwerbstätig ist (zu 100%), derweil seine Ehefrau im Kanton Luzern arbeitet (80%-Pensum).

b) Nach den vorliegenden Akten hat zunächst die Ehefrau des Beschwerdeführers bei der Familienausgleichskasse ... um Ausrichtung von Kinderzulagen nachgesucht. Diese Familienausgleichskasse lehnte dieses Begehren am 17. Mai 2000 ab mit der sinngemässen Begründung, R...und M... würden seit dem 1. Juli 2000 auch in der Obhut ihres Stiefvaters leben, der (im Gegensatz zur Ansprecherin/Ehefrau) voll erwerbstätig sei. In diesem Falle gehe nach Luzerner Recht der Anspruch des Stiefvaters vor (...). In der Tat schreibt § 12a Abs. 3 lit. b FZG-LU vor, dass dann, wenn mehrere Beschäftigte gleichzeitig die Voraussetzungen des FZG-LU zum Leistungsbezug erfüllen, eine ungekürzte Familienzulage ausgerichtet wird an die Person mit dem höheren Anspruch, wenn das Kind unter gemeinsamer Obhut der Beschäftigten steht.

c) Demgegenüber beruft sich die Vorinstanz in der angefochtenen Verfügung darauf,
          dass das Sorgerecht über ... und ... per 1. Juli 2000 der Mutter der Kinder (Ehefrau des Beschwerdeführers) übertragen wurde,
          dass die Mutter im Kanton Luzern zu 80% erwerbstätig sei und als Obhutsperson die Zulagen über ihren Arbeitgeber im Kanton Luzern selbst geltend zu machen habe,
          und dass höchstens eine Differenzzahlung in Betracht komme, falls die Mutter/Ehefrau aufgrund ihres Arbeitspensums keine volle Zulage beziehen könne.

3. a) Im vorliegenden Fall geht es um die Frage der Anspruchskonkurrenz, wobei folgende Personen als Anspruchsberechtigte in Frage kommen:
          X., der leibliche Vater der Kinder, welcher Unterhaltsbeiträge (Fr. 450.– monatlich) für die beiden Kinder erbringt, sofern er als Unselbständigerwerbender grundsätzlich die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. Eine gerichtliche Rückfrage bei diesem hat ergeben, dass er seit 22 Jahren als Selbständigerwerbender ... betreibt. Kinderzulagen habe er bis anhin für die beiden Knaben nie bezogen; hingegen hätte er gemäss seiner steuerlichen Selbstdeklaration für 1999/2000 einen Zulagenanspruch, da er die Einkommensgrenze gemäss § 25 FZG-LU unterschreite. Allerdings ist dieser Anspruch erst provisorischer Natur, da die Steuereinschätzung noch nicht erfolgt ist. Ab 2001 bestünde ohnehin ein Anspruch, da er auf diesen Zeitpunkt hin ... in eine Aktiengesellschaft umwandelt, womit er als Angestellter dieser AG vom Status des Selbständigerwerbenden in jenen des Unselbständigerwerbenden wechselt.
          Y., die Mutter der Kinder, welche zu 80% erwerbstätig ist und per 1. Juli 2000 das Sorgerecht über die beiden Söhne sowie die elterliche Obhut ausübt.
          Z., der jetzige Ehemann von Y., der im gemeinsamen Haushalt mit der Mutter sowie ihren Kindern lebt und mithin Stiefvater der beiden Kinder ist.

b) Bei der Bestimmung des Anspruchsberechtigten bei Anspruchskonkurrenz steht bei mehreren Ansprechern der Anspruch der Reihe nach zu:
          der Person, in deren Obhut das Kind ist (vgl.
§ 10 lit. a FZG),
          dem Inhaber der elterlichen Gewalt (vgl. § 10 lit. b FZG),
          der Person, die in überwiegendem Masse für den Unterhalt des Kindes aufkommt (vgl. § 10 lit. c FZG).

Nach dieser Regelung gilt primär das Obhutsprinzip, was grundsätzlich auch für die Anspruchskonkurrenz nach dem luzernischen Recht der Fall ist (§ 12a Abs. 3 FZG-LU). Falls dieses Prinzip die Anspruchskonkurrenz nicht zu lösen vermag, steht der Anspruch dem Inhaber der elterlichen Gewalt zu, wobei anzufügen ist, dass dieser aus dem letzten Jahrhundert stammende Begriff heute in weiten Bevölkerungskreisen als anstössig empfunden wird, weil er mit Gewalt in negativem Sinne in Verbindung gebracht wird. Dies führte dazu, dass im Zuge der Revision des Familienrechts (BG vom 26. Juni 1998, in Kraft seit dem 1. Januar 2000) im Zivilgesetzbuch (ZGB) der Terminus «elterliche Gewalt» durchgehend in Anlehnung an das deutsche bürgerliche Gesetzbuch abgelöst worden ist durch den Begriff «elterliche Sorge». Dem kantonalen Gesetzgeber ist zu empfehlen, bei einer nächsten Revision des Familienzulagenrechts die Terminologie dem ZGB anzugleichen. (Im Folgenden wird hier der neue Begriff «elterliche Sorge» verwendet).

Subsidiär ist bei der Anspruchskonkurrenz schliesslich auf diejenige Person abzustellen, welche in überwiegendem Masse für den Unterhalt der Kinder aufkommt.

c) Als Nächstes ist zu prüfen, ob ... und ... unter der elterlichen Obhut des Beschwerdeführers (Stiefvater) stehen. Der Begriff der elterlichen Obhut stammt wiederum aus dem Familienrecht (z.B. Art. 310 ZGB). Es geht dabei um eine der Komponenten der elterlichen Sorge, welche in der Regel auch durch denjenigen Elternteil ausgeübt wird, der diese elterliche Sorge innehat. Auf Grund der elterlichen Gewalt bzw. der elterlichen Sorge steht den Eltern die Obhut über das Kind zu (C. Hegnauer, Grundriss des Kindesrechts, 1977, S. 136). Wie das Verwaltungsgericht des Kantons Freiburg am 17. August 1995 und das Versicherungsgericht des Kantons Freiburg am 16. November 1995 festgestellt haben, kann auch eine extensive Auslegung des Begriffs «la garde» (frz. Terminus im ZGB für Obhut) nicht dazu führen, dass der Stiefvater diese Funktion innehat. Die elterliche Obhut kommt einzig und alleine dem natürlichen Elternteil zu, und es kann nicht von der gemeinsamen Obhut des leiblichen Elternteils (vorliegend der Mutter) und des Stiefelternteils gesprochen werden. Dabei ist festzuhalten, dass die tatsächliche Obhut («garde de faite»), d.h., die tatsächliche Pflege und Sorge für das Kind, nur im Falle der unmündigen Mutter oder im Falle von bei Dritten platzierten Pflegekindern nicht durch den Inhaber bzw. die Inhaberin des Obhutsrechtes ausgeübt wird (AHI-Praxis 1998, 134ff., besonders 136).

Diese Rechtsprechung überzeugt auch deshalb, weil die elterliche Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern bei Scheidung weiterhin vollumfänglich Pflicht und Aufgabe der natürlichen Eltern bleibt. Die Beistandspflicht nach Art. 272 ZGB ist subsidiärer Natur, die elterliche Unterhaltspflicht gegenüber den leiblichen Kindern geht der Beistandspflicht vor (vgl. Ingeborg Schwenzer, Basler Kommentar, N 2 zu Art. 272 und N 2 zu Art. 299; BGE 120 II 287f.) Die Kinder- und Familienzulagen sind eine Bedarfskomponente, welche den Leistungslohn ergänzen soll und als Erleichterung für diejenigen (vorwiegend unselbständigen) Erwerbstätigen gedacht ist, denen durch elterliche Unterhaltspflichten ein erhöhter Lebensaufwand entsteht (vgl. A. Zünd, Familienzulagen und Familienausgleichskassen der privaten Wirtschaft, SG 1955, S. 21). Auch von dieser Zielsetzung der Familienzulagen aus betrachtet, wäre es widersinnig, wenn im Falle von Anspruchskonkurrenz dem Stiefvater Priorität vor den leiblichen Eltern eingeräumt würde.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass bei geschiedenen Eltern im Falle der Wiederverheiratung des die elterliche Obhut ausübenden Elternteils der Stiefelternteil nicht im Sinne von § 10 lit. a FZG jene Person ist, in deren Obhut die Kinder sind (a. M.: SG-Entscheid vom 2.10.1990 in Rechtsprechung der kantonalen Rekursbehörden über die Kantonalen Gesetze über Familienzulagen, Sammlung BSV, 1989–1994, S. 144ff.).

Ist aber der Stiefvater nicht Obhutsperson gegenüber den Kindern ... und ..., so hat die Vorinstanz zu Recht das Begehren um Ausrichtung von Kinderzulagen abgelehnt.

(...)

Zu erwähnen ist noch, dass die Anspruchsberechtigten durch diese Lösung besser fahren, sind doch die Familienzulagen im Kanton Luzern deutlich familienfreundlicher ausgestaltet als im Kanton Schwyz (im Kanton Schwyz einheitlich Fr. 160.– pro Monat je Kind, unabhängig vom Alter des Kindes; im Kanton Luzern Fr. 165.– für Kinder bis zum vollendeten 12. Altersjahr, Fr. 195.– für Kinder vom vollendeten 12. bis zum vollendeten 16. Altersjahr und schliesslich eine Ausbildungszulage von Fr. 225.– monatlich je Kind vom vollendeten 16. bis zum vollendeten 25. Altersjahr; vgl. auch AHI-Praxis 1/2000, S. 2ff.).

(VGE 68/00 vom 22. November 2000).